Die Fälle des Bronetti – Teil 3 – Bronetti – Mord im Vatikan

Ich hörte den Ausführungen des Präfekten zu. Er hatte mich wegen einer nicht aufzuschiebenden Angelegenheit zu sich bestellt. Vor mir lag eine Akte, verschiedene Bilder von der Leiche, dem Tatort und schließlich unendlich viele Berichte.

Ein blutverschmiertes Zugticket in einem Beutel war auch dabei. Der Präfekt wartete nun geduldig, bis ich die Akte überflogen hatte.

„Und was hat dieser Fall mit unserer Abteilung zu tun? Gelinde gesagt, Rom ist etwas weit weg gelegen, um in unseren zuständigen Bereich zu fallen.“

Dass Emilio e Fontura, Präfekt der sizilianischen Stadt Palermo, das Ganze nicht geheuer war, merkte ich natürlich sofort. Aber warum der Präfekt mir gerade diese Akte unterjubelte, konnte ich mir nicht erklären.

„Das Opfer wurde nicht alleine gefunden!“, erklärte der Präfekt.

Das wäre an sich kein Problem, doch das Opfer war ein Pater. Zudem erklärte es immer noch nicht den Umstand, warum wir den Fall lösen sollten. Gut, es erklärte mir, die übergroße Blutmenge auf dem Bett, die nicht alleine vom Opfer stammen konnte und warum er nackt auf dem Bett lag.

„Und wer ist die Frau, dass sie nicht im Bericht erscheint, irgendeine Persönlichkeit?“

„Dass ist dem Vatikan zu verdanken, dass hat er sich erbeten! Zudem handelt es sich nicht um eine Frau…, sondern um einen jungen Mann.“

Oh… la, la, daher wehte der Wind. Mir war klar, dass der Präfekt, seit er mitbekommen hatte, dass ein Mann mein Lebenspartner war, mir des Öfteren Fälle zukommen ließ, die eindeutig ins Schwulenmilieu einzuordnen waren.

Aber ein Fall aus Rom und zudem noch der Vatikan mitmischte, war mehr als ungewöhnlich, sogar für unseren Präfekten.

„Der Vatikan?“, fragte ich.

„Ja, Pater Alfonso war anscheinend Inforationsträger wichtiger Unterlagen, die als geheim eingestuft werden.“

„Und? Wurden sie nicht gefunden?“

„Zum Teil?“

„Ja, zum Teil. Der Vatikan hat sofort seine Leute gesandt unter anderem eine Person von Opus Dei.“

Opus Dei? Sehr interessant. Die konservative Organisation, hervorgerufen um die Gefolgsleute des Vatikans zu überwachen und um strittige Fragen oder Probleme zu lösen, um dann doch nicht preiszugeben, was sie vorhaben.

Opus Dei war schon immer umstritten. Ihr wurden vorgeworfen, zu sehr in der Politik mitzumischen. Sie war in mehr als sechzig Ländern aktiv, also ein leichtes, auf Geschehnisse verschiedener Länder Einfluss zunehmen.

Insider redeten sogar von einem Geheimbund, der Sekten ähnliche Formen annahm. Bei Opus Dei saßen nicht nur, wie man vermuten mag Priester, Bischöfe oder Kardinäle. Es waren auch katholische Gefolgsleute außerhalb des Vatikans tätig, Familienväter sogar Nonnen oder eben Gefolgsleute aus verschiedenen weltlichen Berufen.

So blieben sie oberflächlich gesehen immer unscheinbar. Der bisherige Vorsitzende hatte sich galant aus der Affäre gezogen und sich zum Papst wählen lassen. Er war berüchtigt für seine Alleingänge und hatte sich dadurch viele Feinde geschaffen.

Nun als Papst war er über all diese Dinge erhaben. Ob er durch die Wahl seine Rolle, als mächtigster Mann der heiligen, katholischen Kirche festigen konnte, ist fraglich. Böse Zungen behaupteten, Opus Dei hatte alleine das Sagen im Vatikan.

Man hatte den neuen Papst durch seine Wahl aufs Altenteil geschoben, wo er keinen Schaden mehr anrichten konnte und nur noch als Repräsentationsfigur diente.

„Und wir sollen jetzt den oder die Mörder finden, per Computer…Ferndiagnose?“, fragte ich, immer noch nicht ahnend, was der Präfekt mit mir vorhatte.

„Nicht ganz Commissario Bronetti. Ich habe andere Pläne. Sie werden nach Rom fliegen und dort sich mit entsprechenden Leuten aus dem Vatikan treffen und mit ihnen zusammen versuchen den Fall zu lösen.“

Ich nach Rom… toll, Till wird sich freuen dass zu hören, wenn ich ein paar Tage weg bin, jetzt wo er ein tolles Wochenende für uns geplant hatte.

„Nach Rom?“

„Ja, wir halten es für eine richtige Entscheidung, einen unserer besten Ermittler vor Ort zu haben.“

Wir! Damit war sicher der neue Staatsanwalt de Caprinella gemeint. Seit Mechangino* wegen meiner Wenigkeit das Handtuch werfen musste, weil er in einem Fall verstrickt war, mischte der junge de Caprinella kräftig mit.

Auch ihm, wie schon seinem Vorgänger, war ich ein Dorn im Auge. Und dass der Präfekt in solchen Dingen leicht zu manipulieren war, hatte ich ja schon in der Vergangenheit oft zu spüren bekommen.

„Und wann fliege ich?“

„Die Unterlagen und ihre Flugtickets sind bereits an ihr Büro geschickt worden.“

„Tickets?“

„Ja…, ihr Lebenspartner Senior Jansen wird sie begleiten. Er wird ihnen im Vatikan sicher eine gute Hilfe sein.“

Till? Mir eine Hilfe sein? War ich im falschen Film? Was sollte dass jetzt? Ich trank meinen Cappuccino und versuchte mir meine Verwunderung und auch dieses Ärgernis nicht anmerken zu lassen.

* aus Teil 1 Die Fälle des Bronetti

*-*-*

Der Vorrang eines Commissario waren einige Privilegien im Commerissiat, zum Beispiel die eines eigenen gekennzeichneten Parkplatzes. Nur heute Morgen stand dort ein dunkelgrüner Audi. Tills Audi! Verärgert steuerte ich den nächsten Parkplatz an.

Ich stellte den Motor ab. Oder besser gesagt, ich würgte ihn ab, mein Alpha Romeo machte einen kleinen Satz nach vorne und der Kotflügel schrammte über den Bordstein. Mittlerweile auf 180 stieg ich aus und knallte die Fahrertür zu.

Was hatte verflucht noch mal Till mit dem Vatikan zu schaffen. Natürlich wusste ich, dass Till aus einer alten Hamburger Familie stammte, die sicherlich viele Beziehungen pflegte. Aber der Vatikan?

Er hätte mir wenigstens ein Ton sagen können, als er mich gestern Abend verlassen hatte, dass wir uns heute, durch diese Umstände wieder sehen würden. Ich nahm gleich zwei der  Stufen der Treppe des Commesseriats und schlüpfte durch die offene Tür.

Wie jeden Morgen saß Alfonetti hinter seiner Theke.

„Buon Giorno Commissario. Sie haben Besuch!“, kam es von ihm.

„Ich weiß!“, antwortete ich ruppig.

Ich blieb stehen und drehte mich zu Alfonetti um.

„Buon Giorno Alfonetti…, tut mir Leid… sonst noch irgendwelche Nachrichten für mich?”

Alfonetti lächelte mir entgegen.

„Ja, einen Umschlag, den habe ich Phillip mitgegeben.“

Ich nickte Alfonetti dankend zu und machte mich auf den Weg hinauf ins Büro. Auch hier stand die Tür offen. Ich fand Phillip und Costa nichts tuend an ihren Schreibtischen vor.

„Habt ihr nichts zu tun?“, fuhr ich sie an.

„Morgen Chef“, sagte Phillip erschrocken.

Ohne eine weitere Reaktion meinerseits verschwand ich in meinem Büro, wo ich den Grund meiner Übellaunigkeit vorfand. Till stand am Fenster und schaute hinaus. Als er die Tür hörte, drehte er sich um.

„Morgen Gabriel, so schnell sieht man sich wieder.“

Ich schaute ihn nur an.

„Ist etwas?“, fragte er.

„Ich hasse es, wenn Entscheidungen über meinen Kopf hinweg getroffen werden“, antworte ich leise, ohne meinen Blick von ihm zu wenden.

Till hob den Kopf schief und musterte mich genau. Er kam auf mich zu und wollte mich in den Arm nehmen. Ich wich ihm aus und setzte mich hinter meinen Schreibtisch.

„Was ist los, Bär?“

„Das fragst gerade du“, herrschte ich ihn an.

„Weißt du wie beschissen ich mich fühlte, als der Alte heute Morgen zu mir meinte, Senior Jansen wird ihnen sicherlich eine gute Hilfe im Vatikan sein.“

„Gabriel, davon habe ich doch auch nichts gewusst.“

„Und wie kommt er dann auf dich?“

„Glaubst du wirklich ich habe deinen Chef angerufen und mich aufgedrängt?“

Tills Augen verengten sich, die Stimme versteifte sich.

„Was weiß ich? Was hast du überhaupt mit dem Vatikan zuschaffen?“

„Ich weiß jedenfalls eins! Du kannst deinen italienischen Dickkopf stecken lassen, dass muss ich mir nicht geben. Du findest mich zu Hause!“, meinte Till und verließ mit knallender Tür mein Büro.

Starr schaute ich auf die Tür, merkte nicht einmal, dass ich die Asche meiner Zigarette verlor. Es klopfte an der Tür und Phillip steckte den Kopf herein.

„Was?“, fuhr ich ihn an.

„Das ist vorhin für sie abgegeben worden“, antwortete er und verschwand gleich wieder.

Vor mir lag ein Umschlag mit dem Aufdruck >confiderziale< (vertraulich). Ich riss ihn auf und Bilder kamen mir entgegen geflogen. Bilder mit Pater Alfonso und dem jungen Mann. Ebenso die erwähnten Tickets, ausgestellt auf meine Wenigkeit und Till.

Sie legte ich fein säuberlich auf die Ablage. Wieder nahm ich die Bilder, die ich mir nun genauer anschaute. In meiner Laufbahn waren mir schon einige grausame Funde untergekommen, aber das, was ich hier zu sehen bekam…

Beide wiesen Kopfschüsse auf, eine regelrechte Hinrichtung. Und beide mussten gerade bei etwas überrascht worden sein, denn ihre Stellung war eindeutig. Ich nahm mir den Bericht über den jungen Mann vor. Laut Bericht war er ein Stricher von der ganz üblen Sorte, die für Geld alles machten.

Man könnte darauf schließen, Pater Alfonso wäre nicht wählerisch. Aber je mehr ich die Bilder mit dem Bericht des jungen Mannes verglich, umso mehr kam ich zu dem Schluss, dass auch hier manipuliert wurde.

Der Junge sah viel zu sehr gepflegt aus, als dass er aus Kreisen stammte, wie sie im Bericht erwähnt worden sind. Ich schrieb mir Name und Adresse heraus. Auch wenn die Opfer aus Rom stammten, Phillip und Costa bekamen bestimmt etwas heraus.

Ich steckte alles zurück in den Umschlag, schnappte mir die Tickets und die Adresse. Costa und Phillip schienen nicht mit mir gerechnet zu haben, denn beide fuhren zusammen, als ich die Tür zum Vorzimmer geöffnet hatte.

„Ich muss für ein paar Tage nach Rom und bin wie immer per Handy zu erreichen. Hier habe ich eine Adresse für euch. Findet mir bitte wirklich alles heraus, was geht“, sagte ich und gab Costa den Zettel.

„Aber Chef, die Adresse ist in Rom“, meinte Costa.

„Um so besser, entweder ihr verwendet eueren so hoch gepriesenen Computer, oder ihr lasst euch etwas anderes einfallen.“

Beide schauten mich fragend an.

„Ach übrigens, die Kostenstelle ist nicht begeistert, wenn man das teuerste Hotel in der Stadt nimmt“, sprach ich weiter und verließ grinsend das Büro.

*-*-*

Ich stellte meinen Wagen auf den Besucherparkplatz. Erst zweimal war ich hier bei Till gewesen. Er fühlte sich bei mir im Haus wohler, als hier in seinem Appartement. Ich lief zur Pforte, wo wie immer der ältere Herr an der Pforte auf seinem Stuhl saß und anscheinend sein Nickerchen hielt.

„Sie wünschen?“, fragte er, ohne aufzusehen.

Er schlief also doch nicht.

„Ich möchte zu Herr Jansen.“

„Er sah auf und stellte sich hinter die Theke.

„Ah, Commissario Bronetti, sie haben Glück. Senior Jansen ist gerade zurückgekommen.“

Obwohl ich erst zwei Mal hier war, erkannte mich der Alte sofort an der Stimme.

„Uno momento… ich melde sie an!“

Artig stand ich an der Theke und sah zu, wir der Alte die Nummer von Till wählte und dann wartete.

„Bon Giorno Senior Jansen, Commissario Bronetti ist hier…  ja okay Ciao.”

Der Alte legte den  Hörer auf und verließ seinen Posten um den Fahrstuhl zu holen.

„Danke, ich kenne den Weg“, meinte ich.

Er nickte und ging auf seinen Platz zurück. Wenig später stand ich im Aufzug und fuhr in den siebten Stock. Vor Tills Tür atmete ich noch einmal tief durch. Er schien die Tür geöffnet zu haben.

Der feine Geruch von Meer kam mir entgegen, Till hatte geduscht. Der Stapel Klamotten über seinem Sofa bestätigte mir das. Die Balkontür stand offen und zudem konnte ich Kaffee riechen.

Wie vermutet, saß Till mir mit dem Rücken zugewandt, nur mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet. In der Hand hatte er einen großen Pott mit Kaffee.

„Und, wieder abgeregt?“, kam es eisig von Till, ohne mich anzusehen.

Klar, das hatte ich verdient.

„Tut mir leid, Till!“, meinte ich und stellte mich direkt hinter ihn.

„Weißt du Gabriel, ich war genauso überrascht, als mich der Präfekt heute Morgen mich hier zu Hause angerufen und mich in dein Büro gebeten hat. Und dann kommst du zurück und herrschst mich einfach an. Auch nicht gerade die zärtliche Begrüßung zum Morgen!“

Ich lief um Till herum und kniete mich neben ihn. Sein Blick war nicht mehr so eisig, wie vorhin im Büro.

„Kannst du mir noch einmal verzeihen?“, fragte ich.

„Wenn ich eins hasse, ist es, wenn du diesen fiesen Bärblick auflegst“, meinte Till und nahm mich ihn den Arm um mich zu küssen.

Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich ließ mich einfach auf Tills Schoss sinken und ergab mich seinen Küssen.

„Was machst du mit Andrea?“, fragte Till plötzlich.

