Good bye Amerika – Teil 12

„Ich müsste eigentlich mit Tom auf die Bank“, meinte Abby.

„Stimmt, du hast bei Franklin den Termin, den solltest du nicht warten lassen“, kam es von Bob.

„Und was wird aus Benny?“, fragte ich.

„Molly?“, rief jemand durchs Gelände.

„Ah, die Rettung naht“, meinte Molly und stand auf, „Lesley, wir sind hier hinten.“

Wenig später tauchte er hinter einem Busch auf.

„Oh, Familienversammlung im Freien?“

Sein Blick fiel auf Benny.

„Scheiße, was ist denn mit Benny passiert?“, meinte er und kniete sich neben das Känguru.

„Lesley, deine Ausdrucksform lässt zu wünschen übrig, aber nichts desto Trotz – Tom, wir müssen“, kam es von Abby.

Ich stand auf und ging mit Abby zurück ins Haus.

„Muss ich mich umziehen?“, fragte ich.

„Nein, du kannst so bleiben.“

„Warum ist es eigentlich so wichtig, dass ich mitgehe?“

„Ich brauche deine Unterschrift für dein eigenes Konto.“

„Mein eigenes Konto?“, fragte ich, während wir zum Auto liefen.

„Ja, da kommt dein Taschengeld drauf. Deine Großmutter hat einen Betrag hierher überwiesen. Von diesem Betrag bekommst du monatliches Taschengeld. Und damit du da dran kommst, bekommst du eben ein eigenes Konto.“

„Ach so, jetzt verstehe ich. Ich fasse es aber immer noch nicht, das Grandma für mich Geld geschickt hat.“

„Neben Molly bist du ihr einziger Enkel. Molly bekommt auch immer wieder Geld von ihr geschenkt.“

Irgendwie musste ich mich bei Grandma bedanken. Da ein Telefongespräch ja recht teuer war, entschloss ich mich, einen Brief zu schreiben. Zügig fuhr Abby in die Innenstadt und hielt vor einem größeren Hauskomplex.

„Jedes Mal das selbe, immer sind alle Parkplätze voll“, schimpfte Abby.

Sie bog in die nächste Seitenstraße. Nach längerem Suchen, fand sie schließlich einen Parkplatz.

„So, komm junger Mann, wir haben es eilig.“

Im eiligen Schritt folgte ich ihr zum Hauptportal der Bank. Ein mächtiges Gebäude, da steckte sicher viel Geld drin, also, ich meine, im Bau des Gebäudes, dass das Geld drin ist, war ja logisch.

Die Tür öffnete sich automatisch. Fast wäre Abby in die Glastür gelaufen, wenn ich sie nicht gebremst hätte. Drinnen war es angenehm kühl. Abby lief zielsicher auf einen Schalter zu.

„Abby Miller, ich habe einen Termin mit Mr. Franklin.“

Die Dame hinter dem Schalter lächelte gekünstelt. Ihre Augen wurden durch die Brille vergrößert und es sah recht lustig aus, wenn sie heftig mit ihnen zwinkerte.

„Einen Moment bitte“, meinte sie und nahm den Hörer ihres Telefons ab.

Sie nuschelte etwas hinein, für mich unverständlich jedenfalls.

„Mr. Franklin kommt sofort“, meinte sie, als sie den Hörer wieder aufgelegt hatte.

Wenige Minuten später öffnete sich rechts von uns der Fahrstuhl und ein gut gekleideter Mann im Anzug trat heraus. Irgendwie kam ich mir jetzt blöd vor in Shorts und Tshirt.

„Hallo Abby! Schön, dich zu sehen“, meinte der Anzugtyp und begrüßte Tantchen mit einem Kuss auf die Wange.

„Tut mir leid, George, wir sind etwas spät.“

„Macht nichts, ich war eh bis eben in einer Konferenz. Wollen wir rauf gehen?“, meinte dieser George und schaute dann auf mich.

„Du musst Tom sein… ich darf doch du sagen?“, meinte er und streckte mir seine Hand entgegen.

„Ja… dürfen sie“, stammelte ich und schüttelte ihm die Hand.

