Die Fälle des Bronetti – Teil 2 – Bronetti und der Clown

»Hier ist die Akte von den Diebstählen auf dem Jahrmarkt, Chef! «, sagte Philipp.

»Was haben wir mit den Diebstählen zu tun, hier ist die Mordabteilung«, erwiderte ich ärgerlich.

»Seit heute Morgen dort eine Leiche gefunden wurde, die ein Teil des Diebesgutes bei sich trug, ist es unser Fall! «

Philipp reichte mir die Akte und verließ mein Büro wieder. Ich schlug sie auf und mir kamen unzählige Bilder des Opfers entgegen. Es handelte sich um einen Roberto Kostelli, 23 Jahre alt, der auf dem Jahrmarkt als Bühnendarsteller tätig war.

Eine Stichwunde im Rücken und einen ausführlichen Bericht über die Waffe. Mich wunderte, dass jetzt schon so viele Unterlagen beisammen waren. Wo doch jede Abteilung dafür bekannt war, für ihren aufwendigen Zeitrahmen in den Ermittlungen.

Diverse Fingerabdrücke am Schmuck des Opfers waren vom Opfer selbst und von einer unbekannten Person. Wie sollte es auch anders sein! Ich stolperte über einen Punkt, der mir Fragen aufkommen ließ, ich drückte auf die Sprechanlage und rief Philipp herein, der auch wenige Sekunden später mein Büro betrat.

»Philipp, weißt du, was es mit den Schminkresten am Hals des Opfers auf sich hat? «

»Ja Chef, dieser Typ war der Clown des Jahrmarkts! «

»Und warum ist dieser Pflegelippenstift gesondert erwähnt? «

»Weil das Opfer den nicht benutzte!«

Mir blieb aber auch nichts erspart.

»Okay, in einer Stunde treffen wir uns dort, ich habe vorher noch etwas zu erledigen.«

Philipp nickte mir zu und verschwand wieder. Ich legte die Akte in die Ablage und trank meinen Kaffee leer. Bevor ich mit meinen Ermittlungen anfing, wollte ich zuerst zu Hause vorbei fahren und Duschen.

Am frühen Morgen hatte ich Till an den Flughafen begleitet und war von dort aus direkt ins Büro gefahren. Ja Till und ich, eine sonderbare Geschichte. Gut, ich fühlte mich wohl bei Till, in seinen Armen fühlte ich mich sicher und konnte mich auch gehen lassen.

Aber mehr als Schmusen war eben nicht. Irgendetwas in mir widerstrebte gegen den Ausdruck Schwul, der tägliche Kampf, der sich in meinem Kopf abspielte, raubte mir den letzten Nerv.

Till dagegen behielt völlig die Ruhe, er meinte das wäre ganz normal, dass würde jeder durch machen. Ist er Doktor Freud oder sowas? Nein, ich tat ihm Unrecht, er wendete soviel Zeit für mich auf, das ich mich ab und zu fragte, ob er noch einen Job hatte.

Ich hatte meine Schlüssel und Handy an mich genommen und war auf dem Weg zu meinem Wagen. Fast hatte ich die Pforte ungestört erreicht, als jemand meinen Namen rief. Ich drehte mich um und Candeloro aus der Drogenabteilung lief auf mich zu.

»Hallo Bronetti, gut dass ich dich noch erreiche. Ich wollte dich etwas fragen.«

»Warum hast du nicht angerufen?«

»Weil es etwas ist, was nicht für die Ohren der Anderen ist.«

»Und das wäre?«

Candeloro drückte sich ein wenig herum, bevor er zu sprechen begann.

»Du weißt, wir ermitteln wegen einem Drogenring hier in Palermo und eine Spur hat uns ins neue Totafu geführt.«

»Ja und? Was hat das mit mir zu tun?«

»Im Zuge unserer Ermittlungen haben wir die Personalien der Gäste aufgenommen.«

Mir war plötzlich klar, auf was er hinaus wollte.

»Und da hast du meinen Sohn vorgefunden oder?«

Bildete ich es mir ein, oder wurde Candeloro wirklich rot im Gesicht?

»Ja haben wir!«

»Klar, mein Sohn verkehrt dort öfter, was ist so Schlimmes daran?«

»Nichts, ich wusste nur nicht, dass dein Sohn schwul ist.«

»Ja das ist er, aber das heißt nicht, dass er nicht so normal ist, wie andere Jungs in seinem Alter!«

»Das habe ich auch nicht gesagt!«

Ich bemühte mich in meinem Tonfall normal zu bleiben, was mir doch recht schwer fiel.

»Und Drogen nimmt er auch keine! Entschuldige Candeloro, ich muss los, habe da noch einen Termin!«

Er nickte mir zu, aber sagte nichts mehr zu mir. Etwas ärgerlich verließ ich das Revier und stieg in den Alfa Romeo. Ohne nach hinten zu schauen, fuhr ich aus der Reihe, was ich aber  gleich bereute.

Es hatte zur Folge, dass hinter mir plötzlich lautes Reifenquietschen zu hören war. Laut hupend zog ein Golf an mir vorbei, wobei ich froh war, nicht die Flüche zu hören, die er mit drohender Hand gegen mich aussprach.

Ich gab Gas und stürzte mich in den Morgenverkehr Palermos. Etwas später zu Hause, schloss ich die Wohnungstür auf. Der Geruch der mir entgegenkam, kannte ich irgendwoher, kam aber nicht darauf, womit ich es zu tun hatte.

Mir fielen die Sachen von Andrea auf, der wohl nach der Schule zu mir gekommen war. Aber auch fremde Sachen lagen da. Noch etwas sah ich, mein Anrufbeantworter blinkte. Ich ging zu ihm hin und drückte die Playtaste.

»Hi Gabriel, ich konnte dein Handy nicht erreichen, wollte dir aber nur sagen, dass ich gut in Hamburg angekommen bin, ich melde mich heut Abend bei dir! Ciao, hab dich lieb!«

Ein Schmunzeln zierte mein Gesicht, was aber vom Lärm auf der Terrasse wieder verschwand. Ich fand Andrea und einen fremden Jungen am Strand vor, die dort wie kleine Kinder herumtollten.

»Hallo Papa, schon zu Hause?« kam es von Andrea, der mich bemerkte.

»Nein, ich will nur kurz duschen, dann bin ich wieder weg!«

»Das ist Pablo, ein Freund.«

»Ein Freund?«

»Ja Papa, ich hüpf nicht gleich mit jedem ins Bett!«

Ich war erstaunt, wie offen Andrea mit seiner Sexualität umging, ich gehörte eben zu einer anderen Generation. Ich winkte den Beiden noch einmal zu und verschwand wieder im Haus. Wieder stieg mir dieser Geruch in die Nase, aber ich hielt mich im Gedanken nicht weiter damit auf.

Schnell sprang ich unter die Dusche, damit ich nicht zu spät zu Philipp kam. Heiß rauschte das Wasser über meine Körper, vertrieb die Müdigkeit, die in ihm steckte. Plötzlich hatte sich Till in meinem Gedanken festgesetzt, ich erinnerte mich an die Szene, als ich Till das erstemal sah, als er aus dem Wasser stieg.

Auch bemerkte ich, dass sich zwischen meinen Beinen etwas regte. Irgendwie entsetzt schaute ich nach unten, als mein Schwanz zu wachsen begann. Ich griff nach dem Hahn der Armatur und drehte das kalte Wasser auf.

Mir entfuhr ein kleiner Schrei, der Temperaturwechsel war doch etwas heftig.

»Papa, ist alles klar bei dir da oben?«, hörte ich Andrea rufen.

»Ja, alles klar!«, erwiderte ich.

Der Erfolg hatte sich eingestellt, dachte ich, mein Schwanz war wieder auf Normalgröße, aber der Gedanke auf die Reaktion ließ mich dennoch nicht los. Später im Auto aber, verschwendete ich keinen Gedanken mehr daran, der Fall hatte wieder meine volle Aufmerksamkeit.

Um diese Zeit, war noch wenig los auf dem Jahrmarkt. Erste Besucher schlenderten zwar durch die Stände, aber das Getümmel blieb noch aus. Ich hielt Ausschau nach Philipp und fand ihn schließlich an einer der zahlreichen Schießbuden.

Der Besitzer schaute ärgerlich drein und ich sah auch den Grund dafür. Neben Philipp lag ein kleiner Haufen Stofftiere, die er bestimmt geschossen hatte.

»Oh hallo Chef, ich war etwas früher da und ich…«

»Schon gut, aber nun hörst du mal auf, sonst kann der Besitzer zumachen!«

Der Mann hinter den Tresen schaute mich erleichtert, fast dankbar an. Philipp verstaute die ganzen Stofftiere in seiner Jacke, was irgendwie nicht vorteilhaft aussah. Als hätte er eine Familienpizza zuviel gegessen, wölbte es sich vor seinem Bauch.

Dabei war Philipp ein recht sportlicher Typ, durchtrainiert und konnte sich auch so sehen lassen. Ich ertappte mich dabei wie ich Philipp genau musterte und erschrak dabei über mich selbst.

War ich jetzt wirklich so auf Mann fixiert, dass ich alles um mich herum anstarrte. Nicht wie gewöhnlich hielt ich ein kleines Schwätzchen mit Philipp, sondern schaute mich verstohlen um.

Hier, unter den Arbeitern, liefen wirklich ein paar attraktive Männer herum.

»Ist etwas, Chef?«

Philipp riss mich aus meinem Gedanken.

»Nein Philipp, ich war nur im Gedanken.«

Noch offensichtlicher ging es wohl nicht, ich musste mich jetzt wirklich zusammenreißen und mich weiter auf meinen Job konzentrieren. Aber was wusste ich schon von Philipp, er wohnte im Haus seiner Eltern und war solo. Und höchst moralisch, was seinen Beruf betraf.

Mit Ehrgeiz und penibler Genauigkeit, verrichtete er seinen Job, um ja keine gesetzeswidrige Handlung zu begehen. Wir kamen an einen Teil des Jahrmarktes, der abgesperrt war. Hier hinten hatten die Schausteller ihre privaten Wägen stehen.

Sofort fielen mir die missbilligen Blicke der hier Anwesende auf. Klar, dass war eine eingeschworene Truppe. Jemand wie ich und Philipp waren Außenstehende und unwillkommen.

Philipp führte mich an die Stelle, wo der Tote gefunden wurde.

»Schlecht einsehbar und natürlich hatte niemand etwas gesehen und gehört«, dachte ich laut.

Ich sah mich weiter um, bemerkte die Menschen, die sich von mir abwandten. Mein Blick blieb auf einem Wohnwagen haften, vor dem eine Zigeunerin saß.

Sie genoss anscheinend die Sonnenstrahlen, denn sie hatte die Augen geschlossen. Ich musterte sie genau und beschloss zu ihr zu gehen.

»Hallo!«, sagte ich knapp.

Die Dame, so um die vierzig öffnete die Augen und blinzelte mich an.

»Oh, guten Morgen Commissario!«

Woher wusste sie, wer ich war? Etwas verwundert deutete ich auf den anderen Stuhl der ihr gegenüberstand. Sie nickte und ich setzte mich. Philipp lief dagegen etwas weiter.

»Kann ich mich etwas mit ihnen über die Leute unterhalten?«, fragte ich, um höflich zu wirken.

»Was soll ich ihnen schon groß über diese Menschen hier erzählen. Sie sehen doch selber, ein zusammengewürfelter Haufen von kleinen Halunken, Halsabschneidern und was sonst noch so unter den Steinen hervorschaut!«

Die Dame hatte keine große Meinung über ihre Kollegen.

»Kannten sie den Toten näher?«

»Roberto? Klar, ein netter Junge, nur die falsche Umgebung für ihn!«

»Für was war er hier zuständig?«

»Er versorgte die Schausteller mit Lebensmittel, kaufte immer Vorrat ein. Ansonsten belustigte er die Leute als Clown.«

»Und bei wem wohnte er?«

»Roberto schlief in keinem Wohnwagen. Er hat immer in seinem Wagen geschlafen, der alte Kastenwagen der da hinten steht.«

Ich folgte der Richtung, in die, die Dame zeigte und sah sofort den Wagen, den sie meinte.