„Was meinst du mit Andrea?“

„Willst du ihn, wenn wir in Rom sind, alleine zu Hause lassen?“

„Ach, so, nein, ich denke, ich rufe meine Mutter an. Andrea wird mit dieser Vereinbarung nicht ganz zufrieden sein, aber Mutter kümmert sich auch gerne um ihren Enkel.“

„Willst du sie von hier aus anrufen? Später vergisst du es sicherlich wieder.“

Mit einem Grinsen im Gesicht schob er mich von sich weg. Ich zog also mein Handy hervor und wählte die Nummer meiner Mutter. Es dauerte etwas, bis endlich jemand das Gespräch entgegen nahm.

„Bronetti.“

„Hallo Mama, hier ist Gabriel.“

„Gabriel, du Nichtsnutz. Wird auch mal Zeit, dass du deine alte Mutter einmal anrufst.“

„Mama…“

Ich verzog das Gesicht und Tills Grinsen wurde noch breiter. Mutter sprach so laut, dass Till jedes einzelne Wort verstand.

„Was willst du diesmal? Geld?“

„Mama, ich arbeite und verdiene mir mein Geld. Aber du hast Recht, ich brauche deine Hilfe.“

„Wusste ich es doch. Also für was brauchst du meine Hilfe?“

„Ich habe heute erfahren, dass ich geschäftlich nach Rom muss… ein paar Tage… könntest du auf Andrea aufpassen?“

„Auf meinen, kleinen Enkel passe ich natürlich gerne auf.“

„Mama, vergiss nicht der Kleine ist schon siebzehn.“

„Er bleibt mein Kleiner, egal wie alt er ist.“

„Gut. Könnte ich dich heute Abend abholen, weil ich morgen recht früh zum Flughafen musst.“

Ein kurzes Schweigen.

„Gut Gabriel, ich werde mir gleich ein paar Sachen zusammenpacken. Wann wirst du kommen?“

„So gegen vier?“

„Ja, das ist mir Recht!“

„Okay Mama, bis später dann.“

„Ciao Gabriel.“

„Ciao Mama!“

Ich drückte das Gespräch weg.

„Eine nette Mutter hast du“, sagte Till mit einem Haifischgrinsen.

„Du kennst sie zwar nicht, aber du wirst sie kennen lernen.“

„Wann?“

„Heute Abend…, ich koche.“

Jetzt wurde Till unruhig.

„Soll ich etwas Besonderes anziehen?“

„Nein, komm einfach wie immer“, antwortete ich und war nun dran mit Grinsen.

*-*-*

„Mama, bitte!“

„Gabriel, du kannst den Jungen doch so nicht herum laufen lassen!“

Typisch meiner Mutter. Sie war als Babysitter für Andrea eingesprungen und kaum eine Stunden da, schon meinte sie, mein ganzes Leben umkrempeln zu müssen.

„Und zudem fehlt diesem Haushalt eine Frau, wie dies hier wieder aussieht!“

„Eine Frau fehlt hier ganz bestimmt nicht“, sagte ich bestimmend, worauf meine Mutter mich entsetzt anschaute.

„Das ist ein Männerhaushalt und dies wird auch so bleiben!“

Dies handelte mir eine kleine Ohrfeige ein.

„Junge, nicht in dem Ton, du bist mir nicht zu schade für eine Ohrfeige.

Andrea stand an der Tür gelehnt und grinste vor sich hin. Er kannte seine Großmutter und hütete sich auch nur einen Ton von sich zu geben. Ich atmete tief durch und hielt meine Mutter an den Schultern fest.

„Höre mir bitte nur einmal zu Mama. Andrea ist schwul, der läuft immer so herum, dass nennt man Outfit! Und was mich betrifft, ich lebe auch mit einem Mann zusammen! Soviel zum Thema Frauen.“

Ich ließ meine Mutter los, ging an die Theke und schenkte mir einen Ramazotti ein, den ich in einem Zug herunterzog.

„Kann ich auch einen haben?“, hörte ich meine Mutter fragen.

Ich schaute sie nur an und goss ein. Sie nahm ihr Glas und zog ebenso wie ich den Likör in einem herunter.

„Einen Mann?“, fragte sie und schaute mich immer noch fassungslos an.

Ich nickte.

„Bitte noch einen!“, meinte sie und hielt mir ihr Glas hin, „von hier?“

„Nein, er ist Deutscher und heißt Till!“

„Mio dio, porca miseria, auch noch ein Deutscher!“

„Mama, jetzt lerne ihn doch erst einmal kennen!“

Sie hielt mir noch mal ihr Glas hin und ich schenkte nach, was Andrea zu einem weiteren Heiterkeitsausbruch verhalf. Bevor sie auch noch einen weiteren Satz sagen hätte können, klingelte es an der Tür.

„Das ist er!“

„Was jetzt?“

Schnellen Schrittes lief sie an den großen Spiegel und richtete ihr Haar. Andrea saß mittlerweile auf dem Boden und ein leises Kichern war von ihm zu hören. Ich ging zur Tür und öffnete, auch wenn ich wusste Till hatte seinen eigenen Schlüssel.

„Abend mein Schatz, alles klar?“, sagte Till.

Till stand mit einem riesen Rosenstrauß da und grinste mich an.

„Eine Ohrfeige hab ich schon!“, entgegnete ich und ließ ihn herein.

Verwirrt kam Till herein.

„Wieso?“, flüsterte er.

„Später!“, flüsterte ich zurück und gab ihm einen flüchtigen Kuss.

Till schaute mich nur mit großen Augen an, während ich ihn ins Haus schob. Tills Blick fiel zu erst auf Andrea, der immer noch auf der untersten Stufe der Treppe saß und vor sich hinkicherte.

„Mama, darf ich dir vorstellen, dass ist Tim Jansen!“

Till aus den Gedanken gerissen, setzte sein herzzerreißendes Lächeln auf und ging auf meine Mutter zu.

„Buon giorno Seniora Bronetti!“

„Buon giorno Senior Jansen!“, sagte meine Mutter und gab ihm die Hand.

Till reichte ihr den Blumenstrauß und deutete einen Diener an, was wahrlich lustig aussah, bei dem Größenunterschied der Beiden.

„Hallo, Andrea!“, hörte ich Till sagen.

Andrea nickte ihm nur zu. Till schaute sich im Raum ein wenig um.

„Wolltest du nicht noch ein wenig aufräumen?“, raunte Till zu mir, was ihm sicher gleich ein paar Pluspunkte bei meiner Mutter einbrachte.

„Senior Jansen, setzten sie sich doch etwas zu mir!“

Sie drückte mir die Blumen in die Hand und wie sollte es anders sein, ich griff voll in die Dornen. Ich verbiss mir eine Regung zu zeigen und stellte den Strauß ins Wasser. Während dessen nahm meine Mutter schon Besitz von Till, oder war es anders herum.

Seine Augen strahlten, sein Lächeln war hinreisend und er lauschte meiner Mutter, deren Fragen er kurz aber präzise beantwortete. Mein Handy klingelt.

„Bronetti!“

„Chef, hier Phillip.“

„Was ist so wichtig, dass du noch anrufst?“

„Ich habe alle Unterlagen beieinander und auch noch ein paar andere Sachen. Aber ich kann hier gerade nicht weg, sonst hätte ich sie ihnen vorbei gebracht.“

„Und wo ist Costa?“

„Dienstlich unterwegs.“

„Okay…, ich mache eine große Ausnahme, aber nur weil ich die Unterlagen dringend brauche.“

„Danke Chef. Ciao“

„Ciao Phillip, bis gleich.“

Till und meine Mutter hatten das Gespräch unterbrochen und schauten mich an.

„Du musst noch weg?“, fragte mich Till.

Ich nickte und bevor meine Mutter was sagen konnte, fiel ihr Till ins Wort.

„Seniora Bronetti, hätte sie Lust, etwas am Strand spazieren zu gehen?“

„Sagen sie ruhig Magdalena zu mir, sie sind der Freund meines Sohnes!

„Aber nur, wenn sie Till und du sagen!“

Mein Schatz verstand es die alte Dame um den Finger zu wickeln, dabei hatte er nicht mal seinen vollen Charme ausgespielt.

„In Ordnung Till, ich muss mich aber erst noch etwas zu Recht machen!“

„Wieso?. Sie sehen doch gut aus!“

Das war jetzt sogar für Andrea zuviel, der wieder laut anfing zu lachen, was ihm von uns allen Drei böse Blicke einbrachte.

„Hören sie… hör auf zu schmeicheln, ich möchte mir nur etwas Leichteres anziehen.“

Sie stand auf und lief mit einem Grinsen an mir vorbei, gefolgt von Till der dicht vor mir stehen blieb.

„Und? Feuerprobe bestanden?“, flüsterte er.

„Auf ganzer Linie, danke!“

Er nahm mich in den Arm und küsste mich sanft, was Andrea’s Lachen verstummen und uns ein neidisches Seufzen hören ließ.

„Ist es wichtig?“, fragte Till und zeigte auf mein Handy.

„Unterlagen, die ich dringend für Morgen brauche.“

Till zuckte mit den Schultern.

„Ich bleibe da, und kümmere mich um deine Mutter, bis du wieder kommst.“

„Ich liebe dich, du großer Mann!“

„Ich weiß!“, entgegnete er mir mit einem Grinsen

Ich gab ihm einen Kuss und schnappte mir meine Jacke.

„Andrea du kannst aufräumen, okay!“, meinte ich.

„Bitte?“

„Du hast mich schon verstanden!“

„Muss dass sein?“

„Du kannst aber auch deine Großmutter mit zu abfeiern nehmen, wie wäre das?“

„Okay, ich räume ja schon auf!“

Tim grinste mir zu und schickte mir einen Handkuss hinterher, bevor ich das Haus verließ. Ich warf meine Jacke auf den Beifahrersitz meines Wagens und stieg ein. Neidisch schaute ich auf den Wagen meines Freundes… besonders in dem Gedanken der funktionierenden Klimaanlage, was ich von meinem Dienstfahrzeug nicht behaupten konnte.

*-*-*

Als ich eine drei viertel Stunde später die Tür zu meinem Haus aufschloss, stieg mir ein Geruch in die Nase. Kein Wunder, meine Mutter war am Kochen und wie sollte es anders sein Till stand mit Schürzchen neben ihr und half.

Auf der Theke standen zwei Gläser Rotwein, Till und Mutter in einer angeregten Unterhaltung, so dass sie mich erst gar nicht bemerkten.

„Er hatte als kleiner Junge nur Blödsinn im Kopf, regelmäßig kamen Beschwerden von den Nachbarn. Aber es ist ja doch etwas Gescheites aus ihm geworden.“

Meine liebe Mutter erzählte über mich, na toll, das konnte ja heiter werden.

„Hallo ihr zwei, wie ich sehe habt ihr euch gut unterhalten!“, meinte ich um meine Mutter in ihrem Redefluss zu bremsen.

„Da bist du ja endlich, das Essen ist auch gleich fertig!“, entgegnete mir meine Mutter.

Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange, Till bekam einen auf den Mund.

„Hallo Bär, alles klar?“

„Ja, ich habe alles was ich für morgen brauche.“

„Könnten wir das bis nach dem Essen verschieben?“, meinte Mutter und goss die Nudeln ab, „und hol Andrea, der hat sich bis jetzt überhaupt nicht blicken lassen.“

Ich machte einen Diener vor meiner Mutter, was mir eine angedeutete Ohrfeige einbrachte. Ich sah im Augenwinkel das Nudelholz auf der Theke liegen und bevor meine Mutter noch auf blöde Gedanken kam, verschwand ich lieber.

So lief ich nach oben und klopfte bei Andrea. Ich hörte nur ein leises Räuspern. Langsam öffnete ich die Tür und streckte den Kopf hinein. Andrea lag zusammengekauert auf seinem Bett.

„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte ich leise.

Ich konnte nur ein leises Wimmern hören. Leise schloss ich die Tür und setzte mich neben Andrea auf sein Bett. Sanft strich ich durch sein Haar. Sein Kopf bewegte sich und Andrea richtete sich auf.

Er musste schon eine Weile geweint haben, sie Augen waren leicht geschwollen und rot.

„Was ist passiert?“

„Was soll schon passiert sein, ich habe mich verliebt, aber er nimmt nicht mal Notiz von mir.“

Mein Großer hat Liebeskummer.

„Andrea, ich will dir ja nicht zu Nahe treten, vielleicht hat Großmutter Recht, könnte es auch an deinem Outfit liegen…, ich meine das Ganze schwarz, die Klamotten, die Schminke im Gesicht und so? Du bist so ein hübscher Kerl!“

Etwas vorwurfsvoll schaute mich Andrea an, dann fiel sein Blick auf den offenen Schrank, wo ich selbst nur wenige Klamotten sehen konnte, die nicht schwarz waren.

„Geh jetzt erst mal ins Bad und wasch dein Gesicht!“, meinte ich, „ und dann komm runter, deine Großmutter und Till haben zusammen etwas gekocht.“

„Die Beiden zusammen?“

„Ja!“

„Und Till ist noch da?“

„Ja!“

„Wow!“

„Ja!“, meinte ich zum dritten Male und musste lachen.

Das Essen schmeckte natürlich vorzüglich und ich sah Andrea, das erste Mal wieder in Natura. Keine Schwarze Schminke, sogar die Fingernägel waren ohne Farbe. Er trug  seinen normalen Silberschmuck.

Ich musste schmunzeln, ich hatte einen sehr gut aussehenden Sohn. Till schien meine Blicke zu merken und spielte den Empörten, in dem er mir sanft gegen mein Bein trat. Gesättigt und natürlich wieder viel zu viel gegessen, half ich Till den Tisch abzuräumen, bevor ich mir noch einmal ein Ramazotti gönnte.

Eine halbe Stunde später und vieler Schmusereien mit Till auf der Veranda, war ich in einen tiefen Schlaf gefallen. Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen hatte, aber irgendetwas weckte mich wieder auf.

Ich lag immer noch in den Armen von Till, der sanft über mein wenigen Haar pustete.

„Na, endlich wach?“, fragte er leise.

„Bin wohl eingeschlafen?“

„Ja und das recht laut!“, antwortete Till und lächelte dabei.

„Habe ich geschnarcht?“

„Sizilien hat soeben seinen letzten Baum verloren!“

Ich knuffte ihm in die Seite, was er gespielt schmerzhaft fand.

„Sollen wir nicht dein Gepäck holen und du schläfst heute Nacht bei mir?“

„Gute Idee, da hätte ich auch von alleine drauf kommen können“, erwiderte Tim.

Ich strahle über mein ganzes Gesicht. Wir standen auf und zogen unsere Klamotten zu Recht, bevor wir wieder nach drinnen gingen. wo Andrea mit seiner Großmutter etwas spielte. Sie schauten kurz auf, als wir uns verabschiedeten.

„Wo wollt ihr noch hin?“, fragte Andrea.

„Wir holen schnell Tills Gepäck, damit wir morgen gemeinsam von hier starten können.“

„Du schläfst heute Nacht hier?“, fragte meine Mutter.

Wie hatte ich diese Frage zu bewerten?

„Ja“, antwortete Till.

„Gut, dann können wir uns ja später weiter unterhalten.“

Diesmal verzog ich das Gesicht und Till und Andrea grinsten sich eins.