„Das sie lässt du weg, ich bin George… kennt er unsere Familienverhältnisse noch nicht?“, meinte er dann zu Abby.

„Nein, habe ich ihm noch nicht erzählt, er is ja auch noch nicht lange hier.“

Fragend schaute ich zwischen den beiden hin und her.

„George ist mein Bruder, Tom.“

Ach so, das muss einem doch gesagt werden.

„Komm, gehen wir in mein Büro, da ist es kühler“, meinte George und schob uns Richtung Aufzug.

Hier war es doch angenehm, ich wusste gar nicht, was er hatte. Also bestiegen wir den Aufzug und fuhren in den fünften Stock. Oben angekommen, kam es mir wirklich kühler als unten vor. Mich fröstelte es sogar etwas.

George schritt in großen Schritten vor uns her, Abby und ich folgten ihm. Fast an der letzten Tür machte er Halt und trat in den Raum. Wow, was für ein Büro, das würde mir auch gefallen!

Es handelte sich um ein Eckzimmer, denn zwei der Wände waren total aus Glas und die Aussicht war geil. Sonst war alles eher schwarz oder weiß gehalten. An den Wänden hingen Schwarzweiß-Aufnahmen von Männern.

Sie gefielen mir gut, nur wunderte ich mich, dass George nur Männer da hängen hatte. Er lief um seinen Schreibtisch und ließ sich auf seinem Chefsessel nieder. Ich setzte mich neben Abby auf einen der beiden Stühle vor dem Schreibtisch.

„Also hier ist alles genau aufgeführt, was deine Schwiegermutter überwiesen hat. Ich habe mir erlaubt, Toms Konto schon zu eröffnen. Seine Karte kommt dann in wenigen Tagen.“

„Wo müssen wir unterschreiben?“, fragte Abby.

George drehte die Unterlagen um, so dass Abby und ich Einsicht hatten. Er zückte einen Kugelschreiber und reichte ihn Abby.

„Dort, wo die Kreuze sind, unterschreibst du bitte. Bei den Kreisen muss Tom unterschreiben.“

Abby nahm den Kugelschreiber und begann zu unterschreiben.

„Wann kommen du und Alfred mal wieder vorbei? Ihr wart doch schon so lange nicht mehr bei uns.“

Noch ein Bruder? Abby reichte mir den Kugelschreiber und zeigte auf die Felder, die ich mit meinem Namen füllen musste.

„Du weißt doch – Alfred hat im Augenblick sein Fitnesswahn… er hat ja nich mal richtig Zeit für mich“, meinte George.

Dass er das nicht ganz ernst meinte, konnte ich an seinem Grinsen sehen, als ich kurz aufblickte. Dann fiel mein Blick auf ein Bild, das dicht neben mir stand und ich jetzt mit vorgebeugtem Gesicht sehen konnte.

Darauf war ein junger Mann abgebildet – wie George im Anzug – der ihm einen Handkuss zuwarf. Mein Blick fiel wieder auf George, der mir nun direkt in die Augen schaute.

„Das ist Alfred, mein Mann“, meinte er und drehte das Bild noch weiter zu mir.

Was? Hatte ich gerade richtig gehört? … sein Mann? Irgendwie verschluckte ich mich an der eigenen Spucke und begann zu husten.

Abby neben mir zuckte nur mit den Schultern und grinste genauso wie ihr Bruder. Der Typ vor mir war schwul? Wow. Ich hatte das nicht mal bemerkt… Konnte man sowas überhaupt merken? Tausend Dinge gingen mir gleichzeitig durch den Kopf.

„Etwas zu Trinken?“, fragte George und stellte mir ein Glas Wasser hin.

Mein Husten beruhigte sich wieder.

„Die Kleinigkeit, dass du schwul bist, hab ich ihm auch nicht erzählt“, meinte Abby neben mir kleinlaut.

„Damit muss man ja auch nicht hausieren gehen“, erwiderte George.

Warum lächelten die beiden so komisch und schauten mich so durchdringend an.

„Muss ich… muss ich noch irgendwo unterschreiben?“, fragte ich leise.

„Nein, so stimmt es“, meinte George und nahm die Unterlagen wieder weg.

Dann reichte er mir einen Brief.

