Good bye Amerika – Teil 19

Ich rannte in mein Zimmer, knallte die Tür hinter mir zu und warf mich heulend auf mein Bett. So eine Scheiße. Ich kann nichts dafür, dass mir Jungs gefallen… warum lässt mich niemand so sein, wie ich bin… überall ecke ich an.

Ich spürte Gustavs Schnauze an meinem Ellenbogen.

„Geh doch weg!“, schrie ich ihn an, „ ich bin schwul… eklig… mit mir will…“, meine Stimme versagte.

Gustavs Schnauze stupste mich weiter an, aber ich reagierte nicht darauf. Auch hatte ich nicht mitbekommen, dass jemand mein Zimmer betreten hatte. Ich fuhr regelrecht zusammen, als ich eine Hand auf meinem Rücken spürte.

Entsetzt fuhr ich herum und sah in Abbys Gesicht.

„Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken“, meinte sie.

Ich ließ mich wieder auf den Bauch fallen und versenkte meinen Kopf in den verschränkten Armen.

„Molly hat erzählt, was eben passiert ist… ich weiß nicht, was in Lesley gefahren ist.“

„Ich schon…“, meinte ich mit weinerlichen Stimme.

„Was?“

„Er will nichts mit einer dreckigen Schwuchtel zu tun haben…“

„Rede doch nicht so ein Quatsch“, fuhr mich Abby etwas barsch an.

„Was soll ich denn sonst denken? Ich oute mich bei ihm und er rennt Scheiße rufend weg!“

Ich hatte mich wieder aufgerichtet und sah Abby an.

„Das hat sicher einen Grund, aber nicht den, dass er denkt du bist eine dreckige…“

„Schwuchtel“, beendete ich den Satz.

„Das Wort gefällt mir nicht.“

Ich schaute sie erstaunt an.

„Tom, du bist ein ganz normaler Junge. Ich kann nichts Abartiges oder Dreckiges an dir entdecken. Na ja vielleicht, dieses rosa Poloshirt, das du dir gekauft hast… etwas abartig, aber das scheint ja jetzt Mode zu sein… rosa für Männer.“

Dass sie das jetzt nicht ganz ernst gemeint hatte, konnte ich an ihrem Grinsen erkennen. Sie wollte mich aufheitern und dies gelang ihr auch. Auf meinen Lippen machte sich ebenso ein Lächeln breit.

„So ist es besser und das mit Lesley regeln wir morgen, okay?“

Ich nickte.

„Dann versuche mal zu schlafen… gute Nacht.“

„Gute Nacht.“

Sie wuschelte mir über die Haare und verließ anschließend mein Zimmer. Jetzt erst merkte ich, wie sehr der Tag an mir gezehrt hatte, ich hörte gar nicht mehr auf mit dem Gähnen. Lesleys Gesicht fiel mir ein, als er Scheiße gesagt hatte.

Es hatte keinen Ausdruck von Ekel oder Abneigung… eher etwas Trauriges.

*-*-*

So wie ich eingeschlafen war, so wachte ich auch auf. Überall auf dem Bett lagen noch die gestern erstanden Sachen. Ich hatte noch die Klamotten von gestern Abend an. Nur meine Turnschuhe lagen neben dem Bett, die musste ich wohl abgestreift haben.

Gustav lag friedlich schlafend neben dem Bett. Auch er rührte sich, als ich mich reckte und aufsetzte. Leise schlich ich mich hinaus zur Toilette. Ich hörte Stimmen aus der Küche, hatte aber keinen Bedarf, so wie ich war, gesehen zu werden.

Zurück in meinem Zimmer fand ich Gustav nun wach vor. Er hob den Kopf und wedelte mit dem Schwanz, als ich hereinkam.

„Morgen, mein Großer… sorry, dass ich dich gestern so angefahren habe“, meinte ich.

Ich ging vor ihm auf die Knie und kraulte ihn ordentlich durch sein dichtes Fell.

„Ich sollte vielleicht etwas aufräumen… dass reinste Chaos hier“, sagte ich, „Aber vorher lass ich dich noch hinaus… oder soll ich mit? Gassi?“

Gustavs Schwanz begann erneut zu wedeln und er blickte mich mit seinen großen dunklen Augen an.

„Schon gut, aber vorher muss ich noch ins Bad, so will ich mich nicht zeigen“, sagte ich und ging ins Bad.