*-*-*

„Was ist das?“, fragte ich Till in eine Tüte schauend, „bist du dafür nicht schon etwas zu alt?“

„Das habe ich für deinen Herrn Sohn gekauft.“

„Für Andrea?“

„Ja, dass er nicht ewig in dem Schwarz herumlaufen möchte, ist mir schon länger klar gewesen. Und da habe ich dieses heiße Teil gesehen und dachte… es wäre etwas für Andrea.“

Ich sah mir diesen halb zerfetzten Pulli näher an.

„Und dafür hast du Geld bezahlt?“, fragte ich ungläubig.

„He, das trägt Mann heute.“

„Mit all diesen Löchern?“

„Och, es gewährt doch tief Einblicke.“

So hatte ich es noch nicht gesehen. Ich steckte den Pulli zurück in die Tüte.

„So, ich hätte alles, wir können.“

Till löschte in der gesamten Wohnung das Licht und gemeinsam verließen wir seine Wohnung.

„Du hast alles? Nichts vergessen?“, fragte ich.

„Wenn ich etwas vergessen habe, dann kann ich es mir sicher in Rom kaufen.“

*-*-*

Das Bild vom Strand verschwand plötzlich und ich öffnete die Augen.

„Bär, schnall dich an, wir landen!“, hörte ich Tills Stimme.

Müde rieb ich in meinen Augen. Ich war wohl eingeschlafen. Fast mechanisch schloss ich den Gurt und brachte meinen Sitz in die alte Stellung zurück.

„Und? Hast du etwas Schönes geträumt?“

Ich schaute zu Till und grinste.

„Was denkst du?“, fragte ich.

„Nach dem Lächeln auf deinem Mund zu urteilen, dass du jetzt mindestens zwei Stunden drauf hattest, schon.“

„Ja, in der Tat es war schön. Wann fahren wir in Urlaub?“

Till hob die Augenbrauen.

„Aha, so ein Traum“, meinte er und schmunzelte.

Eine Durchsage kam und ich schaute aus dem Fenster. Sehen konnte man nichts, der Flieger durchbrach gerade die Wolkendecke. Wenige Sekunden später lichteten sich die Wolken, aber anstatt Rom, war nur Regen und Nebel zu sehen.

Ich war froh auf Till gehört zu haben, etwas Warmes zum Anziehen einzupacken. Schwach konnte ich die Küste erkennen. Ich wusste gar nicht, dass Rom so dicht am Meer lag. Das Flugzeug landete in Fiumicino das westlich von Rom erbaut wurde.

Leonardo da Vinci Airport. Ob wir erwartet wurden, wusste ich nicht. Ich hatte die Adresse unseres Hotels und auch schon die Passierscheine, für den Vatikan. Dann wusste ich noch, dass wir uns im Vatikan mit einem Korporal Lutz Stängel treffen sollten.

Ein Schweizer Gardist. Er sollte uns bei den Untersuchungen behilflich sein. Bisher hatte ich die Schweizer Gardisten entweder nur auf Bilder oder im italienischen Fernsehen gesehen. Live war ich noch keinem begegnet.

Die Schweizer Garde war zum Schutz des Papstes abgestellt. Und wenn mir ein Gardist bei den Untersuchungen helfen sollte, hatte die Sache womöglich auch mit dem Papst zu tun. Gut, es gab im Vatikan noch die Corpo di Vigilanza, aber diese päpstliche Polizei, fungierte nur als Wachdienst.

Die Maschine setzte mit einem gehörigen Rütteln auf. Ich schaute kurz zu Till hinüber, der irgendetwas in seiner Tasche suchte. Seit unserem kleinen Streit, hatte ich ihn immer noch nicht gefragt, was er mit dem Vatikan zu schaffen hatte.

Das würde sicherlich ein interessanter Besuch werden. Die Maschine rollte langsam aus und bog Richtung Terminal ab. Es dauerte noch, bis die Gangway freigestellt wurde und wir die Maschine verlassen konnten.

Gleich bei der Abfertigung, wies ich mich als Polizist aus, da ich ja eine Waffe trug. Ohne Probleme passierten wir gemeinsam die Kontrolle und begaben uns an den Kofferverteiler. Als wir auch diese kleine Hürde genommen hatten, bewegten wir uns zum Ausgang.

Anscheinend wurden wir wirklich noch nicht erwartet, denn es war mir kein Empfangskomitee aufgefallen.

„Schau mal, da gibt es einen Shuttledienst zu unserem Hotel“, meinte Till und ich folgte seiner gezeigten Richtung.

„Dann mal los“, sagte ich.

Ich lief neben Till her, überließ ihm die Führung. Am Schalter wurden wir herzlich begrüßt und eine junge Dame führte uns hinaus, wo ein Wagen bereits auf uns wartete. Unser Gepäck wurde verladen und schon waren wir unterwegs nach Rom.

Auf einer Schnellstraße waren wir recht zügig in der Stadt, wo der Verkehr recht dicht wurde. Entlang des Tibers, schien der Verkehr langsam zusammen zubrechen. Doch unser Fahrer behielt die Ruhe.

Dann bog der Fahrer nach links und zum ersten Mal in meinem Leben sah ich vor mir den Petersdom. Gut jeder Italiener sollte mindestens einmal in Rom gewesen sein. Bisher hatte ich aber nie die Zeit dazu gefunden, zudem war ich ja auch Sizilianer.

Am Peters Platz angekommen, bogen wir nach rechts ab und umfuhren den Vatikan, bis der wir vor einem dreistöckigen Gebäude im typischen, römischen Baustil hielten. Ein Boy kam heraus und öffnete uns die Wagentür.

„Borne giorno Seniores“, hörte ich ihn leise sagen.

Jetzt überkam mich ein schlechtes Gewissen, dass Phillip und Costa in einem billigen Hotel absteigen sollten, während ich hier mit Till, in einer Luxusherberge abstieg. Der Gedanke verflüchtigte sich aber gleich wieder, als mir in den Sinn kam, dass ja das Büro des Präfekten alles gebucht hatte.

Wir betraten die große Eingangshalle, die fast nur in Marmor gehalten wurde. Hinter dem Empfang standen ein Herr und eine junge Frau, die uns beide anlächelten.

„Borne giorno, es ist hier ein Zimmer gebucht auf den Namen Bronetti“, sagte ich und stellte meine Fasche auf den Boden.

„Ah, Commissario Bronetti, wir haben sie schon erwartet. Würden sie sich bitte hier eintragen? Eine Nachricht wurde auch bereits für sie hinterlegt.“

So trug ich mich ins Gästebuch ein und bekam eine Codekarte überreicht. Till stand

schweigend neben mir Die Dame hinter der Theke tat in Aktion.

„Borne Giorno Senior Jansen, dass gleich Zimmer wie immer“, fragte sie höchlichst.

„Nein Danke, ich bin mit Seniore Bronetti zusammen.“

Ich schaute verwundert zu Till, der mit der Schulter zuckte und verlegen grinste. Wir bekamen unsere Codekarten und wurden von einem weiteren Boy in unser Zimmer geführt. Unser Gepäck wurde gebracht, während Till sein Laptop auf den Tisch stellte. Kaum hatte uns der Zimmerboy alleine gelassen, nahm ich Till in den Arm.

„So mein großer, starker Mann, nun erkläre mir mal, warum du hier so bekannt bist?“

Ich hatte das weder in einem aggressiven Ton gesagt, noch wirkte ich irgendwie böse. Till gab mir einen Kuss und löste sich aus meiner Umarmung.

„Ich komme immer hier unter, wenn ich in Rom bin. Wir haben auch hier eine Niederlassung.“

„Und was habt ihr mit den Vatikan zu tun?“

„Familiäre Gründe“, war Tills kurze Antwort.

Ich wollte Till nicht durch meine Fragerei verstimmen, so ließ ich es bei den Fragen. Er würde mir sicher mehr erzählen, wenn er es für richtig hielt. Dass sich Till irgendwie unwohl fühlte, merkte ich schon die ganze Zeit.

Was der Grund war, konnte ich mir aber beim besten Willen nicht vorstellen. Ich nahm ihn einfach in den Arm und drückte ihn an mich.

„He, was ist los…, wo ist dein charmantes Lächeln, mit dem du mich immer verführst?“, fragte ich.

Die Anspannung wich aus seinem Gesicht und seine Mundwinkel formten sich zu seinem berühmten Lächeln.

„So gefällst du mir schon besser.“

„Bevor du hier aber wie Butter zu schmelzen anfängst, sollten wir mal die Nachricht lesen“, ermahnte mich Till.

„Du Romanzentöter!“

„Das sagt einer, der immer den Macho raushängen lässt!

Ich grinste verwegen und riss den Umschlag auf, den man mir an der Rezeption überreicht hatte.

„Dieser Stängel erwartet uns in einer halben Stunde im Vatikan…, wir haben eine Audienz bei Kardinal Christoforo.“

„Auch das noch.“

Till war plötzlich wie aufgelöst, so kannte ich ihn gar nicht.

„Till was ist?“

„Christoforo… ist der Bruder meiner Mutter…“

*-*-*

Mit allem hätte ich ja gerechnet, aber nicht, dass Till italienisches Blut in den Adern hatte. Er sah so gar nicht nach einem Italiener aus. Trotzdem wusste ich nicht, was ihn so sehr beunruhigte.

Nervös hatte er sich umgezogen und stand nun neben mir im Aufzug, der uns nach unten brachte.

„Till, ich kenne dich jetzt schon eine ganze Weile und ich weiß auch, dass dich normalerweise nichts so schnell aus der Ruhe bringt.“

Nervös zupfte Till an seinem Jackett herum.

„Ich weiß nicht wie ich dir helfen kann, wenn ich nichts weiß!“

Er suchte meine Hand und umgriff sie fest.

„Draußen…, nicht hier im Hotel“, meinte er leise, fast ängstlich.

So kannte ich meinen Till nun wirklich nicht. Nichts mehr war von dem starken Mann, den ich kennen gelernt hatte da. Neben mir lief ein verängstigter kleiner Mann. Ich gab meine Codekarte an der Rezeption ab und lief mit Till durch die Empfangshalle nach draußen, wo uns der Boy die Tür aufhielt.

Ich nickte ihm kurz zu. Als Till und ich ein paar Schritte gelaufen waren, blieb ich stehen.

„So Till, jetzt mal Klartext! Sag mir was los ist.“

Till schaute kurz in die Luft und blies scharf seine Luft aus. Mir schien, dass dies eine längere Unterhaltung werden konnte, obwohl wir eigentlich nicht viel Zeit hatten. Ich zog mir einen Klimmstängel aus der Jacke und stecke ihn mir an.

„Ich habe mit meiner Mutter telefoniert…, habe ihr erzählt, dass ich mit dir nach Rom fahre.“

„Ja und?“

„Christoforo, also der Kardinal, mein Onkel… ist die rechte Hand des Papstes. Er hat gute Beziehungen… egal in welche Richtungen es geht.“

„Und was hat das mit dir zu tun?“

„Mutter hat mir erzählt, mein Onkel weiß über mich Bescheid.“

Ich stand jetzt irgendwie auf dem Schlauch. Till schien dies zu bemerken.

„Christoforo weiß, dass ich schwul bin und du mein Freund bist“, meinte er bestimmend, sah mich kurz an, bevor ich sein Blick sich senkte.

„Ach so“, es dämmerte mir, „Vatikan… Kardinal… ein schwuler Neffe… ich verstehe.“

„Sein Lieblingsneffe…“, setzte Till noch dran.

„Und du glaubst nun, du bist nicht mehr sein Lieblingsneffe, weil du schwul bist und es gegen seine Überzeugung steht? Eine Enttäuschung etwa?

„Ich weiß gar nichts mehr…“

Mein Till fing an zu weinen.

„He mein großer starker Mann, nicht doch, ich bin doch bei dir… Hör mal, wenn du bis jetzt deines Onkels Lieblingsneffen warst, bist du es immer noch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dein Onkel so weltfremd ist.“

Till schluchzte kurz und putze sich die Nase.

„Er hat immer gemeint, er will mich trauen, wenn ich mal heiraten will…“

„Und…, gut ich werde mich nicht in ein Brautkleid zwängen… dagegen hätte ich etwas, aber sicherlich nichts von einem waschechten Kardinal getraut zu werden.“

Jetzt erst merkte Till, dass ich nur versuchte ihn aufzuheitern. Er lächelte.

„War das jetzt ein indirekter Heiratsantrag?“, fragte Till.

„Du kannst dir denken was du willst…, ich weiß nur eins… ich liebe dich und in fünf Minuten sollen wir bei diesem Lutz Stängel sein!“

Till schaute auf die Uhr.

„Und mein Onkel hasst Unpünktlichkeit! Übrigens, ich liebe dich auch.“

Und mit einem sanften Kuss auf die Wange setzte Till sich wieder in Bewegung.

„Was mir gerade einfällt. Wenn dein Onkel so gut über uns Bescheid weiß, könnte es sein, er hat dies hier angezettelt? Ich meine, es ist kein Zufall, dass ein Commissario aus Sizilien einen Fall in Rom lösen soll. Hier gibt es auch Polizei.“

Till schaute mich an und zuckte mit den Schultern.

*-*-*

Etwas abgehetzt kamen wir am Porta Sant’ Anna an. Zwei Hellebardiere standen Wache, ein dritter saß am Schalter. Ich zog meinen Dienstausweis heraus und lief zu diesem am Schalter.

„Commissario Bronetti, ich habe einen Termin bei Korporal Lutz Stängel“, sagte ich.

Till stand dich bei mir.

Der Hellebarde nahm das Telefon und wählte kurz eine Nummer. Er sprach für mich etwas Unverständliches und legte wieder auf.

„Einen Moment bitte“, meinte er, sagte sonst weiter nichts.

Till zupfte mich am Rücken und seine Augen wanderten in Richtung Vatikansinnere. Ich folgte seinen Blick und sah einen weiteren Schweizer Gardisten, der auf uns zukam.

„Vizekorporal Rico Gschanz“, stellte sich der junge Mann vor, „ich bringe sie zu Feldweibel Stängel. Würde sie bitte diese Ausweise anlegen?“

Feldweibel, das hatte ich jetzt auch noch nicht gehört. Ich nahm die zwei Ausweise entgegen und reichte Till einen davon. Als ich meinen anstecken wollte, räusperte sich Till.

„Nicht nötig…“, meinte Till, „ich habe Zugang.“

Till zog aus seiner Jacke ebenfalls einen Ausweis. Der junge Mann schaute ihn sich kurz an und gab ihn wieder zurück.

„Stimmt Signore Jansen, sie benötigen den Ausweis nicht. Würden sie mir dann bitte folgen?“

Er nahm den ersten Ausweis von Till zurück und drehte sich auf der Stelle um und lief los. Ich fand den Anblick irgendwie lustig Diese weiten Hosen, die wie der Rest der Uniform in gelb blauen Streifen strahlten, die sich bis zu den Schuhen hinunterzogen.

Ich war froh, als Commissario keine Uniform mehr tragen zu müssen. Wir folgten also diesem Vizekorporal Gschanz… Rico, oder wie er hieß.

„Sehen die alle so gut aus?“, flüsterte ich zu Till.

„Fast alle“, gab Till mit einem Lächeln zurück.

Gschanz betrat mit uns ein Haus, durchschritt einen langen Flur und klopfte dann an die letzte Tür des Flures. Nach einem >Herein<, öffnete er die Tür.

