Das Auge von Corellon Larethin

Die Hände auf sein Schwert gestützt, sah er in die Ferne. Er hatte keine Angst davor, was kommen würde, er hatte nur Angst, alleine zu sein, keinen Mitstreiter zu haben und auch keinen Freund. Escorian sah weit am Horizont das Dunkle aufsteigen, das seinem Volk in nächster Zeit zur Gefahr werden konnte.

Aber von wem konnte er Hilfe erwarten. Die Gnome hatten eine Vorliebe Elfen zu fangen und sie dann zu verspeisen. Zwerge hielten sie für ein eingebildetes und arrogantes Volk. Unter andere Elfenstämme, nein, es gab keinen Zusammenhalt mehr unter ihnen.

Aber trotzdem sollte er eine Armee aufstellen und gegen das Dunkle kämpfen. Die Fee Kronsilga hatte er auf seiner Seite, sie sollte auch Verbindung schaffen. Doch Escorian hatte wenig Hoffnung, dass überhaupt ihm jemand half.

Er ließ sein Schwert, sein einzigster treuer Weggefährte, zurück in den Schaft gleiten. Die Kälte, die von der Dunkelheit ausging, konnte er bis hier her spüren. Auch sah er, dass die Natur darunter litt, sich langsam zurückzog, als würde sie sich auf einen langen Winter vorbereiten.

Escorian flog zurück zu seiner Behausung. Na ja, Behausung konnte man es nicht nennen, vielleicht im weitesten Sinne. Es war eher eine Anhäufung mehrerer Äste, verdeckt mit Blattwerk. Beim nächsten, größeren Sturm, würde sie sich wahrscheinlich in Wohlgefallen auflösen.

Er trat ein und ließ sich auf seine Schlafstätte fallen. Escorian suchte verzweifelt nach Lösungen, doch in seinem Kopf waren zu viele Gedanken. Wild hämmerten sie auf ihn ein. Er stand wieder auf und entledige sich seiner Kleidung.

Man konnte sagen, dass er wegen seiner Größe zierlich wirkte, aber dennoch war er einer der stärksten seines Stammes. Und doch gleichzeitig, war er ein Einzelgänger, wohnte alleine, nicht so wie die Anderen zusammen in einer Hütte.

Nackt wie er war, legte er sich wieder auf sein Bett. Es dauerte nicht lange und Escorian fiel in einen tiefen Schlaf. Wieder kam dieser Traum, den er fast jede Nacht träumte und nicht wusste, was er damit anfangen sollte.

Seine Eltern starben bei dem großen Sturm, der viel Schaden bei den Elfen angerichtet hatte. Seit dieser Zeit war er auf sich alleine gestellt und trotzdem spürte er, dass da noch etwas war. Aber es lag im Nebel.

Das Einzigste, an das er sich nach dem Aufwachen erinnern konnte, war sein Amulett, das er um den Hals trug. Es schuf eine Verbindung, die er aber nicht richtig deuten konnte. Er wusste nur, dass es ein Gegenstück geben musste und es sehr wichtig für ihn sein musste.

Er sank tiefer ab, ins Dunkle und es wurde kalt um ihn. Escorian stand alleine da, musste sich der Kälte erwehren. Aber es war nicht so wie sonst, dass er aufwachte. Er blieb bei seinen Träumen, geriet immer weiter in den Sog seiner Gefühle.

Irgendwas oder wer war da. Er versuchte es zu ergründen, aber spürte nur eine Wärme, die ihm bis dahin fremd war.

„Wir werden uns treffen“, sagte eine ihm unbekannte Stimme.

„Wer ist dort?“, fragte er.

„Du wirst es wissen, wenn der Zeitpunkt eintrifft!“

Schwach konnte Escorian eine Gestalt erkennen, mehr aber nicht. Nun wachte er auf, saß in seinem Bett und Schweiß ran ihm von der Stirn. Er hatte das geträumt, aber es war so real, dass es wirklich passiert sein musste.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, nur ihre ersten Vorboten, ließen den Wald in einem sanften Licht erscheinen. Escorian stand auf und trat vor die Tür. Er war sich seiner Nacktheit voll bewusst, doch hier wohnte niemand in der Nähe, so konnte er beruhigt an den Teich hinunter fliegen um sich zu waschen.

Es war normalerweise nicht Elfens Sachen, sich im Wasser zu waschen, aber er liebte es. Seine Flügel behinderten ihn in keinster Weise. Er tauchte unter und genoss das kühle Nass auf seiner Haut.

Die Sonne stieg langsam auf und ließ den Tau auf den Gräsern funkeln. Ohne Mühe stieg Escorian aus dem Wasser und spürte die ersten wärmenden Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Plötzlich hielt er inne, er fühlte sich beobachtet.

Vorsichtig schaute er sich um, aber konnte niemand entdecken. Seine Flügel trockneten sehr schnell, so konnte er auch wieder zu seiner Behausung fliegen, die sich hoch oben im Wipfel, des Baumes befand.

Das Gefühl beobachtet zu werden, verließ ihn dennoch nicht. Er zog sich schnell seine Hose über und trat wieder ins Freie. Er sah im Augenwinkel eine Bewegung und fuhr herum. Ein anderer Elf versuchte sich hinter einem Ast zu verstecken.

„Feydhao?“, rief er. (Wer bist du?)

Vorsichtig trat der Gerufene aus seinem Versteck.

„A’ dao Crisar!“, antwortete der Fremde. (Ich bin Crisar!)

Escorian hasste die alte Elfensprache, benutze sie nur bei Fremden, dieses Mal mochte er aber nicht.

„Crisar heißt du also, und wo kommst du her?“, fragte Escorian.

„Ich komme vom Auenland, suche hier einen Escorian, Tschiba schickt mich“, sagte Crisar.

„Tschiba schickt dich zu mir?“

„Du bist Escorian? “

« Ja, der bin ich. Und was will Tschiba?“, fragte Escorian.

„Sie hat mich zu dir geschickt, weil du Hilfe brauchen wirst! Kronsilga hat unser Dorf besucht und uns irgendwelche Schauermärchen von der Dunkelheit erzählt.“

„Und warum bist du dann gekommen?“

„Weil Tschiba sagte, du brauchst meine Hilfe.“

Crisar hatte bei den letzten Worten, den Kopf einwenig gesenkt. Er wusste nicht recht warum er hier war, er spürte nur, dass es richtig war und hier seine Zukunft zu sein schien. Als Findelkind gefunden, wuchs er wie Escorian ohne Eltern auf.

Auch unterschied sie beide nicht, dass sie bisher immer Einzelgänger waren und auch zu den besten Kämpfern des Landes gehörten. Doch waren sie sich bisher noch nie begegnet. Crisar schaute zu Escorian, der sich ein wenig gedreht hatte und etwas an ihm aufleuchtete.

Crisar erhob sich in die Luft und flog langsam zu Escorian. Je näher er kam, desto deutlicher konnte er erkennen, was da aufleuchtete. Ein Amulett, das auch er um den Hals hatte. Er ließ sich direkt vor Escorian auf dem Ast nieder.

„Was ist? Warum scharrst du mich so an?“, fragte Escorian.

„Das Amulett!“, antwortete Crisar und deutete auf Dieses.

„Was ist damit?“

Escorian nahm es in die Hand und betrachtete es. Erst da bemerkte er, dass es sich leicht erwärmt hatte. Er hob seinen Blick und schaute in Crisars Augen. Sie funkelten ihm grün entgegen. Crisar griff unter sein Hemd und zog an einem Lederband etwas hervor.

Crisar hatte wie er, die seltene blaue Färbung der Haut, auf die er jetzt schaute. Escorian traute seinen Augen nicht.

„Ich habe dasselbe“, meinte Crisar und hob Escorian, sein Amulett unter die Nase.

Doch bevor er etwas erwidern konnte, spürte er, wie sein Amulett wärmer wurde und zu leuchten begann. Je näher, Crisar sein Amulett herbewegte umso stärker wurde das Leuchten und die Wärme.

Als sich die beiden Amulette fast berührten, war das Licht mittlerweile so hell, das Crisar und Escorian schützen ihre Hände vor die Augen hielten.

„Was ist das?“, rief Crisar ängstlich.

Escorian versuchte sein Amulett wegzuziehen, aber eine unbekannte Kraft hielt ihn davor zurück. Als sich die beiden Metalle berührten, gab es einen großen Knall. Als beide die Augen wieder öffneten, wussten sie nicht, wo sie waren.

Sie standen zwar auf einem Ast, aber nicht auf dem Baum, auf dem Escorian seine Behausung hatte. Auch hatte sich die Umgebung verändert. Ein See war zwar vorhanden, aber die Bäume und Büsche sahen ganz anders aus.

Alles war in ein gleißendes Licht gehüllt und es schien, als würde es Unmengen von kleinster Sterne regnen.

„Wo sind wir?“, fragte Crisar.

„Ich weiß es nicht“, antwortete Escorian und schaute sich weiter um.

Crisar merkte, das sich das Amulett auf Escorians Brust verändert hatte. Es schien sein Eigenes war mit dem von Escorian verschmolzen. Er sah auf seine Hand, in dem er noch immer dieses runde Metall hielt.

Es hatte ebenso die gleiche Form, wie Farbe.

„Schau!“, meinte er.

Escorian blickte zu ihm zurück und bemerkte ebenso, was mit ihren Amuletten vorgegangen war.

„Wer bist du?“, fragte er nochmals.

„Crisar, sagte ich doch bereits!“

„Nein, ich meine…, wie bist du an das Amulett gekommen?“

„Das habe ich so lange, wie ich denke kann!“

„Wisst ihr immer noch nicht, was oder wer ihr seid?“

Die doch zierliche Stimme ließ beide zusammenfahren und herum wirbeln, Eine weibliche Elfengestalt schwebte sanft über dem See. Wie die Umgebung, war auch sie in das helle Licht gehüllt.

„Mutter?“, fragte Escorian erstaunt.

„Es spricht für dich meine Junge, dass du mich erkennst!“, sagte die Elfe, die nun näher zu kommen schien.

Crisar verbarg sich ein wenig hinter Escorian.

„Warum versteckst du dich hinter deinem Bruder, Crisar, ich möchte dich sehen.“

„Bruder?“, fragte Crisar verwundert und schaute zu Escorian.

„Ja, ihr beide seit Brüder, aus dem selben Fleisch und Blut!“, antworte die Elfe.

„Mutter, aber warum…?“

„Frage nicht, Escorian, du würdest es nicht verstehen. Die Regeln sind so und daran kann man nichts ändern.“

Die Gestalt war sehr dicht herangekommen. Beide Elfen betrachteten ihre Mutter nun genau. Das Haar hing gold leuchtend bis zur Schulter herab. Auch sie hatte diese blaue Hautfärbung, wie die Beiden.

Ungläubig starrte Crisar immer noch auf die Elfe.

„Ich verstehe dich Crisar, dein Misstrauen mir gegenüber ist berechtigt. Aber irgendwann wirst du die Beweggründen von mir und deines Vaters verstehen“, meinte seine Mutter.

„Du hast Recht, im Augenblick verstehe ich überhaupt nichts mehr. Nicht was das hier soll, wo ich hier gelandet bin, wer ihr seid“, meinte Crisar und ließ sein Blick von seiner Mutter zu Escorian wandern.

„Crisar ist mein Bruder?“, fand Escorian wieder seine Worte.

Er drehte sich nun auch zu seinem Bruder und starrte ebenfalls. Erst jetzt fielen ihm die Ähnlichkeiten im Gesicht seines Bruders auf. Er hatte dieselbe kleine Nase, wie er selbst. Ebenso die Ohren neigten sich zur Spitze hin, leicht nach hinten.

Beide hatten sie das silberne Haar, mit leichtem, rotem Schein, das fast die Flügel zu bedecken schien.

„Ich habe nicht mehr viel Zeit und kann diese schützende Welt nicht mehr lange aufrecht halten. Deswegen hört mir genau zu und unterbrecht mich bitte nicht!“, sagte die Mutter.

Beide Elfen nickten. Sie hob ihre Hand und auf der Innenseite kam ein Amulett zum Vorschein, es sah dem, das die beiden Brüder um den Hals trugen, ähnlich. Vier Pfeilspitzen waren am Schaft zusammengeführt, zwei davon trugen blaue Lapislazulin, die anderen beide grüne Malachiten.

Ein Ring umfasste das Amulett und war an den Spitzen befestigt. In diesem Ringe waren vier gelbe Jaspis eingefasst. Der größte Stein jedoch, ein Feueropal, befand sich in der Mitte. Sein rotes Feuer, ließ den Rest erblassen.

Die Beiden schauten sich kurz an, bevor ihr Blick wieder zur Mutter wanderte.

„Das ist das Auge von Corellon Larethian, geschaffen von unserem Beschützer und Bewahrer des Lebens. Es wurde in vier Teile getrennt und weitergereicht an vier Brüder.“

„Wir haben noch mehr Brüder?“, fragte Crisar.

„Nein, es gibt noch ein weiteres Bruderpaar, das die beiden fehlenden Teile besitzt. Eure Aufgabe ist es sie zu finden!“

„Und wo sollen wir sie finden?“, fragte Escorian.

„Ihr werdet sie finden, mehr kann ich euch nicht sagen, nur dass dich Escorian, eine besondere Verbundenheit mit dem einen Bruder erreichen wird und das ihr alle keinen Eltern mehr habt.“

Escorians Stirn legte sich in Falten, die aber sogleich verschwanden, da seine Mutter sich wieder von ihnen entfernte.

„Und was machen wir dann?“, rief er ihr nach.

„Das wird sich finden!“, kam es von der Elfe zurück, bevor sie sich im Nebel auflöste.

Beide nahmen es nicht richtig war, aber plötzlich standen beide wieder auf dem Ast vor Escorians Behausung. Unfähig, wegen dem grad erlebten, sahen sich beide an, ohne etwas zu sagen. Crisar löste sich als erstes aus seiner Starre.

