Die Brüder – Teil 4

„Und Junge pass auf dich auf“, meinte meine Oma zu Phillip, als wir in den Zug einsteigen wollten.

„Oma, Frankfurt ist nicht anders, als München und auch nicht aus der Welt.“

„Tschüß Jungs“, sagte Opa und gab uns beiden die Hand.

„Hier eine Kleinigkeit zu essen, falls ihr unterwegs Hunger bekommt“, meinte Oma.

Ich nahm dankend an und schob Phillip vor mir her und drängte zum Einsteigen. Er hatte sich ebenfalls von der Schule befreien lassen. Heute Nacht hatte ich bei ihm geschlafen. Ja in seinem Bett.

Wir hatten uns soviel zu erzählen, dass wir beschlossen in seinem großen Bett zu schlafen. Zu dem genoss ich seine Nähe. Figurlich fand ich ihn süß, er sah ja fast so aus wie ich, nur war er ein bisschen muskulöser als ich.

Beide waren wir irgendwie traurig drauf, er wegen den Beerdigungen und ich wegen Kai. Da gesteht mir doch gestern, dieser lieber Junge, dass er sich in mich verguckt hat. Ich kann nicht abstreiten, dass ich ähnlich fühlte, aber eine feste Freundschaft, ich weiß nicht.

Wir winkten durchs Fenster unseren Großeltern zu, als der Zug sich in Bewegung setzte. Phillip ließ sich in seinen Sitz fallen ich setzte mich ihm gegenüber.

„Jetzt guck nicht so traurig in die Wäsche“, meinte Phillip.

„Du hast gut reden. Wenn dir ein Mädchen sagen würde, es hat sich in dich verliebt und du könntest net reagieren, oh Mann, warum muss immer alles so kompliziert sein.“

„Da ist doch nichts kompliziert dran. Du hast dich in Kai verliebt.“

„Ist das so offensichtlich.“

„Schon.“

„Was ist aber wenn wir nicht zu einander passen, wenn…“

„Sebastian höre auf! Du kannst dir doch jetzt nicht Gedanken darüber machen, wie und was mal sein wird. Lerne Kai doch erst mal richtig kennen.“

„Und was ist, wenn seine Eltern mich nicht mögen, ich hab dir das doch erzählt, ich will nicht abserviert werden.“

„Sebastian es reicht. Du machst dir unnötige Gedanken im Vorfeld, die sich so negativ auf dich auswirken, dass eure freundschaft, ja nicht mal eine Chance bekommt. Jetzt lass doch einfach alles auf dich zu kommen.“

„Du hast gut reden Phillip.“

„Hey kleiner Bruder, ich sehe es nur wie es ist.“

„Ich weiß selber nicht was mit mir los ist, in meinem Kopf hämmern tausend Fragen.“

„Was für ein Gefühl hast du wenn du an Kai denkst?“

„Schmetterlinge im Bauch.“

„Also, dann koste das aus Kleiner, es gibt nichts schöneres, als verliebt zu sein.“

„Du redest gerade so, als würdest du dich großartig auskennen.“

„Du vergisst, ich hatte auch schon eine Freundin.“

„Hast du mit ihr geschlafen?“

„Nein ich wollte nicht, das war mir mit sechszehn ein bisschen zu früh.“

„Dann bist du sozusagen noch genauso Jungfrau wie ich.“

„So könnte man das ausdrücken.“

Mein Handy piepte. SMS von Kai.

Hallo Sebi, hoffe ich habe dich gestern nicht überfahren, aber ich wollte nur, dass du weißt, was ich für dich empfinde. Kai

Ich fing an ihm ne Antwort zurück zutippen. Phillip nahm sich ein Buch heraus und lass.

Sorry wenn ich gestern zurückhalten reagiert habe. Das ist alles Neuland für mich.

Senden. Ich wartete ein wenig und schon kam Antwort zurück.

Für mich doch auch Sebi, aber ich will dich besser kennen lernen.

Der Junge ließ nicht locker.

Reden wir, wenn du wieder in Frankfurt bist. OK?

Wieder vergingen nur ein paar Sekunden, bis eine Antwort kam.

Okay, ich melde mich bei dir, wenn ich zurück bin. Bye HDL Kai

HDAL Sebastian

Ich saß da und versuchte, etwas von der vorbei rasenden Landschaft zu erkennen.

„Kannst du noch meine Jacke nehmen?“, fragte Phillip, als wir das Abteil verließen.

„Klar doch gib her.“

Ich nahm ihm seine Jacke ab und lief zur Tür. Der ICE war mittlerweile stehen geblieben so konnten wir aussteigen.