„Commissario Bronetti und Senior Jansen, Feldweibel Stängel!“

„Danke, Vizekorporal!“

Die Zwei schienen sich auch privat gut zu kennen, denn mir waren die Blicke, die, die zwei untereinander austauschten, nicht entgangen. Ein Blick zu Till, der wieder mal nur grinste. Dieser Rico nickte und war dabei den Raum zu verlassen.

Stängel räusperte sich und Rico blieb stehen. Ein fast nicht wahrnehmbares Schütteln von Stängel veranlasste Rico die Tür zu schließen und das von innen. Stängel lief um seinen Schreibtisch herum.

„Freut mich sie kennen zu lernen, Commissario Bronetti“, meinte er und reichte mir die Hand.

„Danke“, meinte ich.

Auch Till bekam die Hand geschüttelt.

„Wollen wir uns nicht setzten?“, fragte er und wies auf die vier Sessel, die ebenso im Raum standen.“

„Cappuccino?“, fragte nun Rico.

Till nickte, während ich mich setzte.

„Für mich keinen Rico, ich habe schon zuviel“, meinte dieser Stängel.

Rico grinste und verschwand kurz in einem Nebenraum.

„Bevor wir zu Kardinal Christoforo gehen, bitte ich sie mir noch ihre Waffe auszuhändigen, da der Bereich des Kardinals nicht mit Waffen betreten werden darf.“

„Kein Problem“, meinte ich, zog die Pistole aus dem Halfter und legte sie auf den Tisch.

„Danke, sie werden sie nachher wieder bekommen.“

Rico betrat den Raum wieder. Er stellte drei Cappuccino auf den Tisch und gesellte sich zu uns. Im Gegensatz zu Ricos gelb blauer Uniform, war Stängels Uniform zwar gleich geschnitten, aber mit den Farben Rot und Schwarz versehen.

„Eine Frage… Feldweibel…, ich kenne nur den Ausdruck Feldwebel…“, sagte plötzlich Till.

„Feldweibel ist der unterste Rang zu den hohen Offizieren. Ich bin praktisch für die unteren Ränge zuständig… die Mutter der Kompanie“, erklärte Stängel, was bei Rico einen Heiterkeitsausbruch auslöste.

Ich sah Till fragend an, während Stängel auf seine Uhr schaute.

Eine kurze Pause entstand, wo wir uns regelrecht scannten.

„Da seine Eminenz Cardinale Christoforo noch in einer wichtigen Unterredung ist, haben wir noch etwas Zeit. Commissario Bronetti, ich möchte nicht mit der Tür ins Haus fallen…, aber warum helfen gerade sie uns bei den Ermittlungen… Sizilien ist nicht gerade… wie soll ich sagen, der unsrige Bereich.“

„Das Frage ich mich schon die ganze Zeit. Ich weiß nur, dass ich immer solche Fälle zugeschanzt bekomme.“

„Solche Fälle?“

Ups…, wie sollte ich mich jetzt ausdrücken, ohne mich ordinär auszudrücken.

„Fälle… in denen es um Homosexuelle geht.“

Ich nippte an meiner Tasse und sah wie Rico diesen Stängel erstaunt anschaute.

„Sie werden ja sicher die Akte eingesehen haben“, fügte ich hinzu.

„Nein“, kam als klare Antwort von Stängel.

„Das tut mir Leid, ich wollte niemandem vorgreifen…“, meinte ich und stellte meine Tasse ab.

„Muss es nicht…“, meinte Stängel.

„Kann es sein, dass sie zwei ein Paar sind?“, mischte sich Till plötzlich ein.

Stängel und Rico wurden rot im Gesicht, aber anstatt aufbrausend zu reagieren, kam nur ein leises Hüsteln von Rico.

„Wie kommen sie darauf…?“, fragte Stängel leise.

„Man bekommt ein Blick dafür, wie zwei Menschen mit einander umgehen und zudem tragen sie beide, die gleichen Ringe.“

Beide schauten zu erst auf ihre Hand, an dem sie einen Ring trugen, dann blickten sie uns beide verschüchtert grinsend wieder an. Mir war das übrigens nicht aufgefallen und bewies wieder, welche gute Beobachtungsgabe Till hatte.

„Das kann ja heiter werden“, meinte Till und trank an seinem Cappuccino weiter.

Ich konnte nicht anders und musste grinsen.

„Schwul… hier im Vatikan?“, fragte ich.

Stängel zuckte nur verlegen mit den Schultern. Ich sah kurz zu Till und er nickte. Er wusste genau, was ich wollte.

„Haben sie Probleme damit?“, fragte Rico etwas angespannt.

Nun breitete sich auf Tills und meinem Gesicht ein breites Lächeln aus.

„Sicherlich nicht…, eher das Gegenteil“, meinte ich, was ein deutliches Fragezeichen auf Korporals Stängels Gesicht zeigte.

„Also… damit das gleich von vorne herein geklärt ist, Till… also Senior Jansen und ich sind ebenfalls ein Paar!“

Entgeistert schauten uns die Zwei an.

„Ein Grund für unsere Zusammenarbeit“, meinte Till.

Wieder hatte er dieses Lächeln drauf, wo ich regelrecht dahin schmelzen konnte. Meine zwei Gardisten, schien es aber nicht anders zu gehen.

Stängel räusperte sich und versuchte etwas zu sagen, doch Rico kam ihm zuvor. Er stand auf und reichte uns noch mal die Hand.

„Ich bin Rico!“

Stängel folgte seinem Beispiel.

„Lutz“, sagte er.

„Gabriel… und Till“, erwiderte ich.

„Bist du Deutscher?“, fragte Rico meinen Till.

„Ja“, nickte Till.

„Und wie kommen ein Deutscher und ein Italiener zusammen.“

Ich wollte gerade antworten, als Till mir ins Wort fiel.

„Sein Sohn hat uns verkuppelt“, grinste er.

Aha, schön dass auch mal zu hören. Da sollte ich noch mal ein Wörtchen mit Andrea reden.

„Du hast einen Sohn?“, fragte Rico verdutzt.

„Rico, du bist einfach zu neugierig! Entschuldige Gabriel“, mischte sich nun Lutz ein.

„Keine Ursache… ich bin geschieden, aber mein Sohn lebt bei mir.“

„Cool“, war die ganze Antwort von Rico.

Stängel lächelte nur. Er schaute ein weiteres Male auf seine Uhr.

„Ich denke wir können uns langsam auf den Weg machen. Cardinale Christoforo wird uns jetzt sicher empfangen.“

„Ähm… weiß hier eigentlich jemand, dass sie beide schwul sind?“, fragte nun Till.

„Einige… unter anderem auch Christoforo…“, antwortete Lutz.

„Christoforo?“, fragte Till.

„Ja!“

„Und er hat nichts dagegen… ähm ich meine…“, Till stockte mitten im Satz.

„Nein, dass hat aber private Gründe, die ich hier nicht weiter äußern kann.“

„Siehst du, vielleicht machst du dir unnötig Sorgen“, meinte ich zu Till.

Wieder schauten uns die beiden fragend an.

„Christoforo ist mein Onkel…“, meinte Till.

*-*-*

Wir verließen kurz das Areal des Vatikans und überquerten den Petersplatz. Imposant erhob sich der Petersdom vor uns. Bisher kannte ich ihn nur von Bildern im Fernseher. Jetzt hier vor Ort, kam mir alles so groß vor.

Lutz hatte einen schnellen Schritt drauf, so hatte ich keine Zeit, kurz hier zu verweilen. Durch einen Nebeneingang gelangten wir wieder in den Vatikan, wobei mir auffiel, das bis fast vor diesem Eingang, Carabinieri Streife liefen.

Ein paar Treppen und wir befanden uns schon im Vorzimmer des Kardinals.

„Seine Eminenz Kardinal Christoforo erwartet sie bereits“, sagte der Sekretär.

Ich schritt langsam hinter Lutz her, während Till mir nervös folgte. Ich sah rot. Nein ich war nicht verärgert, aber der Raum war in Rot gehalten. Hinter einem großen Schreibtisch saß ein älterer Herr in Kardinalstracht und grauen Haaren.

„Eminenz, Korporal Stängel, mit den Gästen aus Sizilien.“

Seine Eminenz schaute auf. Sein Blick war undefinierbar.

„Ah, Korporal, sind sie endlich da!“

Der Alte erhob sich und lief vor seinen Schreibtisch. Lutz verbeugte sich und küsste den Ring des Kardinals. Sollte ich das etwa auch tun? Aber Christoforo löste dieses Rätsel von alleine, in dem er einfach auf Till zuging.

„Till mein Junge, es ist schön dich endlich wieder zu sehen!“

Also schien er zu wissen, dass Till hierher kam. Ich ließ mich einfach überraschen und schwieg.

„Lange hat es gedauert… Onkel“, meinte Till und die beiden umarmten sich.

Oh… Onkel… keine formelle Anrede?

„Und sie müssen Commissario Bronetti sein? …der Freund meines Neffen“, sagte er nun an mich gewandt.

Ich nickte und hob die Hand. Christoforo nahm sie und schüttelte sie kräftig.

„Ich soll dir übrigens noch einen Gruß deiner Mutter sagen, wir haben vorhin noch mit einander telefoniert“, wandte er sich wieder an Till.

„Danke!“, war Tills Antwort.

„Setzten sie sich bitte alle“, fuhr Christoforo weiter fort und zeigte auf drei Sessel, ebenfalls in roten Samt gehalten, „waren sie schon hier im Vatikan, Commissario Bronetti?“

„Nein, ich bin zum ersten Mal in Rom.“

Wir setzten uns. Wie auf Kommando ging die Tür auf und der Sekretär von vorhin kam mit einem Tablett herein. Er stellte jedem von uns einen Cappuccino hin. Lächelnd sah ich zu Lutz hinüber, der leise tief ausatmete.

„Sizilien ist doch nicht weit? Was hat sie aufgehalten?“

„Wenig Zeit“, sagte ich knapp und griff nach meiner Tasse.

„Ich hörte schon von Präfekt e Fontura, dass sie viele Fälle zu lösen haben und sie auch lösen.“

„Deswegen werde ich auch hier sein, um diesen Fall zu lösen, oder?“

Ich sprach frei heraus, ohne auf irgendwelche Protokolle zu achten, die ich eh nicht kannte.

„Eine schlimme Geschichte mit Pater Alfonso… Gott sei seiner armen Seele gnädig.“

„Was genau ist ihre Vorstellung, wie wir ermitteln sollen. Ich erfuhr Korporal Stängel ist über diesen Fall noch nicht informiert“, sprach ich weiter, was mir einen rügenden Blick von Till einbrachte.

Die Luft knisterte förmlich, eine seltsame Anspannung lag in diesem Raum. Anscheinend war ich der Einzigste, der hier frei sprach.

„Korporal Stängel wurde von mir erst informiert, dass er mit ihnen diesen Fall löst. Er hat mir in der Vergangenheit schon oft mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Die Unterlagen werden ihm natürlich auch frei zugänglich gemacht.“

„Pater Alfonso war geheimer Informationsträger?“, fragte ich.

„Ja“, war Christoforos knappe Antwort.

Ich wartete einen Augenblick, aber er fügte nichts hinzu.

„Könnte man einen kleinen Einblick in diese geheimen Informationen erhalten?“

„Leider ist dies nicht möglich und ich denke, dass es für diesen Fall auch nicht von Relevanz ist, was die Informationen betreffen.“

Ich biss mir auf die Zunge, um nicht zusagen, dass dies wohl in meinem Ermessen lag. Aber ich unterdrückte es.

„Korporal Stängel und Vizekorporal Gschanz stehen ihnen zur Verfügung, damit sie sich hier im Vatikan frei bewegen können.“

„Wieso hier im Vatikan…?“

„Oh entschuldigen sie meine Vergesslichkeit. Im Bericht stand nicht, dass Pater Alfonso hier im Vatikan gefunden wurde.“

An diese Vergesslichkeit glaubte ich nicht und dass dies auch Lutz überraschte, brachte mich zur Überzeugung, dass hier irgendetwas vertuscht werden sollte. Christoforo erhob sich, wir ebenfalls.

„Es tut mir leid meine Herren, ich hätte gerne noch länger mit ihnen geredet, aber der nächste Termin ruft! Till!“

Er nickte seinem Neffen noch einmal zu und hob die Hand Richtung Tür. Das war wohl die galante Aufforderung zu gehen, die wir auch nachkamen.

*-*-*

„Komischer Kauz“, meinte ich, während wir das Gebäude verließen.

„Er hat sich heute recht komisch benommen… stimmt“, kam es von Lutz.

Till zuckte lediglich mit seinen Schultern.

„Inwiefern?“, hakte ich nach.

„Es ist normalerweise nicht Christoforos Art mir etwas vorzuenthalten.“

„Du stehst wohl in einem besonderen Verhältnis zu ihm?“

„Das kann man so sagen, aber… ich kann da nicht mehr darüber sagen.“

Lutz trug eine Akte unter dem Arm, die er vom Sekretär des Kardinals beim Gehen überreicht bekommen hatte.

„Wenn ihr nichts dagegen hättet, würde ich gerne die Akten vergleichen, die Lutz bekommen hat du die wir mitgebracht haben.“

„Die liegen noch im Hotelzimmer!“, kam es von Till, dass erste, was er seit vorhin sagte.

„Dann gehen wir dorthin… Lutz ist es ein Problem für euch, den Vatikan zu verlassen?“

„Wir sind vom normalen Dienst, fast weitgehend freigestellt.“

„Gut, denn in diesen Gemäuern, fühle ich mich nicht recht wohl. Wobei, wir sollten uns vorher vielleicht den Tatort ansehen, wenn wir schon mal hier sind.“

„Ich weiß nicht… wo das sein soll…“, meinte Lutz.

Ich zeigte auf seine Akte. An seinem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass er verstand, was ich meinte. Er öffnete die Akte und überflog sie.

„Das kann irgendwie nicht sein…“, sagte er plötzlich.

„Was?“, fragte ich.

„Alfonso wurde in Räumlichkeiten vorgefunden, in dem normalerweise nur die Kardinäle verkehren und nicht ein normaler Pater.“

„Ich bin mir sicher, wir werden noch mehr Ungereimtheiten finden. Schon alleine, wie Fabrizio diesen Ort betreten konnte.“

„Wer?“, fragte Till und Lutz gleichzeitig.

„Der junge Mann, der mit Alfonso gemeinsam tot aufgefunden wurde.“

Ich schaute in zwei entsetzte Gesichter.

„Du hast mir nicht gesagt, dass Alfonso mit einem Mann zusammen war…“, meinte Till.

„Deshalb mein Vorschlag… Hotel, dann können wir in Ruhe über den Fall reden.“

Till nickte.

„Ich hole Rico, wartet ihr bitte an der Porta Sant’ Anna? Ihr müsst da vorne nur noch rechts laufen, dann steuert ihr geradewegs drauf zu“, erklärte Lutz.

„Kein Problem“, meinte Till.

Lutz ging schnellen Schrittes in eines der Gebäude, dessen Funktion ich nicht kannte… ich kannte hier überhaupt nichts.