»Hören sie Commissario, seihen sie vorsichtig, keiner hier will etwas mit dem Mord zu tun haben, aber irgendwie sind alle darin verstrickt.«

»Wie meinen sie das, Madam…«

»Madam Fleur is mein Name, Hellseherin von Beruf. Ich spüre die Spannung im Lager, das Misstrauen, das hier täglich wächst. Jeder verdächtig hier Jeden. Die wollen es alleine austragen, ohne Hilfe von außen!«

»Also ist hier jeder auf Mörderjagd und auch ist jeder der Meinung, es war jemand von ihnen selbst!«

»Klar war es einer von denen, jemand Anderes, Fremdes, kommt hier nicht her, nicht um diese Uhrzeit.«

»Welche Uhrzeit?«

»Roberto hatte mir so gegen ein Uhr nachts noch Wasser gebracht, meins war ausgegangen. Gefunden wurde er gegen drei Uhr.«

Das stimmte ungefähr mit der Zeit im Bericht des Pathologen überein.

»Haben sie einen Verdacht, wer es sein könnte?«

»Dazu kann ich ihnen nichts sagen, Commissario, noch nicht! Aber eins kann ich ihnen mit Bestimmtheit sagen, geklaut hat Roberto nicht, dass hatte er nicht nötig!«

»Wie soll ich das verstehen?«

Mich auf dumm zu stellen, war wohl die einzigste Möglichkeit, Madam Fleur gesprächig zu halten.

»Ich sagte schon, Roberto hielt sich in den falschen Kreisen auf. Er gehörte einer wohlhabenden, sizilianischen Familie an, hatte sich aber für dieses bescheidene Leben entschieden.«

Ich legte eine Denkpause ein, und ließ meinen Blick über den Platz wandern. Feindselige Blicke waren auf uns gerichtet.

»Ich bedanke mich bei ihnen Madam Fleur für die Auskünfte, die sie mir gegeben haben.«, meinte ich und erhob mich.

»Soll ich ihnen nicht aus der Hand lesen?«

Diese Frage hätte ich eigentlich erwarten sollen. Widerwillig setzte ich mich wieder hin und streckte ihr die Hand hin.

»Gerne!«

Sie nahm mit ihrer, mit Ringen reich verzierten Hand, meine Hand entgegen.

»Ein langes Leben wird ihnen beschert sein, Commissario.«

Ich musste lächeln, den in soweit sagte doch jede Hellseherin etwas.

»Sie werden sich von etwas Alten trennen und etwas Neues wird daraus geboren. Ihr Leben wird dadurch bunter und fröhlicher!«

Ob sie etwas wusste? Mich von etwas Alten trennen? Das machte mich jetzt doch stutzig.

»Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag, Commissario!«, sagte Madam Fleur und ließ meine Hand frei.

»Commissario Bronetti!«, erwiderte ich und gab ihr meine Karte.

»Hier steht meine Nummer drauf, falls ihnen noch etwas auffällt oder sie meine Hilfe brauchen!«

»Danke Commissario, aber ich denke, sie werden zu mir kommen, falls sie noch einmal meine Hilfe benötigen.«

Sie setzte ein fettes Lächeln auf und ihre strahlend, weiße Zähne kamen zum Vorschein. Ich ließ einen kleinen Pfiff Richtung Philipp los, der auch gleich zu mir kam.

»Wir gehen!«, sagte ich zu ihm, und zu Madam Fleur gewandt, »nochmals Danke für die Informationen.

Sie nickte mir noch einmal zu, bevor wie sie verließen.

»Haben wir einen Schlüssel für Kostellis Wagen?«, fragte ich Philipp.

Er griff in seine Tasche und zog einen Schlüsselbund hervor, nicht aber ohne einen Teil seiner gewonnenen Tierchen zu verlieren. Er bückte sich und hob sie auf und was machte ich, ich starrte ihm auf den Arsch.

Kopfschüttelnd schaute ich mir den Schlüsselbund an.

»Für was alles sind diese kleinen Schlüssel?«, wollte ich wissen.

»Kostelli hatte Zutritt zu jedem Wohnwagen hier, er verteilte Nahrungsmittel, wenn er nicht als Clown unterwegs war.«

»Das weiß ich schon, aber dieser Schlüssel lag bei der Leiche?«

»Ja!«

»Komisch, der wäre doch ein gefundenes Fressen für jeden Dieb.«

»Aber Kostelli war doch der Dieb…«

Philipp konnte meinen Gedankengängen nicht folgen.

»Philipp, zieh doch bitte nähere Informationen über ihn ein, über seine Familie und deren Umfeld.«

Philipp nickte mir zu und zückte sein Handy. Wieder flogen einige Tierchen aus seiner Jacke, die er mit einem verlegenen Lächeln wieder aufhob.

Ich ebenso mit einem Lächeln auf den Lippen versehen, ging zu Robertos Wagen und schloss ihn auf. Bescheiden leben, war sogar untertrieben. Entweder jemand hatte den Wagen ausgeräumt, oder Roberto war ein ordentlicher, junger Mann.

Auf der hinteren Ablage, in ein paar Fächern, waren ein paar Klamotten fein säuberlich eingeräumt. Auch sonst machte das Wageninnere einen sehr sauberen Eindruck.

»Irgendwelche Fingerabdrücke?«, fragte ich Philipp, der von seinem Handy aufschaute und mit einem Kopfnicken die Frage bejahte.

»Ruf mich an, wenn du etwas herausgefunden hast, Costa. Ciao!«

Philipp drückte das Gespräch weg und wandte sich an mich.

»Nur die des Opfers, Chef!«

»Also hat keiner etwas gesucht, oder den Wagen aufgeräumt, um irgendwelche Spuren zu verwischen.«

»Nur das was der Pathologe dem Opfer abgenommen hat«, meinte Philipp und suchte die Taschen seiner Jacke ab.

Ich nahm ihm zur Hilfe ein paar Tierchen ab, was ihm sichtlich peinlich war. Er zog plötzlich ein Tütchen heraus und hielt es mir unter die Nase. Darin befand sich eine Kette an der ein Ring befestigt war.

Ich zog die Kette heraus und schaute mir den Ring näher an. Das der Ring nicht etwas einfach war, sah ich am Stempel der Einprägung, was mich aber mehr verwunderte, war der Name, den ich darauf lesen konnte. Dort stand in großen Lettern Mario.

»Ich werde noch kurz in der Pathologie vorbeischauen, bevor ich aufs Revier kommen werde.«

Philipp nickte und setzte sich in Bewegung.

»Und Philipp, keine Tierchen mehr schießen!«, rief ich ihn grinsend hinter her.

Philipp nickte abermals und seine Gesichtsfarbe wechselte auf rot.

Wenig später befand ich mich auf den Weg in die Pathologie. Mein Handy gab Zeichen, jemand hatte eine Sms geschickt. Während ich versuchte, weiter auf den Verkehr zu achten, öffnete ich die Sms.

„Ich denke an dich! Dein Till.“

Oh Gott, Till muss es wirklich sehr erwischt haben. Ich drückte schnell, „Ich auch an dich, Gabriel“ ein und sende die Sms ab, während ich galant einem anderen Wagen auswich, der mir die Vorfahrt nehmen wollte.

Später stellte ich meinen Wagen auf dem Parkplatz der Pathologie ab und betrat das Haus. An diesen ungewöhnlichen Geruch von Desinfektionsmittel konnte ich mich nie gewöhnen. Ich durchschritt mehrere Türen, bevor ich die Abteilung von Professor Umberto betrat.

»Hallo Professor!«

»Morgen Bronetti, auch einen Kaffee?«

»Gerne doch!«

Umberto schenkte mir eine Tasse ein.

»Welcher Tote darf es heute sein?«, fragte Umberto und stellte seine Tasse ab.

»Roberto Kostelli!«

Umberto wühlte kurz in seinen Unterlagen, die wild verstreut auf seinem Schreibtisch lagen. Er zog eine Akte heraus und reichte sie mir.

» 23 Jahre alt, starb an der Stichverletzung, die die Lunge regelrecht durchbohrte, war sofort tot.«

»Irgendwelche Besonderheiten?«, fragte ich.

Umberto schaute kurz auf, blickte mir in die Augen, bevor er eine bestimmte Schublade des Kühllagers aufzog.

»Das Einzigste, was mir aufgefallen ist, den Schmuck, den der junge Mann getragen hat, passte nicht zu dem Ort, an dem er gearbeitet hatte.«

»Wurde alles ans Revier weitergegeben?«

»Ja, zwei Ringe, ein Armband und eine Kette mit Ring, alles aus Gold. Nur das Armband passte übrigens nicht zum restlichen Schmuck, da das Gold eher minderwertig war.«

»Danke für die Info!«

Ich zog das Handy heraus und wählte Philipp an.

»Hallo Chef!«

»Hallo Philipp, hast du die Liste von Schmuckstücken, die der Tote getragen hatte?«

»Moment Commissario, ich muss kurz suchen.«

Ich hörte das Geräusch von Blättern, die durchwühlt wurden.

»Ich habe es, da stehen zwei Ringe und eine Halskette mit Ring, die, die ich ihnen heute Morgen gegeben habe.«

»Nichts von einem Armband?«

»Nein Chef, hier steht nichts davon.«

»Dass is ja interessant, ich bin gleich bei euch, muss hier nur noch etwas klären! Ciao!«

Ich drückte das Gespräch weg.

»Professor haben sie noch den Originalbericht, den sie dem Revier geschickt haben?«

»Klar, aber…«

»Ich bräuchte noch einmal eine Kopie davon, wenn es geht!«

Umberto schaute mich verwundert an, kam aber meinem Wunsch nach. Er ging an seinen Computer und druckte mir den Bericht noch einmal aus.

»Danke Professor, sie haben etwas gut bei mir.«

Ich wusste nicht, wie ich auf den Gedanken gekommen bin, aber diese Armkette schien ein wichtiges Puzzleteil in diesem Fall zu sein. Mit den Papieren in der Hand lief ich zurück zum Wagen.

Als ich im Revier ankam, war die Mittagspause schon vorbei, geschäftiges Treiben, in allen Abteilungen. Es gab keine Anrufe für mich, keine Nachrichten. Auf was hoffe ich? Das Till hier anruft?

Ich lief in mein Büro und ließ mich auf meinen Stuhl fallen. Durch die offne Tür konnte ich Philipp und Costa auf ihren Plätzen sehen. Über irgendwas sprachen sie, aber ich konnte es nicht verstehen.

Erst als Costa meinen Blick bemerkte, hörten sie damit auf. Beide standen auf und kamen zu mir. Ich reichte Philipp die Originalakte.

»Das ist die Akte von unserem Fall, was ist damit?«

»Das ist die Akte, die Professor Umberto herausgegeben hat und nun vergleicht die mal mit der Akte, die ihr heute morgen aus der Abteilung für Diebstahl bekommen habt.«

Philipp und Costa stecken beide die Köpfe zusammen, überflogen die Texte.

»Es scheint alles gleich zu sein«, meinte Costa.

»Dann schaut mal genauer hin Leute, da fehlt etwas!«, meinte ich ärgerlich, denn es war doch so offensichtlich, dass bei der Beschreibung der Habe des Opfers die Armkette fehlte.

»Die Armkette fehlt!«, bemerkte Philipp.

»Und was sagt uns das?, fragte ich weiter.

»Wurde wahrscheinlich beim Abschreiben vergessen!«, sagte Costa.

»Jetzt bemüht doch mal eure grauen Zellen. Umberto schickt den Bericht als Datei, er wird hier im Revier nur ausgedruckt.«

»Manipuliert? Aber warum?, kam es erstaunt von Philipp.

»Jemand aus dem Revier hat etwas zu verbergen!«, schoss es aus Costa.

»Wer hat die Akte überhaupt als erstes in die Finger bekommen?«, fragte ich.

Philipp schloss den Kartondeckel und schaute auf die Vorderseite.

»Candeloro!«

Er hatte mich heute Morgen nach meinem Sohn gefragt, wollte wissen ob er schwul ist. Was für eine Verbindung gab es da. Sollte Candeloro schwul sein? Hatte er einen Sohn?

»Hat Candeloro Kinder?«, fragte ich.

»Ich glaube sogar drei, zwei Töchter und einen Sohn!«, antwortete Costa.

»Weiß jemand den Namen von dem Sohn?«

»Chef, dass wird sicher leicht herauszubekommen sein.«

»Costa… bitte, Candeloro soll nichts mitbekommen!«

»Warum Chef?«

»Ich bewege mich mit meinem Verdacht auf sehr dünnem Eis, also bitte!«

»Candeloro ein Mörder?«

»Nein, das habe ich nicht gesagt, aber ich habe da einen anderen Verdacht!«

Costa nickte und verließ das Büro.