Er ging ein Schritt nach vorne und umarmte Escorian. Escorian, immer noch im Gedanken, schreckte ein wenig zurück, aber erwiderte dann doch die Umarmung.

„Die ganzen Jahre hatte ich das Gefühl, es gibt da etwas, was mir fehlt. Ich spürte eine Kraft, wusste aber nichts damit anzufangen“, meinte Crisar sanft.

„Was hältst du davon, was wir gerade erlebt haben?“, fragte Escorian.

„Ich weiß es nicht, nur, dass ich jetzt einen Bruder habe, ist etwas total Neues für mich.“

Escorian genoss die Berührung seines Bruders, er schloss die Augen, spürte die mollige Wärme, die sich in seinem Körper breitmachte.

„Ist mit dir alles in Ordnung?“, fragte Crisar.

Beide ließen von einander ab und setzten sich hin.

„Ich dachte bisher, dass ich alleine bleiben würde“, antwortete Escorian.

„Glaube ich nicht, irgendwann wird dir eine schöne Elfe über den Weg flattern, dann bist du nicht mehr alleine“, sagte Crisar und lächelte.

„Crisar, ich mache mir nichts aus Elfen, ich habe kein Interesse an der weiblichen Welt.“

„Oh!“

„Tut mir leid, falls ich als Bruder eine Enttäuschung für dich bin!“

Escorian hatte bei diesen Worten den Kopf gesenkt, seine Flügel hingen schlaff herunter.

„He, Kopf hoch. Dann kommt eben irgendwann ein starker Elf, der dir den Kopf verdrehen wird!“, meinte Crisar und strich sanft über Escorians Schulter.

„Meinst du wirklich? Welche Chance gibt es, dass sich ein anderer Elf, in so etwas zierliches wie mich verliebt?“

„Zierlich? Tschiba hat mir da etwas anderes erzählt. Deine erfolgreichen Kämpfe gegen die Gnome, deine listigen Pläne gegen die Zwerge. Von den Siegen gegen die Drax und Oger ganz zu schweigen. Escorian, Bruder, du bist wer, bekannt durch das ganze Land.“

„Warst du, bevor du mich aufsuchtest, in unserem Dorf?“, fragte Escorian.

„Ja, dort erfuhr ich, dass du hier oben am See wohnst. Und auch dort, wurde nur in den höchsten Tönen von dir geredet!“

Escorian zog sich sein Hemd über, griff nach dem Gürtel, den er um seine Taille schnallte. Er nahm sein Schert, dass im Licht der Sonne schimmerte.

„Kann ich mir das einmal ansehen?“, fragte Crisar.

Escorian reichte Crisar sein Schwert. Der nahm es in die Hand und betrachtete es. Es war eine lange dünne Klinge, mit einer alten Runenschrift, deren Bedeutung Crisar nicht kannte. Der Griff war schlicht gehalten, umwickelt mit Leder.

„Es liegt gut in der Hand“, meinte Crisar.

„Ja, es stand mir bei sehr vielen Schlachten schon zur Seite! Hast du kein Eigenes?“, meinte Escorian und schaute suchend Richtung Crisar.

„Nein, ich habe zwei Dolche!“

Schneller als Escorian schauen konnte zog Crisar zwei Dolche heraus und hob sie vor seine Nase.

Zwei imposante Dolche, die einen mit Silberdraht umwickelten Griff besaßen und damit hervorragend in der Hand lagen. Die aufwendige Parierstange bestand aus vier einzelnen Klingen, die in Richtung großer Klinge spitz zuliefen.

„Die sind sehr fein gearbeitet“, bewunderte Escorian die Dolche.

„Sind auch mein ganzer Stolz.“, antwortete Crisar.

Escorian gab die Dolche zurück und dachte angestrengt nach.

„Was ist?“, fragte Crisar.

„Wie sollen wir die Brüder finden und vor allem wo?“

„Ob wir vielleicht Tschiba oder Kronsilga fragen sollen, sie sind beide in deinem Dorf“, meinte Crisar.

„Gute Idee, Moment ich brauche noch ein paar Dinge!“, kam es von Escorian, der in seiner Behausung verschwand.

Crisar wartete, und sah sich noch ein wenig um. Der obere See lag ziemlich ruhig. E verstand, warum sich sein Bruder gerade diesen Platz herausgesucht hatte. Hier würde sich selten jemand her verirren.

Escorian kam zurück und gemeinsam flogen sie am See entlang zum Bachlauf, der den oberen See mit dem unteren See verband. Schweigend folgten sie dem Bachlauf und nach einer gewissen Zeit, tat sich der Wald vor ihnen auf.

Kretak, ein kleines Dorf am unterem Waldsee, aber eine Besonderheit, weil Waldelfe und Seeelfe hier zusammenlebten. Dieser Bund reichte schon lange zurück und deswegen war es auch nie zu Streitereien gekommen.

Die zwei Brüder näherten sich langsam dem Dorf, in dem es anscheinend etwas durcheinander zuging. Als die heran nahenden Escorian und Crisar gemerkt wurden, trat augenblicklich Stille in den Ort.

Der größte Teil der Bevölkerung war eh an dem kleinen Marktplatz versammelt. So landeten die beiden dort, genau in der Mitte.

„Wurde auch Zeit, dass ihr kommt!“

Kronsilga hatte gesprochen.

„Wieso, erwartet ihr uns?“, fragte Escorian.

„Ja, wir müssen wahrscheinlich das Dorf räumen, das Dunkle kommt bedrohlich Nahe. Ein Teil des Auenlandes hat es bereits verschlungen.“

Escorian schaut zu Crisar, der zwar die Fassung behielt, aber seine feuchten Augen ihn doch verriet. Er legt seine Hand auf Crisars Schulter und drückte ihn ein wenig. Kronsilga wandte sich an Crisar.

„Du brauchst keine Angst haben, dein Dorf wurde rechtzeitig geräumt.“

„Aber die Tiere, die ganze Natur?“, fragte Crisar.

„Crisar, keiner weiß, was sich hinter der Wand aus Dunkelheit verbirgt. Es kann alles noch da sein.“

Crisar schüttelte den Kopf und wurde von Escorian zu sich gezogen.

„He Kleiner, gemeinsam schaffen wir das! Wir sind Brüder, wer will gegen uns zwei schon ankommen?“, meinte Escorian.

Über Crisars Lippen huschte ein kleines Lächeln.

„Ach, habt ihr es endlich herausgefunden?“, fragte Tschiba, die nun auch zu den Dreien hinzugekommen war.

„Du wusstest, dass Escorian mein Bruder war?“, fragte Crisar erstaunt.

„Ja, genauso wie es Kronsilga wusste, aber wir waren und sind an ein Versprechen gebunden, wir durften es euch nicht sagen, nur euch helfen!“, meinte Tschiba.

„Dann könnt ihr uns über das andere Bruderpaar ebenso nichts sagen?“, fragte Escorian enttäuscht.

„Verraten nichts, aber weiterhelfen. Ihr müsst nach Laian, die Hauptstadt“, sagte Kronsilga.

„Zu den Hochelfen, dem eingebildeten Pack?“, meinte Crisar.

„Du weißt, dass sie nicht eingebildet sind!“, meinte Tschiba in einem strengen Ton.

Crisar senkte ein wenig betroffen sein Haupt.

„Es mag wohl sein, dass sie diesen Ruf nicht zu Unrecht haben, aber sie sind genauso ehrbar, wie der Rest des Elfenvolkes“, sprach Tschiba weiter.

„Wir müssen also nach Laian?“, fragte Escorian.

Kronsilga nickte.

„Und wie sollen wir dort die Brüder finden?“

Kronsilga zuckte mit der Schulter und legte ihren Kopf schief. Tschiba zog eine Grimasse und verbiss sich ein Lachen.

„Ich frage mich nur, wer euch dieses Versprechen abgenommen hat, den würde ich gerne mal sprechen!“, meinte Escorian leicht sauer.

„Wirst du!“, meinte Tschiba, die sogleich den Ellenbogen Kronsilga in ihrer Seite spürte.

„Halt, den Mund! Du weißt doch, was passiert, wenn wir zu viel verraten!“, sagte Kronsilga energisch.

„Ich habe doch gar nichts verraten!“, wehrte sich Tschiba.

„Am Besten wäre es, wenn ihr Beide gleich aufbrecht, ihr habt einen langen Weg vor euch!“, sagte Kronsilga.

Crisar nickte Escorian zu.

„Wir sollten ein wenig Proviant mitnehmen, nicht alle Gebiete, die wir durchqueren sind Elfenland!“, ermahnte Escorian.

„Hier, nehmt diesen Ring! Er wird euch weiterhelfen, wenn ihr in Schwierigkeiten geraten solltet. Mehr können wir beide wirklich nicht mehr tun!“, meinte Tschiba und reichte Escorian den Ring.

Dieser nahm ihn und betrachtete ihn von allen Seiten.

„Scheint mir aber nichts besonderes zu sein“, meinte Escorian, während des Betrachtens, „einzig alleine das weiße Krummschwert auf grünem Grund, das wohl als Siegel dienen sollte.“

„Dein Blick trügt dich, den dieser Ring enthält mehr Macht, als du dir vorstellen kannst! Es ist der Ring des Al – Machal“, erwiderte Tschiba.

Crisar war dabei, etwas Proviant zusammeln. Er war es gewohnt, von seinen Mitelfen komisch angeschaut zu werden, aber hier in Kretak, starrten die Anderen förmlich auf ihn. Schnell hatte er zwei kleine Bündel zusammen, die gerade so, in seinen und in den kleinen Beutel von Escorian passten.

„So, ich habe alles zusammen“, meinte Crisar und reichte seinem Bruder das Bündel.

„Dann wünsche ich euch Glück!“, meinte Tschiba und umarmte beide, ebenso Kronsilga, die sich nach ihr von den Brüdern verabschiedete.

*-*-*

Die Sonne war schon lange am Horizont verschwunden, als sich die Beiden einen Schlafplatz auf einem hohen Baum suchten. Die Gefahr hier einigen Ogers zu begegnen und dann als kulinarische Köstlichkeit auf einem Feuer zu enden, danach stand beiden nicht der Sinn.

Crisar kaute auf den Beeren herum und beobachtete Escorian, dem dass nicht verborgen blieb.

„Was ist Bruderherz?“, fragte Escorian.

„Ich kann es einfach nicht fassen, ich habe einen Bruder!“

Escorian lächelte und versuchte sich eine bequeme Stellung für den Schlaf zu suchen,

„Noch vor einer Woche fühlte ich mich sehr einsam, keine Familie oder richtige Freunde. Und wir zwei sind jetzt mehrere Stunden zusammen, und mag dieses Gefühl von Zusammengehörigkeit nicht mehr missen.“

„Ich weiß wie du dich fühlst, Crisar. Mir geht es nicht anderst, aber wir sollten jetzt schlafen. Wir haben morgen einen langen Weg vor uns.“

Sie legten sich beide nieder und fielen bald in einen tiefen Schlaf. Doch mitten in der Nacht wurden sie geweckt. Eine Gruppe Oger war unterwegs, um wohl etwas Essbares zu finden. Oger waren irgendwie das Zwischenstück von Trollen und Orks.

Ganz gegen die Meinung der Trolle, gelten die Oger, als wenigstens halbwegs intelligent. Zudem haben sie die Schlauheit und ihre Clevernis von den Orks geerbt. Ihre Stärke wiederum habe sie von den Trollen.

Ein Oger ist tödlich beleidigt, wenn man ihn für so blöd, wie ein Troll hält. Und eben diese suchten nun unter den Bäumen, nach einer Mahlzeit. Escorian und Crisar hatten sie wohl nicht bemerkt, denn zügig streiften sie unter deren Baum hindurch.

Als die Stimmen, der Oger, in der Ferne verklungen waren, schliefen die beiden auch schon wieder ein. Sie wurden erst wieder wach, als die Sonne schon den Horizont überschritten hatte. Es schien auch keine Gefahr zu drohen, denn überall konnte man Vögel zwitschern hören.

Escorian richtete sich auf und ließ seinen Blick über den Wald schweifen. Die idyllische Ruhe trog, denn auch hier würde das Dunkle alles vernichten, was sich ihm in den Weg stellte. Er rüttelte Crisar wach, der etwas brauchte, bis er wusste, wo er war.

Sie hatten sich entschieden zu laufen, denn das unwegsame Gelände, die dichten Bäume, machten ein unbeschwertes Fliegen fast unmöglich. Weiter und weiter stieg das Gelände an und irgendwann war auch die natürliche Baumgrenze erreicht.

„Da müssen wir hinüber“, meinte Escorian und zeigte auf einen Spalt zwischen zwei großen Bergkämmen.

„Sieht nicht gerade vertrauensselig aus“, erwiderte Crisar.

„Es bleibt uns nur dieser Weg, denn auf der anderen Seite befindet sich Latohia, die Stadt des grünen Schildes.“

Ohne eines weiteren Wortes erhoben sich beide in die Luft und steuerten auf den Pass zu. Dass sie ohne den Wald schutzlos ergeben waren, war ihnen aber bewusst. Es dauerte auch nicht lange, dass sie unter sich Bewegungen war nahmen.

Eine Gruppe Oger tauchte aus der spärlichen Vegetation auf, die sie anscheinend bemerkt hatten. Schon flogen ihnen die ersten Pfeile um die Ohren und sie hatten Mühe sich in der Luft zu halten.

„Ich wünschte, ich könnte einen Drachen auf sie hetzen“, meinte Escorian, der Crisar zur Seite zog, um einem Pfeil auszuweichen.

Bei diesen Worten spürte er plötzliche eine Wärme an seiner linken Hand. Er schaute hinunter und nahm war, dass der Ring an seinem Finger, der Tschiba ihm gab, zu leuchten begann. Neben den beiden verzerrte sich die Luft.