„Netter Bengel“, meinten ich und diese Anspannung abzubauen, die schon die ganze Zeit herrschte.

„Hat das mein Bär auch schon gemerkt…“

Es war das erste Mal, seit wir bei Christoforo waren, dass Till wieder lächelte. Er war eigentlich ständig am Grinsen. Nur eben nicht.

„Alles klar mit dir?“, fragte ich ihn.

„Ja geht schon…“

„He, er hat dir nicht mal den Kopf herunter gerissen… exkommuniziert oder so etwas.“

„Nein…, er war aber sehr distanziert.“

„Wieso, er hat dich doch recht nett begrüßt und umarmt.“

„Er ist normalerweise ist er viel herzlicher“, meinte Till und lief den beschriebenen Weg weiter.

„Till ich weiß nicht, was dein Onkel alles weiß, er scheint mir recht gut informiert zu sein. Aber es ist mir egal, du bist mein Freund und das geht eigentlich niemand etwas an…“

Wieder lächelte Till und gab mir verdeckt ein kleiner Kuss auf die Wange.

„Wie war das? Schwule im Vatikan?“, hörte ich Rico hinter uns lästern.

„Öhm… Lutz sucht dich in dem Haus da“, meinte ich und zeigte auf den Eingang des Hauses.

„Na ja, er kann nicht immer wissen, wo ich mich aufhalte. Dann kommt mal mit. Ganter hat sicherlich nichts dagegen, wenn ich euch mit auf unser Zimmer nehme.“

„Ganter?“, fragte ich.

„Oberst von Ganter, der Chef unserer Truppe“, erklärte Rico und zog Till hinter sich in das Gebäude.

Wir folgten Rico ins Gebäude. Nach wenigen Schritten befanden wir uns im Obergeschoss. Rico hielt vor einer Tür und schloss sie auf.

„Da bist du ja“, hörten wir ihn sagen, „Moment, Lutz zieht sich grad um“, meinte er zu uns.

„Wir können warten“, meinte ich.

„Oh, gut! Dann zieh ich auch mal die Uniform aus.“

So standen Till und ich im Flur, während Rico ebenso im Zimmer verschwand.

„Ob die zwei glücklich sind?“, fragte Till plötzlich.

„Ich weiß es nicht, aber denke schon. Sie mal, sie bewohnen das gleiche Zimmer, sind, denke ich mal, auch im Dienst häufig zusammen.“

„Neidisch?“

„Nein“, antwortete ich und schüttelte den Kopf.

„Soll ich jetzt meinen Kaufmannsberuf an den Nagel hängen und bei der Polizei anfangen?“

„Das würdest du tun?“

Till grinste.

„Bestimmt nicht, mir gefällt nämlich mein Beruf. Und zudem kann ich dich sehlen, wann immer ich will!“

„Stimmt!“, meinte ich.

Die Tür ging auf und Lutz und Rico traten in Zivil heraus. Man, jetzt sahen die zwei noch besser aus. Till schien meine Gedankengänge zu erahnen und grinste mich süffisant an.

„So… wir können“, meinte Lutz, schloss die Tür ab und gab mir meine Waffe wieder.

„Öhm…“, begann Rico, „ich habe einen tierischen Hunger… könnten wir vorher noch etwas Essen gehen?“

Till schaute mich an und nickte.

„Also wir wären auch nicht abgeneigt, eine Kleinigkeit zu Essen“, antwortete ich.

„Dal Toscano?“, fragte Lutz und Rico nickte.

„Liegt hier in der Nähe. Ist sehr einfach und hat ein super Essen!“, schwärmte Rico.

„Sieht man!“, sagte Lutz und streichelte Rico über das fast nicht vorhandene Bäuchlein.

„Du wieder“, meinte Rico und streckte ihm die Zunge raus.

„Ich habe gegen so etwas nichts, mir gefällt das“, meinte Till und streichelte mir über den Bauch, was Rico laut auflachen ließ.

Meine Augen funkelten böse.

„Zickt deiner auch immer so?“, fragte Lutz meinen Till, als wir gemeinsam losliefen.

„Zicken? Du vergisst er ist Sizilianer!“

„Oh!“

„Ja, oh!“

Rico sah mich an und grinste nur, während ich genervt meine Augen rollen ließ. Wir verließen den Vatikan, so wie wir gekommen waren, nämlich durch das Porta Sant’ Anna. Mittlerweile herrschte wieder reges Treiben auf den Straßen von Rom. Ich sah ein paar junge Kerle auf ihren Motorrollern nach, da viel mir was ein.

„Wenn wir schon essen gehen, würde ich noch gerne, zwei Herren dazu bitten“, meinte ich.

„Noch zwei… ein Sechser?“, rutschte Rico raus, was Till sehr belustigte.

Ich zog die Augenbraun hoch, während Lutz den Kopf schüttelte.

„Entschuldigung“, meinte Rico nur, doch ich konnte deutlich hören wie er und Till hinter mir kicherten.

Das konnte wirklich was geben.

„Und wen meinst du?“, fragte mich Lutz.

„Zwei meiner Leute sind auch in Rom…, zur Hilfe.“

„Costa und Phillip sind hier?“, fragte Till.

„Ich sagte dir doch, sie ermitteln für mich in dem Fall.“

„Aber nicht, dass sie das hier in Rom tun. Überschreitet das nicht deine Kompetenzen?“

„Ich denke nicht. Der Präfekt hat mir den größt möglichen Spielraum eingeräumt.“

„Dann ruf sie an…, wo sind die überhaupt untergekommen?“

„Ich weiß es nicht, deswegen werde ich sie jetzt anrufen und sie gleich zum Essen herbitten.“

Ich ging etwas zur Seite und wählte Phillips Nummer an.

*-*-*

Es dauerte wirklich nicht lange und die beiden trafen am Dal Toscano ein. Schnell merkten sie, dass sie als Heteros in der Minderzahl waren. Was aber der Fröhlichkeit und dem Spass am Tisch keinen Abbruch tat.

„Wir sollten uns langsam um die Akten kümmern“, meinte ich, obwohl es mir selbst schwer viel, diesen schönen Augenblick jetzt zu unterbrechen.

„Wird das nicht etwas eng in eurem Hotelzimmer?“, fragte Lutz.

„Dafür habe ich schon gesorgt“ kam es von Till, „ich habe vorhin im Hotel angerufen und man stellt uns einen kleinen Konferenzraum zur Verfügung.“

„Und du willst wirklich nicht bei der Polizei anfangen?“, fragte ich.

Et schüttelte lächelnd seinen Kopf. Ich war erstaunt aber auch froh, dass mein Till so mitdachte.

„Gut, dann zahlen wir mal“, meinte Lutz und hob seine Hand kurz, als er Blickkontakt mit dem Kellner hatte.

Etwas abgefüllt machten wir uns dann auf den Weg zum Hotel. Als wir dort eintrafen, wurden wir bereits erwartet. Ich begab mich schnell auf unser Zimmer um die Akten zu holen, bevor ich mich der heiteren Runde wieder anschloss.

Zuerst gab ich Lutz unsere Akte, während ich die Akte des Sekretariats studierte. Dass der Mord im Vatikan stattfand, machte die Sache noch schwieriger. Denn es hatte ja schließlich nicht jeder Zutritt zum Vatikan.

Er hatte knapp 1000 Einwohner, von den Bediensteten, von denen die außerhalb wohnten ganz zu schweigen. Der Vatikan war eben eine Stadt für sich, sogar mit eigenem Supermarkt. Dort wurde zwar auch mit dem Euro bezahlt, aber die Prägung der Münzen und die Bilder der Scheine hatten mit dem jetzigen Papst zu tun.

Während Till meine abgelegten Blätter lass, studierte Rico mit Lutz zusammen unsere Akte. Phillip und Costa saßen ruhig da.

„Starker Tobak!“, meinte Lutz, „wobei ich mir immer noch nicht erklären kann, was Alfonso im Bereich der Kardinäle zu suchen hatte.

„Für ein stilles Schäferstündchen, mit einem hiesigen Callboy, was wäre besser als ein bereich, der abgelegen liegt“, kam es von Till.

„Fabrizio war kein Callboy, warf Phillip ein.“

„Sondern?“, fragte Till.

„Ein Sohn aus gutem Hause“, kam ich Phillips Erklärung zuvor und reichte Till die Akte über Fabrizio, die ich von Phillip am Vorabend erhalten hatte.

Sie hatte ich zu meiner Schande noch nicht einmal angeschaut.

„Hoppla, ein Conte de Parsa Sprössling“, meinte Till.

„Der Name sagt mir nicht wirklich etwas“, meinte Lutz.

„Diego Conte de Parsa ist ein spanischer Diplomat. Er wickelt hier in spanischem Interesse, Geschäfte mit dem Vatikan ab“, erklärte Till.

„Und woher kennst du ihn?“, fragte ich.

„Er macht nicht nur Geschäfte mit dem Vatikan!“

„Zu dem ist er Mitglied bei Opus Dei!“, warf Costa ein.

„Es wird immer interessanter, findet ihr nicht?“, fragte ich.

Ein allgemeines nickendes Zustimmen kam aus der ganzen Runde.

„Fassen wir mal zusammen. Alfonso ist ein wichtiger Informationsträger, des Vatikans. Er wurde in den Räumen der Kardinäle ermordet. Bei ihm Fabrizio, Sohn eines Diplomaten, der Beziehungen zum Vatikan hat und dem Opus Dei angehört.

Opus Dei hat sich in die Ermittlungen eingemischt und nun sollen wir den oder die Mörder finden.“

So fasste ich das Ganze zusammen.

„Den Vater zu hinterleuchten wäre gut“, meinte Costa, „aber er ist Diplomat.“

„Dürfte keine Probleme geben, da kann ich vielleicht aushelfen!“, kam es von Till.

„Das Umfeld von Fabrizio, könnte man auch näher untersuchen, wer seine Freunde waren und so“, meinte Phillip.

„Dann kennst du ja schon deine Aufgabe“, meinte ich.

„An Internes von Alfonso werden wir nicht dran kommen“, sagte Rico und schaute Lutz durchdringend an.

Was hatte Lutz für ein Geheimnis, mit dem er nicht rausrücken wollte.

„Was?“, fragte Lutz.

„Du könntest Christoforo darauf ansprechen“, antwortete Rico.

“Er sagt mir nicht alles…, hast du ja bemerkt. Nur das, was er für nötig hält.“

„Fragen schadet aber nicht.“

Lutz seufzte.

„Ich weiß, es geht uns sicherlich nichts an, aber was verbindet dich mit Christoforo?“, fragte Till plötzlich, „er ist schließlich mein Onkel.

„Ja, gerade weil er dein Onkel ist, weiß ich nicht ob es gut ist, damit herauszurücken“, meinte Lutz leicht erregt.

„Till kann schweigen“, warf ich nur ein.

Lutz atmete tief durch und verbarg sein Gesicht in seinen Händen.

„Bevor Christoforo sich der Kirche zu wandte, war er sehr weltlich eingestellt“, fing Lutz leise an zu erzählen.

„Das heißt?“, fragte Till.

„Er hatte eine Freundin, die ohne sein Wissen schwanger wurde, kurz bevor er sich als Priester berufen fühlte.“

Till neben mir schwieg.

„Dieses Kind lernte ich unwissend am Anfang meiner Dienstzeit als Gardist hier kennen. Nach einer kurzen und heftigen Affäre, wurde Christoforo anscheinend darüber informiert, dass ich ein Techtelmechtel und er einen Sohn hatte.“

„Angelo?“, fragte Rico entsetzt.

„Ja“, sagte Lutz mit farbloser Stimme.

„Aber… das heißt ja…“, begann Rico zu reden.

„Ja, dass heißt, dass er seinen eigenen Vater umbringen wollte.“

„Halt mal langsam, ich kann nicht mehr folgen“, meinte ich und so erzählte Rico, was sich vergangene Weihnachten im Vatikan zugetragen hatte.*²

Die ganze Zeit hatte Till schweigend zugehört und auch jetzt kam keine Regung von ihm. Er starrte nur auf Lutz, der nun weiter erzählte.

„Auf Christoforos Bemühungen wurde Angelo nach Mailand gebracht um dort eine höhere Schulbildung zu genießen. Das beendete unseren Kontakt. Es sieht zwar jetzt so aus, als hätte ich persönlich etwas gegen Kardinal Christoforo in der Hand, aber in Wirklichkeit verbindet uns dadurch eine tiefe Freundschaft. Er ist so etwas, wie ein Mentor für mich“, beendete Lutz seine Erzählung.

„Deshalb auch deine Verwunderung, dass du von diesem Fall nichts mitbekommen hast“, fragte ich.

„Stimmt, normalerweise bekomme ich als einer der Ersten etwas mitgeteilt.“

*²zu lesen in Buone Feste Natalizie!

Mein Hirn ratterte. Zu viele Puzzleteile auf einmal befanden sich in meinem Kopf. Ich stand auf und ging zu dem Flipchart, dass man uns ebenfalls zur Verfügung gestellt hatte. Mit dem Stift trug ich alle nahmen ein, die mir in den Kopf kamen, verteilt über das ganze Blatt.

Dann drehte ich mich zu der Runde zurück.

„Noch einmal von vorne“, begann ich und zog meinen ersten Strich zwischen Alfonso und Fabrizio.

„Gehen wir mal davon aus, die beiden waren ein Paar.“

Ich verband Fabrizio mit seinem Vater.

„Fabrizios Vater“, dann zog ich eine Linie zum Opus Dei, „gehört dem Opus Dei an.“

„Gehört Christoforo auch dem Opus Dei an?“, fragte ich nun Lutz.

„Soviel ich weiß nicht, er fungiert nur als öffentlicher Berater in Kirchensachen und vertritt den Papst, bei manchen Gelegenheiten.“

Ich schrieb die Namen unserer Runde ebenso auf das Papier. Ich zog verschiedene Verbindungen und ließ das Bild dann auf die Runde wirken.

„Du meinst, mein Onkel hat etwas damit zu tun?“, fragte Till leise.

„Nicht direkt, er weiß etwas, da bin ich mir sicher. Was er widerum uns aber nicht sagen kann. Ich denke mal, es war auch kein Zufall, dass ich mit diesem Fall betraut wurde.“

„Wieso?“, fragte Lutz.

„Kurz bevor ich den Fall bekam, hat Christoforo durch Tills Mutter erfahren, dass Till schwul ist und ich sein Freund bin. Bei den Verbindungen, die Christoforo sicherlich genießt, war es ihm ein Leichtes herauszufinden, dass ich ein Commissario bin. Das kam ihm zu Gute, denn ich glaube, er wollte diesen Fall nicht der römischen Polizei überlassen, deswegen auch diese Vertuschungen und der Informationsmangel.“

„Das würde ja dann trotzdem heißen, dass Tills Onkel darin verwickelt ist“, meinte Phillip.

Ein Nicken ging durch die Runde.

„Nicht unbedingt. Was ist, wenn Pater Alfonso nicht für den Opus Dei Informationen beschafft hat, sondern für Christoforo. Weiter nehme ich dann mal an, dass diese Informationen über das Tun von Opus Dei oder einige seiner Mitglieder handeln.“

„Dann wären die Hände meines Onkels gebunden, er kann seine Informationen nicht direkt offenbaren, um sich nicht selbst zu verraten und ins Kreuzfeuer zu begeben“, sagte Till.