„Hör mal, Andreas wollte eine CD mitgebracht bekommen, shit hatte ich ganz vergessen, meinst du wir könnten kurz hier auf dem Bahnhof schauen, ob wir sie bekommen?“, fragte ich.

„Na klar, aber ich wartete mit dem Gepäck vor dem Laden.“

„Gehr in Ordnung, mache auch ganz schnell.“

Ich verschwand kurz im laden und Phillip wartete mit dem Gepäck draußen. Er merkte nicht, wie sich ein Junge von hinten anschlich. Dieser umarmte ihn drückte ihn fest an sich.

„Hallo Sebastian“, sagte dieser.

Phillip fing an laut zu lachen.

„Tut mir Leid dich enttäuschen zu müssen, aber du hast gerade den Falschen umarmt. Sebastian ist da drin, ich heiße Phillip und bin sein Bruder.“

„Raffael… was tust du denn hier?“

Ich kam gerade aus den Laden gelaufen. Raffael hatte einen hochroten Kopf.

„Aha das ist Raffael, mir kam gerade eine Begrüßung zu Gute, die eigentlich dir gegolten hatte, Bruderherz“, meinte Phillip.

„So, hört sich ja interessant an“, erwiderte ich.

Raffael war immer noch nicht seiner Stimme mächtig. Er schaute laufend zwischen uns beiden hin und her.

„Raffael, darf ich dir meinen Bruder Phillip vorstellen?“

„Ich … ich wusste nicht, … dass ihr euch so ähnlich seht.“

„Das wusste ich bis vor zwei Wochen auch noch nicht Raffael.“

Raffael gab meinem Bruder die Hand.

„Was führt dich eigentlich her, hast du uns zufällig gefunden?“

„Nein deine Mutter hat gesagt, dass du um die Zeit mit dem Zug zurück kommst. Bin hier, weil ich dir das Neuste erzählen wollte.“

„Und das wäre?“ fragte ich.

„Moment, dazu muss ich erst jemanden holen.“

Raffael lief kurz aus unserem Sichtbereich.

„Also wenn du mich fragst, der Junge is verliebt. Würde mich nicht wundern wenn er ein Mädchen anschleppen sollte“, meinte Phillip.

„Ähm.. denk ich wenig Phillip, Raffael hat sich vor drei Tagen bei mir geoutet.“

Ich traute meinen Augen kaum, da kam Raffael zurück. Hand in Hand mit Martin.

„Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt.. ihr beide?“ sagte ich erstaunt.

„Ja, wir beide… seit gestern Abend und du bist dran schuld“, meinte Raffael.

„Ich, was hab ich denn getan?“

Mein Bruder verzog seinen Mund zu einem breiten Grinsen.

„Hast du ne Kuppleragentur?“, fragte er frech.

„Menno, ich hab nichts getan, ehrlich“, sagte ich.

„Nein Sebastian, keine Angst. Du hast uns nur mit deiner lockeren und offenen Art aus der Reserve gelockt“, meinte Martin.

„Tja und gestern Abend im >Too much< hat es dann bei uns beiden gefunkt“, sagte Raffael lächelnd und gab Martin einen Kuss auf die Wange.

„Dann darf ich euch also gratulieren“, sagte ich und nahm sie beide in den Arm.

„Danke Sebastian“, kam es von Martin, „das ist dein Bruder?“

„Ja ist wohl auch nicht zu übersehen, das ist Phillip.“

„Hallo ihr beiden und auch von mir ein Glückwunsch“, sagte mein Bruder.

„Danke Phillip“, meinte Raffael, „also eins muss ich mal los werden. Wer einen von euch bekommt, der muss Höllenqualen leiden.“

„Wieso das denn?“ fragte ich verwundert.

„Ganz einfach, wenn ich mich in einen von euch verlieben würde und hätte das Exemplar dann zweimal vor der Nase, ich glaub da würde ich verrückt werden.“

„Keine Sorge Raffael, bei Sebastian und mir gibt es einiges was nicht gleich ist, zumindest was die Liebe betrifft. Ich steh ausdrücklich nur auf Mädchen.“, meinte Phillip.

„Den einzigen Jungen den er liebt bin ich“, sagte ich trocken, was mir die Lacher einbrachte.

„Ähm, wie kommen wir denn zu euch nach Hause“, fragte plötzlich Phillip.

„Ups, das habe ich fast vergessen, ich soll euch sagen ein Michael kommt euch holen, der müsste eigentlich schon da sein“, meinte Raffael.

„Dann werden wir uns mal auf machen und Michael suchen bevor er sich verläuft“, meinte ich grinsend.

Wir gaben uns alle die hand und verabschiedeten uns alle voneinander.