»Philipp, was hast du über die Familie des Opfers herausbekommen?«

Philipp zog einen Block aus seiner Hosentasche. Ich wartete darauf, dass irgendwo noch ein Tierchen zum Vorschein kam und musste grinsen. Philipp schaute mich fragend an, worauf sich mein Lächeln aber wieder sofort verzog.

» Roberto Kostelli, 23 Jahre, Sohn von Alberto Kostelli. Zusammen mit Robertos Stiefmutter betreiben die Beiden eine Luxuswerft für Edelyachten. In Messina, seit Mittelalter eine sehr angesehene und reiche Familie.«

»Wie passt da Roberto hinein?«, fragte ich.

»Roberto ist der Jüngste von vier Brüdern, gute Schulausbildung, keinerlei Hinweise auf Verfehlungen.«

»Philipp, warum entscheidet sich ein junger Mann für ein einfaches Leben, wo er doch eigentlich von Beruf Sohn ist, das Jetsetleben genießen könnte.«

Die Antwort blieb mir Philipp schuldig.

»Philipp, versuch mehr über die Familie herauszubekommen, über das Verhältnis der Eltern, Stiefmutter sagtest du?«, Philipp nickte, » und Roberto, irgendetwas muss es geben, warum sich der Sohn für so ein Leben entschieden hat.«

Gedankenverloren zog ich die Kette des Jungen aus der Sakkotasche und schaute mir den Ring noch einmal genauer an. Wer war dieser Mario, dessen Name auf dem Ring eingraviert war.

Es war schon recht spät, als ich nach Hause kam, da alles dunkel war, vermutete ich, dass Andrea bereits nach Hause gefahren war, zu seiner Mutter. Ich schloss die Tür auf und wieder stieg mir dieser süßliche Geruch in die Nase.

Denselben Geruch hatte ich auch am Morgen in der Nase, nur wusste ich diesmal, was ich hier roch. Andrea war wirklich nicht da, das Haus war leer. Ich lief ins Wohnzimmer und bemerkte den vollen Aschenbecher auf dem Tisch.

Ich hob ihn an und roch daran. Da hatte jemand Gras geraucht. Jemand… ich schüttelte den Kopf, Andrea natürlich, wer sonst. Ich stand unschlüssig da und wusste erst nicht, was ich machen sollte.

Ich pfefferte total sauer, den Aschenbecher auf das Küchenbord,  zog mein Handy hervor und wählte die Nummer meiner Exfrau Laura. Doch bevor das erste Klingelzeichen kam, drückte ich das Gespräch wieder weg.

Ich nahm die Autoschlüssel in die Hand, als das Handy losklingelte. Ohne darauf zu schauen, wer da anrief, nahm ich das Gespräch entgegen.

»Bronetti!«

»Oh, hallo Gabriel, ich rufe wohl gerade ungelegen an?«

Till! Jetzt erst bemerkte ich, wie ärgerlich mein Bronetti geklungen haben musste.

»Hallo Till, entschuldige, mir geht nur gerade was durch den Kopf.«

»Ein neuer Fall?

»Nein Andrea!«

»Hat er was angestellt?«

»Er hat Gras geraucht und ich bin stinksauer auf ihn.«

»Oh!«

»Ich weiß jetzt nur nicht… ich weiß nicht was ich machen soll.«

»Der große Commissario ist ratlos?«

Till versuchte mich aufzuheitern, ich merkte, dass er mich mit dem Satz nicht reizen wollte.

»Was würdest du an meiner Stelle tun?«

»Gabriel, wie soll ich dir da einen Rat geben, ich bin nicht mal ein Vater!«

»Ich dachte ja nur…«

»Das Einzigste, was ich dir raten kann ist, rede mit ihm, aber in Ruhe. Anschreien bringt nichts, wir haben auch den Rollladen runtergelassen, wenn wir Streit mit unseren Eltern hatten.«

»Ich glaube ich werde erst noch eine Nacht darüber schlafen müssen.«

Ich schenkte mir einen Rotwein ein und ließ mich auf dem Sessel nieder.

»Ich vermisse dich Gabriel«, kam es leise von Till.

»So schlimm?«, fragte ich.

»Ja, ich weiß wir kennen uns noch nicht lange, aber ich genieße deine Nähe, die Gespräche mit dir, auch deine Küsse.«

Auch wenn ich Till jetzt nicht sehen konnte, so wusste ich, dass er mit einem Lächeln vor mir saß. Trotzdem wusste ich nicht recht, was ich sagen sollte.

»Du schweigst?«, fragte Till.

»Ich weiß nicht recht was ich sagen soll… doch eins, ich denke sehr viel an dich!«

»An mich? Wow!«

»Klar gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf, Till. Du bist den ganzen Tag anwesend, auch wenn du nicht bei mir bist.«

»Das ist schön zu hören. Du übrigens, ich komme Samstag wieder, kannst du mich vom Flughafen abholen?«

»Klar, kein Problem, dann siehst du mich ja wenigstens wieder.«

»Ich würde dich aber jetzt gerne sehen«

»Till, es sind doch nur noch zwei Tage, dann siehst du mich doch wieder.«

»Ja, ist schon gut.«

»He großer starker Mann, wer wird hier denn jetzt schwach werden.«

»Dein großer, starker Mann wird in deinen Armen schwach!«

Ich spürte wie die Röte in mein Gesicht aufstieg.

»Am Samstag können wir ja dann weiter reden!«, hängte Till dann noch dran, als wüsste er, dass er mir gerade ein Rettungsring zugeworfen hatte, weil ich wieder nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte.

»Rufst du noch einmal vorher an und sagst mir, wann du ankommst?«, fragte ich.

»Klar, kein Problem, dann schlafe mal gut und träume etwas Schönes!«

»Du auch!«

»Ich hab dich lieb!«, hauchte Till in den Hörer.

»Ich dich auch!«, kam es ebenso leise von mir.

»Bis dann! Ciao!«

»Ciao Till!«

Und schon war nur noch der Piepton in der Leitung zu hören. Er hat mich lieb und vermisst mich. Er freut sich mich wieder zu sehen. In meinem Kopf herrschte ein Chaos. Sollte ich mich in den letzten Jahren so getäuscht haben und war es das, was ich wollte.

Till war zuvorkommend, er wusste genau was ich wollte, was ich fühle, was sich in mir abspielte. Er nahm so viel Rücksicht auf mich, ohne irgendwie zu drängen. Klar habe ich mich in all den Jahren nach Geborgenheit gesehnt.

Wie oft saß ich hier oder draußen auf der Terrasse und fühlte mich einsam. Aber wie oft war ich schon in gefährlichen Situationen, wo ich dachte, es ist besser wenn ich alleine bleibe. Wie damals, als mich die Kugel traf und ich zwei Monate im Krankenhaus lag.

Einerseits schrie es in mir innerlich nach Till, seinen starken Armen, in die ich mich kuscheln konnte, ihm ewig zuhören konnte, wenn er etwas erzählte.

Andererseits wusste ich nicht ob ich eine Beziehung eingehen wollte. Es war damals schon nicht mit Laura gegangen, wieso jetzt mit Till. Till war aber so anders, ganz anders, man konnte ihn mit niemand vergleichen.

War ich etwa verliebt? Liebte ich diesen blonden Hünen, der schon am ersten Tag so viele Eindrücke in mir hinterließ. Ich trank einen kräftigen Schluck von meinem Rotwein und atmete tief aus.

Ich brachte das Glas in die Küche und zog mich nach oben zurück. Ob es eine traumlose Nacht gewesen war, wusste ich nicht, aber am nächsten Morgen stand ich wie gerädert auf.

*-*-*

Recht spät kam ich ins Revier, hatte heute auch keine Rechte Lust, irgendetwas zu arbeiten. Costa und Philipp waren nirgends zu sehen, so ließ ich mich in meinem Büro nieder und studierte lustlos die Akten, die sich auf meinem Tisch befanden.

Mein Telefon ging.

»Bronetti!«

»Buon Giorno, Chef.«

» Buon Giorno Philipp, wo seid ihr denn?«

»Bei einer Leiche, die im Hafenbecken treibt.«

»Ich komme sofort!«

»Ach Chef, haben sie Candeloro schon gesehen?«

»Nein, wieso?«

»Der Tote ist sein Sohn, Mario!«

Mein Blick fiel auf die Liste von Robertos Habseligkeiten. Der Name auf dem Armband war Mario.

»Philipp, halte bitte Stillschweigen über den Mord, ich komme dann nachher zu euch, ich werde wohl erst einen schweren Gang hinter mich bringen müssen.«

»Okay Chef, viel Glück dabei. Ciao!«

Ich legte den Hörer auf und seufzte. Gerade wollte ich mich von meinem Platz erheben, als es draußen auf dem Flur laut wurde.

»Gibt es denn hier niemand, der mich über mein Sohn aufklären kann?«, hörte ich eine tiefe Männerstimme laut rufen.

»Senior Kostelli, so beruhigen sie sich doch.

Das war Maria, unsere Telefonistin. Ich lief zu meiner Tür und schaute auf den Flur. Dort lief wutentbrannt ein Mann von Tür zu Tür, dahinter eine sehr hilflose Maria.

»Senior Kostelli«, rief ich, der plötzlich in seiner Bewegung inne hielt.

»Ich bin der ermittelnde Commissario an dem Fall ihres Sohnes.«

»Ermittlungen? Wo ist mein Sohn?«

»Sie wurden noch nicht informiert?«, fragte ich erstaunt.

»Ich komme gerade vom Jahrmarkt, den ich aufsuchte, weil sich mein Sohn seit Tagen nicht gemeldet hat. Und dort hieß es nur ich soll mich hier an das Revier wenden. Wo ist nun mein Sohn?«

Ich blickte kurz zu Maria, die hilflos mit den Schultern zuckte, ohne das Kostelli es sah.

»Kommen sie bitte in mein Büro, Senior Kostelli«, sagte ich und machte eine einladende Bewegung.

»Maria, könntest du mir vielleicht zwei Kaffee besorgen?«

Maria nickte und verschwand. Ich folgte Kostelli in mein Büro.

»Setzen sie sich doch bitte.«

»Was ist los hier, wo ist mein Sohn?«

Ich umrundete mein Schreibtisch und setzte mich hin.

»Senior Kostelli, es tut mir leid, aber ich muss ihnen mitteilen, dass ihr Sohn tot ist.«

Der Mann sank in sich zusammen, ich bekam Angst, dass er mir vom Stuhl kippte. Maria kam gerade in diesem Augenblick mit dem Kaffee herein.

»Maria, ich glaube wir brauchen da etwas Stärkeres!«

Maria verstand sofort und stellte den Kaffee ab, bevor sie mein Büro verließ.

»Tod?«, stammelte Robertos Vater.

Kostellis Reaktion schien echt zu sein, ich konnte keinen Hinweis finden, dass er mir etwas vorspielte.

»Ihr Sohn wurde niedergestochen aufgefunden.«

»Aber wer…?«, begann Kostelli brach mitten im Satz ab.

»Senior Kostelli, wir stecken mitten in den Untersuchungen, sobald ich Näheres weiß, unterrichte ich sie davon.«

Maria kam mit einer Flasche Whisky hereingelaufen. Ich stand auf, griff danach und schenkte etwas in ein Glas ein.

»Trinken sie!«, meinte ich und hob das Glas Kostelli hin.

Ohne einen Ton zu sagen, nahm er das Glas und zog den Whiskey auf einen Zug hinunter.

»Daran bin nur ich schuld…«, kam es leise von Kostelli.

»Bitte?«

»Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass Roberto geht…«

»Wieso ist er gegangen?«

»Ein großer Streit mit seinen Brüdern. Danach ist er bei uns ausgezogen…«

»Um was ging es?«

Kostelli schwieg.

»Sagt ihnen der Name Mario etwas?«, fragte ich ohne meine Stimme einer besonderen Betonung zu verleihen.

Wenn Kostelli schon bleich war, nun verlor er sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Volltreffer und versenkt!

»Was hat Mario damit zu tun?«, fragte Kostelli leise.

Ich nahm die Kette mit dem Ring und reichte sie ihm.

»Wer ist Mario?«, fragte ich.

»Mario ist… war der Freund meines Sohnes!«

»Freund?«

»Ja, sie waren beide…«

»Schwul!«

Kostelli hob den Kopf und schaute mir in meine Augen.

