Welcome to Australia – Teil 37

Ich versuchte meine Traurigkeit, darüber, dass Berry nicht mitgekommen war, so gut ich konnte zu verbergen.

„Was ist denn mit Henry?“

„Er isst nichts mehr, liegt den ganzen Tag in seinem Korb, wir müssen ihn dazu zwingen Gassi zu gehen.“

„Das hört sich nicht gut an…, ich habe es aufgeschrieben… Willst du hier bei mir warten?“

Timothy nickte. Er sah etwas unbeholfen aus. Ich verstand nicht, warum Riley nicht selbst gekommen war. Ihm war schon anzumerken, dass er ihm Schwierigkeiten hatte, weiter im Arm zu halten.

„Willst du Henry nicht hier bei mir absetzten?“, fragte ich.

Wieder nickte er. Er umrundete die Theke und kam zu mir. Ich nahm ihn Henry ab und erschrak über seine kalten Hände. Die Zwei ging auf und Abby kam auf den Flur. Sie ließ den Blick über die Menge schweifen und kam dann zu mir.

„Hallo Timothy, was führt dich denn hier her?“

Er antwortete nicht und schaute auf den Pudel, den ich auf eine Decke am Boden abgesetzt hatte. So beschloss ich, für ihn zu antworten.

„Er isst nicht mehr und verlässt nur unfreiwillig seinen Korb.“

Abby schaute zwischen Henry, Timothy und mir hin und her.

„Molly soll Henry zu mir ins Praxiszimmer nehmen und du Tom hol für Timothy einen Stuhl, er kann ja bei dir bleiben.“

Ich sah sie an, verstand erst nicht, was diese Entscheidung sollte. Aber ihr durchdringender Blick ließ keine Frage zu. So lief ich kurz in den Abstellraum und nahm mir dort einen Hocker.

Timothy sah nicht gerade glücklich aus. Ihm schien die Situation unangenehm, aber ich verstand nicht warum. Ich suchte Henrys Kartei heraus, während Molly kam den Pudel zu holen.

„Hallo Timothy…“, meinte Molly und nahm Henry auf den Arm.

„Hallo“, kam es leise von Timothy.

Molly schaute mich fragend an und ich konnte nur mit den Schultern zucken. Meine Cousine verschwand wieder und ich setzte mich neben Timothy auf meinen Stuhl. Da er anscheinend nicht reden wollte, nahm ich wieder meine Arbeit auf.

Ich gab Befunde und Rezepte in den PC ein und heftete die Ausdrucke in die Karteien ab. Langsam konnte ich so nach und nach den Berg an Papieren abarbeiten. Timothy saß eine Weile neben mir und sah einfach zu.

Irgendwann begann er ohne einen Ton zu sagen, die Karteikarte, deren Inhalt ich im PC gerade bearbeitete, heraus zu suchen und neben mich zu legen.

„Danke…“, meinte ich.

Der Flur leerte sich und auch das Wartezimmer bekam immer mehr freie Sitzplätze. Bob kam aus seinem Behandlungszimmer.

„Noch Neuzugänge?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Gut, für heute reicht es auch.“

Er lächelte Timothy an und nahm sich den nächsten Patient vor.

„So, dass sollte alles sein“, meinte ich und heftete das letzte Dokument ab.

Timothy nahm mir den Hefter ab und tat ihn in den Schrank zurück. Ich schaute ihn an und bemerkte, dass sich an seinem Zustand nichts geändert hatte. Ich ließ meinen Blick durch den Flur wandern, um sicher zu sein, dass niemand in der Nähe war.

„Was ist los, Timothy?“

Das erste Mal, seit er neben mir saß, sah er mir in die Augen. Der Blick war traurig.

„Komm, wir gehen in mein Zimmer“, meinte ich und stand auf.

Ohne einen Ton zu sagen, folgte er mir. Ich lief zu der Zwei und klopfte, bevor ich die Tür leicht öffnete. Molly und Abby kamen ins Blickfeld.