„Ach Sebastian, bevor ich es vergesse, ich hab mir erlaubt einen Freund dein Lied zu geben, darüber müssen wir uns noch mal unterhalten. Er würde es gerne aufnehmen lassen im Studio…“, sagte Martin.

„Ups, wie bist du dazu gekommen“, sagte ich erstaunt.

„Ich habe einen Freund in München, der arbeitet bei der Musikfirma Skylife, und ihm hab ich die CD und den Txt gegeben.“

„Wow jetzt bin ich platt. Ich hab ja schon gemerkt, dass es sich gut anhört als es mir Kai vorgesungen hat, aber so gut, wow kann ich nur noch mal sagen“, erwiderte ich.

„Wer ist Kai?“ fragte Raffael.

„Oh, das ist eine andere Geschichte“, meinte Phillip und ich wurde rot.

*-*-*

„Hallo Michael, wartest du schon lange?“, rief ich.

Michael stand vor dem Bahnhof und stand sich die Beine in den Bauch.

„Hallo ihr Zwei, wo bleibt ihr denn, ich warte schon ziemlich lange“, erwiderte Michael.

„Wir haben noch jemanden getroffen, du weißt ja wie das ist. Kommt man einmal ins reden, kann man nimmer aufhören“, antwortete ich.

„Jaja, ihr Jungs ratschen was das Zeug hält…“, sagte Michael.

Er umarmte mich und auch Phillip zur Begrüßung und freute sich. Wir stiegen ins Auto und fuhren Richtung zu Hause. Meine Mutter war noch arbeiten, deswegen brachte uns Michael heim. Dort erwartete mich eine Überraschung.

Andreas war schon eingezogen, er bewohnte das Zimmer direkt neben mir. Auch er begrüßte uns beiden mit einer Umarmung.

„Na ihr zwei, alles klar?“ fragte er.

„Ja, geht schon“, meinte ich.

Phillip ließ sich auf mein Bett fallen. Ich ebenfalls, das Zugfahren so müde machen kann. Andreas setzte sich an meinen Schreibtisch und wir redeten noch ein wenig über den gestrigen Tag. Wir erzählten ihm ebenfalls von Martin und Raffael.

„Irgendwie find ich es toll, jetzt zwei Brüder zu bekommen, auch noch in meinem Alter“, meinte Andreas.

„Geht uns beiden ja nicht anders“, sagte ich.

Mein Bruder lag nachdenklich auf dem Bett und starrte an die Decke.

„Hey großer Bruder nicht grübeln, dass tut dir nicht gut.“

„Schon gut Sebastian“, sagte Phillip.

„Ich werde mir ab und wann deinen Bruder ausleihen und mit ihm in die Disco gehen, lieber Sebastian“, meinte Andreas.“

„Und ich kann alleine zuhause bleiben“, meinte ich gespielt empört.

„Tja da wo wir hingehen, gibt es halt jede Menge Mädchen, also nichts für dich“, meinte mein Bruder keck.

„Oh menno, jetzt habe ich zwei von der Sorte, wie soll ich dagegen ankommen“, sagte ich.

„Du hast ja deinen Kai“, meinte Phillip.

„Muss ich das jetzt verstehen, wer ist Kai“, fragte Andreas.

„Dein zukünftiger Bruder hat sich in einen Kerl verknallt“, sagte mein Bruder frech grinsend.

„Langsam, ich hab Kai noch nicht, lass doch erst mal uns abwarten, was daraus wird“, meinte ich.

„Sagt mir mal endlich jemand wer dieser Kai ist?“, fragte Andreas genervt.

„Ich hab Kai auf der Zugfahrt nach München kennen gelernt und wir sind uns in den drei einhalb Stunden ein wenig näher gekommen“, erzählte ich.

Andreas grinste.

„Nein nicht so wie du denkst. Kai erzählte mir viel von sich. Kai ist Herzkrank und liegt im Münchner Krankenhaus zur Untersuchung.“

„Das hört sich nicht gut an“, meinte Andreas.

„Halb so schlimm, ich denke aber seine Eltern wären eher ein Problem, die sind stinke reich und wollen nur das Beste für ihren Sohn. Und ich weiß nicht ob ich für sie gut genug bin.“

„Sebastian du fängst schon wieder an, im Zug und jetzt hier. Wenn seine Eltern was gegen dich haben sollten, dann sollen sie es dir ins Gesicht sagen, mit Begründung“, kam es Phillip.

„Da muss ich Phillip Recht geben, wir stehen jedenfalls voll hinter dir, falls du Hilfe brauchst oder Phillip?“

„Danke ihr beide.“

Wie es nicht anders sein sollte, ging gerade dann mein Handy los. Ich schaute auf mein Handy und drückte es an.