„Was ist das?“, fragte Crisar besorgt.

„Ich weiß es nicht!“, antwortete Escorian.

Beide hatten immer noch große Mühe den Pfeilen auszuweichen. Nur halbwegs bekamen sie mit, was wirklich neben ihnen geschah. Escorian traute seinen Augen nicht, aus dem nichts, trat plötzlich ein grüner Drachen hervor.

Dieser stürzte sich nach unten, direkt auf die Oger zu. Die Überraschung für die Oger, war natürlich groß. Ängstlich und total wirr, rannte die Gruppe auseinander. Einige stürzten und rollten den Berg hinunter.

Immer und immer wieder flog der Drache mit lautem Gebrüll auf die fliehenden Oger hinunter, von denen bald nichts mehr zu sehen war. Als die Gefahr verband war, verschwand der Drache so plötzlich, wie er gekommen war.

„Das ist also die Macht, die von dem Ring ausgeht!“, meinte Escorian und hob seine Hand.

Das Glühen hatte abgenommen. Escorian verspürte keine Wärme mehr.

„Dass du Drachen erschaffen kannst?“, fragte Crisar.

„Ich glaube nicht nur Drachen, dass hatte ich mir ja gewünscht!“

„Lass und weiterfliegen, mir wird kalt“, sagte Crisar und nahm wieder die Richtung Pass auf.

Escorian folgte Crisar in kurzem Abstand, nicht aber ohne den Untergrund im Auge zu behalten. Neue Überraschungen wollte er aus dem Weg gehen. Ohne Zwischenfälle erreichten sie den Pass. Scharfe Felskanten ragten meterweit empor, der Durchlass recht schmal.

Ein paar Schneeflocken bahnten sich ihren Weg nach unten. Crisar sank ein wenig ab.

„Sollen wir lieber weiter laufen? Die Kälte macht dir zu schaffen!“, sagte Escorian besorgt.

„Ja, ich fühle mich plötzlich so taub“, antworte Crisar.

Langsam sanken sie dem Boden entgegen.

„Ist es noch weit?“, fragte Crisar und rieb sich an den Schultern.

„Nein, noch ein paar Meter und wir müssten schon das Tal sehen, in dem Latohia liegt.“

Escorian schien Recht zu behalten, nach einer Biegung weitete sich der Fels. Vor ihnen tat sich ein weites Tal auf, in dessen Mitte sich die Stadt Latohia befand. Ein Geräusch von vorne ließ die beide Elfen zusammenschrecken.

Ein leichtes Surren war zu hören, und ein Pfeil schob in den Boden, genau zwischen Escorian und Crisar. Blitzschnell hatten beide Ihre Waffen gezogen.

„Wer seid ihr?“, hörten wir jemanden rufen.

„Crisar, aus dem Auenland und sein Bruder Escorian!“, rief Crisar.

Ein grüner Waldelf trat hinter einem Felsvorsprung hervor.

„Und was wollt ihr hier. Für Seeelfen ist hier nicht unbedingt die freundlichste Gegend“, meinte der Fremde.

„Für Waldelfen aber auch nicht!“, sagte Escorian, der immer noch mit seinem Schwert in Abwehrstellung stand.

So schnell wie Crisar seine Dolche herbeigezaubert hatte, so verschwanden sie auch wieder in seiner Kleidung.

„Wir sind auf dem Weg nach Laian! Wir suchen dort jemanden“, sagte Crisar.

Escorian knuffte ihm in die Seite und schüttelte leicht den Kopf.

„Was denn, ich werde schon nichts verraten!“, meckerte Crisar leise.

Es traten noch mehr Waldelfen hervor und Escorian ließ ebenso sein Schert in die Lederscheide zurück gleiten. Seine Abwehrhaltung behielt er dennoch bei.

„Mein Name ist Matran, wir sind die Kundschafter unserer Stadt“, meinte der Fremde.

Er hielt Crisar die Hand entgegen, die dieser zögerlich in die Hand nahm und schüttelte, was eigentlich gegen die Gewohnheit der Elfen war.

„Habt ihr irgendwelche Orks oder Oger gesehen, auf dem Weg hierher?“, fragte Matran weiter.

Escorian schaute kurz zu Crisar.

„Oger schon, aber sie sind uns nicht gefolgt!“, antwortete Crisar.

Matran hob kurz die Hand. Zwei der anderen Waldelfen rannten an ihnen vorbei, in Richtung des Passes, den sie gerade gekommen waren.

„Nur zur Sicherheit!“, meinte Matran.

Für einen Bruchteil einer Sekunde trafen sich die Blicke eines der Waldelfen und Escorian. Er spürte die Kraft, die von seinem Amulett ausging, auch, dass irgendetwas Besonderes von diesem Waldelfen ausging. Kurz schaute er ihm nach, der im Gegensatz zu den Anderen, komplett in Schwarz gekleidet war, bevor dieser hinter der Biegung verschwand.

Crisar starrte ihn kurz an und griff sich an die Brust, wo Escorian dessen Amulett vermutete. Escorian nickt kaum sichtlich mit dem Kopf. Bevor sie sich wieder Matran widmeten. Dieser schaute kurz zwischen den Brüdern hin und her.

„Wenn meine zwei Männer zurück sind, könne wir aufbrechen!“, sagte Matran.

Matrans Leute verteilten sich ein wenig und setzten sich.

„Wie sieht es aus im Auenland?“, fragte Matran.

„Ich weiß es nicht, das Dunkel…“, Crisar stoppte mitten im Satz.

„Was wisst ihr über die große Gefahr, das Dunkel?“, fragte Escorian.

„Wir haben davon gehört, dass irgendeine Gefahr lauern soll, aber wir haben ja diese Berge als Schutzwall!“, antwortete Matran.

„Seit euch da nicht so sicher, dass Dunkel verschlingt alles was sich ihm in den Weg stellt!“

„Woher wisst ihr?“

„In unserer Gegend fliehen alle, die Natur bereitet sich auf einen langen Winter vor, und das im Sommer. Die Tieren verschwinden, gepflanztes, gedeiht nicht.“

„Könnt ihr mich zu unserem Herrscher Haglagan begleiten und ihm davon berichten?“, fragte Matran.

Crisar und Escorian nickten. Es dauerte nicht mehr lange und die zwei Elfen kamen zurück.

„Und etwas gefunden, Selmir?“, fragte Matran.

„Der Genannte schüttelte den Kopf.

„Also gut, dann brechen wir auf, zurück nach Latohia.“

Escorian reihten sich in die Truppe ein, die einem langen und steilen Pfad folgten, der sie zur Stadt hinunter führte. Escorian bemerkte, dass dieser Selmir immer wieder den Kopf zu ihm wandte.

„Hast du das Gleiche gespürt, als dieser Selmir an uns vorbeilief?“, fragte Crisar leise.

„Ja, mein Amulett hat sich gemeldet!“, antwortete Escorian.

„Meinst du, er ist einer von denen, die wir suchen?“

„Weiß ich nicht, wär ja wirklich einfach, aber lass uns erst mal zusehen, was da auf uns zukommt!“

Crisar nickte und lief einem Waldelf weiter hinterher. Der Abstieg war schwierig, und Crisar wünschte sich, fliegen zu können, aber mit Rücksicht auf diese Waldelfen, blieb er auf dem Boden und lief.

Escorian dachte ebenso. Aber etwas anderes ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Dieser Blick des Elfen. Immer wieder schaute er auf, beobachtete Selmir, der zwei Elfen vor ihm lief. Sein langes, braunes Haar hing gepflegt über die Schultern.

Seine starke Muskulatur war trotz der weiten Kleidung zu erkennen. Er war etwas größer als die anderen Waldelfen, Auch die grüne Farbe seiner Haut schien heller zu sein, als die seiner Artgenossen.

Aber alles in allem, fand Escorian, Selmir traumhaft schön, ertappte sich bei dem Gedanken, dass er schon mehr für diese Elfen empfand, als ihm gut tat.

Der Weg wurde flacher und vor ihnen tat sie ein großes Bollwerk auf. Sie schritten auf ein großes Tor zu, das von unzähligen weiteren Elfen bewacht wurde. Beim Durchschreiten des Tores, empfand Crisar die Blicke der anderen Waldelfen, als nervend.

Er verstand nicht, was so besonderes daran war, dass sie Seeelfen waren. Sie waren doch alle von der gleichen Rasse. Nur weil sie verschiedene Aussehen hatten? Für Crisar war das kein Grund, einem Elfen anderer Herkunft, nicht das gleiche Vertrauen entgegenzubringen, wie er es bei seines Gleichen tat.

Escorian studierte das Mauerwerk, die Toreinheiten und wunderte sich, dass die Waldelfen, wie ihr Name schon sagte, nicht im Wald lebten, sondern sich hinter dicke Maueren versteckten. Nach dem dritten Tor aber, wurde er eines Bessern belehrt.

Die Stadt selbst, lag in einem dichten Wald. Die Strassen waren zwar deutlich zu erkennen, aber die Häuser, oder oftmals auch die Hütten, waren an die Bäume gebaut oder auch auf ihnen. In den Strassen herrschte reges Leben.

Kleine Elfenkinder sprangen herum, spielten Spiele, die Crisar noch nie gesehen hatte. Überall wurde gearbeitet, sei es nur sauber gemacht. Überhaupt sah hier alles sehr gepflegt aus. Die Gruppe bog auf einen Art Marktplatz ein, wo sich ein großes Steinhaus befand.

„Wartet hier, ich werde euch melden!“, meinte Matran und ließ uns stehen.

Es dauerte eine Weile, bis Matran wieder aus dem Steinhaus heraus trat. Er nickte kurz seinen Leuten zu, die sich dann langsam entfernten. Bis auf Selmir, er blieb bei uns stehen.

„Haglagan empfängt euch nun!“, sagte Matran und machte eine einladende Bewegung Richtung Tür.

Die zwei Seeelfen folgten ihm die Treppe hinauf und betraten das Haus. Als sie eine weitere Tür durchschritten hatten, befanden sie sich in einem Art Sala Mandra. Aber man könnte es auch als Lentra Kabis bezeichnen, soviel Bücher hier herum lagen oder sich in den Regalen befanden.

„Das ist unser gesamtes Wissen, der Waldelfen!“

Escorian und Crisar drehten sich herum. Ein weiterer Waldelf war erschienen.

„Ich bin Haglagan, Herrscher von Hadran“, sagte der Elf.

„Escorian von Kretak und mein Bruder Crisar aus dem Auenland“, kam es von Escorian.

Escorian ließ seinen Blick über die Bücher wandern.

„Wäre schade, wenn dies hier alles vernichtet wird“, meinte er.

„Du meinst das Uûna ´ze?“, fragte Haglagan.

„Ja, die tödliche Dunkelheit, wandert unaufhaltsam durch das Land.“

„Unsere Stadt umgibt ein magisches Feld!“

„Und wie lange wird das halten?“, fragte Escorian und spürte plötzlich die Gegenwart von Selmir.

„Selmir, mein Sohn. Schön dich zu sehen!“, sagte Haglagan.

„Vater!“, erwiderte Selmir und nickte.

„Du bist sein Sohn?“, fragte Crisar.

„Ja, das ist Selmir von Latohia, Sohn des Haglagan, zukünftiger Herrscher von Latohia“, meinte Haglagan stolz.

„Vater, bitte!“, meinte Selmir leise.

Crisar schaute Escorian an, der enttäuscht seinen Blick senkte.

„Was ist junger Elf, was schaust du so betrübt?“, fragte Matran.

Escorian schaute kurz zu Crisar, der im zunickte.

„Wir sind die Bewahrer des Auges von Corellon Larethian“, begann Escorian, „wir wurden ausgesandt, gegen Uûna ´ze zu kämpfen, dass das Leben, welches wir wahren, vernichten wird.“

Escorian und Crisar holten gleichzeitig ihre Hälfte des Amuletts hervor, das sich nun in einem gleißenden Licht hüllte.

„Ich verstehe nicht. Selmir kann keiner der Bewahrer sein, er hat einen Vater!“, sagte Crisar.

Escorian schaute zu Selmir, dessen Hand auf seiner Brust ruhte. Er verstand es auch nicht. Selmir zog langsam an der Kette, die um seinen Hals hing.

Zum Vorschein kam der dritte Teil des Amulettes. Selmir drehte es und schaute es sich an. Haglagan schritt langsam auf ihn zu.

„Junge, ich glaube, ich muss dir etwas sagen!“, meinte er leise, senkte seinen Kopf.

„Ja, Vater?“, kam es von Selmir und ließ das Amulett sinken.

Sein Vater drehte sich weg und lief zum Thron.

„Wie soll ich es dir sagen?“, sagte Haglagan und schüttelte den Kopf.

Selmir schaute ihn verwundert an.

„Ganz am Anfang meiner Herrscherzeit, hatten deine Mutter und ich den Wunsch nach einem Kind. Doch da kam der Überfall der Orks dazwischen, den wir zwar niederschlagen konnten, aber mit großen Opfern verbunden war.“

Traurig senkte Haglagan seine Stimme und schaute auf ein Bild, dass Selmirs Mutter darstellte.

„Sie wurde bei dem Versuch mich zu warnen verletzt, weil ich in einen Hinterhalt der Orks geraten war. Sie starb in meinen Armen. Doch bevor sie starb, erschien uns eine Fee. Sie wusste um unseren Wunsch nach einem Kind.“

Haglagan schluckte schwer, nahm einen Kelch und trank daraus.

„Der Preis war hoch, Selmir, ich verlor deine Mutter und bekam dich dafür!“

„Wie, du bekamst mich?“, fragte Selmir, dem Tränen in den Augen standen.