„Das wäre einleuchtend, aber was haben dann Rico und ich mit der Sache zu tun?“

„Du bist ein weiterer Vertrauter von Christoforo, denn ich denke, Till besitzt bei seinem Onkel denselben Status.“

„Damit er alles schön unter Kontrolle behält, nicht selbst auf der Bildfläche erscheint und im Hintergrund bleiben kann“, meinte Rico.

„Das erklärt aber immer noch nicht den Mord an den beiden“, sagte Lutz.

„Diese Informationen die Alfonso anscheinend gesammelt hat, scheinen dann ja sehr brisant zu sein, wenn er dafür umgebracht worden ist“, warf Till ein.

„Da hätten wir das WARUM, das WIE und vor allem das WER fehlt uns noch. Wir brauchen die Informationen von Alfonso“, sagte ich.

Alle schauten erwartungsvoll zu Lutz.

„Ihr verlangt da ganz schön viel, wisst ihr das?“, meinte Lutz.

Rico legte seinen Arm um ihn.

„He Schatz, du bist doch nicht alleine, du hast doch jetzt Verstärkung. Mich!“

Ich musste grinsen, denn gegen den stämmigen Lutz, war Rico einfach nur dünn. Zu dünn für meinen Geschmack, aber den Gedanken verdrängte ich gleich wieder, denn er tat nichts zur Sache.

„Setze ihm doch einfach das Messer an der Brust und drehe den Spieß um“, meinte Till.

„Wie meinst du das?“

„Dass mein Onkel immer gut informiert ist, wissen wir ja jetzt. Wenn du jetzt mit unseren Informationen oder Vermutungen zu ihm gehst und erzählst, also nicht dass wir das Vermuten.“

„Das kann aber auch ein Schuss in den Ofen geben.“

„Das Risiko müssen wir eingehen.“

Lutz seufzte erneut.

„Rico, meinst du, du könnest mehr über Pater Alfonso heraus bekommen?“, fragte ich.

„Ich kann es versuchen“, antwortete Rico.

„Und welcher Aufgabe haben sie mir zugedacht?“, fragte Costa.

„Nachdem alle mit einer Aufgabe betraut sind, wirst du mir Gesellschaft leisten, denn ich möchte persönlich bei diesem Herrn Conte de Parsa aufwarten.“

„Was versprichst du dir dadurch?“, fragte Till.

„Ich möchte sehen, wie er auf den Tod seines Sohnes reagiert.“

*-*-*

Ohne Schwierigkeiten hatte Lutz uns einen Wagen besorgt. Zu unserem Glück mit einen Navigationssystem. Weder Costa noch ich kannten uns wirklich in Rom aus. Das Gerät führte uns an den Stadtrand von Rom, genau vor eine herrschaftliche Villa.

Wir stellten den Wagen auf der Straße ab und traten vor das Tor. Costa klingelte. Ein kleines Rauschen verriet uns, dass die Sprechanlage benutzt wurde.

„Sie wünschen?“, hörten wir eine Männerstimme.

„Commissario Bronetti“, sagte ich und hob meinen Dienstausweis Richtung Kamera, „ich hätte gerne den Herrn des Hauses gesprochen.“

„Einen Moment bitte!“

Costa schaute mich an und zuckte mit der Schulter.

„Nur die Ruhe“, meinte ich, als ein Summton das Tor öffnete.

Costa schob es auf. Wir traten ein und er verschloss es wieder. Wir folgten der Straße, bis wir das Haupthaus erreichten. Dort erwartete uns ein schwarz gekleideter, älterer Mann auf der Treppe.

„Sie verlangten nach mir?“, fragte der ältere Herr.

„Sind sie Diego Conte de Parsa?“, fragte ich.

„Nein…, dass ist mein Schwiegersohn. Ich bin Christophero Luciano Conte de Parsa.“

Ich schaute ihn fragend an.

„Er hat den Namen meiner Tochter angenommen, aber vielleicht kann ich ihnen helfen.“

„Ähm… es geht um ihren… Enkel…“, sagte ich.

Sein Gesicht wurde fahl und traurig.

„Treten sie bitte ein“, sagte Conte de Parsa leise.

Wir folgten ihm ins Haus. Costa verzog das Gesicht. Ich wusste was in seinem Kopf vorging. Er fühlte sich genauso unwohl wie ich, aber es diente ja unseren Ermittlungen. Das Haus war schlicht, aber elegant eingerichtet, man erkante die Note einer Frau.

Der alte Mann betrat ein Zimmer und wir folgten ihm weiter. Er weiß uns Platz auf zwei große Ohrensessel zu. Er setzte sich und wir folgten seinem Beispiel.

„Können sie mir etwas Neues berichten, über den Tod meines Enkels?“, fragte er mit trauriger Stimme.

„Zu erst, ich weiß nicht in wie weit sie informiert sind. Wir sind zu den Ermittlungen durch den Vatikan hinzugezogen worden.“

„Vatikan? Also Freunde meines Sohnes…“

„Ich kenne ihren Sohn nicht, ich bin nicht aus Rom!“

„Nicht aus Rom? Woher stammen sie?“

„Aus Sizilien!“

„Sizilien? Aber…

„Senior Conte de Parsa, ich kann ihnen dazu nichts Näheres erläutern.“

Der alte Mann schwieg kurz, sah zum Kamin.

„Was wollten sie meinen Sohn fragen?“

„Ob ihn irgendetwas vor dem Tod seines Sohnes aufgefallen ist.“

Der alte Mann stieß kräftig Luft aus.

„Mein Schwiegersohn? Der ist doch fast nie zu Hause, hat sich die letzten Wochen und Monate nicht mehr um seinen Sohn gekümmert. Nur noch diese Vereinigung und der Vatikan, es gab nichts Wichtigeres.“

„Ich nehme an, in dieser Zeit haben sie sich dann um ihren Enkel gekümmert?“

„Meine Tochter ist seit einer Krankheit an einen Rollstuhl gefesselt und verlässt Recht selten ihr Zimmer. Somit habe ich die Erziehung des Jungen übernommen.“

„Und war ihnen bekannt, was ihr Enkel in seiner Freizeit so machte?“

Er schaute mich durchdringend an, aber ich behielt ein Pokerface.

„Falls sie auf die sexuelle Orientierung meines kleinen Jungen anspielen, ja davon wusste ich.“

„Ihr Schwiegersohn?“

„Glaube ich kaum, er hat sie nie sehr für die Belange seines Sohnes interessiert.“

„Und?“, setzte ich nach.

„Was und?“

„Hatten sie Probleme damit, dass ihr Enkel Homosexuell war?“

Ein sanftes Lächeln überzog das Gesicht des alten Mannes.

„Aber nein…, Fabrizio war mein Enkel, mein Sonnenschein. Mir war es egal, wen er liebte… Hauptsache er liebte überhaupt, nicht wie dieser Emporkömmling von Schwiegersohn.“

„Wissen sie, ob es da jemanden gab?“

„Er hat etwas von einer großen Liebe erzählt… wollte aber nicht mehr verraten.“

„Sie sind sehr schlecht zu sprechen auf ihren Schwiegersohn.“

„Schlecht? Ich könnte ihnen Geschichten erzählen…, aber das gehört nicht hier her.“

„Ist ihnen irgendetwas an ihrem Enkel aufgefallen?“

„Ja, er war glücklich, anscheinend hatte er den Menschen gefunden, den er liebte und ich glaube auch der seine Liebe erwiderte… nun hat er nichts mehr davon…“

Vor mir saß ein alter geknickter Mann, der sein Liebstes verloren hatte. Ich musste unweigerlich an Andrea denken. Er war neben Till ebenso mein Liebstes und ich wüsste nicht, wie ich damit fertig werden würde, wenn Andrea nicht mehr wäre.

„Können sie mir wenigstens sagen, wann ich meinen Enkel wieder haben kann… wegen der Beerdigung…“

„Ich verspreche ihnen, ich werde mich persönlich darum kümmern!“, sagte ich und das meinte ich bitter ernst.

Wir verabschiedeten uns von Senior Conte de Parsa. Er geleitete uns noch an die Tür und ich hatte Angst, er würde mir vielleicht zusammen brechen. Es gibt eben nichts Schlimmeres, als einen geliebten Menschen zu verlieren… egal auf welche Art.

*-*-*

„Alles klar mit dir? Du siehst etwas geknickt aus“, sprach mich Till an, als ich wieder in unserem Hotelzimmer eintraf.

Müde rieb ich mir über das Gesicht und setzte mich auf das Bett. Till kniete sich hinter mich und begann sanft meine Schultern zu massieren. Ich schloss die Augen, denn es tat unheimlich gut.

„Was hat mein Bär?“

„Fabrizios Vater habe ich nicht angetroffen, sondern nur seinen Großvater. Der Mann hat sehr an seinem Enkel gehangen… tut es immer noch.“

„Diego Conte de Parsa ist schon ein Früchten“, meinte Till und machte sich neben mir lang.

Ich beugte mich über ihn und stütze mich an seiner Seite ab.

„Ich habe ein paar Telefonate geführt und erfahren, dass Parsa ein richtiges Schwein ist, was Geld betrifft. Er hortet es und keiner weiß was er damit macht. Er zieht Leute über den Tisch, aber immer hart am Rande der Legalität, so dass man ihm nicht bei kommen kann.“

„Er ist Diplomat, das kann man sowieso nicht.“

„Nicht mehr lange. Mir ist zu Ohren gekommen, sein Status wird bald aufgehoben. In Spanien gibt es eine Menge Leute, denen Parsa ein Dorn im Auge ist.“

Erstaunt hob ich die Augenbrauen.

„Wie wollen wir weiter verfahren?“, fragte mich Till.

Ich ließ mich neben ihm im Bett nieder.

„Ich weiß es noch nicht. Ich denke wir werden mal abwarten, was die Anderen heraus bekommen haben.“

„Gut, dann kann ich noch duschen gehen, wir treffen uns gegen neun in der Pizzeria wieder. Lutz und Rico möchten uns ein wenig Rom bei Nacht zeigen“, meinte er.

Till war bereits aufgestanden und hatte sein Shirt ausgezogen.

„Hört sich gut an…, aber irgendwie bin ich total fertig.“

Er ließ seine Hose auf den Boden gleiten. Er hob die Hand.

„Komm, eine Dusche wird dir sicher auch gut tun.“

„Mit dir?“, fragte ich und musste grinsen.

„Klar! Ich bin doch dein Jungbrunnen“, antwortete Till und grinste zurück.

Frisch eingekleidet verließen wir wenig später das Hotel. Davor erwarteten uns schon Phillip und Costa. Phillip erzählte uns, dass Fabrizio eigentlich ein sehr bescheidener junger Mann war.

Er war durch die Bank weg sehr beliebt, und man verfiel sehr schnell seiner schüchternen Art und seinem Charme. Zudem engagierte er sich sehr für wohltätige Zwecke, meist für Jugendliche der Stadt Rom.

Sein Tod wurde fassungslos aufgenommen.

„Gibt es Gründe seinen Leichnam noch länger im Leichenschauhaus zu behalten?“, fragte ich.

„Eigentlich nicht. Aber da hat sowieso der Vatikan seine Finger drauf“, begann Phillip, „ überhaupt ist mir oft aufgefallen, dass eine große Ehrfurcht von den Leuten ausgeht, wenn der Vatikan zur Sprache kommt.

„Vatikan, oder Opus Dei?“, fragte Till.

„Für viele ist es ein und dasselbe“, meinte Phillip.

„Ich werde morgen mit Christoforo reden, er wird mir sicher gestatten, den Leichnam frei zugeben“, meinte ich.

Das erste Mal heute zog ich meine Zigaretten hervor und steckte mir eine an.

„So nachdenklich?“, fragte Till, als wir ein weiteres Stück gelaufen waren.

„Ich denke über das Motiv nach. Aber es gibt so vieles, für was gemordet wird. Aber die Beiden wurden ja regelrecht hingerichtet.“

„Stimmt, hierfür wird vieles in Betracht kommen. Aber ist wegen dem Vatikan in der Vergangenheit nicht eh schon viel gemordet worden?“, fragte Till.

„Ich weiß zwar, dass es Schwule, wenn auch nicht unter dieser Bezeichnung schon sehr lange gibt und viele wurden, deswegen auch umgebracht. Aber ob es sich hier um etwas Privates handelt, ich denke mal Nein!“, sagte ich.

„Da bin ich einer Meinung mit dir. Schon alleine die Ungereimtheiten, wo sie gefunden wurden… Fabrizio als Callboy bezeichnet wurde. Eins bereitet mir Kopfzerbrechen. Ich habe Bilder von Pater Alfonso gesehen… Eine Schönheit war er nicht gerade und bei dem Aussehen von Fabrizio, der hätte jeden haben können.“

„Bei manchen Menschen zählen eben die inneren Werte?“

Till blieb plötzlich stehen und grinste mich an.

„Du willst damit sagen, du liebst mich also nicht wegen meinem riesigen Schwanz?“, pokerte Till.

Nun fing ich an zu lachen, was Till nicht so richtig werten konnte. Die Straße war nicht sehr belebt, deswegen nahm ich Till in den Arm. Phillip und Costa liefen schon ein Stück voraus.

„Ich liebe dich Till, weil du so bist wie du bist und ich liebe auch deinen großen Schwanz“, meinte ich und zog ihn zu einem Kuss zu mir.

„Wollen wir nicht doch wieder ins Hotelzimmer?“, fragte Till und grinste noch breiter.

„Die Anderen warten auf uns, du wirst wohl warten müssen!“

„Schade…, ich werde diesen Augenblick aber nicht vergessen und später darauf zurückkommen!“

Dies hieß wohl wieder, eine lange Nacht und wenig Schlaf. Wir holten Phillip und Costa recht schnell ein und trafen gemeinsam vor dem Restaurant ein. Rico und Lutz warteten bereits auf uns.

Wir saßen am gleichen Tisch wie am Mittag. Da draußen nur kleine Tische waren, hatten wir es vorgezogen uns drinnen einen Tisch zu suchen. Und jetzt am Abend, wo so langsam die Kühle durch Rom schlich, war diese Entscheidung mehr als gut.

Lutz berichtete uns, dass er nicht mal von seiner Eminenz Kardinal Christoforo empfangen worden ist, was sehr unüblich war. Er war etwas verärgert, über das Handeln des Kardinals. Rico dagegen war schon etwas erfolgreicher.

Er hatte sogar ein kleines Dosiere angelegt, in dem ich jetzt blätterte. Das Wichtigste hatte er mit einem Rotstift angekreuzt.

„Christoforo und Alfonso, kennen sich also schon eine ganze Weile. Also könnte unsere Vermutung hinsichtlich der Zusammenarbeit schon zutreffen“, sagte ich und legte die Akte beiseite.

„Was Conte de Parsa betrifft, bin ich auch noch nicht weit gekommen, ich erwarte immer noch einen Anruf“, meinte Till.