„Kai?“

„Ja Sebi ich bin’s.“

„He freut mich dich zu hören. Warum rufst du an?“

Andreas und Phillip fingen an zu grinsen, aber verließen dann mein Zimmer.

„Ich habe zwei gute Nachrichten.“

„Wow, sonst heißt es immer eine gute und eine schlechte Nachricht.“

„Nein diesmal nicht. Ich kann Samstagmorgen schon raus, werde aber am Sonntagabend erst zu hause erwartet. Könnte ich zu dir kommen?“

Wow, jetzt war ich doch ein wenig überrascht. Meine Pause, war aber nicht gut, denn Kai, verstand das falsch.

„Wenn du nicht willst, fahre ich natürlich gleich nach Hause“, er hörte sich enttäuscht an.

„Nein, nein im Gegenteil, ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich dich so schnell wieder sehen werde, natürlich kannst du kommen.“

„Musst du nicht erst deine Mum fragen?“

„Ich denke nicht, sie wird mit einverstanden sein.“

„Gut ich werde morgen den ersten Zug nehmen und bin so gegen elf in Frankfurt.“

„Ich bin da, ich hol dich ab, ganz bestimmt.“

„Sebi.“

„Ja?“

„Ich hab dich lieb.“

„Ich dich auch.“

„Du kennst mich doch noch gar nicht richtig.“

„Du doch auch nicht.“

Ich konnte ein herzhaftes Lachen auf der anderen Seite hören.

„Kai?“

„Ja?“

„Was war die andere gute Nachricht?“

„Das sie meinten, ich bin fast geheilt.“

„Echt?“

Das Wort musste ich schon fast laut geschrien haben, denn plötzlich standen meine Brüder in meinem Zimmer. Ich fuhr zusammen und ließ einen kleinen Schrei von mir.

„Sebi was ist?“, kam es von Kai.

„Ach Phillip und ein anderer Herr haben mich fast zu Tode erschreckt. Also nichts weiter, aber was anderes du sagtest fast gesund.“

Phillip und Andreas schauten dumm aus der Wäsche und verließen das Zimmer wieder.

„Ja dir Ärzte meinten vom Herz her wäre ich jetzt Kerngesund, nur meine Kondition ließe zu wünschen übrig.“

„Das kann man ja ändern.“

„Aber wie denn ich hab keine Lust irgendeine Sportart zu machen, die mir nicht gefällt.“

„Wie wäre es mit tanzen?“

„Tanzen ? Davon kriegt man doch keine Kondition.“

„Hast du eine Ahnung, solltest mal meinen zukünftigen Stiefbruder Andreas sehen. Der tanzt mittlerweile Turnier und sieht aus wie ein Profisportler.“

„Wäre zu überlegen.“

„Ja tu das, wir sehen uns also morgen?“

„Ja tun wir, ich freu mich schon auf dich.“

„Und ich mich erst auf dich.“

„Bis morgen.“

„Jo, bis morgen.“

„Bye.“

„Bye.

Ich drückte auflegen. Mein Kai kommt morgen mich besuchen. Ich ließ mich auf mein Bett fallen und streckte alle Viere von mir. Es klopfte.

„Ja herein.“

„Hallo Sebastian, du bist alleine?“

Meine Mutter war zurück von der Arbeit.

„Nein ich denke, Phillip ist bei Andreas drüben, aber warte bevor du hinüber gehst möchte ich dir noch was erzählen.“

„Das hört sich interessant an.“

Meine Mutter setzte sich an meinen Schreibtisch und ich mich aufrecht auf mein Bett.

„Ich glaube ich habe mich verliebt Mama.“

Ich erzählte ihr die Fahrt nach München fast bis ins kleinste Detail. Auch die SMS und das Handygespräch ließ ich nicht aus.

„Und du hast jetzt Angst, dass seine Eltern, das Gleiche mit dir abziehen, wie sie es mit diesem Markus gemacht haben?“

„Ja.“

„Jetzt warte doch erst mal ab Sebastian. Ich freu mich für dich, wenn du so einen lieben Jungen gefunden hast. Morgen werde ich ihn ja kennen lernen, dann kann ich mir auch ein eigenes Urteil bilden.“

„Danke Mum“, sagte ich, stand auf und umarmte meine Mutter.

„He und ich?“

Phillip stand in der Tür.

Unsere Mum stand auf und nahm Phillip in den Arm.

„Hallo mein Großer, na geht es dir gut.“

„Soweit schon, habe ich diesen zwei Götterbrüder zu verdanken.“

„Dann ist ja gut, habt ihr Hunger Jungs?“

„Immer doch“, kam es wie aus einem Munde.