„Die Fee überreichte mir ein Bündel. In dem Bündel lagst du, ein kleiner winziger Kerl, der mich anstrahlte. Du warst das letzte, was deine Mutter sah, bevor sie starb. Ihre letzten Worte waren >Nenne ihn Selmir, erziehe ihn wie dein Sohn, schenke ihm die Liebe, die mir jahrelang zu Teil wurde<.“

Einen Augenblick herrschte Stille im Saal.

„Ich bin nicht dein Sohn?“, flüsterte Selmir fast.

„Du wirst immer mein Sohn sein!“, sagte Haglagan, lief zu Selmir und nahm ihn in den Arm.

Selmir fing leise an zuweinen.

„Die Fee gab mir noch etwas mit auf den Weg. Du seist zu etwas Großen erkoren und irgendwann würde die Zeit kommen, wo du dich aufmachen würdest, um für Jenes zu kämpfen, für welches du bestimmt bist!“

Selmir hob seinen Kopf, schaute erst seinen Vater an und dann Escorian und Crisar.

„Ich spürte schon etwas, als ich zum ersten Mal an dir vorüber lief, Escorian“, sagte Selmir mit gefasster Stimme.

Er ging die wenige Schritte zu Escorian hin und blieb vor ihm stehen. Sein Teil des Amulettes schien jetzt im selben Licht, wie das von Crisar und Escorian. Crisar gesellte sich zu ihnen und hob sein Amulett. Escorian und Selmir taten ihm es gleich.

Wie schon einmal tauchte um sie herum alles in einen Nebel. Als sich die Teile des Amuletts berührten, bebte leicht die Erde unter ihren Füssen. Das gleißende Licht nahm an Stärke zu und wieder mussten sie sich die Hände schützend vor ihre Augen halten.

„Was ist das?“, rief Selmir ängstlich.

„Keine Angst Selmir, dir wird nichts geschehen!“, sagte eine Stimme.

„Mutter!“, rief Crisar.

„Ja mein Sohn, ich bin es. Ihr habt Selmir gefunden, aber ihr müsst weiter ziehen, die Zeit drängt!“

„Kannst du uns nicht mehr sagen?“, fragte Escorian, etwas verzweifelt.

„Nein Escorian, ich habe einen Schwur geleistet. Haltet euch an Tschibas Rat und geht nach Laian!“

Bei diesen Worten fing der Nebel an, sich aufzulösen.

„Mutter warte!“, rief Crisar, aber sie standen wieder im Thronsaal.

Haglagan und Matran standen ehrfürchtig vor ihnen.

„Bin ich euer Bruder?“, fragte Selmir.

„Nein, das bist du nicht!“, antwortete Escorian.

Traurig senkte Selmir seinen Kopf.

Escorian nahm Selmirs Amulett in die Hand und hielt es ihm vor sein Gesicht. Es fehlte nun noch eine Pfeilspitze mit den grünen Malachiten.

„Schau es dir genau an, und du wirst bemerken, dass noch ein Teil fehlt. Dieses Teil besitzt dein Bruder, welches unsere Aufgabe ist, ihn zu finden“, erklärte Escorian.

„Ich habe doch einen Bruder?“, fragte Selmir leise.

„Ja!“, sagte Crisar, mit einem Lächeln, „und wir werden ihn finden, so wie wir dich gefunden haben!“

Selmir schaute zu Haglagan.

„Ich weiß Sohn, was du jetzt denkst. Aber ziehe mit den Beiden, denn es deine Bestimmung.“

Selmir rannte auf seinen Vater zu und fiel ihm in die Arme, danach schaute er ihm ins Gesicht.

„Warum hast du mir nie etwas darüber gesagt?“, fragte Selmir.

„Ich hatte Angst, ich verliere dich!“, antwortete Haglagan.

„Du wirst mich nie verlieren Vater, ich werde immer dein Sohn sein. Und wenn ich mit Escorian und Crisar meine Bruder finde, hast du noch einen zweiten Sohn dazu!“

Das schien Haglagan irgendwie zu versöhnen, der wusste, dass nun ein rascher Abschied bevor stand.

„Komm gesund zurück, Selmir!“, sagte Haglagan und presste seine rechte Faust auf sein Herz.

Matran neben ihm tat das Gleiche und nickte ihm zu. Selmir verneigte sich vor beiden und verabschiedete sich mit demselben Gruß.

*-*-*

Sie hatten schon längst die Stadtgrenze hinter sich gelassen und waren auf einer Anhöhe, als sich Selmir noch einmal umdrehte.

„Ihr müsst wissen, ich bin nie groß von dieser Stadt weggekommen!“, meinte er.

„Du wirst sie wieder sehen“, meinte Crisar, obwohl er genau die Dunkelheit am Pass sah, den Weg den sie nach Latohia genommen hatten.

„Wir müssen weiter!“, sagte Escorian.

Selmir spürte eine Hand auf seinen Schultern. Er drehte leichte seinen Kopf nach Rechts und schaute in die Augen von Escorian, dessen strähniges Haar sich im Wind bewegte. Er lächelte sanft und Selmir erwiderte dieses Lächeln.

Selmir lief voraus und die Zwei folgten ihm.

„Muss ich mir jetzt Sorgen machen um dich, Bruderherz?“, fragte Crisar.

„Wieso denn?“, fragte Escorian.

„Ja, wegen Selmir! So wie du ihn angeschaut hast, fühlst du bereits mehr für ihn, wie du zugeben willst!!

„Vielleicht hast du recht, vielleicht auch nicht. Ich kann es dir nicht sagen, Crisar. Von diesem Jungen geht etwas aus, dass tief in mir etwas rührt, etwas, was ich bisher noch nicht gefühlt habe.“

„Du bist verliebt!“, sagte Crisar grinsend.

„Ach Quatsch!“, tat es Escorian ab.

Einige Minuten später, drehte sich Escorian wieder zu Crisar.

„Du meinst wirklich…?“

„Ja, Escorian, ich hatte schon eine Freundin, ich weiß wie sich das anfühlt.“

„Mein kleiner Bruder hatte also schon eine Freundin!“, grinste Escorian.

„Ja und, ich bin ein ganz normaler Elf.“

„Ich nicht?“, meinte Escorian ein wenig verletzt.

„Doch du auch, du hattest nur noch keine Gelegenheit, diese Gefühle auszukosten.“

„Könnt ihr dahinten nicht ein bisschen schneller laufen?“, rief Selmir ihnen zu.

„Dein Schatz ruft, folge ihm!“, sagte Crisar und lachte.

„Pah!“, machte Escorian und folgte Selmir weiter.

„Ach bevor ich es vergesse, nimm du den Ring!“, sagte er zu Crisar und reichte ihm den Ring.

„Wieso ich?“

„Damit du dich wenigstens verteidigen kannst!“, lachte Escorian und rannte zu Selmir.

Crisar grinste und folgte den beiden.

Es war spät geworden in Hadran, alle drei waren sichtlich erschöpft, von ihrem Fußmarsch.

„Ich denke, wir sollten uns ein Platz zum Schlafen suchen“, sagte Escorian.

„Hier, mitten im Wald?“, fragte Selmir.

„Wo denn sonst, hier ist genügend Schutz, vor Herumtreibern!“

„Ich kenne mich noch nicht so gut aus“, wollte sich Selmir entschuldigen.

„Kein Problem, ich habe im Wald gelebt!“

„Kommt ihr bitte mal, ich habe eine schöne Stelle gefunden!“, rief Crisar vor ihnen.

Escorian und Selmir folgten den Rufen durch das dichte Dickicht. Vor ihnen tat sich eine Lichtung auf. Der Sternenhimmel spiegelte sich in einem Teich, der sich hier verbarg. Escorian lächelte, als er das Nass sah.

„Gute Stelle“, lobte er Crisar.

Er legte seine Waffe ab, zog auch noch die restliche Kleidung aus, bis er nackt wie er geschaffen war, in das Wasser sprang. Der helle Mond ließ ein sanftes Licht auf diesen Platz fallen, so schaute Selmir verschämt und gleichermaßen erstaunt zu. Escorian tauchte wieder mit dem Kopf auf.

„Ihr müsst unbedingt reinkommen, das ist so erfrischend!“, rief er.

Mit kräftigen Zügen schwamm Escorian zu ihnen zurück und stieg aus dem Wasser. Er schüttelte sein silbernes Haar und im Mondenschein, sah es aus, als würden tausende von Funken von ihm abfallen.

Selmir war erstarrt, während Crisar neben ihm sich bereits ausgezogen hatte.

„Was ist?“, fragte Escorian.

Selmir löste sich aus seiner Starre und schluckte schwer.

„Ich habe noch nie einen so schönen Elfen gesehen“, meinte er und berührte sanft Escorians Brust.

Escorian wurde leicht verlegen. Selmir ließ seine Augen über ihn wandern. Seine kräftige Muskulatur glänzte im Mondlicht, ließ eine geheimnisvolle Aura um ihn scheinen. Ihre Gesichter wanderten langsam aufeinander zu.

„Danke, dass hat noch niemand zu mir gesagt“, sprach Escorian leise.

Nur ein fingerbreit trennte die Beiden voneinander. Sanft berührte Escorian die Lippen von Selmir, dessen Hand über seinen Rücken wanderte.

„Wurde auch langsam Zeit, so wie euch den ganzen Mittag schon anschmachtet!“, rief Crisar, der unbemerkt von den Beiden, sich bereits im Wasser befand.

Escorian und Selmir fuhren auseinander. Crisar entstieg wieder dem Wasser.

„He, ihr Beiden, nun schaut doch nicht so. Ich freue mich für euch!“

Selmir lächelte schüchtern und Escorian nahm seinen Bruder kurz in den Arm.

„Selmir, willst du nun schwimmen gehen oder hier die ganze Nacht, wie angewurzelt hier stehen?“, fragte Crisar.

Selmir lächelte weiter und während Crisar und Escorian beide wieder ins Wasser sprangen, entledigte sich Selmir langsam seiner Sachen. Langsam stieg er in das kühle Nass, sich bewusst, das nun ein Augenpaar auf ihn gerichtet war.

Er spürte die Frische, wie sie in seinem Körper aufstieg und die Müdigkeit der Glieder entweichen ließ. Mit starken Zügen schwamm er zu Escorian, der sich in der Mitte des Teiches befand.

„Liegt es am Amulett, dass ich mich so stark zu dir hingezogen fühle Escorian?“, fragte Selmir, als er sich näherte.

„Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich mich sehr stark mit dir verbunden fühle.“

Sie waren noch eine Weile im Wasser, bevor ihnen die Kälte in die Glieder stieg und sich entschlossen einen Schlafplatz zu suchen. Es war Selmir wieder, der sich wunderte, als Escorian und Crisar auf einen Baum zuhielten.

Als sie ihm erklärten, dass dies ein sicherer Platz sei um nicht im Schlaf überrascht zu werden, willigte er ein. Um aber Selmir die unnötige Steigerei zu ersparen, zogen die zwei Seeelfen mit Kraft ihrer Flügel, ihn einfach auf den Baum.

„Und wenn ich runterfalle?“, fragte Selmir.

„Wirst du schon nicht!“, sagte Escorian und nahm ihn in den Arm, zog ihn zu sich.

Schnell waren alle drei entschlummert.

*-*-*

Ein tiefes Grollen und das Beben der Erde riss die drei am Morgen aus dem Schlaf.

„Was war das?“, fragte Selmir ängstlich, der immer noch in den Armen von Escorian lag.

Escorian sah Crisar an, der ihm zunickte.

„Ich denke das Dunkel hat die Stadt erreicht!“, meinte Crisar.

„Dann müssen wir zurück und helfen!“, rief Selmir und wollte sich aus seiner Umklammerung befreien.

„Nein Selmir, wir haben eine andere Aufgabe, wir müssen deinen Bruder finden, sonst ist das ganze Elfenland verloren!“, sagte Escorian ernst.

„Aber mein Vater?“

„Die können sich selber helfen, wir müssen nach Laian!“

Mit traurigem Gesicht stand Selmir auf und nahm seine Bogen auf. Crisar und Escorian flogen ihn zum Boden hinab, wo sich gleich losrannten. Es schien wirklich keine Zeit mehr, dass Dunkle rückte unaufhaltsam näher.

Sie waren schon eine Weile gerannt, als schon erste Häuser am Waldrand zu Vorschein kamen. Einzelne Häuser mit großen Feldern, die wohl die Versorgung der Hauptstadt sicherten.

„Kannst du reiten?“, fragte Crisar Selmir.

„Ja, warum?“

„Dann nimm dir da drüben das Pferd und wir fliegen. Dann kommen wir noch schneller voran.“

Selmir ging zu der Elfe, auf dessen Wiese das Pferd stand. Es dauerte nicht lange und er kam mit dem Pferd zurück.

„Nun los, wir müssen uns beeilen, wir sind zwar in Laian, aber wissen nicht wo wir suchen müssen“, sagte Crisar.

Selmir stieg auf das Pferd und ritt los. Escorian und Crisar erhoben sich in die Luft und folgten ihm. Crisar hatte Recht, so ging es wirklich schneller, denn bald hatten sie die dicken Mauern der Stadt erreicht.

Zwei Halbelfen standen am Tor zur Wache.

„Halt wohin?“, meinte der Eine und hob sein Speer hoch.

„Wir müssen dringend zu eurem Herrscher, der Stadt droht Gefahr!“, rief Crisar.

Der Halbelfe fing zu Lachen an.

„Siehst du diesen Mauern? Die haben bis jetzt jeden Angriff abgewehrt!“

Selmir stieg vom Pferd und ging zu ihm.

„Ich bin Selmir von Latohia, Sohn des Haglagan, zukünftiger Herrscher von Latohia, ihr verkennt die Lage! Bringt mich zu eurem Herrscher, oder es wird euch schlecht ergehen!“, brüllte er.

Escorian zog sein Schwert, um das Gesagte zu bekräftigen.