»Roberto kam eines Tages zu mir und beichtete mir, er sei… schwul und dass er eben mit Mario zusammen sei, der bei uns eine Anstellung hat. Ich hatte es da aber schon irgendwie gewusst, es immer schon gefühlt.«

»Und warum der Streit?«

»Ich mochte Mario, und hatte auch nichts dagegen, dass die beiden zusammen waren. Aber seine Brüder rasteten aus, machten ihm das Leben zur Hölle. Ich weiß nicht was in sie gefahren war. Dann ist er gegangen. Er verzichtete sogar auf jede Hilfe von mir.«

»Und seitdem haben sie ihn nicht mehr gesehen?«

»Nein, ab und zu hat er mich zwar angerufen, aber mehr Kontakt war nicht.«

Eine Pause entstand. Ich wählte die Nummer der Pathologie.

»Hallo Professor, Bronetti hier. Ist der junge Kostelli noch bei ihnen?«, sagte ich sehr leise.

»Ja, warum?«

»Ich habe hier seinen Vater sitzen, können wir vorbei kommen?«

» Oh! Klar!«

»Danke! Ciao!«

»Ciao!«

Ich legte wieder auf und erhob mich.

»Herr Kostelli, möchten sie zu ihrem Sohn?«

Er nickte und erhob sie ebenfalls. Wortlos folgte er mir durchs Revier hinaus auf die Straße. Dort stand eine große Limousine mit einem Fahrer.

»Würden sie bitte mit Senior Kostelli folgen?«, fragte ich den Fahrer.

Der junge Mann, der seine Augen hinter einer Sonnenbrille versteckte, nickte und öffnete Kostelli die Tür. Ich stieg ebenso in meinen Wagen und wartete, bis der Fahrer eingestiegen war. Langsam fuhr ich los und schaute in den Rückspiegel ob er mir folgte.

Wenig später in der Pathologie folgte mir Kostelli  gemeinsam mit dem Fahrer. Umberto begrüßte uns und führte uns gleich an die Kühlwand. Er ging an eine Tür und zog die Schublade auf.

Hervor kam eine verdeckte Person. Umberto schaute mich kurz an, als wartete er auf ein Startzeichen. Ich nickte ihm zu und er schlug die Decke zurück. Aber nicht Kostelli brach neben mir zusammen, sondern der Fahrer ging auf die Knie und begann zu weinen.

Umberto sah mich fragend an.

»Mario bitte!«, sagte Kostelli leise.

»Das ist Mario?«, fragte ich erstaunt und blickte zu dem jungen Mann, der kurz seine schwarze Sonnenbrille anhob. Ich erschrak über die kalten Augen des jungen Mannes.

*-*-*

Etwa eine Stunde später traf ich im Hafen ein.

»Hallo Chef!«

»Hallo Costa!«

»Wie hat Candeloro es aufgenommen?«

»Ich war noch nicht bei ihm.«

Costa schaute mich fragend an.

»Ich habe Besuch bekommen, ein gewisser Senior Kostelli war bei mir, mit einem gewissen Mario!«

Die Überraschung war Costa deutlich anzusehen.

»Und jetzt?«, fragte er.

»Nichts, sie nehmen den Leichnam mit nach Hause. Was ist mit Mario hier?«

»Also wenn sich der Gerichtsmediziner nicht täuscht, dann wurde Mario, mit derselben Waffe erstochen, wie Roberto.«

Ich schaute hinüber zum Krankenwagen, wo Marios Leiche auf einer Bahre lag. Ich lief hinüber und schaute mir den Junge an, den ich gerade mal so auf 18 schätzte. Ich nahm sein Hand und schaute auf das Handgelenkt, wo mir eine kleine Goldkette entgegenfunkelte.

Auf dem Namensschild stand Roberto.

Ich drehte mich zu Philipp.

»Philipp, hör mir jetzt genau zu. Du machst jetzt Meldung ans Revier, mit Namen und allem was passiert ist.«

»Klar Chef!«

»Und noch etwas, das Armbändchen, darf auf keinen Fall abgenommen werden, hörst du?«

»Ja Chef, aber wieso…?«

»Philipp, tu es einfach bitte, klar!«

»Ja!«

Ich nickte Costa und Philipp noch einmal zu und ging zurück zu meinem Wagen. Weniger später befand ich mich auf dem Weg zu Laura. Leise angehen hatte Till gestern gemeint. Aber der Gedanke, dass mein Junge Drogen rauchte, machte mich schon wieder sauer.

Ich stellte den Wagen vor dem großen Wohnkomplex ab und klingelte bei Laura. Ohne eine Anfrage von Laura wurde die Tür durch den Summer geöffnet.

Schnell war ich die Treppen hinauf gelaufen und fand Laura an der Tür vor.

»Was verschafft und die Ehre?«, kam es von Laura.

»Hallo Laura! Wollte nur kurz vorbei schauen.«

» Vorbei schauen? Komm du warst noch nie gut im lügen!«

Laura ließ mich in die Wohnung und ich folgte ihr in die Küche.

»Also was ist der Grund?«, fragte sie mich abermals.

»Andrea!«

»Was ist mit Andrea?«

»Ich weiß nicht was mit Andrea ist, dass wollt ich ihn ja gerade fragen. Ist er hier?«

»Andrea?«, rief Laura laut in den Flur.

Ich hörte eine Tür und wenig später stand Andrea in der Küche.

»Hallo Papa!«

»Andrea!«

Andrea schaute zwischen mir und Laura hin und her.

»Ist irgendwas geschehen?«, fragte er.

»Das wollte ich dich fragen!«, meinte ich.

»Was meinst du damit?«

»Wars gestern toll bei mir?«

»Ja, aber warum…«

»Hast du nicht etwas vergessen?«, fragte ich nun etwas saurer weiter.

»Gabriel, was ist los?«, kam es von Laura.

Ich hob die Hand und forderte sie damit auf zu schweigen.

»Nein wir haben nichts vergessen, haben alles aufgeräumt!«

»Und der Aschenbecher?«

Andrea sah mich schockiert an und wurde rot.

»Probst du hier nun den Aufstand, weil Andrea den Aschenbecher nicht geleert hat? kam es nun recht giftig von Laura.

»Nein, es geht um den Inhalt des Aschenbechers!«, sagte ich zu ihr gewandt.

»Und, da werden ein paar Kippen darin gelegen haben, was ist daran schlimm?«

»Der Inhalt der Zigaretten!«

«Bitte was?«

»Andrea hat Gras geraucht, deswegen bin ich hier!«

Schneller als ich reagieren konnte, hatte Laura ausgeholt und Andrea eine runtergehauen.

»Bist du völlig durchgeknallt?«, schrie Laura Andrea an, der  geschockt seine schmerzende Wange hielt.

»Laura!«

»Was?«, fuhr Laura mich scharf an.

»Du hättest nicht gleich hauen müssen?«

»Was soll das jetzt? Lässt du jetzt den Vater heraushängen. Die ganzen letzten Jahre hat es dich ein Dreck gekümmert, wie dein Sohn erzogen wird, also brauchst du dich jetzt auch nicht darum zu kümmern!«, kam es hysterisch von Laura, »und du mein Lieber, verschwindest ganz schnell in dein Zimmer!«

Andrea wollte die Küche verlassen, doch ich hielt ihn am Arm fest, dann wandte ich mich zu Laura.

»Gestern Abend noch, hab ich mir den Kopf zerbrochen, wie ich das mit Andrea regeln soll. Also schreien hätte ich auch können!«

Laura wollte schon antworten, aber ich fiel ihr ins Wort.

»Sag jetzt nichts mehr! Ich kann die ewigen Streits mit dir nicht mehr hören«, sagte ich und zu Andrea, »Hol dir was zum Anziehen, du kommst mit!«

»Er bleibt hier!«, schrie Laura.

Ich trat einen Schritt auf sie zu und sie wich zurück. Habe ich da einen Funken Ängstlichkeit in ihren Augen gesehen?

»Ich bring ihn wieder, wenn du dich abgeregt hast!«

Das war das Einzigste, was ich zu ihr sagte. Dann packte ich Andrea am Arm und zog ihn aus der Wohnung. Später im Auto, saß Andrea wie ein Häufchen Elend neben mir.

»Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?«

Ich versuchte ruhig zu bleiben. Auf keinen Fall wollte ich ihn genauso anschreien, wie Laura eben. Andrea schwieg weiter, schaute stur auf seine Schuhe. Ich fuhr den kürzesten Weg aus der Stadt heraus.

An einer kleinen Hügelkette stellte ich den Wagen ab und verließ den Wagen. Andrea stieg nur zögerlich aus.

»Weißt du, ich verstehe dich ja… alle rauchen Gras, da will man ja mithalten. In nichts nachstehen, was die Anderen machen.«

Andrea kickte mit dem Fuß einen Stein vor sich her. Ich legte meine Hand auf Andrea, der darauf zusammen fuhr.

»Denkst du wirklich ich will dich schlagen?«

Andrea schaut auf und ich sah seine geröteten Augen, auch sah ich die immer noch rotschimmernde Wange. Laura hatte ganze Arbeit geleistet.

»Andrea, du hast schon so viel gesehen bei meinen Fällen, soviel mitbekommen, ich dachte, gerade du weißt, was es mit diesem scheiß Zeugs auf sich hat.«

»Ich wollte nur einmal probieren«, sagte Andrea leise.

»Weißt du, wie viele dass schon gesagt haben und jetzt abhängig sind?«

Oh, jetzt war ich doch lauter geworden, denn Andrea wich von mir zurück. Ich zog ihn zu mir her und nahm ihn in den Arm.

»Ich will doch einfach, dass dir nichts passiert Andrea!«

Mir stiegen Tränen in die Augen, weil ich einfach merkte, wie machtlos ich in diesem Kampf war. Zu oft hatte ich junge Opfer, die an ihrer Sucht gestorben waren.

»Kann ich dich etwas fragen, Papa?«

»Klar!«

Ich ließ Andrea los und schaute ihn an.

»Ich weiß nicht wie ich anfangen soll.«

»Am Besten von vorne.«

»Es geht um Mama. Seit einiger Zeit ist sie sehr komisch. Laufend fängt sie Streit an, obwohl ich wirklich nichts gemacht habe. Sie ist fast jede Nacht stundenlang weg und am nächsten Morgen kommt sie fast nicht aus dem Bett.«

»Soll ich mal mit ihr reden?«

»Nein, auf keinen Fall, sonst weiß sie, dass ich dir etwas gesagt habe.«

Ich überlegte kurz.

«Hör mal, du wirst bald achtzehn, dann kannst du dir doch aussuchen, wo du wohnst. Du weißt, dein Zimmer ist für dich immer frei!«

»Und was ist mit Till?«

»Was soll mit Till sein?«

»Na ja, du und Till seid doch jetzt zusammen, oder?

»Oh man Andrea, darüber bin ich mir selber noch nicht im Klaren…«

»Ob du schwul bist und Till liebst?«

Das liebte ich so Andrea, dass er immer sehr direkt war, aber manchmal konnte es auch nervend sein.

»Und was mache ich, wenn ich feststelle, ich habe mich getäuscht und fand es einfach nur toll jemand zu reden zu haben?«

»Papa, dass glaubst du doch selber nicht.«

Ich machte mir eine Zigarette an und zog den rauch tief ein.

»An was denkst du, wenn du alleine bist?«

Da brauchte ich nicht lange zu überlegen, an Till natürlich.

»Was fühlst du, wenn du ihn siehst, oder nur seine Stimme hörst?«

Der Junge hatte ja Recht, Till hatte mich schon ganz eingenommen, aber irgendetwas sträubte sich in mir dagegen.

»Wenn ich dich so anschaue, denke ich mal du denkst jetzt auch gerade an Till!«

»Klar denke ich an Till, warum auch nicht.«

»Dann höre endlich mit deiner Zweiflerei auf!«

Und so etwas musste ich mir von einem siebzehnjährigen sagen lassen. Diesmal war es Andrea, der mich am Arm festhielt.

»Ich weiß, ich habe da nie mit dir darüber geredet. Fünfzehn war ich, als ich merkte, mich interessieren die Jungs in meiner Klasse mehr, als die Mädchen. Ich war schockiert, dachte, das kann nicht wahr sein.«

»Das war bei dir auch so?«

»Papa, das macht doch jeder durch, hat Till darüber nicht gesprochen?«

»Till klar, der hat sogar schon sehr oft gesprochen, aber…«

»Jetzt lass doch mal das ABER weg!«

Ich zog an nervös an meiner Zigarette.