*-*-*

Ungeduldig stand ich am Bahnhof. Der ICE hatte mal wieder Verspätung, aber das war ja bei der Bahn nichts Neues. Ich schaute mich um, während ich wartete, die Leute die um mich herum standen.

Die mit Gepäck, die mit dem ICE weiter reisen wollten, oder die ohne, die so wie ich jemanden abholen wollten. In meiner Nähe stand ein Mann in schwarz gekleidet. Mir kam er ein wenig komisch vor. Er bewegte sich die ganze Zeit keinen Zentimeter.

Der Zug lief ein. Ungeduldig versuchte ich in die Wagen zu schauen, ob ich ihn schon erkennen konnte. Endlich kam der Zug zum Stilstand, die Türen öffneten sich. Ich erkannte ihn sofort, es schien mir er sah viel besser aus, als wir uns im Krankenhaus von einander trennten.

Ich wollte mich gerade in Bewegung setzten, auf ihn zu laufen, da bewegte sich der Mann in schwarz ebenso. Der lief genau wie ich auf Kai zu. Er war schneller und nahm Kai seine Tasche ab.

„Christian was soll das? Ich werde schon abgeholt“, hörte ich Kai sagen.

„Ihre Eltern haben mir die Anweisung gegeben, sie umgehend nach Hause zu bringen“, sagte der Mann in Schwarz.“

„Ich will aber nicht.“

„Bitte machen sie mir keinen Ärger, sie wissen wie ihre Eltern sind.“

„Ja weiß ich zu genüge. Und was wird aus meinem Freund Sebastian, der steht nämlich bereits hinter ihnen.“

Kai hatte mich also bemerkt. Mir tat es weh, wie er von diesem Mann behandelt wurde.

„Der junge Mann sollte wenn es geht einen weiten Bogen um sie machen, ihre Eltern werden sonst die nötigen Schritte gegen ihn ein leiten.“

„Christian, was soll die Scheiße, darf ich kein Privatleben haben.“

„Ich habe nur meine Anweisungen, die ich zu befolgen habe.“

Mir treib es die Tränen in die Augen, machtlos was zu tun oder zu sagen. Ich stand einfach nur da und sah zu, wie Kai von mir weg gezogen wurde. Ich war keiner Bewegung fähig, bis er außer Sichtweite war.

Ich sank auf meine Knie und fing an zu Heulen.

„Kai… Kai … komm zurück… ich liebe dich…“

Ich bemerkte nicht die besorgten Menschen um mich herum. Bis ich von einem jungen Bahnbediensten hoch gehoben wurde und zu einer Bank geführt wurde.

„Ist ihnen nicht gut?“ fragte er.

„Doch es geht schon wieder, tut mir Leid wenn sie wegen mir Schwierigkeiten haben“, sagte ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.

„Keine Sorge und es geht ihnen wirklich gut?“

„Ja.“

Er stand auf und lies mich alleine. Ich zog mein Handy raus und wählte die Nummer von Phillip.

„Hallo Kleiner, na schon unterwegs zu uns nach Hause?“

„Phillip, sie haben ihn abgeholt, ich konnte nicht mal mit ihm reden“, sagte ich und fing wieder an zu heulen.

„Sebastian ganz ruhig, bleib da sitzen wo du bist, ich komme.“

Und schon hatte er aufgelegt. Was ich nicht wusste, er rief sofort meine Mutter an. Die war so empört über diesen Vorfall, das sie alles stehen und liegen lies, sie war in einer Konferenz, und auch zum Bahnhof kommen wollte.

Phillip hatte sich die Maschine genommen, die Michael für ihn besorgt hatte. Nach einer halben Stunde standen sie beide vor mir. Ich saß mit gebeugtem Kopf noch immer auf dieser Bank, hatte nicht mal das Handy ausgedrückt.

„Sebastian?“

Ich hob den Kopf und sah beide vor mir stehen. Ich stand auf und fiel Phillip um den Hals. Erneut bekam ich einen Weinkrampf. Phillip drückte mich fest an sich und meine Mum strich mir über den Kopf.

„Sebastian, weißt du wo er wohnt?“ fragte meine Mutter.

Ich griff in meine Jackentasche, und gab ihr die Visitenkarte von Kai, die ich ständig bei mir trug, seit er sie mir gegeben hatte.

„Phillip nimmt du Sebastian mit, ich hab das Auto voll mit Plänen, fahr mir einfach hinterher.“

„Okay Mum.“

Phillip nahm mich an der Hand und zog mich hinter sich her. Ich lief in wie ein kleines Kind hinter her. Meine Mutter stieg in ihren Wagen, Phillip drückte mir meinen Helm in die Hand. Ich zog ihn den Helm auf und setzte mich hinter meinen Bruder, der sogleich los fuhr.