„Abby, wenn etwas ist, ich bin in meinem Zimmer. An der Theke ist alles in Ordnung.“

„Gut! Und Danke für die Hilfe“, lächelte mich Abby an.

Leise zog ich die Tür zu und verließ mit Timothy die Praxis.

*-*-*

Berry

Ich stand am Fenster und schaute auf die Straße hinaus. Hier sollte ich als jetzt wohnen. Mit dem Fahrrad zu Tom zu fahren, das war schon eine große Strecke. Mein Blick wanderte zurück ins Zimmer.

Noch war es leer, meine Sachen mussten erst geholt werden. Mum hatte meinen traurigen Blick bemerkt, aber nichts gesagt. Ich wollte aber ihrem Glück nicht im Wege stehen und Riley war ein netter Typ.

Es klopfte an meiner Tür.

„Ja?“

Die Tür ging auf und Mum kam herein.

„Hallo Berry.“

„Hi Mum.“

„Gefällt dir das Zimmer?“

Ich nickte. Eine kleine Pause entstand.

„Es tut mir Leid, Berry! Dass wir hier her ziehen…, daran kann ich nichts mehr ändern. Unser Haus ist nur noch Schrott und muss abgerissen werden. Wir können froh sein, dass wir unsere Sachen noch heraus holen dürfen.“

„Ich mach dir auch keinen Vorwurf.“

„Aber trotzdem klingst du traurig.“

„Ich bin dort aufgewachsen und…“

„Und?“

„Es ist so weit in die Schule und zu … Tom.“

Mum kam her und nahm mich in den Arm.

„Ich weiß nicht, was wird. Im Augenblick haben wir kein Geld und ob die Versicherung deines Vaters aus mangelnden Beweisen überhaupt mehr springen lässt, das steht in den Sternen.“

„Mum, du brauchst dich doch vor mir zu rechtfertigen.“

„Ich möchte, dass Lesley und du genauso glücklich seid, wie ich.“

„Das ist alles Gewohnheitssache, Mum.“

Sagte ich dass zu ihr, oder mehr zu mir, um mich selbst zu beruhigen.

„Riley hat schon so etwas angekündigt, uns finanziell zu unterstützen. Ist mir zwar nicht so Recht, aber wir könnten es gut gebrauchen.“

„Warum macht er das?“

„Weil er ein schlechtes Gewissen hat. Seine Familie hat das große Geld gemacht und wir, durch die Schuld seiner Frau…“

„… dafür kann er doch nichts.“

Mittlerweile hatte sie mich losgelassen und stand mir gegenüber.

„Das habe ich ihm auch gesagt, aber er meinte, egal was ist, er wird es bezahlen. Außerdem erwähnte er noch etwas von Führerschein und Auto.“

„Der spinnt!“

„Vorsicht, du redest vielleicht von unserem zukünftigen Stiefvater!“

Lesley hatte unbemerkt das Zimmer betreten.

„Ihr hättet wirklich nichts dagegen, wenn Riley und ich heiraten würden?“

Beide schüttelten wir ohne nachzudenken den Kopf. Mum atmete tief durch.

„Wisst ihr…, irgendwann seid ihr aus dem Haus und da wäre ich alleine…“

„Darauf kannst du noch lange warten!“, grinste Lesley und ich musste ebenso lächeln.

„Und Timothy, ihr kommt doch jetzt mit ihm aus?“

„Ja“, meinte ich.

„Wo ist er überhaupt?“, fragte Lesley.

„Riley musste ins Geschäft und da hat er Timothy gleich mitgenommen, wegen Henry. Der Pudel liegt nur noch in seinem Korb und isst nichts mehr.“

„Sie sind zu Bob?“

Mum schaute mich an und nickte.

„Da wär ich gerne mitgefahren“, seufzte ich.