»Versuch dich damit abzufinden Papa, du bist schwul! Und übrigens, ich finde das mega cool!«

»Du sagst dass so einfach…, ich bin schwul. Ich habe da meine Schwierigkeiten mit. Ich kann die letzten Jahre nicht so einfach abschütteln…«

»Und warum? Als ich klein war und hingefallen bin, hab mir ein Knie aufgeschürft, da hast du immer groß getönt, wenn du groß bist, ist alles wieder gut. Warum kannst du dass nicht selber auf dich anwenden?«

»Ich bin groß«

Ich musste anfangen zu lachen, die blöde Bemerkung konnte ich mir jetzt nicht verbeißen.

»Papa, du weißt ganz genau, was ich damit meine! Ich sollte nach vorne schauen, warum kannst du das nicht, was gibt es in der Vergangenheit, woran du hängst?«

»Mein ganzes Leben, Junge!«

Ich trat die Zigarette aus.

»Dein Leben hört doch nicht auf!«

»Ich kann… will…«

»Du verlierst doch nichts!«

Ich war mächtig stolz auf Andrea, so dumm wie er sich mit dem Gras rauchen auch benommen hatte, nun hatte ich das Gefühl einen erwachsenen Mensch vor mir stehen zu haben.

»Und wenn du dir Sorgen machst, was dein Job betrifft, denen brauchst du es ja nicht auf die Nase zu binden, das geht die einen Scheißdreck an!«

»Sie werden es merken…«

»Ja und? Das kann dir doch egal sein. Meinst du mich stört es noch, was in der Schule hinter meinem Rücken getuschelt wird. Da steh ich drüber. Und wenn einer daher kommt und macht mich dumm an, bekommt er eine genauso blöde Antwort zurück.«

»Und du bist mein Sohn?«

Andrea stand da und grinste mich frech an.

»Wir haben bloß nicht oft die Gelegenheit so miteinander zu reden, sonst hätten wir diese hier schon viel früher haben können.«

Ich zog ihn zu mir und drückte ihn noch einmal fest an mich.

»Das ändert aber nichts daran, dass du Scheiße gebaut hast und ich das nicht noch einmal erleben möchte!«

Das Lächeln von Andreas Lippen verschwand.

»Jetzt mach nicht so ein Gesicht, davon geht jetzt nicht die Welt unter. Und du brauchst mir auch nichts zu Versprechen, ich will nur, dass du mein Vertrauen nicht missbrauchst.«

»Tut mir leid Papa!«

Ich wuschelte ihm über den Kopf und lief zurück zum Wagen.

»Ach noch etwas, Till würde es wahrscheinlich nicht zugeben, aber ich denke er hat dich schon längst als Sohn adoptiert!«

»Glaubst du wirklich?«

»Klar, oder woher meinst du, habe ich den Tipp, einmal in Ruhe mit dir zu reden?«

»Aha!«

Ich blieb wieder stehen und drehte mich zu Andrea.

»Andrea, ich sage dir dass nur einmal, zwischen dich und mich darf sich nie jemand stellen, dazu hat nicht einmal Till das Recht, da würde ich ihn sofort in den Wind schießen!«

Andreas Arme fielen mir um den Hals und er drückte einen fetten Kuss auf meine Wange.

»Danke Papa!«

Wir liefen gemeinsam weiter zum Wagen zurück.

»Sehe ich das richtig, habe ich bald zwei Papas?«, fragte Andrea.

»Kann sein!«

*-*-*

Ich war auf dem Weg zur Pathologie. Dem winzigen Verdacht, den ich hegte, wollte ich nun doch selbst nachgehen. Umberto begrüßte mich verwundert und wie ich vermutete, obduzierte er gerade Mario.

»Der Junge wurde mit dem gleichen Messer erstochen, wie der letzte Tote, gibt es da einen Zusammenhang?«

»Ja, die beiden waren ein Paar!«

»Bitte ich dachte, dass ist Mario Candeloro, Sohn von…«

»Ja, und? Mein Sohn ist auch schwul, was ist daran so Besonderes?«

»Dein Sohn ist schwul?«

»Ja! Und ich habe keine Probleme damit, eher…«

Ich verstummte, denn Umberto war nicht der richtige Gesprächspartner für solche Themen. Gerade wollte ich noch etwas sagen, als die Eingangstür heftig aufgestoßen wurde. Herein kam Bruno Candeloro.

Er sah mich und Umberto kurz an, bevor er auf den Leichnam sah. Wie angewurzelt blieb er stehen. Ich versuchte mich in die Lage von Bruno zu versetzten und konnte ihm einigermaßen nachfühlen, was in ihm vorging.

Aber sah so ein Mann aus, der seinen eigenen Sohn umgebracht hatte. Mein Verdacht, gegen den Vater schien sich in Luft aufzulösen. Langsam wankte Bruno zu seinem Sohn. Der Gedanke, Andrea würde da jetzt liegen, ließ mich kalt erschaudern.

»Er hat doch niemanden etwas getan…«

Candeloros Stimme klang heißer, ohne jede Kraft. Er stütze sich mit Mühe auf dem Tisch ab, auf dem Mario lag. Mit seiner Hand strich er seinem Sohn die Haare zurück und zog sie erschrocken zurück, als er die Kälte des Leichnams spürte.

Ich ging an Umbertos Tisch und suchte nach der Habe des Jungen, die er bei sich trug und wurde fündig, nach dem ich gesucht hatte. Die Armkette mit Robertos Namen drauf. Denn dass Candeloro, die Armkette von Roberto an sich genommen hatte, da war ich mir 100% sicher.

Ich legte die Kette direkt neben Marios Kopf, auf welchen Brunos Blicke ruhten.

»Warum?«, war das Einzigste, was ich fragte.

Bruno wandte sich ab und lehnte sich an ein Regal.

»Als ich Roberto tot vor mir lagen sah, fiel mir gleich auf, dass er das Geschenk von Mario trug. Wie war Mario glücklich, seinem Roberto so etwas schenken zu können.«

»Und warum, hast du das Beweißstück unterschlagen?«

Bruno drehte sich ruckartig um.

»Verstehst du das denn nicht?«, Bruno fuhr mich an, »ich wollte nicht, dass Mario dort mit hineingezogen wird!«

»Hätte ich früher von Mario gewusst, könnte er vielleicht noch leben!«

Mit diesen Worten ließ ich Candeloro stehen. Ich war so sauer auf ihn, am Liebsten hätte ich ihm jetzt die Fresse poliert. Ich stieß dir Tür auf, denn ich musste an die frische Luft. Ich pfriemelte eine Zigarette aus meiner Packung und steckte sie mir an.

Tief inhalierte ich den Qualm. Ich zog das Handy aus dem Sakko und wählte Andreas Nummer.

»Papa, du?«

»Ja, Andrea!«

»Ist irgendetwas?«

»Nein Junge, ich wollte nur wissen ob es dir gut geht.«

»Ist mit dir alles Okay, Papa, du klingst so komisch?«

»Geht schon, Andrea. Ich erzähle dir das später…«

»Papa?«

»Ja?«

»Ich hab dich lieb!«

Ich musste schlucken.

»Ich dich auch Andrea.«

»Du Papa, ich treffe mich gleich noch mit jemand und muss dann los!«

»Okay, dann mal ciao!«

»Ciao Papa.«

Das Gespräch war beendet und es kam nur noch ein Piepzeichen. Ich drückte das Handy aus und ließ es wieder im Sakko verschwinden. Ein Auto hielt vor der Pathologie. Eine Frau in Schwarz und zwei Mädchen stiegen aus.

Ich vermutete, dass es sich um Candeloros Frau und Töchter handelte. Im Vorbeigehen nickte ich ihnen zu und setzte mich wieder in meinem Alfa Romeo. Bevor ich jedoch die Zündschlüssel herum drehte, atmete ich noch einmal tief durch.

Etwas später im Büro, saß ich über den Akten, suchte nach Hinweisen, die mir vielleicht entgangen waren. Hatte jemand Nutzen von Robertos Tod und warum auch Mario. Der Streit mit den Brüdern, nein, die kamen nicht in Frage.

Die Brüder hätten die Beiden gemeinsam umgebracht, wenn es um Bereinigung von Schande ginge, aber was hätte dann Mario für eine Rolle gespielt. Der Vater von Roberto schied für mich ebenso aus.

Bliebe da noch die Stiefmutter, die eine weitere Unbekannte in diesem Rätsel war. Und Mario, der Ex von Roberto. Er hätte ein Motiv, weil Roberto ihn hat sitzen lassen und aus Rache beide zu töten, Roberto und Mario wäre vorstellbar.

Ich ließ die Akten sinken und verfiel ins Grübeln. Ich fuhr zusammen, aus dem Gedanken gerissen, als mein Handy klingelte.

»Ja?«

»Gabriel?«

»Ja… hallo Till?«

»Gabriel, was ist los, Andrea hat mich grad total aufgelöst angerufen und meinte, mit dir stimmt was nicht!«

Ich rieb mir übers Gesicht.

»Der Sohn eines Kollegen wurde umgebracht!«

»Oh, scheiße!«

»Ich musste halt sofort an Andrea denken, habe einfach seine Nummer gewählt.«

»Gabriel, soll ich kommen, wäre kein Problem, ich könnte sofort die nächste Maschine nehmen!«

»Das würdest du tun?«

»Klar Gabriel, ich liebe dich und würde alles für dich tun!«

Erst jetzt bemerkte ich, wie mir die Tränen über die Wangen rannen.

»Till, ich brauche dich!«, sagte ich mit leiser Stimme.

»Also gut! Ich melde mich vom Flughafen wieder, wenn ich weiß, wann mein Flieger geht.«

»Danke Till!«

»He Schatz, ist doch selbstverständlich!«

Dieses Schatz hörte sich so liebevoll an.

»Till, für mich ist das eben nicht selbstverständlich, denn ich bin es nicht gewohnt, dass man sich so um mich kümmert.«

»Dann gewöhn dich mal ganz schnell daran! So, ich muss noch etwas packen, ich ruf dich später an, also Ciao Gabriel, ich liebe dich!«

»Ich dich auch Till! Ciao!«

Wow, hatte ich das eben wirklich gesagt? Ich legte das Handy auf den Schreibtisch und wischte meine Tränen ab. Genau richtig, denn es klopfte und Philipp streckte seinen Kopf durch die Tür.

»Haben sie kurz Zeit Chef?«

»Klar um was geht es denn?«

»Wir sammeln für Candeloro Sohn, wir wollen einen schönen Kranz niederlegen.«

Ich zog meinen Geldbeutel aus der Hosentasche und reichte Philipp fünfzig Euro, ohne einen Ton zu sagen.

»Was ist jetzt eigentlich mit der Armkette…?«

»Das ist geklärt, Philipp, da habe ich mich getäuscht.«

Philipp schaute mich eine Weile an.

»Sie dachten Candeloro sei der Täter, weil  sein Sohn und Kostelli befreundet waren?«

»Sie waren nicht nur einfach befreundet, sie waren ein Liebespaar! Und nun rennt da draußen jemand frei herum, der beide auf dem Gewissen hat!«

Ich steckte mir wieder eine Zigarette in den Mund, wütend über mich selbst, weil ich diesen Tod von Mario nicht verhindern konnte. Hätte ich nur früher gewusst… Philipp hob mir ein Feuerzeug entgegen.

»Danke.«

»Bitte Chef.«

»Philipp, ich werde nach Hause fahren, wenn noch etwas ist, dann kann man mich dort erreichen. Vielleicht kannst du noch mehr über Robertos Familie und diesen Mario herausfinden.«

»Geht klar Chef und schönes Wochenende!«

»Danke Philipp, ciao!«

Ich nahm mein Handy und die Zigaretten und verließ mein Büro. Später wusste ich nicht, wie ich nach Hause gekommen war. Ich war erst wieder richtig klar, als ich den Motor vor meinem Haus abstellte.

Ich hatte keinerlei Ahnung, wie ich mich durch den Verkehr Palermos gedrängt hatte. Nach dem ich die Haustür aufgeschlossen hatte, beschloss ich noch zu duschen. Als ich mich gerade auszog, hörte ich, dass eine Mitteilung auf meinem Handy angekommen war.

Ich lief hinunter und zog das Handy aus meiner Jacke.

„In zweieinhalb Stunden bin ich bei dir. Dein Till!“

Ein Lächeln überzog meine Lippen. Langsam lief ich wieder in mein Bad, drehte die Dusche an. Ich wusste nicht, wie lange ich danach unter dem Wasser gestanden war, ich hatte einfach nur an Till gedacht. Ich drehte das Wasser ab und stieg aus der Dusche.

»Papa?«, rief es von unten.