Der Halbling wich zurück. Er verneigte sich kurz und wies den Fremden den Weg. Selmir war wieder aufs Pferd gestiegen und Escorian und Crisar erhoben sich wieder in die Luft um dem Halbling zu folgen.

Die Hochelfen, die ältesten und weisesten der elfischen Rasse, waren vor langer Zeit die Begründer Hadran. Das unsterbliche Reich, dem schönsten aller Länder des Kontinents. Dort, in der Hauptstadt Laian, regiert mit Gerechtigkeit Odiwar Futhamos, der Hochkönig des Volkes der Elfen.

Hier fand man in jedem Bauwerk, jedem Buch, jedem Blatt eines jeden Baumes, das Wissen der Elfen Bei vielen der anderen Rassen galten die Hochelfen schon immer als besonders hochmütig, eigensinnig und arrogant, wahrscheinlich nicht zu unrecht.

Jedoch muss man den Elfen Hadrans auf der anderen Seite zugute halten, dass sie Verfechter des Lichtes sind und jeden wahren Freund mit Leib und Leben schützen.

Hier war die größte Ansammlung an Elfen, die Escorian je zu Gesicht bekommen hatte. Neben Seeelfen und Waldelfen, gab es natürlich sehr viel Hochelfen. Sie waren ein wenig größer, als er selbst und hatten starke Ähnlichkeit mit Menschen.

Ihre langen Gewänder, die bis zum Boden fielen, bewegten sich leicht schwebend, bei jedem Schritt den sie taten. Die helle Haut ließ sie aber nicht blass erscheinen, sondern gab ihrem Liebreiz noch mehr Ausdruck.

Der Halbling machte vor einem Haus halt und klopfte an die Tür. Es dauerte nicht lange und eine hoch gewachsene Elfe trat heraus.

„Was willst du Halbling?“, fragte die Elfe.

Er zeigte auf die Drei und murmelte etwas.

„Nun gut, geh zurück auf deinen Posten“, meinte der Elf.

Der Halbling verbeugte sich noch einmal und verschwand.

„Ihr wollt also zu unserem Herrscher, Selmir von Latohia?“

Selmir, der inzwischen von seinem Pferd abgestiegen war, nickte mit dem Kopf. Escorian und Crisar landeten neben ihm. Der Elf gab ein Wink und jemand kam und nahm Selmir das Pferd ab.

„Dann folgt mir!“, sagte die Elfe und schritt die Strasse weiter.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, führte der Elf sie weiter durch die Strassen, bis die sich zu einem Platz öffnete, hinter dem das Schloss begann. Escorian ging dies alles zu langsam, er wusste wie nah die Gefahr schon war. Hier anscheinend niemand.

Aber der Elf machte keine Anzeichen etwas schneller zu gehen. Bald hatten sie das erste Tor erreicht, dass sie ohne weiteres durchschreiten konnten. Nach mindestens vier Vorhöfen, kamen sie an ein weiteres Tor, wo ihnen der Elf Einhalt gebot.

Er sprach in alter Sprache mit der Wache.

„Semiama! Uid Verik to ratis a daro Biumfeya, Feyladri fiaha Lainfeya riga se kron!”, sprach der Elf.

“Was hat er gesagt?”, flüsterte Selmir.

„Er hat ihn begrüßt und meinte er bringt einen Auenelf, einen Elf der Lüfte und einen Waldelf zum hohen Rat“, antwortete Escorian leise.

„Sa! Tir quen, bha!“, meinte die Wache.

„Eorla!“, erwiderte der Elf.

Selmir schaute Escorian an.

„Der Elf soll auf uns aufpassen und was wir sagen!“, flüsterte Escorian wieder.

„Nun, du bist der Elfensprache mächtig, das trifft sich gut! Vor dem Rat wird nur so gesprochen“, meinte der Elf überheblich.

Jetzt war Escorians Geduld am Ende.

„Es ist mir völlig egal, was für Regeln hier herrschen. Ich werde da nun reingehen, vor den Rat treten und ihm sagen, was ihnen bevorsteht“, meinte er.

„Du willst uns drohen?“, fragte der Elf und zog sein Schwert.

„Nicht so schnell!“, meinte Crisar und hatte schon einen Dolch am Hals der Elfe.

„Wenn er etwas sagt, stich zu!“, meinte Escorian und betrat mit Selmir das Haus.

Sie folgten den Stimmen und kamen in einen großen Saal, wo sie auch die Wache von der Tür wieder sahen.

„Es tut mir leid, eure Unterhaltung zu unterbrechen, aber es gibt keinen Aufschub für meine Informationen!“, meinte Escorian laut.

Der Wächter fuhr herum und zog sein Schert. Aber Selmir war schneller und hatte bereits seinen Bogen gespannt. Die Wache hielt inne.

„Wer seid ihr?“, rief einer der Elfen, die im Halbkreis auf Stühlen saßen.

Escorian bemerkte, dass dort nicht nur Hochelfen saßen, sondern auch See und Waldelfen sich befanden. Selmir senkte seine Bogen und trat mit Escorian vor.

„Ich bin Selmir von Latohia, Sohn des Haglagan, zukünftiger Herrscher von Latohia und neben mir Escorian von Kretak!“

„Ich kenn dich Selmir, Sohn des Haglagan, was führt die zu uns?“, fragte der Elf weiter.

Er gab der Wache einen Wink und dieser verschwand aus dem Saal. Es dauerte nur etwas, und die hochnäsige Elf von draußen, trat mit Crisar ein. Der Elf ging sofort in die Knie und murmelte irgendetwas.

„Erhebe dich Timor! Wen bringst du da?“

„Das ist Crisar aus dem Auenland, mein Bruder, hoher Rat“, sagte Escorian und ließ diesen Timor nicht zum Wort kommen.

Und was führt euch zu uns“, fragte ein andere Elf, aus dem hohen Rat.

„Uûna `ze!“, sagte Escorian.

Ein Raunen ging durch den Rat, einige belächelten Escorian sogar.

„Wir wissen über die Gefahr Bescheid, aber warum euer Kommen?“, fragte wieder die Elfe.

„Kennt ihr das Auge des Corellon Larethian?“, fragte Escorian.

Plötzlich verstummte es im ganzen Raum, Escorian hörte nur sein Herz schlagen. Die hohen Räte fingen leise untereinander zu reden an. Escorian schaute kurz zu Selmir und Crisar, die beide nur mit der Schulter zuckten.

Der Elf, der in der Mitte saß, erhob sich.

„Ja, wir kennen das Auge des Corellon Larethian! Aber es gilt als verschollen.“

„Jetzt nicht mehr!“, kam es von Escorian und zog sein Amulett hervor.

Crisar und Selmir taten es ihm gleich.

Der Rat schaute entsetzt, einige sprangen sogar auf. Escorian sah, wie einer der Elfen, er schien sehr alt zu sein, sich erhob und seine Hand hob. Augenblicklich wurde es ruhig im Raum.

„Es steht geschrieben, es wird das Land in das Dunkle tauchen und viel Verderben und Schmach bringen. Aber es gibt eine Kraft, geteilt von vier Brüdern, die das Land retten werden, mit der Kraft des Auges!“

Der alte Elf setzte sich wieder und schwieg.

„Das kann doch nicht sein…“. sagte ein Waldelf.

„Warum denn nicht?“, kam es von einem Seeelfen.

„Bevor wir hier jetzt alles zerreden, haltet ein!“, sagte wieder der Elf vom Anfang.

Augenblicklich wurden alle ruhig.

„Ich bin Cararein, der oberste Rat, des Rates der Elfen von Hadran“, sprach der Elf weiter.

Escorian ließ das Amulett sinken.

„Woher habt ihr das Amulett?“

„Es wurde uns durch unsere wahren Eltern hinterlassen!“, antwortete Escorian.

Der alte Elf von vorhin stand wieder auf und richtete sich an Cararein.

„Cararein, sie können eigentlich nicht wissen, von wem sie das Amulett haben, denn alle Vier wuchsen ohne Eltern auf, so war ihre Bestimmung!“, meinte er und setzte sich wieder.

„Uns rinnt die Zeit weg!“, flüsterte Crisar seinem Bruder zu.

Escorian nickt und wandte sich wieder Cararein zu.

„Ihr mögt entschuldigen, dass ich unaufgefordert rede, aber wir haben keine Zeit mehr, das Dunkle überzieht schon das halbe Land. Uns fehlt das vierte Teil zum Amulett“, sprach Escorian.

Somit war es heraus und wieder herrschte Gemurmel unter dem Rat. Nun trat Selmir unaufgefordert hervor.

„Mein Vater hat mir gesagt, dass ich als Findelkind zu ihm kam und ich der Bestimmung zu folgen habe. Den vierten Teil des Amuletts trägt mein Bruder und wir wissen, dass er sich hier in der Stadt befinden muss!“, sagte er leise aber bestimmend.

„Ihr wisst nicht, wer eurer Bruder ist?“, fragte Cararein.

„Nein, ich bin im Glauben aufgewachsen, der einzigste Sohn von Haglagan zu sein.

„Hier in der Stadt?“, fragte der alte Elf.

Die Drei nickten gleichzeitig dem Elf zu.

„Das wird schwierig, den zu finden, wisst ihr, wie viele Elfen hier leben?“, sprach der alte Elf weiter.

„Und dennoch müssen wir ihnen helfen, den Bruder zu finden, Shadgan!“, sprach Cararein.

„Wie sollen wir das machen, Cararein?“, sagte Shadgan.

Die Augen des Rates wanderten automatisch wieder zu Escorian, Crisar und Selmir. Sie standen etwas hilflos da. Kein Wort fiel, ein großes Schweigen füllte den Raum aus.

„Wir könnten Agera fragen!“, sagte einer aus den Reihen des Rates.

Ein großes Streitgespräch fing zwischen den Räten an, wobei Escorian dem Stimmengewirr nicht folgen konnte.

„Wer ist Agera?“, rief er laut.

Augenblicklich war es wieder ruhig, den Cararein hatte seine Hand gehoben.

„Agera ist eine Halbelfe und als Seherin bekannt!“, sagte er.

„Und wo ist das Problem?“, fragte Escorian.

„Ihre Weisungen sind ungenau und mit Rätseln versehen!“, antwortete Shadgan.

„Aber sie könnte uns vielleicht helfen?“, fragte Crisar.

„Ihr wisst was ich von Agera halte!“, sagte Cararein, „nicht, dass sie uns nicht helfen würde, aber ob es uns wirklich weiterbringt.“

„Wir müssen alles versuchen! Die Zeit drängt!“, sagte Escorian.

„Gut! Shadgan, geh mit den Brüdern zu Agera. Du Timor, lässt auf den Plätzen ausrufen, dass wir einen männliche Vollwaisen suchen.“

Escorian war klar, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Uûna `ze vor den Tore von Laian lauern würde. Tod und verderben würden auch diese Stadt heimsuchen. Er trat vor den Ältesten Cararein.

„Wäre es nicht sinnvoll, die Elfen, die vor der Stadt leben zu warnen und in die Stadt aufzunehmen?“, fragte Escorian.

„Darum werden wir uns natürlich auch kümmern“, sagte Cararein, „und Escorian, danke für deine Hilfe!“

Escorian nickte kurz und folgte seinem Bruder und Selmir zum Ausgang. Ihm blieb nicht verborgen, dass Timor ihm verächtliche Blicke zuwarf, aber dafür war nun keine Zeit. Shadgan lief schnellen Schrittes zum Ausgang.

Das eine gewisse Hektik aufkam und sich anscheinend schnell in der Stadt herumsprach, das von irgendwo Gefahr herdrohte, merkte Crisar an den Einwohnern, die sie argwöhnisch beobachteten, während sie ihr Hab und Gut vor dem Haus wegräumten.

Shadgan wusste wo er hinmusste, zielsicher und schnell lief er vor ihnen her. Abrupt blieb er vor einem kleinen Häuschen stehen und klopfte an die Haustür. Es dauerte ein wenig, bis sie sich im Haus etwas regte.

„Wer stört?“, rief jemand hinter der Tür.

„Shadgan, ein Mitglied des hohen Rates, Agera, wir brauchen deine Hilfe!“

Langsam und knarrend öffnete sich die Tür und eine alte Elfe trat heraus.

„Wie kommt es, das ihr mich besucht, ihr wollt doch sonst nichts von mir wissen!“, sagte Agera.

Shadgan schien verlegen und suchte nach Worten. Crisar bemerkte dies als Erster und drängte sich vor.

„Agera, ich bin Crisar und ersuche dich um deine Hilfe, denn ich muss jemanden finden!“

Die Alte musterte Crisar genau, bevor sie ihre Tür weit aufzog und ins Hausinnere verschwand. Crisar schaute kurz zu den Anderen, bevor er ihr folgte. Er trat in einen dunkeln Raum, in dem viele Kerzen standen.

„Was könnt ihr mir geben, dass ich eine Verbindung zu dem Elf herstellen kann?“

Dass sie wusste, dass es sich um ein Elf handelte wunderte nun doch alle. Crisar zog sein Amulett hervor und gab es ihr. Sie nahm es in ihre alten, faltigen Hände und schloss ihre Augen. Das Amulett begann zu glühen.

„Wo der Quell der Reinheit, durch des letzten Kämpfers Finger rinnt, das Leben bewahrt und das Federblatt, die Sonne verdunkelt, des schwarzen Kriegers Schwert, das Holz zerteilt, da werdet ihr finden, was ihr sucht!“, stammelte die Alte plötzlich und das Amulett verlor wieder sein Glühen.

Sie gab ohne ein weiteres Wort zusagen, Crisar sein Amulett zurück. Shadgan zog Escorian an den Schultern und forderte alle auf, zu gehen.

„Danke Agera, dass ihr mir geholfen habt“, meinte Crisar, verbeugte sich um dann den anderen zu folgen.