„Aber an dem Vater bleiben wir dran. Er hat mit der Sache zu tun.“

„Wieso bist du dir da so sicher?“

„Ich habe das so im Gefühl.“

Der Kellner kam mit zwei Karaffen Wein und Gläsern und verteilte sie auf unserem Tisch. Wir bestellten unser Essen, als Tills Handy klingelte. Er stand auf und verließ das Restaurant, während ich ihm seine Pizza Staggioni bestellte.

Es dauerte nicht lange, da kam er zurück und setzte sich wieder zu uns.

„Also meine Quelle hat mir gerade verraten C. d. Parsa benutzt den Vatikan als Geldwäscherei. Man konnte ihm eben noch nichts, weil er Diplomat ist“, erklärte er.

„Wäre aber kein wirklicher Grund, um jemanden so umzubringen“, kam es von Lutz.

„Das war ja noch nicht alles. Interessant wird es. Mit was er sein Geld verdient“, sprach Till.

Ich schaute ihn fragend an.

„Mit Kinderhandel!“

*-*-*

Das Essen war reichlich und es war spät geworden. Gemächlich spazierten Till und ich zum Hotel zurück. Der viele Rotwein zeigte auch schon seine Auswirkungen. Obwohl Till und ich gerade nicht viel miteinander sprachen, kicherten wir laufend ohne Grund los.

Ich hörte wie an der Kreuzung vor uns ein Auto mit quietschenden Reifen um die Ecke bog.

„Der hat es aber eilig“, meinte Tim.

„Muss wohl nach Hause“, erwiderte ich und wir beiden kicherten schon wieder.

Meine Blicke folgten dem Wagen, der mit hoher Geschwindigkeit auf uns zukam. Ja, trotz des vielen Alkohols, nahm ich war, dass der Wagen auf uns zu hielt. Spätestens, als er kurz vor uns auf den Bürgersteig raste, klangen bei mir alle Alarmglocken.

Ich schaute auf die Seite, nahm verschwommen einen Hofeingang wahr, in den ich mich und Till stürzte. Ich konnte im Hintergrund nur ein lautes Schebbern wahrnehmen. Dann entfernte sich das Wagengeräusch recht schnell.

„Ist der wahnsinnig?“, schrie Till, der noch immer halb unter mir lag.

„Bei dir alles in Ordnung?“, fragte ich und richtete mich auf.

Noch während ich Till auf die Füße zog, gingen um uns herum viele Lichter an, Fenster wurden aufgerissen, ebenso Türen. Wild sprachen Leute, die nun erscheinen durcheinander, diskutierten und meckerten sich an.

Ich zog mein Handy heraus und wählte Lutz Nummer. Die Zwei konnten noch nicht in der Kaserne sein. Es dauerte etwas, bevor er das Gespräch entgegen nahm.

„Gabriel, du? Kannst du Gedanken lesen?“

„Wieso?“, fragte ich erstaunt.

„Gerade ist aus einem vorbeifahrenden Auto auf uns geschossen worden.“

Missmutig sah ich Till an, der mich wieder vorsichtig auf die Straße zog.

„Auf Lutz und Rico ist geschossen worden“, meinte ich leise zu ihm.

„Was?“, fragte Till entsetzt.

Ich wandte mich wieder meinem Handy zu.

„Wir hätten eben fast Bekanntschaft mit einem Kühler gemacht“, erwiderte ich.

„Shit, ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg und kommen jemanden zu Nahe. Bei euch alles in Ordnung so weit?“

„Das glaube ich auch. Ja Till und mir ist nichts passiert und bei euch?“

„Ricos Ego ist etwas angekratzt, aber sonst geht es uns auch gut. Wo seid ihr jetzt?“

Ich nannte ihm Straße und Hausnummer.

„Bleibt wo ihr seid, wir holen euch ab“, meinte Lutz.

„Was ist mit Phillip und Costa?“, fragte ich.

„Mist, an die habe ich gar nicht gedacht.“

„Ich rufe die beiden gleich an.“

„Okay, und wir sind gleich bei euch! Ciao!“

„Ciao!“

Ich drückte das Gespräch weg und wählte sofort Phillips Nummer. Es klingelte eine Weile, aber niemand nahm ab, bis sich die Mailbox meldete. Ich wählte nun Costas Nummer, aber dort das gleiche Spiel.

„Scheiße…“, fluchte ich, „ich kann beide nicht erreichen.“

Till sah mich besorgt an.

*-*-*

Wenig später saßen wir auf der Polizeistadion. Dies war ein Vorfall, außerhalb des Vatikans. Doch auch hier waren Freunde von Christoforo und wir wurden gleich zu Commissario Tommaso Galbani gebracht.

Lutz und er schienen sich schon gut zu kennen. Nach ein paar Begrüßungsfloskeln stellte er uns vor.

„Ah, Commissario Bronetti, ihr Ruf eilt ihnen schon voraus. Schön, dass ich sie auch persönlich kennen lernen darf.

„Sie wussten, dass ich in der Stadt bin?“, fragte ich erstaunt.

„Ja, auch hier kommen ab und zu kleine Nachrichten aus dem Vatikan an“, antwortete er strahlend.

„Und euch ist wirklich nichts passiert?“, fragte er nun wieder an Lutz gewandt.

„Nein, alles okay. Aber wir vermissen zwei Mitarbeiter von Commissario Bronetti“, antwortete Lutz.

„Haben sie Handys?“

„Ja“, antwortete ich für Lutz, „aber es geht nur die Mailbox dran.

Commissario Galbani griff nach dem Hörer seines Telefons und drückte eine Taste.

„Hallo, ich brauche sofort eine Standortermittlung zweier Handys… okay wir kommen runter.“

Er legte wieder auf.

„Darf ich bitte?“, fragte Galbani und wies auf die Tür.

Wir folgten ihm hinaus auf den Flur und die Treppe hinunter. Bei der zweiten Tür traten wir ein und fanden zwei Carabieneries vor, die am Computer saßen.

„Ich brauche die Handynummern“, sagte einer der Beiden.

Ich reif meine Telefonliste auf und diktierte ihm beide Nummern. Nun machten sie sich beide ans Werk. Gespannt standen wir dahinter und beobachteten das Treiben beider Bildschirme. Etwa eine Minute später blinkte bei beiden Monitoren ein rotes Licht.

„Das ist ja die selbe Stelle“, sagte Rico.

„Das müsste der Nachtclub sein“, meinte der eine Carabienerie.

„Bist du sicher?“, fragte Galbani.

Er nickte.

„Wir brauchen zwei Wagen“, sprach Galbani weiter.

Wenig später saßen Till und ich bei Galbani im Wagen. Rico und Lutz folgten uns mit den beiden Carabieneries im anderen Wagen. Galbani heizte quer über einen belebten Platz vor einem Theater.

Durch die Sirenen aufgeschreckt, liefen die darauf befindlichen Personen auseinander. Ein Stück hinter dem Theater bremste Galbani ab und wir kamen vor einem Nachtclub zum Halten.

Eine pinke Bettflasche blinkte über dem Eingang und mein Blick wanderte zu Till. Der zuckte nur mit seinen Schultern und grinste.

„So, da wären wir“, meinte Galbani und stieg aus.

Wir folgten ihm. Zusammen mit den anderen betraten wir den Nachtclub. Der Rausschmeißer musste erst beruhigt werden, da er dachte, es handelte sich um einen Razzia. Endlich drinnen schaute ich mich erst einmal um.

Verblüfft nahm ich ein paar Gogogirls auf den Emporen war, die nicht wie gewöhnlich an Eisenstangen tanzten und sich verbogen, sondern an Strickleitern hingen. Mal was anderes und mein Blick wanderte weiter.

„Und ihr seid sicher, sie sind hier?“, fragte Rico, der ebenso wie wir seine Blicke wandern ließ.

„Laut Anzeige der Funkortung, ja!“, meinte Galbani.

„Doch, da sind sie, dahinten an der Theke!“, kam es von Till, der immerhin durch seine Größe die beste Übersicht hatte.

Da saßen Phillip und Costa friedlich bei einem Drink, umschwärmt von ein paar Mädchen. Kein wunder hörten die ihr Handy nicht. Rico wollte schon zu ihnen laufen, doch ich hielt ihn zurück.

„He, wir haben Feierabend“, meinte ich zu ihm und grinste.

„Sollte man sie nicht wenigstens warnen?“, fragte Lutz

„Ich schreibe eine SMS“, sagte ich, „sie waren auch den ganzen Tag unterwegs, sie haben sich das hier verdient. Als Commissario Galbani, ich danke ihnen für ihre schnelle Hilfe, um meine Leute zu finden.“

„Nichts zu danken. Kann ich sie noch zu ihrem Hotel bringen?“

Ich sah Till an und dieser nickte. Er hatte so wie ich von diesem Trubel die Nase voll und wollte nur noch ins Hotel.

„Ja, danke, wäre nett! Lutz… Rico, was ist mit euch?“

„Wir bleiben noch ein bisschen… Rico will tanzen“, grinste Lutz, „du brauchst also keine SMS schreiben.“

„Okay“, meinte ich, „wir sehen uns dann morgen, oder?“

„Klar, wir kommen zu euch ins Hotel!“

„Also, passt auf euch auf! Ciao, Lutz… Rico… wir machen uns vom Acker“, sagte ich und folgte Galbani nach draußen.

*-*-*

Ich stand unter der Dusche und ließ das heiße Wasser über meinen Körper rinnen. Obwohl ich, bei unserem Segelflug vorhin halb auf Till gelandet war, spürte ich jetzt doch jeden einzelnen Knochen.

„Na…, soll ich zu dir reinkommen?“, hörte ich Till fragen.

Ich hatte ihn gar nicht ins Bad kommen hören.

„Wenn du auf so viel Männlichkeit vorbereitet bist!“

Till lachte und öffnete die Kabine. Er musterte mich von oben bis unten.

„Das halte ich gerade noch aus“, meinte er und stieg zu mir in die Kabine.

Der Vorteil dieser Suite war, dass unsere Dusche recht groß war und es an keinem Platzmangel fehlte. Trotzdem standen Till und ich eng zusammengepresst, ebenso wie unsere Lippen, die sich wild aufeinander herbewegten.

Ich spürte Tills Zunge, wie sie fordernd in meinem Mund wühlte. Wie seine großen Hände über meinen Rücken hinunter wanderten, was mir einen  Schauer durch den Körper jagte. Till war einfach nur geil.

Er verstand es in wenigen Minuten mich so auf Touren zu bringen, dass ich alles um mich herum vergaß und nur noch Till und mich wahrnahm.

„Nimm mich“, stöhnte ich ihn ins Ohr, während seine Finger tief in meinem Hintern wühlte, was mir jedes Mal ein tiefes Stöhnen entlockte.

Tills Hände wanderten wieder nach oben und ich spürte, wie er begann, meine Schultern zu massieren. Ich lehnte meinen Kopf an seine Brust, das Wasser rieselte weiter auf uns herunter. Seine Finger massierten entlang meines Rückgrads wieder nach unten.

Ich brummte vor mich hin und genoss es in vollen Zügen. Seine Lippen stülpen sich leicht über mein Ohr und er lutschte daran.

„Willst du unterm Wasser?“, hörte ich ihn in mein Ohr hauchen.

Ich nickte nur und saugte mich an seiner Brustwarze fest, was nun wiederum bei Till ein Stöhnen verursachte. Unsere Münder fanden sich wieder, um erneut in einen wilden, innigen Kuss auszuarten.

*-*-*

Till schlief friedlich, während ich nackt auf dem Balkon stand und eine Zigarette rauchte. Die Stadt schien ebenfalls zu schlafen, jedenfalls konnte man keinen Menschen mehr auf der Straße entdecken.

Auch an den umliegenden Häusern waren sämtliche Beleuchtungen erloschen, nur noch vereinzelt brannten Lampen an den Hauseingängen. Diese Ruhe kam mir so trügerisch vor. Wir waren heute jemand auf den Schlips getreten.

Und dass sehr gewaltig. Die Bilder, wie das Auto uns nur um Zentimeter verfehlte, liefen immer wieder in meinem Kopf ab. Das erste Mal machte ich mir Gedanken darüber. Es war schon oft auf mich geschossen worden, oder ich war in andere brenzlige Situationen geraten.

Aber diesmal war Till bei mir. Ich konnte mir mittlerweile ein Leben ohne Till nicht mehr vorstellen. Umso mehr kam die Sorge, dass ihm bei solchen Aktionen etwas passieren konnte und ich vielleicht indirekt Schuld war.

Ich zuckte fast unscheinbar zusammen, als ich spürte, wie sich plötzlich von hinten Till an mich lehnte. Die Hitze seiner Haut, wärmte meinen jetzt abgekühlten Körper.

„Wie kannst du mich einfach da drinnen so liegen lassen“, meinte Till und legte seine Arme um mich.

Seine Finger spielten mit meinen Nippel, was mich natürlich nicht kalt ließ.

„Hast du noch nicht genug?“

“Wie kann man von dir genug bekommen?“

Ich sah Till zwar nicht, weil er ja hinter mir stand, aber ich konnte mir das Grinsen auf seinen Lippen vorstellen. Seine wanderte über meinen Bauch und kraulte um den Bauchnabel.

„Ist etwas?“, fragte Till. Ohne aufzuhören, mich zu kraulen.

„Ich habe gerade darüber nachgedacht, was heute Abend passiert ist und du wegen mir eigentlich in Gefahr warst.“

„Wegen dir?“

„Ja, ich ermittle und du bist bei mir…“

„Ach Bär, hör auf, dir darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich kann jetzt n die Dusche steigen… ausrutschen und mir das Genick brechen. Werde ich deshalb nie wieder duschen?“

Ich drehte den Kopf und schaute in Tills Augen, die im schwachen Schein der Stadt funkelten.

„Nein… werde ich nicht“, sprach Till weiter, „also mach dir keine Gedanken, ob ich mit dir zusammen der Gefahr ausgesetzt bin, frühzeitig das Zeitliche zu segnen.“

„Ist gut…ich mach mir halt meine Gedanken“, antwortete ich.

„Mach dir lieber Gedanken, wie du mich zu meinem nächsten Orgasmus bringst!“

Till küsste mich auf die Nase und zog mich wieder ins Zimmer.

Am nächsten Morgen stand ich zu meiner Verwunderung recht fit auf. Till stand bereits unter der Dusche, während ich mir einen Kaffee eingoss, den Till schon bestellt hatte.

„Morgen Bär, gut geschlafen?“, kam es von Till, als er aus dem Bad kam.

„Wie ein junger Gott!“, grinste ich.

„So hast du dich heute Nacht auch angefühlt“, grinste Till zurück.

„Bist du fertig im Bad fertig?“

„Ja du kannst.“

Während ich ins Bad ging, klopfte es an unserem Zimmer. Durch die Tür hörte ich, wie Till vom Pagen einen Umschlag bekam und die Tür wieder schloss. Er kam zu mir ins Bad.

„Das wurde für dich abgegeben“, meinte er und hielt mir den Umschlag vor die Nase.

Ich wollte danach greifen, aber Till zog ihn wieder weg.

„Erst duschen und frühstücken, dann kannst du ihn haben!“

„Ja… Papa“, grinste ich.