Ich hatte nicht mitbekommen, dass Andrea gekommen war.

»Ich bin hier oben im Bad!«, rief ich zurück.

Schon hörte ich die Schritte Andreas die Treppe herauf kommen. Ich band mir das Handtuch um und öffnete die Tür.

»Danke Sohnemann!«

Andrea schaute mich fragend an.

»Dass du Till angerufen hast! Woher hast du eigentlich seine Nummer?«

Andrea wurde rot.

»Man weiß ja nie, wofür man die brauchen kann!«, sagte er und grinste dabei.

»Finger weg von Till, der gehört mir!«

Andrea fing schallend an zu lachen und mir wurde bewusst, was ich da gerade vom Stapel gelassen hatte.

»Mein Papa is verliebt!«

Ich nahm Andrea, so tropfnass wie ich war, in den Arm. Und ich küsste ihn, nein nicht so wie sonst auf die Stirn, diesmal küsste ich ihn auf den Mund. Ich war fordernd und spürte wie Andrea in meinen Armen weich wurde.

Dann setzte ich ab und sah ihn an.

»So nun weißt du, was Till bekommt. Was einen richtigen Mann eben ausmacht!«

Total starr und nicht fähig einen Ton zusagen ließ ich Andrea im Flur stehen und ging in mein Schlafzimmer.

»Papa, das war fies!«

»Ich weiß!«, erwiderte ich und musste lächeln.

*-*-*

Nervös sah ich auf die Anzeige. Wann kommt dieses verdammte Flugzeug endlich an. Die Zeit hatte sich nicht geändert. Ich lief wieder zum Fenster und schaute hinaus auf das Rollfeld.

Wie sollte ich Till begrüßen? Einfach wieder die Hand geben, oder sollte ich ihn umarmen? Einen Kuss? Ich schüttelte den Kopf und strich mir über mein Gesicht. Nervös zupfte ich eine Zigarette aus der Schachtel.

Ein Blick auf ein Schild sagte mir, dass ich die Zigarette erst gar nicht anmachen brauchte. In öffentliche Räumen Rauchverbot! Ich steckte die Schachtel wieder in mein Sakko, als die Durchsage kam, Tills Maschine würde gleich landen.

Nervös schaute ich wieder aufs Rollfeld hinaus und beobachte die Maschine, wie sie langsam auf die Rollbahn herabsank. Sollte ich mir mit meinem Dienstausweis Zutritt zum Gate verschaffen?

Ich war jetzt total wirr im Kopf, tausend Gedanken strömten durch mein Hirn. Langsam ging ich an den Schalter, an dem die Passagiere auscheckten. Noch kam niemand, klar, die Maschine war ja auch erst gelandet.

Unruhig wechselte ich von einem Fuß auf den Anderen. Was tat ich hier? Bin ich etwa siebzehn? Ich benahm mich wie ein Teenager. In meinem Bauch kribbelte es und meine Knie fühlten sich wie Gummi an.

„Papa ist verliebt!“ hatte Andrea gesagt. Er hatte Recht! Ich hab mich in Till verliebt, diesen Deutschen, der auf mich so eine unwahrscheinliche Wirkung hatte. Plötzlich stand ich ganz ruhig.

Nur mein Herz schlug etwas schneller. Als ich Till erkennen konnte, er war unter den ersten Flugreisenden, winkte ich ihm zu. Mein Herz fing an zu rasen. Mit seinem typischen Lächeln trat er auf mich zu.

Er stellte seine Tasche ab, hob die Hand zur Begrüßung. Ich nahm sie entgegen, zog an ihr, so dass Till in meinem Armen stolperte.

»Hallo Till!«

»Gabriel, die Leute?!?«

Till ließ etwas von mir ab und schaute mich verwundert an.

»Was ist mit den Leuten?«

»Sie starren, du hast mir gerade einen Kuss auf den Mund gegeben!«

Hatte ich das? Mir wurde heiß und kalt zugleich. Und ich wurde rot.

»Aber um ehrlich zusein, find ich die Begrüßung süß!«, grinste mir Till entgegen.

Ich zog ihn wieder an mich und drückte ihn so fest ich konnte.

»Ich auch!«, flüsterte ich ihm ins Ohr und küsste ihn auf die Wange.

Etwas später saßen wir in meinem Wagen, quer durch Palermos Verkehr.

»Und, wie geht es dir jetzt?«, fragte Till neben mir.

Ich schaute kurz zu Till, der immer noch lächelte.

»Jetzt wo du da bist, super!«

»Das freut mich zu hören!«

Till legte seine Hand auf meinen Schenkel und streichelte ihn sanft.

»Ich habe dich vermisst!«

»Das will ich auch schwer hoffen!«, kam es von Till.

Dieser Mann sprühte so vor Lebensenergie, die ich im Augenblick einzog, wie ein Schwamm. Immer wieder, während der Fahrt, schaute ich zu ihm.

»Was macht dein Fall?«

Ich blies scharf die Luft aus.

»Zwei schwule Jungs, ein Pärchen, das umgebracht wurde. Jeder für sich, getrennt von dem Anderen. Eine zarte Liebe, die ein jähes Ende durch ein Messer gefunden hatte.«

Meine Stimme klang melancholisch.

»Einen Verdacht?«

»Nur noch einen!«

»Und?«

»Ich habe keine Beweise!«

»Erzählst du mir mehr?«

So redete ich während der ganze Zeit und erzählt Till, was sich in den letzten zwei Tagen zugetragen hatte. Immer wieder spürte ich seine Finger, wie sie mir zärtlich den Nacken kraulten.

»Warum nimmt dich dieser Fall mehr mit, als andere?«, wollte Till wissen.

»Erst als ich den jungen Mario, vor mir liegen sah!«

Wie von Geisterhand, hatte mein Wagen wieder den Weg zu mir nach Hause gefunden. Vor dem Haus stand Philipps Wagen. Langsam ließ ich den Alpha ausrollen, stellte den Motor ab.

»Schlagartig wurde mir bewusst, wie abweisend, untolerant sich die Leute immer noch gegenüber Schwulen benehmen. Mir kam Andrea in den Sinn. Ich weiß nicht, wie er bisher sein Leben gemeistert hat. Ich war ihm da ja keine Hilfe.«

»Gabriel du wusstest doch nicht, dass Andrea schwul ist.«

»Hätte ich es aber nicht wissen müssen?«

»Wie denn?«

»An seinem Verhalten, seinen Reaktionen, seiner Art mir gegenüber. Im Nachhinein sieht alles so klar aus, sind Rätsel gelöst, die Andrea durch sein Verhalten mir aufgab.«

»Hast du mich deswegen vorhin auf dem Flughafen geküsst?«

»Ja! In dem Augenblick war es mir egal, was Andere dachten, ich habe mich nur unheimlich gefreut dich wieder zu sehen.«

Till lächelte wieder.

»Und was ist das für ein Gefühl?«

»Was meinst du?«

»Ich meine dein Gefühl, dich selbst kennen zu lernen und dich endlich zu akzeptieren?«

Ich starrte auf Philipps Wagen, hinter dem wir immer noch im Alpha saßen.

»So genau kann ich dir das nicht sagen. In meinem Kopf ist die Hölle los, denn ich habe Schwierigkeiten einen normalen Gedanken zu fassen. Die ganze Zeit denke ich an dich…«

Unweigerlich fing ich an zu kichern, Till schaute mich fragend an.

»Als ich und Philipp auf dem Jahrmarkt ermittelten hatte er vorher ein Paar Tierchen geschossen, die ihm laufend aus den Taschen kullerten. Und jedes Mal, wenn er sich bückte, starrte ich ihm auf den Arsch.«

»Muss ich mir jetzt Gedanken machen?«

»Nein Till, ich liebe dich! Nur, dass es mir jetzt verstärkt auffällt, dass ich Männern nachstarre.«

»Könntest du das noch einmal wiederholen?«

»Das ich Männer auf den Arsch starre?«

»Nein, den ersten Teil.«

Ich überlegte kurz und wurde wieder rot. Ohne groß zu überlegen, hatte ich Till meine Gefühle gesagt, als wäre es normal. Es ist normal!

»Ich liebe dich?«, fragte ich leise.

»Ja, diesen Teil!«

Till näherte sich mir und unsere Lippen trafen sich zu einem Kuss. Ich hörte ein Räuspern. Vor dem Wagen stand Andrea mit einem frechen Grinsen, dahinter ein Philipp, der den Mund vor Erstaunen nicht mehr zubekam.

»Lass uns aussteigen!«, meinte ich leise und öffnete meine Tür.

»Hallo Till!«, meinte Andrea und begrüßte ihn mit einer Umarmung.

»He Kleiner, alles klar!«

»Klar doch, könnte nicht besser laufen!«

»Hallo Philipp!«, sagte Till und streckte ihm eine Hand entgegen.

Dieser nahm sie etwas zögerlich, aber schüttelte sie.

»Hallo…«

»Till ist mein Name!«

»Mein Freund, Philipp!«, setzte ich hinzu.

»Aber…«

»Probleme Philipp?«, fragte ich.

»Nein, überhaupt nicht… aber…«

Philipp schüttelte immer noch Tills Hand und schaute abwechselnd zu mir oder Till.

»Kann ich meine Hand wieder haben?«

Erschrocken ließ Philipp los und lächelte verlegen.

»Ich habe nicht gewusst…«, begann Philipp zu stammeln.

»Jetzt weißt du es, okay!«, erwiderte ich.

Ich nahm Till an der Hand, während Philipp mich immer noch verwirrt anschaute.

»Weshalb bist du überhaupt hier?«, fragte ich.

»Ich glaube, ich habe da etwas gefunden, was Robertos Familie und seinen Exfreund betrifft.«

»Komm mit rein, bei einem Cappuccino lässt es sich leichter reden.«

Philipp folgte uns und wir begaben uns gleich an die Küchentheke. Andrea bereitete, ohne dass ich etwas sagen musste alles her.

»Was hast du gefunden, Philipp?«, fragte ich.

»Also, ich bin an Marios Dienstplan herangekommen und bei beiden Morden hatte er dienstfrei.«

»Was ihm dann kein Alibi verschafft!«, warf ich ein.

Philipp nickte.

»Was dies aber wieder in Frage stellt, sind zwei Flugbuchungen, die an den Mordtagen nach Palermo geordert wurden. Diese kamen aus dem Sekretariat von Senior Kostelli.«

»Nein, der Vater kann es nicht gewesen sein! Der Tod seines Sohnes, die Trauer… die hat er mir nicht vorgespielt.«

»Einer von den Brüdern?«, kam es von Till.

»Nein, das glaube ich auch nicht, oder warum sollte der dann auch noch Mario umbringen, der eigentlich nichts mit der Sache zu tun hat.«

»Die böse Stiefmutter?«, meinte Andrea leise.

Traurig schaute er mich an und ich wusste, was in seinem Kopf vorging. Ermunternd zwinkerte ich ihm zu. Till zog seine Jacke aus, räumte aber vorher noch seine Taschen leer und legte alles auf die Theke.

Als ein Büschel Geld an einer Klammer zum Vorschein kam, machte es in meinem Kopf klick.

»Philipp hast du dir die Verfügungen durchgelesen, die Kostelli, bei der Heirat seiner jetzigen Frau beschlossen hat?«

»Nein Chef, Costa meinte, die wären für diesen Fall nicht wichtig.«

»Soso, Costa hat das gemeint!«

Philipp nickte, als wollte er dass von mir eben gesagte, noch einmal unterstreichen. Ich zog mein Handy heraus und drückte Costas Nummer ein. Es tutete eine Weile doch nichts tat sich.

»Chef, soll ich vielleicht ins Büro fahren und die Unterlagen holen?«, fragte Philipp.

Ich kratze über meinen Stoppelschnitt und überlegte.

»Gabriel, wenn du ins Büro möchtest, da fahr einfach, ich habe Verständnis dafür!«, sagte Till und lächelte mich an.

»Nein, zuerst trinken wir den Cappuccino und dann fahren wir alle gemeinsam!«

Andrea lächelte wieder, und servierte jedem eine Tasse.

»Was ist, wenn die Schwiegermutter und Mario gemeinsame Sache gemacht haben, wobei ich das Mario nicht zutraue. Also die Schwiegermutter ihn dazu angestiftet hat!«

»Was meinst du damit?“, fragte mich Till.

»Nehmen wir einfach einmal an, das verfügt ist, dass wenn einer der Söhne stirbt, dessen Erbteil an die anderen Brüder fällt.«

»Das würde einen Verdacht auf die Brüder lenken!«, sagte Philipp.