Draußen vor dem Haus, wartete die Anderen auf Crisar.

„Ich habe euch gesagt, sie wird uns nicht weiterhelfen können!“, meinte Shadgan leise.

„Wieso, sie hat uns doch sehr weitergeholfen“, sagte Crisar.

„Wie kann ich das verstehen?“

„Ich war schon immer gut im Rätsel lösen, wäre gelacht, wenn ich dieses nicht auch löse!“

„Und was sagt dir das Rätsel?“, fragte Shadgan, immer noch nicht davon überzeugt, dass sie weiter kommen würden.

„Ist doch klar… Quell der Reinheit…, es kann sich nur um einen Brunnen handeln!“, antwortete Crisar.

„Weißt du wie viele Brunnen es hier in Laian gibt?“, fragte Shadgan leicht genervt.

„Ja, wie viele Brunnen mit einem Kämpfer darauf abgebildet oder als Statue gibt es hier?“

Escorian musste lächeln, sein Bruder hatte es wirklich drauf. Shadgan schlug sich auf die Stirn.

„Dass ich da nicht selber darauf gekommen bin. Kommt, folgt mir, ich weiß wo der Brunnen steht“, sagte Shadgan und lief eilig davon.

Es dauerte auch nicht lange und sie kamen an einen kleinen Platz. In Mitten des Platzes befand sich tatsächlich ein Brunnen. Vier Säulen umsäumten ihn, die einen schweren Ring aus weißem Marmor trugen

Auf einem schwarzen Lavastein saß ein Elf, leicht gebeugt, und was noch wichtiger war, aus seiner Hand floss Wasser.

„Seht ihr…, wo der Quell der Reinheit, durch des letzten Kämpfers Finger rinnt, das Leben bewahrt…, hier scheinen wir richtig zu sein“, sagte Crisar begeistert.

„Wie ging es weiter?“, fragte Selmir.

„Das Federblatt, die Sonne verdunkelt!“, kam es von Escorian.

„Könnte da drüben dieser Farnbaum gemeint sein?“, fragte Selmir.

Shadgan, war zu gebannt, auch nur einen Ton herauszubekommen.

„Und wo befindet sich dann eine Tür, auf dem der schwarze Krieger abgebildet sein soll?“, fragte Escorian.

„Immer der Reihe nach, lass und erst zu dem Baum gehen und dann sehen wir weiter!“, antwortete Crisar.

Gemeinsam liefen sie zu dem riesigen, alten Farnbaum und sahen sich nach den Haustüren der umstehenden Häusern um.

„Ich kann keinen Schwarzen Krieger finden“, sagte Selmir.

„Mir geht es ebenso“, kam es von Shadgan.

„Was könnte man noch als schwarzen Krieger bezeichnen?“, fragte Escorian.

„Einen Ork?“, fragte Selmir.

„Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass hier jemand einen Ork oder einen Oger auf seiner Tür abgebildet hat“, gab Crisar suchend von sich.

„Ein Schattenelf?“, fragte Shadgan.

„Das könnte schon eher sein, aber ich kann ebenso das nicht finden!“, sagte Escorian.

„Irgendwie gehen wir das falsch an. Warum wird der Baum erwähnt, der Brunnen ist och schon Zeichen genug für diesen Platz“, meinte Crisar.

Er lief wieder zurück an den Baum und umrundete ihn.

„Kommt her, ich habe etwas gefunden!“

Escorian, Selmir und Shadgan kamen gelaufen. Auf der Rückseite des Baumes befand sich eine kleine Tür und auf ihr ein schwarzer Krieger, mit einem Schwert in der Hand. Crisar sah alle kurz an und klopfte.

Es dauerte eine Weile bis sich die Tür vorsichtig öffnete. Eine junge Elfe heraus. Ängstlich starrte sie auf die vier Männer.

„Wie kann ich euch helfen?“, fragte sie, und blickte immer wieder zu Selmir.

„Kann man den Herr des Hauses sprechen?“, fragte Crisar leise, um die Elfe nicht noch weiter zu ängstigen.

„Mein Bruder ist einem Aufruf gefolgt, dass sich alle männlichen Elfen, die keine Eltern haben, auf dem Schlossplatz einfinden sollen!“

„Mist, wir haben ihn verpasst!“, sagte Escorian grob, so dass die Elfe erschrocken zurückwich.

Selmir trat hervor.

„Wie ist dein Name?“, fragte er.

„Ich heiße Lydria und bewohne hier dieses Baumhaus mit meinem Bruder.“

„Ich heiße Selmir. Könntest du uns deinen Bruder vielleicht zeigen? Wir benötigen seine Hilfe.“

Lydria nickte schüchtern.

„Ihr seht euch sehr ähnlich“, sagte Lydria plötzlich.

„Dein Bruder und Selmir?“, fragte Escorian.

„Ja, ich dachte erst, es wäre mein Bruder, aber er trägt nicht diesen Bogen, sondern ein Schwert.“

„Können wir gehen? Die Zeit drängt“, meinte Shadgan im Hintergrund.

Die Elfe nickte und schloss die Tür zum Baumhaus.

„Warum ist der Krieger schwarz, auf eurer Tür?“, fragte Selmir.

„Die einzigste Hinterlassenschaft unserer Eltern ist ein Schriftstück, das uns sagt, unsere Familie hat ein Wappen. Darauf ist ein sechsstrahliges Flammenschwert abgebildet und ein Elf in Schwarz.“, antwortete Lydria.

Escorian sah zu Selmir, der immer noch komplett in Schwarz gekleidet war. Dieser schaute kurz an sich herunter, bevor er lächelnd den Blick von Escorian erwiderte. Shadgan lief wieder vorne weg, aber nun dauerte es eine Weile bis sie den Schlossplatz erreichten.

Die Überraschung war groß, als sie sahen wie viele Elfen sich eingefunden hatten. Aber wie Escorian bald bemerkte waren auch viele andere Elfen diesem Ausruf voll Neugierigkeit gefolgt.

„Wie sollen wir da jemanden finden?“, fragte Selmir leicht verzweifelt.

„Ich habe eine Idee! Lydria, wie heißt dein Bruder?“, fragte Crisar.

„Mein Bruder heißt Kalgath.“

Crisar nahm Lydria an der Hand und zog sie nach Vorne, wo sich ein paar der Räte des Elfenrates befanden. Er konnte Cararein erkennen und hielt auf ihn zu. Plötzlich stellte sich ein Elf ihm in den Weg.

„Kannst du mir sagen, was du mit meiner Schwester vor hast?“, fragte er.

Lydria löste sich von Crisar und fiel ihrem Bruder um den Hals. Crisars Amulett reagierte umgehend und erwärmte sich.

„Du bist also Kalgath?“, fragte Crisar.

„Ja, bin ich, aber ich möchte dennoch wissen, was ihr mit meiner kleinen Schwester vorhabt?“

„Dich zu finden!“, antworte Selmir und trat hervor.

Kalgaths Augen wurden groß, Vor ihm stand fast sein Ebenbild.

„Sie kamen an unser Haus und haben nach dir gefragt, denn sie benötigen deine Hilfe“, sprach Lydria.

Crisar war nicht entgangen, dass sich Kalgath an seine Brust fasste, um dort etwas zu umklammern. Er zog sein Amulett hervor und hielt es Richtung Kalgath. Dieser wich einen Schritt zurück, aber umklammerte, dass unter dem Umhang Befindliche noch stärker.

„Das ist das Auge von Corellon Larethian“, sagte Selmir und zog ebenso sein Amulett hervor.

Shadgan war in der Zwischenzeit zu den anderen Räten gegangen und hatte sie unterrichtet, dass man wohl den vierten Träger des Amuletts gefunden habe. Gemeinsam gingen sie zu der kleinen Gruppe, um die sich jetzt ein kleiner Kreis neugieriger Elfen gebildet hatte.

Er wich auseinander, als die Räte hinzutraten. Die Palastwache tat ihr übriges und drängte den Rest zurück.

„Was wollt ihr von mir und meiner Schwester?“, fragte Kalgath, der sich nun schützend vor seine Schwester stellte.

Selmir trat an ihn heran.

„Steht in dem Schriftstück, dass euch eure Eltern hinterlassen haben, etwas von einem Bruder?“, fragte Selmir.

„Woher weißt du von dem Schriftstück?“, fragte Kalgath.

„Das habe ich ihnen erzählt, als sie nach dem schwarzen Krieger auf unserer Tür fragten“, antwortete Lydria, bevor Selmir etwas sagen konnte.

Cararein trat an sie heran.

„Ist das der Elf den ihr sucht?“, fragte er Selmir.

„Ich denke schon, nur weiß er noch nicht Bescheid!“, antworte Selmir.

Kalgath verbeugte sich vor Cararein.

„Was möchte sie von uns, Kalgath?“, fragte Lydria.

„Ich weiß, es hört sich seltsam an“, begann Selmir mit bewegter Stimme, „aber ihr seid meine Geschwister!“

„Du bist unser Bruder?“, fragte Lydria.

„Ja, denn dieses Amulett, das dein Bruder an der Kette trägt, ist der beweiß seiner Herkunft!“

Langsam zog nun auch Kalgath sein Amulett hervor und es war das fehlende Teil vom Auge des Corellon Larethian. Crisar erzählte ihnen kurz die Bewandtnis, was es mit dem Amulett auf sich hatte.

Kalgaths Augen wurden immer größer.

„Ich habe noch einen Bruder?“, sagte Lydria erfreut, die anscheinend ihre Scheu verloren hatte und zu Selmir trat.

„Ja Lydria, ich bin dein Bruder!“, sagte Selmir.

Lydria fiel ihm um den Hals und drückte sich fest an ihn. Selmir lächelte verlegen und nahm sie in den Arm.

„Ich will ja eurer Familienglück nicht drüben, aber die Zeit wird knapp“, meinte Escorian, der ebenso sein Amulett in der Hand hatte.

Kalgath stand immer noch wie angewurzelt in der Runde, sagte kein Ton. Selmir löste sich von Lydria und wandte sich an ihn.

„Kalgath, ich weiß, es ist schwer zu fassen, ich weiß wie es ist, auf sich alleine gestellt zu sein, keine Geschwister zu haben. Und ich habe erst vor kurzen erfahren, dass mein Vater, gar nicht mein Vater ist“, sprach Selmir leise.

„Es geht alles so schnell, ich kann dass alles nicht fassen!“, erwiderte Kalgath.

„He, nun bist du nicht mehr alleine, du hast Zuwachs bekommen, eine Familie“, sagte Crisar und legte freundschaftlich seine Hand auf Kalgaths Schulter.

„Und was passiert jetzt?“, fragte Kalgath.

„Wir müssen uns vereinigen! Dem Auge sein letztes Teil hinzufügen, was dann passiert wissen wir selbst noch nich!“, sprach Escorian.

*-*-*

Escorian, Selmir, Crisar und Kalgath standen sich nun gegenüber. Jeder hatte sein Amulett in seiner Hand. Langsam näherten sich die Amulette. Dass eine unwahrscheinliche Macht in diesem Amulett stecken musste, spürten die Vier sofort.

Eine Kraft strömte in ihren Körper, die sie bisher noch nicht gekannt hatten. In dem Augenblick als sie die vier Teile berührten, erbebte die Erde. Der Rat und die Masse der Elfen, die sich um die Vier gesammelt hatten, wichen zurück.

Ein großer Kreis entstand. Als würde das Amulett sämtliche Energie der Umgebung an sich ziehen, kam ein Wind auf, der den sandigen Boden des Platzes aufwirbeln ließ. Das Licht, welches das Amulett erzeugte, wurde so stark, dass sich die Umstehenden, die Hände schützend vor die Augen hielten.

Am Himmel zogen Wolken auf, die sich in einer kreisenden Bewegung miteinander verbanden und wie ein großer Strudel wirken. Die Mitte des Strudels öffnete sich und ein Lichtstrahl schoss hervor. Dieser Lichtstrahl traf gebündelt das Amulett.

Eine Welle aus Energie wurde freigesetzt, die, die Umstehenden fast zu Boden riss. Escorians silberne Haare flatterten wie wild durch sein Gesicht, aber er stand stur da, sah nur auf sein Amulett.

Der Boden bebte immer mehr, bis plötzlich aus dem Amulett, ein gebündelter Strahl nach oben schoss, Richtung Himmel. Dort angekommen, schob es auseinander und legte sich wie eine Glocke über die Stadt.

Dann erlosch der Lichtstrahl und die Vier fielen zu Boden. Etwas geschwächt sahen sich die Vier an. Jeder trug nun ein vollständiges Amulett. Doch bevor sie etwas sagen konnten, begann die Luft um sie zu flimmern.

Eine Art Nebel entstand, der sie nun völlig umhüllte. Escorian nahm es als erstes wahr, dass sie sich nicht alleine im Nebel befanden. Er sprang auf und zog sein Schwert. Langsam konnte er die Umrisse des Rates sehen.

Die umstehende Menge mit den Elfenräten war ebenfalls in den Nebel eingetaucht. Escorian versuchte mit seine Augen noch mehr zu erkennen. Mittlerweile waren Crisar und Selmir ebenso aufgesprungen. Crisar hatte seine Dolche in der Hand, Selmir stand mit gespannten Bogen da.

Keiner von ihnen sprach ein Wort, alle schauten unsicher um sich. Kalgath zeigte in eine Richtung, wo er eine Bewegung bemerkt hatte. Eine kleine Gruppe von sechs Elfen lief auf sie zu.

„Mutter?“, rief Crisar.

„Ja, ich bin es!“

Der Nebel lichtete sich und Crisar konnte seine Mutter sehen.

„Ich freue mich, dass ihr es bis hierher geschafft habt, aber eure schlimmste Prüfung steht euch noch bevor!“, sagte Crisars Mutter.