So langsam wurde mir bewusst, was meine Mutter vorhatte. Ganz damit einverstanden war ich nicht, aber dagegen wehren konnte ich mich auch nicht. Wir standen vor einer großen Auffahrt, und hinter einem dichten Wäldchen, war ein großes haus zu erkennen.

Meine Mutter hatte irgendetwas über die Sprechanlage gesagt, was hörte ich nicht, nur merkte ich, dass wir rein gelassen wurden. Wir liefen also gemeinsam die Ausfahrt hinauf und umrundeten diesen kleinen Wald, am Haus angekommen öffnete sich bereits die Haustür.

Der Mann in Schwarz trat heraus.

*-*-*

„Andreas, weißt du wo die Drei abgeblieben sind?“ fragte Michael.

„Nein, weiß ich nicht, ich hörte nur das Phillip zweimal sehr aufgeregt telefoniert hat, aber danach hat er sehr schnell das Haus verlassen.“, antwortete Andreas“, er faselte was von Sebastian, das er zum Bahnhof müsste.“

„Ich weiß nur von Architektenbüro, das Clarissa Hals über Kopf das Haus verlassen hatte und meinte sie hätte einen Notfall in der Familie.“

„So langsam mach ich mir doch Gedanken, ich weiß nur dass Sebastian, diesen Kai vom Bahnhof abholen wollte.“

„Da bleibt uns nur übrig, als zu warten.“

*-*-*

„Sie wünschen.“

„Ich möchte bitte gerne, mit dem Herr oder die Frau des Hauses reden“, meinte Mum. Ich erkannte, dass es sich um Christian handelte, der Kai vom Bahnhof geholt hatte.

„Ich habe es dem Jungen schon gesagt, das er sich fern halten soll, aber ich wünsche ihnen trotzdem viel Glück, bei ihrem Vorhaben.“

Er drehte sich um und wies uns ihm zu folgen. Er führte uns durch den Flur, na ja ich würde ja schon sagen Halle so groß wie das Ding war. In einem Art Kaminzimmer, meinte er, wir sollen warten und verschwand wieder.

„Ganz ruhig mein Kleiner, das schaffen wir schon“, meinte mein Bruder und nahm mich wieder in den Arm, als er merkte wie ich zitterte.

Ich kannte den Blick meiner Mutter, zu allem bereit. So wie damals als mich Michael mit dem Einkaufswagen umgefahren hatte, da hatte sie denselben Blick drauf, als sie auf Michael los ging. Die Tür öffnete sich und Christian der Bedienstete kam zurück.

„Frau Kammerer, Frau von Söden wird gleich erscheinen, haben sie bitte ein wenig Geduld, sie ist noch in einem Telefongespräch.“

Meine Mutter schaute sich zu uns um.

„Mein Geduldsfaden wird heute sehr strapaziert“, meinte sie und stellte ihre Handtasche auf einer der Sessel.

Christian verließ das Zimmer wieder und lies uns alleine.

„Es rede nur ich, verstanden?“ meine Mutter war wirklich auf Hundertachtzig.

Wir nickten beide mit dem Kopf. Die Tür ging auf und eine sehr elegant gekleidete Dame trat ein.

„Ich bin Frau von Söden, was kann ich…. Clarissa?“

„Elisabeth?“

„Clarissa, ich wusste nicht dass du es bist. Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.“

Die zwei kannten sich? Man Zufälle gibt es. Meine Chancen auf ein Widersehen mit Kai schienen zu steigen.

„Seit dem Studium. Warte, das sind fast zwanzig Jahre her seit dem.“

„Stimmt.. und was führt dich zu mir?“

„Entweder ein blödes Missverständnis, oder eine ganz miese Sache.“

„Komm lass uns es ein wenig bequem machen. Wer sind die beiden Herren da?“

„Das sind meine Söhne Phillip und Sebastian…“

„Sebastian? Jetzt dämmert mir einiges…“

„Dann weißt du warum ich hier bin?“

„Hat mein Mann, mal wieder den mächtigen Boss raushängen lassen. Clarissa ich weiß nur wenig was passiert ist, mein Mann informiert mich nur halbwegs über seine Aktivitäten.“

„Also weißt du gar nichts, wenn ich richtig verstanden habe?“

„Nur das mein Mann wieder jemand von meinem Sohn fernhalten will.“

„Was weißt du eigentlich von deinem eigenen Sohn?“

„Nicht viel, wir haben uns auseinander gelebt, weil ich soviel auf Reisen bin.“

Oje ich sah meine Chancen wieder sinken ich fing wieder an zu zittern, doch Phillip drückte mich wieder fester an mich.