Als ich ihm wiedersprechen wollte, klingelte das Handy.

»Bronetti!«

»Hallo Chef, sie wollten etwas von mir

»Ja, wir bräuchten dringend die Unterlagen über Kostellis Familie.«

»Wo sie gerade Kostelli erwähnen. Ich habe dort angerufen, weil ich noch etwas über diesen Mario erfahren wollte, da habe ich mitgeteilt bekommen, dass Kostelli sich im Krankenhaus befindet. Einer seiner Söhne hatte einen Unfall mit dem Wagen

Ich schaute die Anderen um mich herum an.

»Costa, vereinbaren sie einen Termin beim Präfekten!«

»Aber Chef, der wird um diese Zeit schon zu Hause sein

»Das ist mir egal! Ich brauche einen Termin!«

Till schaute mich verwundert an, während er noch einen Schluck von seinem Cappuccino nahm.

»Okay Chef, ich rufe zurück, wenn ich mehr weiß

»Ciao Costa!«

Ich drückte das Gespräch weg.

»Kostelli befindet sich im Krankenhaus, bei einem weiteren Sohn, der einen schweren Autounfall hatte!«, erzählte ich, während ich nun ebenso meinen Cappuccino genoss.

Ich sah wie es in Tills Kopf arbeitete. Er zog mit einem Schluck an der Tasse, bis sie leer war.

»Also du meinst, wenn einem der Brüder was zustößt, bekommen die restlichen Brüder den Anteil, dessen Erbes!«

Ich nickte.

»Und wer bekommt den Anteil, wenn alle Brüder verstorben sind?«, fragte Till.

»Die Schwiegermutter?«, meldete sich Andrea zu Wort.

»Genau, deswegen wollte ich die Unterlagen über die Abmachungen!«

»Dann kam Madame Kostelli, die Trennung von Roberto und Mario, gerade recht!«, sagte Till.

»Noch mehr, wer sagt uns nicht, dass die Kostelli nicht Unfrieden zwischen den Brüdern gestiftet hat?«, fragte ich in die Runde.

»Chef, sie meinen also…«

»Philipp, Kostelli ist ein millionenschwerer Reeder, was soll ich schon meinen?«

»Und wie willst du das beweißen?, fragte Till.

»Dazu brauche ich ein Gespräch mit dem Präfekten!«

Ich wusste, dass mir keiner so Recht folgen konnte, mir und meiner fixen Idee.

»Hättet ihr Lust auf eine Spritztour nach Messina?«, fragte ich in die verwirrten Gesichter der Drei.

*-*-*

Das Gespräch mit dem Präfekten war gut gelaufen. Ich hatte nun die Rückendeckung die ich brauchte. Meine Abteilung lief auf Hochtouren. Langsam bekamen wir die Beweise, die das Puzzle zu einem Bild zusammen fügten, sogar mit der Hilfe der Kollegen in Messina.

»Papa und du meinst wirklich Till und ich sollen mitfliegen?«, fragte Andrea.

»Warum nicht?«, fragte Till, »ich wollte mir schon lange eine Yacht anschauen!«

Andrea schaute Till zweifelnd an.

»Hast du einen Geldscheißer?«, wollte Andrea wissen.

Aber Till grinste nur breit, ohne eine Antwort zu geben. Er hatte noch einige Geheimnisse auf Lager, von denen ich noch nichts wusste. An dem Abend bevor wir gemeinsam nach Messina flogen, saßen Till und ich wie jeden Abend auf meiner Veranda und schauten aufs Meer hinaus.

Ich genoss die Zärtlichkeiten, die von Till ausgingen. Ich selbst hatte seine Hand und spielte mit seinen großen schlanken Fingern.

»Till?«

»Ja Gabriel?«

»Könntest du dir… ich meine… kannst du dir das mit uns beide vorstellen… wir so zusammen?«

Till richtet sich auf und schaute mir in die Augen. Das Blau seiner Augen funkelte im Schein der Kerze, die auf dem kleinen Korbtisch neben uns stand.

»Klar könnte ich das, und du?«

Ich schaute wieder aufs Meer hinaus. Die Sonne war bereits untergegangen, der Himmel hatte eine tiefrote Farbe angenommen, die sich im Meer spiegelte.

»Für mich ist das alles neu! Aber ich gebe zu, ich möchte diese Stunden, die ich mit dir gemeinsam verbringe, nicht mehr vermissen. Du bist soviel mehr geworden, als nur ein guter Freund.«

Ich schaute wieder zu Till.

»Ich dachte zwar nicht, dass ich mich noch einmal so verlieben könnte«, meine Stimme wurde leiser, »aber das Gefühl, da ist jemand, der dich liebt, ohne wenn und aber, nach so etwas habe ich mich immer gesehnt.«

Till lächelte und streichelte mir sanft über meine Wange.

»He, kleiner Bär. Natürlich liebe ich dich!«

Ich brummte kurz und beide fingen wir an zu lachen.

»Habe ich etwas verpasst?«, meinte Andrea, der auf die Veranda kam und Getränke mitbrachte.

»Dein Dad hat mir gerade die schönste Liebeserklärung meines Lebens gemacht!«

Ich wurde rot und brummte vor mich hin, als Andrea mir meinen Rotwein reichte.

»Wurde auch langsam Zeit!«, war das Einzigste, was Andrea von sich gab.

Nach dem ich einen Schluck von meinem Glas genommen hatte, stellte ich es ab.

»Also du hättest nichts dagegen, wenn Till und ich zusammen sind?«

»Papa, wie kommst du denn darauf? Hauptsache du bist glücklich! Und ich hab noch jemanden, bei dem ich mich über meinen Papa auskotzen kann, wenn er mal wieder unheimlich nervt.«

»So ist das!«, meinte ich und stand auf.

Ich packte meinen Junior und trug ihn zum Wasser hinunter. Eine etwas größere Welle kam mir gerade gelegen, mit einem Platsch lag Andrea im Wasser. Wild mit den Händen fuchtelnd und nach Luft schnappend, kam er aus dem Wasser geklettert.

Till stand mittlerweile neben mir und lachte laut, was Andrea dazu bewegte, uns nass zu spritzen. Es dauerte nicht lange und wir lagen alle drei im Wasser und eine wilde Wasserschlacht begann, wo nicht nur Andrea den Kürzeren zog.

Später, wieder trocken, lag ich auf meinem Bett, dicht an Till gekuschelt. Seine Hand fuhr langsam über meinen Rücken, was ein Brummen meinerseits und mir eine Gänsehaut verursachte.

»Du Brummbär!«

Ich grinste und strich Till über seine Brustmuskeln.

»Und wie stellst du dir das morgen vor? Marschierst bei Kostelli rein und nimmst seine holde Frau fest?«

»So ungefähr, was jedenfalls meine Leute und die Kollegen aus Messina zusammen getragen haben, reicht um sie lange hinter Gitter zu bringen. Und was Mario betrifft, der wird sich für zwei Morde verantworten müssen.«

»Dann steht unserem Ausflug wohl nichts mehr im Wege. Soll ich die Badehose einpacken?«

»Für was brauchst du eine Badehose?«

»Ich kann ja wohl nicht nackt baden gehen, schon allein wenn die Polizei anwesend ist!«

»Welche Polizei?«

Till musste grinsen, bevor ich verstand, was er gemeint hatte. Ich drehte mich und legte mich auf ihn.

»Uff, Bärchen bist du schwer!«

»Daran wirst du dich gewöhnen müssen!«

»An was? Dein Gewicht, oder das harte Teil, was gegen meinen Bauch drückt?«

Bevor ich überhaupt was sagen konnte, begann Till laut zu lachen und legte seine starken Arme um mich. Was folgte war ein langer Kuss und mir wurde klar, dass ich nicht so schnell einschlafen würde.

*-*-*

Etwas müde saß ich in der Maschine nach Messina. Neben mir saß Junior und schlief fest. Till dagegen, war in irgendwelchen Büchern vertieft, deren Titel ich noch nie gehört hatte und mir ehrlich auch nichts darunter vorstellen konnte.

Er schien zu merken dass ich ihn beobachtete, er schaute auf und lächelte mich an.

»Was machst du da die ganze Zeit?«

»Meine Hausaufgaben!«

»Was für Hausaufgaben?«, meinte ich und nahm mir eins der Bücher.

–Italienisches Seerecht—

Verwirrt legte ich das Buch wieder zurück.

»Für was brauchst du italienisches Seerecht?«

»Vielleicht will ich mir ja eine Jacht kaufen!«

»Woher hast du nur das viele Geld?«

»Vielleicht bin ich eine gute Partie?«

Und dann noch dieses Lächeln von Till und nun war meine Verwirrung komplett. Till nahm meine Hand in Seine.

»Würdest du dich daran stören, wenn ich etwas mehr Geld besitze?«

»Was heißt etwas mehr Geld?«

»Sagen wir mal so, wenn du bei Kostellis eine Jacht kaufen möchte kann ich dir mit guten Tipps und dem nötigen Kleingeld zur Verfügung stehen.«

»Wer bist du Till? Du bist im Transportwesen beschäftigt lebst in Deutschland, aber arbeitest hier in einer Filiale deiner Firma.«

»Na ja, sie gehört mir noch nicht!«

»Was?«

»Die Firma, mein Dad meint, ich soll hier in Italien erst einmal richtig Fuß fassen.«

»Dein Dad? Warum hast du mir das noch nie erzählt?«

»Du hast noch nie danach gefragt! Schlimm?«

»Nein, aber ich stelle fest, ich kenne dich wirklich noch sehr wenig.«

»Das wird sich ja hoffentlich ändern!«

Dies sagte Till wieder mit einem Lächeln, einem Funkeln in den Augen, dass ich knapp davor war, auf meinem Sitz zu schmelzen.

»Ändert das was zwischen uns?«, fragte Till.

»Nein, warum sollte es?«

»Ich dachte nur.«

»Denke nicht soviel, also erzähl, warum dass italienische Seerecht?«

»Mein Dad meint, eine Jacht, die ihren Hafen in Sizilien hätte, wäre von Vorteil für die Firma und hat mich damit beauftragt eine auszusuchen.«

»Und wie hoch darfst du gehen?«

»Siebenstellig!«

»Oh!«

»Ja oh, sagte ich auch!«

Nach einem missratenen Schnarcher verschluckte sich Andrea und war in Nu wach.

»Alles klar Kleiner?«

»Bitte, wo bin ich hier?«

Andrea wusste wohl wirklich nicht, wo er sich gerade befand, er schaute mich sehr desorientiert an.

»Wir sitzen im Flieger nach Messina, weißt du das nicht mehr?«

Müde strich er sich über das Gesicht.

»Jetzt wo du es sagst. Brauchen wir noch lange?«

»Nein, ich glaube nicht.«

Andrea wandte sich zu Till und schaute sich die Bücher an.

»Und was machen wir zwei, wenn Papa Gauner jagt?«, fragte Andrea Till.

»Wenn du willst, können wir uns ein paar Jachten anschauen!«

»Wow echt? Papa, darf ich?«

Ich musste grinsen, aber nickte mit dem Kopf. Ich schaute eine Reihe hinter uns, wo Costa und Philipp saßen. Costa schlief und Philipp lass irgendein dickes Buch. Ob er etwas von unserer Unterhaltung mitbekommen hatte.

Es dauerte wirklich nicht mehr lange und wir landeten. Wie vermutet, wurde wir schon von Commissario Galli und seinen Kollegen erwartet. Till und Andrea suchten sich die Autovermietung und ich setzte mich mit einem Trupp Polizisten in Bewegung.

In vier Wagen fuhren wir direkt durch Messina, entlang des Hafens auf der Via Guiseppe la Ferina. Giuseppe auch Nino genannt, war der erste Fahrer, der die Weltmeisterschaften 1950 in der Formel 1 gewonnen hatte.

Gefahren war Nino bis er das Alter von 50 Jahre erreicht hatte, nie war ihm etwas passiert, wenige Jahre später, 1966 verstarb er bei einem Unfall, nach dem er seinen Wagen an einen Telegrafenmasten gesetzt hatte.

Nun war hier ihm eine Straße gewidmet. Es dauerte nicht mehr lange und wir bogen in ein großes Firmengelände ein. Am Tor konnte ich Kostelli lesen. Galli hatte während der ganzen fahrt kein Wort gesprochen.

Anscheinend ging es ihm gegen den Strich, dass ein fremder Commissario in seinem Revier zu tun hatte. Aber das war mir jetzt egal, ich wollte nur die Mörder von Roberto und Mario.