Ich drehte mich um und stieg in die Dusche, als ich plötzlich ein klatschendes Geräusch hörte, einen kurzen Schmerz spürte und als ich mich umdrehte, einen lachenden Till hinausgehen sehen konnte.

Hat der mir doch glatt auf den Hintern gehauen… na warte Bürschchen. Ich schloss die Duschkabine und begann mich zu waschen. Als ich wenig später nur in einem Handtuch um die Hüften in unser Zimmer trat, saß Till bereits am Tisch, vertieft in irgendwelche Unterlagen.

„Hast du nicht gesagt… nach dem Frühstück?“, sagte ich gespielt empört.

„Man Bär… du weißt doch wie neugierig ich bin!“

Ich zog es ihm aus den Händen und warf es auf das Bett. Erstaunt schaute mich Till an.

„Ich habe Hunger!“, meinte ich und setzte mich, so wie ich war auf meinen Stuhl und begann zu frühstücken.

Später, bei einer Zigarette auf dem Balkon vertiefte ich mich selbst etwas in diese Unterlagen.

„Interessant, oder?“, kam es von Till, der die ersten Sonnenstrahlen über den Dächern von Rom genoss.

„Er spendet das Geld dem Vatikan, welches er auf unsaubere Art erworben hat.“

„Mit schlechtem Gewissen hat das sicherlich nichts zu tun“, meinte ich und blätterte um.

„Nein, denn der Vatikan gibt ihm das Geld wieder um ihn Vatikanischen Angelegenheiten als Vermittler für den Vatikan aufzutreten.“

„Er kauft mit dem Geld vom Vatikan, Kinder für reiche Leute ein? Und lässt sich das für das Doppelte, fast dreifache wieder von denen neune Eltern bezahlen.“

„Ja, und er scheint mächtig zu verdienen. Schau dir die Bankkonten an.“

„Ist interessant und ich frage mal lieber nicht, wie Lutz und Rico plötzlich so schnell an diese Informationen gekommen sind.“

„Ich glaube nicht, dass sie von Lutz sind… schau dir mal das Papier an.“

Auf einem der Papiere fand ich den Briefkopf von Kardinal Christoforo.

„Es handelt sich grundsätzlich nur um Originale… keine einzige Kopie ist dabei“, sagte Till und zeigte auf verschiedene Blätter.

„Wieso der plötzliche Sinneswandel?“, fragte ich.

„Ich bin mir sicher, mein Onkel hat von dem nächtlichen Vorfall gestern schon gehört und merkt selbst, wie brisant die Sache ist oder noch wird.“

„Schön und gut. Aber was hat das mit unserem Fall zu tun? Ich sehe die Verbindung nicht“, meinte ich.

„Da tritt Opus Dei auf den Plan. Sie oder einige ihrer Mitglieder sind die Vermittler für die Kinder. Da die Organisation in so vielen Ländern tätig ist, ist es ihnen ein Leichtes dies zu tun“, erklärte Till.

„Oberflächlich gesehen, ein gute Werk. Kinder in behütete Familien zu bringen. Wenn da nicht das liebe Geld wäre. Und das alles hat Pater Alfonso herausgefunden?“

„Das ist es, was mich an der ganzen Sache stutzig macht… ohne Fabrizios Hilfe, wäre er sicherlich nicht an die Informationen des Vaters gekommen.“

„Wir sollten Lutz und Rico darüber informieren.“

Ich verfiel ins Grübeln.

„Was ist?“, fragte Till.

„Ob der Vater…?“

„Ob er seinen Sohn und Alfonso getötet hat?

Ich nickte.

„Wenn du so wie du erzählst, er keinerlei Interesse an seinen Sohn hat und er damit genauso skrupellos verfährt, wie mit seinen Geldgeschäften und dem Kinderhandel…“

Ich stand auf und suchte mein Handy, das ich auf dem Bett fand.

„Wen rufst du an?“

„Phillip.“

Ich wählte seine Nummer.

„Morgen Chef“, begrüßte er mich.

„Morgen Phillip. Sag mal, auf dem Zugticket wurde doch ein Fingerabdruck gefunden, mit dem niemand etwas anfangen konnte.“

„Ja.“

„Besteht die Möglichkeit, irgendwie an die Fingerabdrücke von Diego Conte de Parsa heran zu kommen?“

Die Frage war nicht nur Phillip, sondern auch an Till gerichtet.

„Nicht dass ich wüsste, Chef. Er ist nach wie vor Diplomat“, antwortete Phillip.

Tim zuckte ebenso ratlos mit den Schultern. Ich überlegte kurz.

„Okay. Phillip wir treffen uns hier im Hotel, so in einer Stunde…“

„Okay Chef, bis dann.“

„Ciao Phillip.“

„Ciao Chef!“

Ich wählte erneut eine Nummer.

„Was hast du vor?“, fragte Till, aber ich winkte mit der Hand ab.

„Ah, guten Morgen Commissario Galbani… ja… Ich bräuchte ihre Hilfe… ja danke… so in einer Stunde hier im Hotel?  …danke noch mal, Ciao.“

„Hättest du die Güte zu erklären was du vorhast!“

„Moment Till, noch ein Telefongespräch, okay?“

Ich durchwühlte die Blätter und wurde schnell fündig. Zum letzten Mal gab ich eine Telefonnummer ein. Es klingelte.

„Im Haus der Conte de Parsa“, hörte ich die Stimme des Dieners.

„Commissario Bronetti. Wäre es möglich noch einmal kurz den Herrn des Hauses zu sprechen?“

„Senior Conte de Parsa befindet sich bei seiner Tochter und möchte nicht gestört werden.“

„Guter Mann, es ist lebenswichtig, das ich ihn spreche.“

Eine kurze Pause entstand, in der mich Till fragend anschaute.

„Moment, ich verbinde sie“, hörte ich die Stimme sagen.

Ein Knacken in der Leitung zu hören.

„Conte de Parsa.“

„Commissario Bronetti.“

„Hallo Commissario, haben sie etwas bewirken können?“

„Ihr Enkel wird ihnen übermorgen überstellt…“, log ich und Till zeigte mir den Vogel.

„Wenigstens eine gute Nachricht…“

„Senior Conte de Parsa… ich hätte da noch eine Frage an sie.

„Ja?“

„Das Haus, welches sie bewohnen, gehört ihnen?“

„Ja, das will ich wohl meinen.“

„Es obliegt also keinem diplomatischen Schutz?“

„Nein. Lediglich mein Schwiegersohn genießt diese Privilegien!“

„Könnte ich in etwa einer Stunde bei ihnen mit Commissario Galbani von der hiesigen Polizei zu ihnen kommen und nach Fingerabdrücken ihres Schwiegersohnes schauen?“

„Du fragst da noch…?“, flüsterte Till leise.

Ich verdrehte die Augen.

„Wenn dies zur Ermittlung des Todes meines Enkel behilflich ist… gerne.“

Aus der Stimmlage des Alten erkannte ich sofort, dass er ebenso wie ich etwas ahnte, was er aber nicht erwähnte.

„Gut… danke! In einer Stunde werden wir bei ihnen sein.“

„Ich erwarte sie, Commissario Bronetti!“

Nachdem ich das Gespräch beendet hatte, zog ich mich an.

„So mein Lieber, nun erklär mir mal, was du jetzt vorhast. Und wie kommst du darauf dem Mann zu versprechen, dass er seinen Enkel bekommt?“

„Ich gehe volles Risiko ein, wobei ich mir fast sicher bin, dass der eigene Vater seinen Sohn und Alfonso ermordet hat.“

„Weil sie schwul sind?“, fragte Till naiv.

„Oh Till. Nicht jeder Mord wird wegen  Hass auf Schwule begannen. Die beiden haben herausbekommen, was für krumme Geschäfte er macht. Und wenn es mich nicht täuscht, steht da eine ganze Menge Geld auf dem Spiel…“

„Ja und…, wenn du dir so sicher bist, worin siehst du ein Problem?“

„Ich kann De Parsa nicht festnehmen… er ist nach wie vor Diplomat.“

„Ich muss mal schnell telefonieren…!“, meinte Till plötzlich, „du rufe bitte Lutz an, er soll sich bitte um meinen Onkel kümmern…, ich denke er befindet sich in Gefahr.“

*-*-*

Eine Stunde später saß ich im Wagen von Galbani. Gemeinsam fuhren wir auf einen Schrottplatz. Meine Vermutungen hatten sich als richtig erwiesen. Die Fingerabdruck vom Zugticket und die des Diplomaten waren derselbe.

Diego Conte de Parsas Schwiegervater hatte uns geraten, an den hiesigen Stadtschrottplatz zu fahren, wo sich sein Schwiegersohn aufhalten würde. Plötzlich wusste der Alte recht viel über die Geschäfte des Mannes seiner Tochter.

Galbani unterließ es, die Sirenen anzuschalten, um de Parsa nicht vorzuwarnen. Langsam rollte sein Wagen auf den Schrottplatz. Gemeinsam mit ihm stieg ich aus dem Wagen. Till hieß ich an sitzen zu bleiben. Ich zog meine Waffe.

Galbani gab seinen Leuten Zeichen, das Gebäude in der Mitte zu umstellen, während Philip und Costa mir folgten. Zwei größere Limousinen standen vor dem Gebäude. Als ich mit Galbani vor der Tür stand, gab er mir kurz ein Zeichen.

Dann trat er die Tür ein und stürmte in das Gebäude. Ich folgte ihm und schon flogen Kugeln. Ich ging in Deckung.

„Das Haus ist umstellt… sie haben keine Chance…!“, schrie Galbani.

Das Feuer wurde eingestellt. Irgendwo klirrten Fensterscheiben und vor mir wurde es richtig laut. Galbanis Leute hatten zugegriffen. Er selbst nickte mir zu und verließ seine Deckung. Ich folgte ihm in eine größere Halle.

Dort standen mehrere Männer, die Arme über dem Kopf verschränkt. Darunter auch de Parsa.

„Commissario Galbani, ich hoffe dass ist ein Versehen… sie wissen ich genieße Immunität…“, hörte ich ihn sagen.

Ich wählte Tills Nummer und bat ihn zu uns herein zukommen.

„Diego Conte de Parsa. Ich nehme sie fest, wegen Kinderhandel…“

„Das muss ein Irrtum sein…“, unterbrach Parsa, Galbani.

„… und wegen Mord an ihrem Sohn und Pater Alfonso.“

Auf seinem Gesicht machte sich ein Grinsen breit.

„Sie können mir gar nichts!“

„Dass ist ein Irrtum!“, hörte ich plötzlich Till hinter mir sagen.

„Senior Jansen… sie hier?“, fragte de Parsa erstaunt.

„Im Auftrag des spanischen Handelsministerium übergebe ich ihnen dieses Handy…“, sagte Till und reichte de Parsa sein Handy.

Der hob es an sein Ohr. Sein Gesicht wurde bleich, seine Gesichtzüge entglitten. Till neben mir begann nun zu grinsen.

„Commissario… sie können ihn festnehmen. Ihm wird gerade mitgeteilt, dass er alle Rechte als Diplomat verliert“, triumphierte Till.

Commissario ließ die Handschellen klicken.

*-*-*

Eigentlich sollten Till und ich nach Palermo abfliegen, aber Lutz und Rico überredeten uns noch einen Tag länger zu bleiben. Wir verabschiedeten uns von Phillip und Costa, die trotz alle dem den Rückflug antreten mussten.

Später saßen wir im Tol Toscano bei einem Glas Wein. Lutz erzählte, dass sie im Vatikan fünf Anhänger des Opus Dei festgenommen hatten, unter anderem einen Kardinal. Und genau in den Räumen dieses Kardinals wurden auch Pater Alfonso und Fabrizio tot aufgefunden.

Für den jungen Mann war es ein Einfaches, als Sohn des Conte de Parsa, den Vatikan zu betreten, wann immer er wollte. Und da eben dieser Kardinal ein angeblicher Freund des Pater Alfonso war, trafen sie sich auch in dessen Räume.

Wie versprochen bekam der Großvater Fabrizios, seinen Enkel überstellt.

„Deine Warnung kam im richtigen Augenblick“, meinte Lutz zu mir.

„Wieso?“, fragte ich.

„Kardinal Massimo hatte gerade um ein Gespräch gebeten, als wir bei Christoforo eintrafen. Wer weiß was er vor hatte…“

„Beichten?“, fragte Till und alle begannen wir zu lachen.

„Entschuldigung, die Störung.“

Alle schauten wir auf und vor uns stand niemand anders als seine Eminenz Christoforo. Nur eben in Zivil, so war er uns nicht aufgefallen.

„Onkel…“, begann Till und alle standen wir auf.

„Bleiben sie sitzen meine Herren, wir sind nicht im Vatikan. Etwas dagegen, wenn ich ihnen kurz Gesellschaft leiste?“

Ich schüttelte den Kopf. Lutz zog für Christoforo einen Stuhl heran.

„Ich suche sie hier auf, weil ich es nicht im Vatikan machen kann. Wie sie vielleicht schon richtig vermutet haben, gingen die Untersuchungen von mir aus. Deshalb konnte ich ihnen auch nichts sagen… sie wissen ja, die Wände haben Ohren.“

Till schaute seinen Onkel voll Ehrfurcht an.

„Ich möchte mich noch einmal persönlich bei ihnen vier bedanken, dass sie diesen Fall gemeinsam lösen konnten und auch diesen Kinderhandel eingestellt haben.“

„Dafür sind wir ja da“, meinte ich und griff nach meinem Glas.

„Commissario Bronetti…“

„Ja?“

„Ich weiß, ich bin für sie ebenso nicht ganz … im jüdischen würde man Koscha sagen. Aber ich versichere ihnen, ich habe mit der ganzen Sache wirklich nichts zu tun.“

„Ich glaube ihnen… Eminenz.“

„Des Weiteren versichere ich ihnen, ich habe auch nichts gegen die Beziehung mit meinem Neffen. Ich habe einen Sohn verloren… ich möchte nich noch jemanden aus meiner Familie verlieren.“

Oh, da hatte wohl Lutz das schlechte Gewissen geplagt und Christoforo gebeichtet, dass er uns die Sache erzählt hat. Verlegen schaute Lutz zu mir herüber.

„Kardinal Christoforo. Ich habe nicht einen Augenblick daran gezweifelt, dass sie dem Glück ihres Neffen im Wege stehen wollten.“

„Wirklich?“, mischte sich nun Till ein.

Christoforo sah zu Till und nahm seine Hand in die Seine.

„Till, du warst mir immer wie ein Sohn, schon alleine deswegen könnte ich dich niemals wegen einer solchen Sache verstoßen. Ich liebe dich wie ein Sohn…und das wird auch so bleiben.

Nun begann mein Mann schon wieder an zu weinen. Er stand auf und umarmte seinen Onkel lang und innig. Etwas aufgekratzt setzte er sich danach wieder.

„So meine Herren, ich will sie nun nicht länger stören.“

„Wieso denn, Kardinal Christoforo… oder dürfen sie keinen Rotwein trinken?“

Ein Grinsen machte sich auf Christoforos Lippen breit und zum ersten Mal sah ich eine Familienähnlichkeit zwischen ihm und meinem Till. Das gleiche Grinsen… dasselbe Pokerface!

Ende

 

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