„Dein Sohn hat sich verliebt.“

„In wen?“

„In Sebastian…“

„Und mein Mann hat…“

„Ja hat er, einfach diesen Kontakt verboten…“

Frau von Söden stand auf und lief zum Kamin, dort drückte sie auf einen Knopf.

„Clarissa das tut mir Leid, ich wusste echt nicht, das es sich um so etwas handelte.“

„Ist es für dich schlimm, dass dein Sohn auf Jungs steht?“

„Nein Clarissa, mit dem Thema habe ich schon lang abgeschlossen, es akzeptiert, aber seit diesem Augenblick ist mein Verhältnis zu Kai schlechter geworden.“

Die Tür ging auf und Christian trat ein.

„Christian wissen sie wo mein Sohn ist?“, fragte Frau von Söden.

„Er ist schon seit seiner Ankunft in seinem Zimmer, seit her habe ich ihn nicht mehr gesehen, gnädige Frau.“

„Sebastian?“

Mein Kopf flog hoch, Frau von Söden hatte mich angesprochen.

„Clarissa ich muss zugeben, du hast da wirklich zwei hübsche Jungs.“

„Danke Elisabeth, aber was hast du vor?“

„Sebastian, entschuldige bitte…, dass mein Mann dir soviel Kummer bereitet hat, komm bitte mit.“

Sie streckte mir ihre Hand entgegen. Artig wie ich war nahm ich sie und sie zog mich zu sich.

„Entschuldigung, es tut mir wirklich sehr Leid“, sagte Frau von Söden zu mir, „dann werde ich mal diesen ersten Fehler gleich bereinigen.“

Phillip und meine Mum schauten sich an, aber sagten nichts. Frau Söden lief mit mir in die Treppe hoch. Am Ende des Flurs blieb sie mit mir vor einer Tür stehen. Sie klopfte. Ein leises Ja, war von drinnen zu hören.

„Kai hier ist jemand für dich, ich lass ihn einfach rein.“

Sie öffnete die Tür und schob mich ins Zimmer. Na ja Zimmer, es war so groß wie unsere drei Zimmer zusammen. In einem Eck stand ein großes Bett, auf dem ich Kai entdeckte. Er hatte sich in sein Kissen vergraben.

„Kai?“ sagte ich leise.

Kai fuhr hoch, sah mich und stürmte aus dem Bett auf mich zu. Fast hätte er mich umgerissen als er sich mir an den hals schmiss.

„Dann lass ich euch zwei mal alleine, kommt aber bitte nachher runter, wir sollten da noch was reden“, meinte Frau Söden und lächelte mich an.

„Danke“, meinte ich.

„Ist nur zum Wohle meines Sohnes, hätte ich viel früher tun sollen.“

Mit diesen Worten schloss sie die Tür hinter sich. Kai schaute mich an. Er strich über mein Gesicht, fuhr durch meine Haare.

„Du bist es wirklich, ich träume nicht“, meinte Kai.

„Ich kann es auch nicht fassen, dass ich hier stehe.“

„Wie hast du das fertig gebracht?“

„Ich hab gar nichts, das waren meine Mum und mein Bruder, sie haben mich hier her gebracht.“

„Und wie hat es deine Mutter fertig gebracht meine Mutter umzustimmen?“

„Erstens kennen sie sich, sie haben wohl zusammen studiert, und zweitens wusste deine Mutter nicht Bescheid, die Aktion, war von deinem Vater.“

„Ich hab ihn nie leiden können, er ist doch nur hinter dem Geld meiner Mutter hergewesen.“

„Das Geld gehört ihr?“

„Ja alles, die Firma, das Haus, das ganze Geld, gehört zu drei Vierteln meiner Mutter und ein Viertel gehört mir.“

„Ihm überhaupt nichts?“

„Nein, nur das jährliche Gehalt, das ihm als Vorstandvorsitzender der Firma zusteht.“

„Dann bist du ja eine richtige gute Partie“, sagte ich und drückte in fest an mich.

„Soso, also auch auf mein Geld aus“, meinte Kai gespielt entrüstet.

„Ich will dein Geld gar nicht“, antwortete ich, „ich will nur dich!“

Ich gab ihm ein Kuss, und ich merkte wie die Spannung aus Kais Körper wich und sich meinem Kuss ergab.

*-*-*

„Und was wird nun werden?“, fragte Clarissa ihre Freundin.

„Das wird sich zeigen, ich habe bereits meine Anwälte auf meinen Mann angesetzt, weil es mehrere Ungereimtheiten in der Firma gab, und jetzt wo das mit Kai passiert ist, werde ich ihn wohl, ganz rausschmeißen.“

„Das geht einfach so“, fiel Phillip ein, womit er einen bösen Blick seiner Mutter kassierte.