Wie ich auch befürchtet hatte, war der Wagen des anderen Sohnes Kostellis, der immer noch schwerverletzt im Krankenhaus lag manipuliert. Da Mario Chauffeur des Hauses Kostellis war und sich mit Autos auskannte, waren sicherlich auch dort Hinweise oder besser gesagt Beweise zu ermitteln.

Als die vier Wagen vor einem großen Haus zum stehen kamen, öffnete sich bereits die schwere Haustür und Kostelli persönlich trat heraus.

»Luigi, was soll dieses Aufgebot von Polizei auf meinem Gelände?«, fragte Kostelli, als ich ausstieg.

Interessant, er war mit Galli also befreundet.

»Das kannst du meinen Kollegen aus Palermo fragen«, sagte Galli etwas verächtlich.

Jetzt erst sah Kostelli mich.

»Commissario Bronetti? Warum sind sie…?«, begann Kostelli.

»Ich habe doch versprochen, ich finde den Mörder ihres Sohnes, oder soll ich sagen, der Mörder ihres jüngsten Sohnes Roberto und auch den Schuldigen, der für den fehlgeschlagenen Mordversuch auf Christo verantwortlich ist.«

Kostelli wurde bleich im Gesicht. Galli gab seinen Leuten Order, das Gelände zu sichern, damit niemand unbemerkt verschwinden konnte. Kostelli bat mich und Galli, ebenso Phillip und Costa ins Haus.

Er führte uns in einen großen Raum, den ich eher als Lager mit Anhäufung ältere Möbel ansah, als einen Raum.

»Ist ihre Frau zugegen?«, fragte ich.

»Meine Frau, Lauretta?«

»Ja, und auch Mario benötigen wir!«, kam es von Galli, mit dem ich eigentlich ausgemacht hatte, dass ich weiterhin durch die Ermittlungen führe.

Kostelli griff nach dem Telefon, sagte etwas mir unverständliches und legte wieder auf. Es dauerte etwas, aber wenige Minuten später, traf der Rest der Familie ein, ebenso Mario.

»So Bronetti, jetzt wo wir alle da sind und auch Mario, was soll dieser Zirkus hier?«

»Zirkus? Angefangen hat alles auf einem Jahrmarkt, nicht Mario?«, begann ich.

Mario wurde nervös und Philipp und Costa stellten sich in geringem abstand hinter ihn. Lauretta Kostelli dagegen verzog keinerlei Miene. Sie war genauso wie ich mir sie vorgestellt hatte.

Schätzungsweise 35, topmodisch gekleidet und sie strahlte eine Kälte aus, wie ich sie selten bei einer Frau erlebt hatte.

»Was hat Mario mit der ganzen Sache zu tun?«, fragte Kostelli.

Ich hob die Hand um Kostelli zu sagen, er solle doch mit seinen Fragen warten.

»Zu Mario kommen wir später, Senior Kostelli. Interessanter ist, das warum! Warum Roberto und jetzt auch vielleicht ihr Sohn Christo sterben muss.«

Über Kostellis Gesicht wanderte ein Schatten. Langsam schritt ich auf Lauretta Kostelli zu, die immer noch keinerlei Regung zeigte.

»Madam Kostelli, ist das hier ihre erste Heirat mit einem Reichen?«

»Commissario Bronetti, was hat meine …?«, unterbrach mich Kostelli.

Ich schaute ihn nur vorwurfsvoll an, so dass er verstummte.

»Nein, ich war bereits zweimal verheiratet!«, kam es von Madam Kostelli.

»So jung und schon zweimal verwitwet?«

»Lauretta?«, kam es von Kostelli.

»Hat ihnen ihre Frau nicht erzählt, dass sie bereits schon zweimal Witwe ist?«

Fassungslos schüttelte Kostelli seinen Kopf.

»Oder hat sie ihnen von dem Schweizer Konto erzählt, dass immer noch unter ihrem Mädchennamen läuft?«

»Na und, ist so etwas strafbar?«, fragte sie abwertend.

»Nein, solange es nicht durch Geld bereichert wurde, das aus Betrügereien stammte. Wie sind ihre früheren Männer den gestorben?«

»Einem natürlichen Tod, was soll diese Fragerei?«

Lauretta, war wirklich eiskalt und so sicher. Nicht eine kleinste Regung der Nervosität machte sich bei ihr breit.

»Ich glaube, wenn man besser nachgeforscht hätte, wäre das Gegenteil herausgekommen, aber deshalb sind wir heute nicht hier. Es geht um Roberto und auch um Mario.«

»Was für ein Mario?«, fragte Kostelli.

»Der Freund ihres Sohnes Robertos, der einige Tage später als ihr Sohn, tot aufgefunden wurde.«

»Und was hat das mit meiner Familie zu tun?«

Kostelli schien immer noch nicht zu verstehen, um was es hier ging. Ich wandte mich zu Mario.

»Mario, warum?«

Mario sah mich fassungslos an. Schweiß rann ihm über die Stirn. Er schaute kurz ängstlich zu Lauretta.

»Sie wird dir nicht helfen, sie wird alles abstreiten!«, sagte ich leise, aber mit fester Stimme.

Ich bemerkte wie Mario innerlich zusammensackte. Lauretta ging quer durchs Zimmer um besseren Blickkontakt zu haben. Anscheinend wurde sie nun doch nervös.

»Commissario Bronetti, können sie mir endlich mal sagen was hier los ist?«. Kam es genervt von Kostelli.

»Das kann ich gerne tun. Wie weit sind ihnen die Finanzen ihrer Frau bekannt? Oder das Doppelleben dass sie führt?«

»Bitte?«

»Ich werde einmal für sie rekonstruieren, was hier in den letzten Wochen so vorgefallen ist. Sie haben mir erzählt, dass Roberto zu ihnen gekommen ist und ihnen gesagt hat, dass er schwul und mit Mario zusammen ist.«

Kostelli nickte mir zu.

»Auch dass sie sich gewundert haben, warum seine Brüder so gereizt auf ihn reagiert haben. Ich denke mal, da hat jemand kräftig nachgeholfen und die Brüder gegen das Nesthäkchen  aufgehetzt.«

Dabei schaute ich zu Lauretta, die verächtlich zum Fenster schaute.

»Und als durch den Druck, die Freundschaft zu Mario zerbrach, war der erste Teil des Plans erreicht. Roberto verließ dass Haus und war nicht mehr wieder gesehen, so konnte man zu Plan zwei übergehen.«

Im Hintergrund hörte ich Lauretta leise lachen. Ich trat näher an sie heran.

»Es war ein Leichtes, Mario so eifersüchtig zu machen, dass er nur noch als Marionette handelte. Nur dass seine Liebe über den Tod hinaus geht, er ihn küsste, als Roberto starb und somit von seiner speziellen Lippenpflege Spuren auf Robertos Mund hinterließ«

»Mario hat meinen Sohn umgebracht?, kam es fast erstickend von Kostelli.

»Aus dem Büro der Reederei wurde am Mordtag ein Hin und Rückflug nach Palermo gebucht, ebenso am Todestag von Mario!«

Mario war bleich geworden, rutschte immer tiefer in seinem Sessel.

»Du Schwein…«, schrie Kostelli und wollte sich auf Mario werfen wurde aber von Commissario Galli davon abgehalten.

»Ruhig Alberto, hör dir die Ausführungen zu Ende an!«, sprach Galli leise.

»Und nicht genug, der zwei Morde. Ich bin mir fast sicher, wenn das Auto von Christo genau untersucht wird, dass man zu dem Schluss kommt, es wurde manipuliert, und wenn man über Marios Kenntnisse über Wagen nach denkt, kann man zu einem weiteren Schluss kommen!«

»Du hast gesagt, es bekommt niemand etwas heraus«, schrie Mario, Lauretta an.

Lauretta reagierte nicht.

»Ehemänner zu sammeln? Ist das ein lukratives Geschäft? Glauben sie wirklich Lauretta, sie wären damit durchgekommen?«

»Hören sie auf sich irgendwelche Hirngespinste zu erfinden, ich habe damit nichts zu tun!«

»Sie haben also nichts damit zu tun! Beide Flüge wurden aus dem Büro der Reederei gebucht und jedes Mal von einer Frau. Beide Flüge wurden von einem Schweizer Konto bezahlt, ihrem Konto. Unmittelbar, nach Marios Mord, wurde ein privates Gespräch, von Marios Handy zu ihrem Handy verbucht. Soll ich noch mehr aufzählen?«

Kostelli bekam kein Ton heraus, sah nur seine Frau entsetzt an.

»Oder soll ich ihrem Mann erzählen, dass seit ihrer Hochzeit, kleinere Beträge in die Schweiz weitergeleitet wurden, oder von der Anzahlung auf dieses traumhafte Haus in der Toskana.«

»Das ist eine Überraschung für meinen Mann gewesen, sie Trottel!«

»Bezahlt mit seinem Geld. Komisch wo sich doch mittlerweile fast eine Million Euro auf ihrem Schweizer Konto befinden. Meinen sie nicht, es wäre aufgefallen, wenn ein Sohn nach dem Anderen verstorben wäre und am Schluss auch noch der Herr des Hauses?«

«Lauretta…«, kam es heiser von Kostelli.

»Ich glaube auch, wenn ich mich näher mit den Brüdern befasse, wird auch heraus kommen, wer sie gegen Roberto aufgestachelt hat. Raffgier ist noch kein Verbrechen, aber wenn Menschen dadurch sterben schon! Lauretta Kostelli, hiermit nehme ich sie fest, wegen Anstiftung zu mehreren Morden!«

Ich zog die Handschellen heraus und wollte sie Lauretta anlegen.

»Eins verstehe ich nicht. Warum Mario?«, sagte ich leise zu Lauretta, »er hatte doch überhaupt nichts damit zu tun!«

Sie zuckte mit ihrer Schulter.

»Pech!«, waren das einzigste Wort zu diesem Thema.

Ich trat heran, als ich aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung wahrnahm. Mein Kopf fuhr herum und ich sah, wie Mario aufgesprungen war und wie aus dem Nichts eine Waffe gezogen hatte.

Bevor Costa oder Philipp reagieren konnte fiel ein Schuss, Lauretta neben mir zuckte zusammen und wurde zu Boden geworfen. Costa erreichte als erstes Marios Hand und schlug sie nach unten.

Ein weiterer Schuss fiel, doch die Kugel schlug in den Holzboden ein. Philipp und Costa überwältigten Mario, drückten ihn zu Boden. Galli hatte mühe Kostelli auf den Beinen zu halten, denn dieser war vor den Ereignissen regelrecht überrannt worden.

*-*-*

»Was hast du denn?«, meckerte Till, »so sicher habe ich mich noch nie gefühlt!«

War ja auch kein Problem, wenn man in Begleitung dreier Polizisten eben eine Jacht gekauft hat. Till hatte sein Vorhaben in die Tat umgesetzt und ordentlich zugeschlagen. Vor uns stand eine riesige Jacht.

»Nicht schlecht!«, kam es von Costa mit einem Grinsen.

»Und wann feiern wir die Einweihungsparty?«, fragte Andrea.

Ich schaute meinen Sohn an und fragte mich, wer Till mehr verfallen war, ich oder Andrea.

»Glückwunsch Großer, hübsche Nussschale!«

Das handelte mir ein Stoss in die Rippen und einen vorwurfsvollen Blick ein, ebenso das Kichern meiner Leute.

»Und wie bekommen wir jetzt das Ding, nach Palermo?«, fragte ich.

»Es ist Wochenende, keine Lust auf eine kleine Bootsfahrt?«, fragte Till grinsend.

Ich schaute erst zu Andrea, dann zu den grinsenden Costa und Philipp.

»Ihr zwei braucht euch gar keine Hoffnungen zu machen, ihr setzt euch schön in den Flieger, um nach Palermo zu kommen.«

Etwas Enttäuschung machte sich auf den Gesichtern meiner Kollegen breit.

»Och Bär, lass den beiden doch ihren Spass!«, kam es von Till.

Aus dem Augenwinkel heraus, sah ich Andrea, der sich das Lachen verbiss.

»Gut, aber unter einer Bedingung!«

»Und die wäre?«, fragte Till.

»Wenn du Costa, oder du Philipp auch nur einen Ton, über das Wort Bär im Revier verliert, dann rollen Köpfe!«

Mit lautem Lachen betraten wir die Yacht. Es schien, als würde ein schönes Wochenende vor uns liegen.

**  Ende **

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