Escorian konnte Kronsilga und Tschiba erkennen. Ein Lächeln huschte über seine Lippen, was aber wieder sofort erstarrte.

„Wenn die Beiden bei Mutter sind…“, stammelte er.

„…, dann sind beide tot!“, beendete Crisar den Satz und ließ seine Dolche wieder verschwinden.

Traurig schauten die Beiden den Elfen entgegen. Der Rat war mittlerweile ebenso näher getreten und nun standen alle in einer großen Runde.

„Unser Tod war nicht umsonst, Escorian. Wir sind in dieser Form viel mächtiger, als jemand vermuten würde“, sprach Tschiba leise, dennoch konnte man sie klar und deutlich verstehen.

„Ihr seid es wirklich!“, meinte nun Shadgan und verbeugte sich tief.

Der Elf neben Escorians Mutter trat hervor.

„Shadgan steht auf, ihr braucht euch nicht zu verbeugen. Ich und Brana sind keine Könige mehr!“, sagte der Elf.

„Aber Annalos, ich hab euch ewige Treue geschworen!“

Der andere Elf der bei Crisars Mutter stand, war nun ebenso hervorgetreten und hatte sich neben Annalos eingefunden.

„Ich weiß Shadgan, ich und Brana stehen dafür auch tief in eurer Schuld. Aber Odiwar Futhamos ist nun euer König, den wir erwählt hatten!“, sprach Annalos.

Das Gesicht des Alten verzog sich zu einer Fratze.

„Odiwar Futhamos?“, kam es sarkastisch aus seinem Mund, „er ist nicht mehr Herr seiner Selbst. Er ist einem Wahn verfallen und wird meist nur noch in den Schatzkammern der Stadt angetroffen. Der hohe Rat hat deswegen seine Aufgaben übernommen!“

Annalos und Brana schauten zu Cararein, der ihnen betrübt zunickte.

„Das wussten wir nicht!“, kam es von Brana, dessen warme Stimme Selmir und Kalgath aufhorchen ließ.

Brana drehte sich zu den Beiden um, trat vor sie und kniete sich hin.

„Es tut mir leid, euch beiden diese Bürde auferlegt zu haben, aber Annalos und ich sah keinen anderen Weg. Wir opferten uns, für unsere Söhne, damit sie, dass zu Ende führen können, was damals nicht in unseren Kräften lag.“

„Du bist unser Vater?“, fragte Selmir erstaunt und fasziniert zu gleich.

„Ja Selmir, ich und Lyre sind eure Eltern.“

Die Genannte trat hervor und stellte sich neben Brana.

„Es ist wunderschön, soviel Eintracht zu sehen, aber die Zeit drängt!“, zerbrach Escorian die Stille.

Brana fing an zu Lachen.

„Er hat deine Ungeduld geerbt, ich erkenne dich Annalos in ihm wieder“, meinte Brana.

„Du hast Recht, Brana. Er hat viel von mir, dafür ist Crisar nach seiner Mutter geraten.“

Crisars Mutter war nun auch zu ihrem Mann getreten und sah ihre beiden Söhne an.

„Ich Hadra, aus dem Elfengeschlecht der Arain hatte beschlossen, euch Söhne von Arain diese Aufgabe weiterreichen. Mir fiel diese Entscheidung gewiss schwer, so wie auch eurem Vater. Brana und Lyra ging es nicht besser.

Aber die Zeit hatte uns gelehrt, dass nur unser Opfer dauerhaften Frieden über dieses Land bringen werden. So traten wir den Kampf gemeinsam gegen Kazad Fuinfae Daedu.“

„Und was hat das nun alles mit uns zu tun?“, fragte Escorian genervt.

Hadra trat vor und legte ihre Hand sanft auf Escorians Wange.

Escorian, du und dein Bruder, ebenso Selmir und Kalgath, müsst dass nun zu Ende bringen, wo wir nicht mehr weiter kamen.“

„Ich dachte, ihr hab diesen Kazad, oder was es ist, vernichtet?“, fragte Crisar.

„Vernichtet schon!“, begann Brana zu sprechen, „aber wir haben ihn damit nur in seine Welt zurückverbannt.

„Hattet ihr nicht das Auge von Corellon Larethian?“, fragte Selmir seinen Vater.

„Wir hatten nur diese vier Teile“, antwortete Lyra, „aber wir waren nicht mit der Macht versehen, sie zusammen zusetzten.“

„Und warum können wir dies nun?“, fragte Kalgath.

„Ihr habt die Kraft von uns in jedem Einzelnen vereint, somit auch macht über das Auge!“, sprach Annalos.

Escorian schüttelte den Kopf und wollte etwas sagen, wurde aber von einem Handzeichen von Shadgan abgehalten. Er trat nun ebenso hinzu und musterte die vier Söhne genau. Dann trat er dicht vor sie.

„Du Escorian, hast das Schwert des Uhol-Thor, den obersten Richter der Elfen. Es ist die Trennlinie zwischen Licht und Dunkelheit. Kalgath besitzt das Schwert des Kark-Hash. Es enthält den sechs strahligen Flammenstern Kurka und erschafft alles neu. Unser junger Selmir besitzt den Bogen der Fardea, die Königin über Feuer, Wasser, Erde und Luft. Er kann die Untoten wieder in den Kreislauf des Lebens zurückführen. Crisar besitzt den Ring des Mach` ial, womit er Wesen und Dinge durch seine Gedanken schaffen kann, die ihm hilfreich zur Seite stehen.“

„Ihr Söhne von Arain bildet die Krieger des Lichts“, meldete sich Kronsilga.

Sie hob ihre Hände in die Luft und schloss ihre Augen. Die Sprache, die aus ihrem Mund nun melodisch klang, verstand niemand. Selmir schien als erstes eine Veränderung an sich festzustellen. Er hielt die Luft an.

Seine Kleidung verblasste und wurde durch eine schwarze Lederuniform ersetzt.

„Der schwarze Krieger!“, stammelte Escorian.

Einem nach dem Anderen, wurde so eine schwarze Uniform zu Teil. Nun trat auch Tschiba hervor. Ihr Gesicht war nun nicht mehr blau, wie bei den anderen Seeelfen, sondern hatte dass sanfte Weiß der Hochelfen angenommen.

Sie hob nun ebenso wie Kronsilga ihre Hände zum Himmel und stimmte in den Gesang ein. Als würden die Sterne vom Himmel fallen, ergoss sich ein Lichterregen über die Vier. An jeder Stirn der jungen Krieger entstand ein Goldband, das mit den gleichen Steinen besetzt war, wie das Amulett.

Auch hier überstrahlte der Feueropal alle anderen Steine. Kronsilga und Tschiba ließen ihre Arme sinken. Wieder trat Shadgan vor.

„Der Lapislazulin strahlt in seiner blauen Farbe die Harmonie aus, der grüne Malachit steht für den Wachstum eurer Seelen, der gelbe Jaspis stärkt eure Kraft und den Mut, der Feueropal, der König unter den Steinen, steht für die Hoffnung!“, erklärte er.

„Nun denn“, meinte Hadra, „lösen wir den letzten Zauber!“

Die Eltern der Vier standen dicht beisammen und schlossen die Augen. Jeder einzelne spürte nun eine Veränderung in sich. Crisar schaute zu Escorian, dessen Flügel sich in nichts auflösten, ebenso verschwand die blaue Hautfarbe, die ihn als Seeelf ausgezeichnet hatte.

Escorian konnte seinen Blick nicht von Selmir abwenden. Zu fasziniert war er von seiner Schönheit. Auch er hatte die typische grüne Farbe eines Waldelfes verloren. Er hatte an Größe zugelegt und war nun ein Hochelf.

Er war sich nun sicher, er liebte Selmir und war sich auch sicher, dass Selmir die gleichen Gefühle für ihn hegte. Anmutig stand Selmir da und schaute zu ihm, ein Lächeln überzog sein Gesicht.

„Unseren Platz hat nun jemand anderst eingenommen“, ließ Hadra verlauten.

„Es fehlt jemand!“, unterbrach Tschiba, Hadra.

„Wer?“, fragte Annalos.

„Ihr vergesst die Tochter von Brana und Lyra, Lydria“, antwortete Kronsilga.

Alle drehten sich zur der Stelle um, wo sich vorhin noch Lydria befunden hatte. Dort stand nun eine junge Elfe, von schlankem und elegantem Wuchs, groß und unzweifelhaft schön anzusehen, wobei Elfinnen wahrlich als Inbegriff der Lieblichkeit galten.

Ihr langes Gewand schien golden, ebenso wir ihr langes Haar. Auch sie hatte ein Amulett um den Hals hängen, nur das dieses eine Sonne abbildete.

„Lydria?“, fragte Kalgath.

„Ja?“, antwortete sie.

Langsam, fast schwebend trat sie zu den anderen hinzu. Auch sie trug dieses goldene Band auf der Stirn.

„Die Ähnlichkeit der Krieger und der Schwester ist verblüffend“, flüsterte Cararein, Shadgan zu.

Lyra trat zu ihrer Tochter.

„Mein Kind, nun bist du mit allen versehen, was eine Fee ausmacht!“

„Eine Fee?“, fragte Lydria erstaunt.

„Ja du bist die Fee der Morgenröte“, antwortete Lyra.

Lydria wusste jetzt nicht, wie sie sich verhalten sollte, freuen oder lächeln, zu groß waren die Gefühle. Zu überwältigend die Eindrücke. Jeder der Fünf sah nun an sich herunter, bestaunte sein eigenes Aussehen.

Cararein trat nun hervor und verbeugte sich vor Annalos und Brana.

„Cararein, verneige euch nicht vor uns. Die fünf, jungen Elfen dort drüben, sind die neuen Herren des Elfenlandes“, meinte Brana.

Cararein schaute ein wenig verwirrt, dreht sich aber sogleich in seiner eigenen Achse um sich vor den neuen Herren zu verbeugen. Escorian kam sich ein wenig dumm vor. Er war jetzt wie die Anderen ein Hochelf.

Nur weil er anderst aussah, gab man ihm jetzt den nötigen Respekt, den er verdiente. Er trat hervor, zog sein Schwert und ließ die Klingenspitze auf dem Boden ruhen.

Crisar und die Andren stellte sich hinter ihn. Es war klar, das Escorian ihr Wortführer sein würde.

„Ich bin überrascht, welchen Wandel wir vollzogen haben und hätte mir noch vor einer Woche einer versucht, einzureden, ich bin eine Hochelfe, hätte ich ihn schallend ausgelacht“, begann Escorian.

Cararein’s Blick war kurz etwas finster, aber er besann sich auf seine Stellung als Hohenrat.

„Keiner von uns weiß, was genau auf uns zu kommt, keiner von uns weiß, wie es weiter gehen wird. Ich kann nur sagen, dass wir versuchen werden, eurer Vertrauen, dass ihr in uns setzt, nicht zu enttäuschen!“

Die letzten Worte hatte er an seine Eltern gerichtet. Diese nickten ihm zu und lächelten. Annalos ging auf ihn zu und nahm ihn in die Hand.

„Ich hoffe du verzeihst mir, dass ich dir ein Leben als Seeelf beschert habe“, meinte Annalos leise.

„Das war deine Idee?“, fragte Escorian, ebenso leise.

„Ja, du warst schon früher eine Wasserratte und so dachte ich, kannst du dies beibehalten“, meinte sein Vater lächelnd.

Er nahm ihn noch mal in den Arm.

„Ich wünsche dir alles Glück und vertraue auf deine Kräfte, Escorian, Sohn des Annalos!“

Annalos lief weiter zu Crisar. Escorian sah, wie Brana und Lyra bei Selmir und Lydria standen. Sein Kopf wandte sich, denn seine Mutter Hadra stand vor ihm.

„Du liebst ihn wirklich!“, sagte sie.

„Du weißt..?“, fragte Escorian.

„Mein Junge, ich habe jeder deiner Schritte beobachtet, seit ich dich alleine ließ!“

Bei diesen Worten senkte sie ihren Blick, kleine Tränen bahnten sich ihren weg.

„Mutter, ich bin euch nicht böse. Ihr hattet euren Grund, euch so zu entscheiden, und nun bin ich glücklich, weil ich eine Familie habe.“

„Pass auf ihn auf!“

„Auf Selmir?“

„Ja, denn er ist der Grund für dein Dasein.“

Escorian schaute seine Mutter fragend an.

„Du wirst es verstehen, wenn die Zeit kommt!“, sprach sie weiter.

Sie ging einen Schritt auf ihn zu und küsste seine Stirn, bevor sie sich zu Annalos ihrem Mann zurück zog. Selmir schien ebenso eine Unterhaltung mit seiner Mutter geführt zuhaben. Er stand mit rotem Kopf vor ihr und Kalgath kichernd neben ihm.

Wie Tschiba und Kronsilga, verneigten sich nun auch der ganze Rat und die Einwohner dieser Stadt, die sich auf dem Platz eingefunden hatten. Escorian blickte zu seinen Mitstreitern, die ihm zunickten.

Zielsicher schlug er den Weg zum großen Stadttor ein, als hätte er sein ganzes Leben gewusst, wo es sich befand. Die Menge glitt auseinander, damit ein Korridor für die Fünf entstand.

*-*-*

„Was machen wir nun?“, fragte Kalgath, als sie am Tor eingetroffen waren.

„Lassen wir uns überraschen!“, meinte Selmir und spannte seinen Bogen.

Kalgath zog sein Schwert und Escorian tat es ihm gleich.

„Und wer öffnet nun das Tor?“, fragte Crisar.

„Für irgendetwas muss ich auch gut sein“, meinte Lydria und trat vor sie.

Sie hob ihre Hand und schloss dabei ihre Augen. Knarrend öffneten sich die beiden schweren Holzflügeltüren. Alle hielten den Atem an. Keiner wusste, was hinter dem Tor auf sie lauerte. Langsam öffnete sich das Tor weiter und weiter.