„Du“, mischte sich Lesley ein, „ist vielleicht besser, wenn Timothy alleine auf Tom trifft.“

„Wieso?“, fragte Mum, welche Frage mir gerade gekommen war.

„Ich habe gestern Abend lange mit Timothy gesprochen. Er fühlt sich immer noch schuldig an der ganzen Sache mit seiner Mutter, dass er nicht früher etwas gesagt hat.“

„Das ist doch Quatsch!“, sagte Mum.

„Und gegenüber Tom hat er ein schlechtes Gewissen, weil seine Mutter auf ihn geschossen hat.“

Ich schüttelte den Kopf.

„Der arme Junge tut mir Leid. Er kann doch nichts für die Taten seiner Mutter. Du hast Recht, vielleicht ist es sogar besser, wenn er alleine auf Tom trifft und mit ihm redet.“

Mum hatte Recht, auch wenn ich zu gern zu Tom gefahren wäre.

„Lasst und runter gehen, Riley müsste auch gleich wieder kommen. Wir sollten dann gemeinsam reden wie es weiter geht.“

*-*-*

Tom

Timothy war mir ins Zimmer gefolgt und sich auf mein Bett gesetzt.

„So und nun erzähl mir, was los ist!“

„Es…, es tut mir alles so Leid…!“

Sein Kopf sank nach unten und er fing an zu weinen.

„Timothy… halt… nicht weinen“, meinte ich, ging vor ihm auf die Knie und nahm seine Hände.

„Du…, du musst mich doch hassen.“

„Wieso sollte ich dich hassen, Timothy, ich dachte wir haben alles aus der Welt geräumt“

„Ich… ich meine…, wegen meiner Mutter.“

Er sah wieder auf und wischte sich die Tränen weg.

„Was deine Mutter gemacht hat, ist schlimm, dass ist eine Sache. Aber du hast doch damit nichts zu tun!“

„Sie hat auf dich… geschossen“, meinte er wimmernd und schaute dabei auf meinen Arm.

„SIE hat geschossen und nicht du!“

„Hätte ich doch bloß viel früher etwas gesagt, dann wäre das alles nicht passiert und sie würde vielleicht noch leben.“

„Hätte…, wäre… Du kannst das nicht mehr ändern. Klar ist es schlimm, dass deine Mutter gestorben ist.“

Was redete ich da, ich konnte die Frau nicht leiden, wobei, den Tod hätte ich ihr auch nicht gewünscht.

„Daran trägst du aber keine Schuld, sie hat das alles selbst verschuldet! Du hättest nichts ändern können!“

„Du hasst mich nicht?“

Ich schüttelte den Kopf und nahm Timothy in den Arm.

„Nein sicher nicht!“

„… und dass… mit Berry?“

„Was meinst du?“

„Dass…, dass er mich geküsst hat…“

Warum ich in diesem Augenblick wegschaute und ihn losließ, wusste ich nicht.

„Das ist auch erledigt…“

„… aber ihr hattet wegen mir Stress miteinander.“

Ich schaute wieder Timothy an.

„Ich habe etwas falsch verstanden, damit Berry gekränkt und danach war er sauer auf mich. Wir haben aber darüber geredet und die Sache ist vom Tisch.“

Er brauchte nicht wissen, dass es nicht so einfach war, wie sich das eben anhörte.

„… es tut mir einfach nur Leid.“

„Timothy…, versuchen wir einfach alles zu vergessen…, machen uns keinen Kopf. Niemand von uns hat Schuld und ändern können wir auch nichts mehr.“

Er grinste mich an und nickte.

„Was?“, fragte ich.

„Manchmal könnte ich richtig neidisch werden.“

„Warum dass denn? Es ist sowie ich es sage…“

„Das meinte ich nicht.“

„Was sonst?“

„Berry…, er kann gut küssen!“

Timothy lächelte und bevor ich etwas erwidern konnte, zuckte ein Blitz draußen und der anschließende Donner ließ uns aus einander fahren.

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