„Das geht mein Junge, ich bin schließlich Inhaber der Firma, mein Mann nur Angestellter. Möchtet ihr beiden denn nichts trinken?“

„Danke gerne, ich würde nur gerne wissen wo unsere Jungs so lange bleiben“, sagte Clarissa.

„Die werden schon noch kommen.“

Die Tür ging auf und Christian trat ein.

„Sie wünschen?“

„Christian mach uns doch bitte zwei Kaffee und bring Cola für die Jungs mit.“

„Entschuldigen sie bitte die Frage gnädige Frau, aber ihr Sohn darf doch das nicht trinken.“

„Irrtum Christian, ich habe vorhin telefonisch die Mitteilung bekommen, dass mein Kai endlich gesund ist.“

„Das freut mich zu hören. Oh ich glaube der Herr kommt nach Hause. Ich bringe die Getränke sofort.“

*-*-*

Ich bekam fast keine Luft mehr, und löste mich deshalb von Kai.

„Was schon aufhören?“, kam es von Kai.

„Kai langsam, willst du mich umbringen? Ich krieg keine Luft mehr.“

„Oh sorry, war ich zu stürmisch.“

„Ja, aber es hat mir gefallen.“

„Da fährt ein Wagen, die Auffahrt hoch, jetzt wird es interessant, das ist mein Vater…“

*-*-*

Ihr bleibt hier sitzen, ich denke Kai wird sein Vater auch gehört haben und gleich runterkommen.

„Elisabeth?“

Kaum war er im Haus, schrie er schon ihren Namen. Die Tür flog auf und er kam herein gestürzt.

„Also wusste ich es doch, dieses Individuum ist doch hier.“

„Er lief auf Phillip zu.“

„Lass die Finger vom Bruder meines Freundes, sonst wirst du mich kennen lernen.“

Die Stimme kann von meinem Kai. Sein Vater drehte sich um.

„Kai auf dein Zimmer.“

„Du hast mir gar nichts mehr zu sagen“, meinte Kai kühl.

„Treib es ja nicht zu weit, junger Mann.

„Wenn es hier einer bunt treibt bis du es. Kaufst eine Jacht, obwohl du weißt Mutter wird sehr schnell Seekrank. Du hast diese kleine Hütte im Schwarzwald gekauft, auch wenn Mum allergisch gegen Kälte reagiert.

Du hast nie etwas für sie oder gar für uns gemacht.“

„Muss ich mir das von diesen Schnösel lassen Elisabeth?“

„Christian“, rief Frau von Söder, „pack doch bitte die Koffer meines Mannes.“

„Für wie lange ist der Aufen…?“

„Für immer Christian, für immer!“

„Elisabeth was soll das?“

„Das fragst du noch, Kai hat ganz Recht, du bist die letzten Jahre nur am Raffen gewesen, und wie meine Anwälte heraus gefunden haben, ziemlich viel Geld verspekuliert. Aber lieber Heribert, dass hat jetzt ein Ende. Mit sofortiger Wirkung bist du gekündigt, und was uns beide betrifft, die Scheidungspapiere werden dir umgehend zugestellt von meinen Anwalt.“

„Elisabeth…“

„Heribert du hast ein Fehler gemacht… das liebe Geld ist mir eigentlich ganz egal, aber heute wurde mir klar, wie du systematisch einen Keil zwischen mich und meinen Sohn getrieben hast. Und das werde ich dir nie verzeihen. Und nun mach das du mir aus den Augen kommst.“

Wir standen alle da und keines Wortes fähig. Das erstemal erlebte ich wie vor meinen Augen ein Erwachsener einfach abserviert wurde… verdientermaßen. Christian brachte den Kaffee und die Colas.

„Christian ich finde du solltest dir zur Feier des Tages frei nehmen, nur eins noch, bestell uns doch in unserem Stammrestaurant… halt nein, wo geht ihr immer essen?“

„In einer kleinen Pizzeria, am Stadtrand“, sagte meine Mum.

„Gut Christian lass dir die Nummer geben und bestelle ein Tisch für uns, wie viele sind wir?“

„Wir sind fünf…“, meinte Clarissa.

„Hast du eine Großfamilie?“

„Ja bald aber das erzähl ich dir dann später bei einem Glas Rotwein.“

Wir hörten die Haustür laut knallen.

„So wo dieses Thema nun vom Tisch ist, fangen wir mal an zu leben, oder Kai?“

Frau von Söder, oder Elisabeth wie ich sie später nenne durfte nahm ihren Sohn fest in den Arm.

„Danke Mama!“

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