Dahinter war… wie konnte man es beschreiben. Es war dunkel! Als hätte jemand das Licht ausgeschaltet. Uûna ´za war bis an die Tore von Laian heran gekommen. Escorian blickte kurz auf die Anderen, bevor er einen Schritt nach vorne tat.

Sie folgten ihm langsam, ohne ein Wort zu verlieren. Direkt vor dem Dunkeln, dass sich wie eine Wand vor ihnen auftat, blieb Escorian stehen. Er hob seine Hand und näherte sich langsam der Barriere. Er spürte die Kälte die von ihr ausging.

Langsam tauchte seine Hand hinein, verschwand vor den Augen der Anderen. Dann trat escorian noch einen Schritt vor und verschwand ebenso. Die Vier schauten sich kurz an und folgten ihm. Als würden sie angezogen werden, hüllte sich das Dunkle um sie, doch es geschah nichts weiter. Selmir bemerkte wie sein Amulett sich leicht erwärmte.

Und schon bald konnte er wieder etwas sehen. Er erschrak ein wenig, denn er hatte die Gegend anderst in Erinnerung. Der Weg, den sie gekommen waren. Das saftige Gras war verschwunden, die Bäume standen verdorrt am Wegrand.

„Und jetzt?“, fragte Crisar plötzlich.

„Ich weiß es nicht!“, antworte Kalgath.

„Wir müssen auf der Straße bleiben!“, kam es von Lydria, welche den Weg hinunter sah.

„Wie kommst du darauf?“, wollte Escorian wissen.

„Ich spüre ihn, er ist vor uns!“

„Wen, spürst du?“, fragte Crisar, und sah Lydria an.

„Kazad Fuinfae Daedu! Könnt ihr ihn nicht spüren?“

„Ich spüre etwas Kaltes, aber keine Person“, sprach Kalgath leise, sich immer noch umschauend.

„Man kann ihn auch nicht als Person, als Solches bezeichnen. Er ist hier überall, aber dort vorne ist das Zentrum. Dort spüre ich die Kraft, die von ihm ausgeht am Stärksten.“

Das Licht, wenn man es so erkennen würde, änderte seine Farbe. Es wurde blutrot. Vor ihnen begann die Luft zu flimmern. Sie formte sich zu etwas, zog die Dunkelheit in sich. Die Fünf traten dichter zusammen.

Ein dumpfes Grollen durchzog das Land, der boden fing an zu vibrieren. Man hatte den Anschein, es wurde heller, doch dies war ein Trugbild. Das Rot und das Schwarz der Dunkelheit vermischten sich zu einer Gestalt.

Einer mächtigen Gestalt. Vor ihnen stand Kazad Fuinfae Daedu. Man konnte nicht sehen, ob es seine Haut war, oder eine Rüstung, alles ging fließend an ihm über. Kleine Flammen traten hervor und ließen ihn noch gefährlicher erscheinen.

„Was wollt ihr hier?“, kam es von der Gestalt, mit einer tiefen Stimme, die das Land wieder erzittern ließ.

„Ist das alles was, was Hadra zu bieten hat? Wo ist sie? Zu alt, sich mir zu stellen?“

Die letzten Worte gingen in ein hässliches Lachen über.

„Ich Escorian, Sohn der Hadra und des Annalos, bin gekommen, um mich gegen euch zustellen“, sagte Escorian leise.

Trotz des Getöses des Windes und dem Grollen der Erde waren seine Worte deutlich zu verstehen.

„Du Escorian, willst dich mir widersetzten?“, fragte Kazad Fuinfae Daedu lachend, was wieder die Erde beben ließ.

„Ich Crisar, Sohn der Hadra und des Annalos helfe meinem Bruder“, kam es von Crisar.

„Ich Selmir, Sohn der Lyra und des Brana steht ihm zur Seite.“

„Ich Kalgath, Sohn der Lyra und des Brana, Bruder des Selmir, helfe auch.“

Escorian ließ kurz seine Blicke, über seine Mitstreiter wandern. An Lydria, blieb sein Blick haften, die zwischen ihren Brüdern stand.

„Ich Lydria, Fee der Morgenröte, Tochter der Lyra und des Brana, Schwester des Selmir und Kalgath weise dir deinen Weg in die Finsternis“, kam es von ihr und hob ihre Hand.

Ihre Augen schlossen sich und ballte die Hand zu einer Faust. Doch bevor sie etwas Weiteres tun konnte, fing Kazad Fuinfae Daedu an zu Lachen. Aus seinen Krallen schoss Feuer, direkt auf die Fünf zu.

Escorian hob blitzschnell sein Schwert und das Feuer prallte ab, als würde es zerteilt. Selmir spannte seinen Bogen und schoss einen Pfeil ab, den das Ungetüm in die Schulter traf. Dies schien es aber nicht weiter zu beeindrucken, denn er brach den Pfeil einfach ab.

Selmir schaute nervös zu Kalgath, der ebenso wie die Anderen, mir seinem Schwert in Abwehrhaltung gegangen war.

„Ihr seid Narren, wenn ihr denkt, ihr könntet mich mit diesen Kinderkram erledigen“, grölte Kazad Fuinfae Daedu.

Escorian spürte, wie in ihm die Wut aufstieg.

„Wenn es so nicht geht, müssen wir zusammen angreifen!“, meinte er zu den Anderen.

Und wie auf Kommando stürmten die vier Krieger los. Escorian mit Kalgath vorne weg, aber nur Kalgath konnte zu einem Hieb ansetzten, denn Escorian wurde von der Macht der Faust des Kazad Fuinfae Daedu weggeschleudert.

Selmir schrie und schoss mehrere Pfeile hintereinander ab, während Crisar, seine Dolche, zielsicher auf den Weg brachte. Kazad Fuinfae Daedu wurde zurückgeschleudert, was Kalgath dazu nutze, wieder mit seinem Schwert zuzuschlagen.

Escorian war wieder schnell auf den Beinen und eilte Kalgath zur Hilfe. Kazad Fuinfae Daedu zog nun selbst auch ein Schert, dass die Schwerter von Escorian und Kalgath um Längen überbot. Er holte aus und ließ es auf Selmir niederfahren.

Doch Escorian stürzte dazwischen, bekam mit voller Wucht den Hieb ab. Selmir schrie, wollte zu Escorian eilen, als er seine Schwester schreien hörte. Er bekam nur noch mit, wie ein gebündelter Lichtstrahl auf Kazad Fuinfae Daedu zuschoss und auch traf.

Gleichzeitig hieb Kalgath sein Schwert tief in die Hals des Monsters. Selmir spannte seinen letzten Pfeil in den Bogen und zielte auf die Stirn des Ungetüms, der auch mit voller Wucht traf. Escorian erhob sich mühsam, vom Boden und schob mit letzter Kraft sein Schwert in die Brust von Kazad Fuinfae Daedu.

Dann brach Escorian zusammen, blieb leblos liegen. Kazad Fuinfae Daedu stand starr da und blickte auf die Fünf. Seine dunklen Augen begannen zu glühen. Ein tiefer Schrei drang aus seiner Kehle.

Als würde ihn etwas von Innen zerfressen bäumte sich sein Körper auf. An mehreren Stellen trat Licht hervor. Immer mehr Stücke von ihm brachen auf und gleißendes Licht trat aus. Dann tat sich die Erde unter ihm auf und er stürzte hinein.

Als würde die Erde unter ihnen explodieren, fing die Erde wieder an zu beben. Der letzte Schrei des Kazad Fuinfae Daedu drang zu ihnen, bevor sich die Erde vor ihnen verschloss. Plötzlich war alles ganz still.

Man konnte nur das erschöpfte Atmen der Krieger hören. Selmir löste sich als erstes aus seiner Starre und rannte zu Escorian, der sich nicht mehr bewegte. Er ging vor ihm in die Knie und nahm ihn in seinen Arm.

Escorians Augen schauten starr, kein Leben war mehr in ihnen zu erkennen.

„Neeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiinnnnnnnnnn!“, schrie Selmir laut und presste Escorians leblosen Körper fest an sich.

„Escorian verlass mich nicht!“, schrie er weiter und die ersten Tränen bahnten sich ihren Weg über seine Wangen.

„Bitte verlass mich nicht, ich liebe dich doch, brauche dich!“, kam es nun heiser über Selmirs Lippen.

Selmir spürte die Hand seinen Bruders nicht, die auf seiner Schulter ruhte. Auch bemerkte er nicht die traurigen Blicke, von Crisar, der nun ebenso neben ihm kniete. Lydria schritt langsam auf die Krieger zu.

„Die Macht der Liebe hat uns vereint, hat uns zueinander geführt“, begann sie leise zu sprechen, „nichts ist stärker als die Liebe auch nicht der Tod!“

Sie kniete sich ebenso hinunter und legte ihre Hand auf Escorians Brust. Sie blickte auf und sah ihren Brüdern und Crisar in die Augen.

„Nur vereint schaffen wir es!“, sprach sie weiter.

Crisar verstand und legte ebenso seine Hand auf Escorians Brust. Kalgath und Selmir taten das Gleiche. Jeder der drei spürte die Kraft und die Wärme des Amuletts Auch Escorians Amulett, das an der Kette von seinem Hals hing, fing anzuglühen.

Die Dunkelheit um sie herum löste sich langsam auf und die ersten Sonnenstrahlen berührte ihre Körper. Plötzlich zuckte Escorians Körper und er holte scharf Luft. Langsam öffnete er die Augen und schaute in Selmirs verweintes Gesicht.

„Selmir, ich liebe dich auch und werde dich nie verlassen“, kam es leise aus seinem Mund.

Ein weiches Lächeln zierte Selmirs Gesicht und beugte sich hinunter, um Escorian zu küssen. Fest umarmte Escorian, den Körper seine Freundes und gab sich diesem Kuss hin.

„Wollt ihr hier weiter auf der Straße liegen?“, fragte Kalgath, der bereits wieder aufgestanden war. Selmir drückte Escorian ein wenig sanft von sich weg und funkelte seinen Bruder an. Doch bevor Kalgath dazu ansetzen konnte, etwas zu sagen, tat sich hinter ihnen ein helles Licht auf.

Selmir half Escorians auf die Beine und gemeinsam gingen sie wieder in Abwehrstellung.

„Hört auf!“, meinte Lydria, „es sind unsere Eltern.

Kalgath ließ sein Schwert wieder sinken, als er seinen Vater erkannte. Noch etwas benommen stützte sich Escorian auf seinem Schwert ab.

„Und? Seit ihr zufrieden mit unserer Tat? Mit der Vernichtung von Kazad Fuinfae Daedu?“, fragte Escorian, der von Selmir in den Arm genommen wurde.

„Ihr habt ihn jetzt vernichtet, für lange Zeit. Aber, er wird wieder kommen, irgendwann, wenn er wieder genug Kräfte gesammelt hat, durch das Böse in seinen Eigenen Reihen“, sagte Hadra.

„Aber keine Sorge, mit den vier schwarzen Kriegern des Lichts und der Fee der Morgenröte, als Herrscher über das Elfenland, wird es ihm schwerfallen“, fügte Annalos hinzu.

Hadra trat hervor und umarmte ihre beiden Söhne.

„Ich bin stolz auf euch und ihr werdet unser Erbe glanzvoll vertreten!“

„Und was wird aus euch?“, fragte Kalgath traurig, sein Blick zu seinem Vater gerichtet.

„Wir werden nun unseren Frieden finden, denn auch unsere Aufgabe ist gelöst“, antwortete Brana.

„Werden wir euch wieder sehen?“, fragte Selmir.

„Wenn ihr nach uns ruft, unsere Hilfe braucht, werden wir bei euch sein!“, kam es von Lyra.

„Ihr werdet euren Weg gehen und auch das Richtige in Zukunft tun!“, sagte Hadra und löste sich von ihren Söhnen.

„Lebt wohl!“, sprach sie leise weiter, „und vergesst nicht, wir werden immer bei euch sein!“

Kaum waren die Worte verklungen, so lösten sich die Eltern vor den Krieger in nichts auf. Zurück blieben die Fünf, auf der Strasse.

***

„Und ihr wollt wirklich nicht hier bleiben und mit uns gemeinsam zu regieren?“, fragte Kalgath, Escorian, der seinen Bündel schon auf den Rücken genommen hatte.

Er trat vor und nahm Kalgath in den Arm.

„Du wirst mit Lydria das Land weise regieren, da bin ich mir sicher. Aber Selmir, Crisar und ich werden im Süden gebraucht. Wir helfen aufbauen, neu zu schaffen, an den Orten, wo man unsere Hilfe braucht.“

„Und wie soll ich dich erreichen, wenn ich deine Hilfe brauche, oder meinen Bruder sehen möchte?“, fragte Kalgath.

„Du vergisst das Amulett, es wird uns immer verbinden!“, antwortete Escorian und zog das Auge von Corellon Larethian hervor.

„Hier drinnen, steckt all unsere Macht, unsere Liebe, wird immer der Bund zwischen uns sein, so weit auch die Entfernung unserer Trennung ist. Voll Liebe und Leben, werden wir weiter unser Leben bestreiten, sei es mein Leben an der Seite meines Freundes und meines Bruders, oder dein Leben, bei deiner Schwester. Nichts wird unsere Liebe zueinander trennen!“

Escorian stieg auf sein Pferd, doch bevor er losritt, wandte er sich noch einmal zu Kalgath und Lydria.

„was auch immer kommt, gemeinsam sind wir stark, gemeinsam können wir alles schaffen, was wir uns vornehmen. Keiner von uns ist alleine, denn wir sich die Hüter des Auge von Corellon Larethian! Seine Kraft macht uns zu dem, was wir sind!“

Mit diesen :Worten verabschiedete sich Escorian und ritt mit Selmir und Crisar, durch das Tor, hinaus, aus der Stadt.

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