„Hier ist deine Kontonummer und auch dein PIN, für die Karte später drin. Nicht verlieren!“

Irgendwie war ich jetzt fassungslos, über das, was ich grad gehört hatte. George war schwul…, hatte einen Mann und die beiden redeten darüber, als wäre es nichts.

„Ist alles klar mit dir, Tom?“, fragte Abby neben mir.

„Ja… aber sicher doch“, stammelte ich, aus den Gedanken gerissen.

„Okay, das war es auch schon, ich muss leider zu meinem nächsten Termin. Und was die Einladung betrifft – ich melde mich bei dir, Abby“, sagte George und stand auf.

Ich erhob mich ebenfalls, mit Abby zusammen. Sie umarmte ihren Bruder, bevor er auf mich zukam.

„Dann mal herzlich willkommen, Tom!“, sagte er und wuschelte mir durch die Haare.

Ich bekam eine Gänsehaut, aber trotzdem fühlte sich das irgendwie toll an. George war schwul und hatte keine Probleme damit…

„Grüß mir Alfred“, meinte Abby noch.

„Und du Bob und Molly.“

„War ein Versuch…“, hörte ich Abby leise sagen und George stimmte ihr nickend zu.

Was war hier nur los? Schon waren wir wieder im Flur und liefen Richtung Aufzug. Ich schwieg, denn zu sehr war ich in meinen Gedanken versunken. Irgendwie bekam ich gar nicht mit, wie wir runter fuhren, die Bank verließen und ins Auto stiegen.

Erst als Abby mich antippte, registrierte ich, wo ich saß.

„Ist wirklich alles in Ordnung, Tom… du bist so blass um die Nase.“

„Tut mir Leid… ich weiß auch nicht.“

„Ich glaube, es war doch nicht so eine gute Idee, dich mit meinem Bruder bekannt zu machen.“

Ich schaute sie fragend an.

„Wieso…, wie meinst du das?“, fragte ich.

Sie startete den Motor und fuhr aus der Parklücke heraus.

„Ich dachte… es hilft dir, wenn ich dir meinen Bruder vorstelle.“

„Wieso soll es mir helfen?“

„Ach, vergiss es einfach. Wir müssen wieder heim. Ich bin mal gespannt, ob sie Benny vom Platz gekriegt haben.“

Hatte ich sie jetzt mit meinen Fragen verärgert? Ich verstand absolut nicht, was diese Aktion sollte… Halt! Sie meinte, dass es mir vielleicht hilft. George… schwul… Shit, sie wusste es. Innerlich bekam ich nun Panik. Äußerlich versuchte ich, ruhig zu bleiben.

Außer, dass meine Hände etwas zitterten, blieb ich auch ganz ruhig sitzen. Wenig später trafen wir wieder zu Hause ein. Abby ließ den Wagen ausrollen, bevor der Motor verstummte. Ich stieg aus und ging ohne ein weiteres Wort zu sagen ins Haus.

„Tom?“, rief Abby, aber ich reagierte nicht.

Ich lief einfach weiter und verschwand im Haus. Mir war auch nicht aufgefallen, dass diesmal kein Hund zur Begrüßung vor dem Haus wartete. Lediglich Gustav fand ich vor meiner Tür liegend vor.

Er sah auf, richtete sich auf und wedelte mit dem Schwanz. Ich fuhr ihm kurz über den Kopf und betrat mein Zimmer. Er folgte mir und ich schloss meine Tür.

Sie wusste es und Bob sicherlich auch. Mir stiegen die Tränen in die Augen… was machte ich jetzt nur? Ich ließ mich aufs Bett fallen und vergrub mein Gesicht im Kissen. Es klopfte an der Tür.

„Tom… was ist los?“, hörte ich Abby rufen.

Ich antwortete nicht.

„Tom… wenn du reden möchtest… ich bin jederzeit für dich da!“, hörte ich Abby sagen, bevor es vor meiner Tür wieder ruhig wurde.

Ich drehte meinen Kopf zu Gustav.

„Was mache ich jetzt nur, Gustav. Sie wissen es…!“

Gustav hob den Kopf schräg, als wollte er etwas zu mir sagen.

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