Ich schaute mich im Spiegel an. Meine Augen waren etwas gerötet und darunter konnte man leicht dunkle Ringe erkennen. Ich drehte den Wasserhahn auf, formte meine Hände zu einem Gefäß und ließ Wasser hinein laufen.

Ich tunkte mein Gesicht in meine Hände und spürte sofort das kalte Wasser auf der Haut. Ich griff nach dem Handtuch und trocknete das Gesicht ab. Gustav stand mitten im Zimmer und schien wohl zu warten.

Ich ging zur anderen Tür und öffnete sie. Was sollte ich anziehen. Mein Kopf drehte sich Richtung Bett. Unweigerlich fiel mein Blick auf das rosa Poloshirt, das da noch von gestern Abend lag.

Ich schnappte mir meine abgeschnittenen Jeans und schloss die Tür wieder. Schnell war ich angezogen und schlüpfte in meine Turnschuhe.

„So. Komm Gustav, ich bin fertig.“

Als hätte man einen Schalter umgelegt, bewegte sich Gustav zur Tür. Ich öffnete sie und er lief voraus. Als ich zur Haustür ging und an der Küche vorbeikam, saß dort niemand mehr. Die Küche war leer. Auch gut, so musste ich schon nichts von mir geben.

Ich öffnete die Haustür und Gustav rannte voraus. Es war noch herrlich kühl und ich beschloss, mit Gustav hinter dem Haus etwas zu laufen. Auch hier war niemand, außer den Tieren im Gatter.

Als ich dies auch hinter mir gelassen hatte und die letzte Hecke des Grundstücks passierte, blieb ich erst einmal stehen. Vor mir taten sich die Sanddünen auf. Vereinzelt waren Büsche und Bäume auszumachen, aber sonst war es recht kahl.

Gustavs Bellen riss mich aus dem Tagtraum.

„Was ist denn…AU!“

Ein stechender Schmerz ließ mich zu Boden schauen, wo ich gerade noch etwas Wurmartiges im Busch verschwinden sah. Gustav bellte nun noch lauter und sprang den Busch an. Ich sackte etwas ab, der Biss am Bein tat unheimlich weh.

„Aus! Geh da weg“, schrie ich.

Doch Gustav bellte weiter. Das war sicher ein Schlange…scheiße, was machte ich jetzt nur?

„Tom?“, hörte ich jemanden rufen.

„Ja hier“, meinte ich, während ich versuchte, mich mühsam auf den Beinen zu halten.

„Wo denn?“

Das war Bob.

„Hier hinten“, rief ich.

Wenige Sekunden später tauchte Bob auf.

„Warum bellte Gustav so?“, fragte er.

Ich konnte nicht anders und stütze mich an Bob ab.

„Mich hat etwas gebissen… sitzt im Busch… deshalb bellt Gustav…“

„Gebissen?“, fragte Bob entsetzt, „wo?“

„Am Bein“, meinte ich und hob es leicht an, um Bob die Stelle zu zeigen.

„Hast du gesehen, was für eine Schlange es war?“

Bob schien sich mit Bissen auszukennen, sonst hätte er nicht gleich nach einer Schlange gefragt.

„Ich glaube… grau… braun… etwas grünlich mit gelben Streifen.“

„Mist… eine Tigerotter. Tom wir müssen schleunigst zum Arzt, die ist giftig.“

Ängstlich und entsetzt schaute ich Bob an. Er schien meine Gedankengänge zu kennen.

„He, so schnell stirbt es sich nicht an Schlangengift. Aber umso schneller man dagegen etwas tut, umso schneller tritt der Heilungsprozess ein. Am besten, du stützt dich weiter auf mich ab, du solltest das Bein jetzt nicht weiter belasten.“

„Du, wie lange… dauert es… bis.“

„Keine Angst, Tom. Jeder Arzt hier verfügt über die nötigen Gegengifte. Hier ist schon lange niemand mehr an einem Schlangenbiss gestorben. Da wirst du keine Ausnahme machen.“

Ausnahmen bestätigen die Regel… dachte ich mir. Also hüpfte ich neben Bob auf einem Bein her. Gustav hatte sich mittlerweile etwas beruhigt und lief vor uns her. Man konnte sogar fast glauben, er schaute sich jetzt jeden Busch an.

Wer weiß. Vielleicht saß noch irgendwo eine Schlange drin.

„Was tust du überhaupt so früh hier draußen?“, wollte Bob wissen.

„Mit Gustav Gassi gehen.“

„Ein für alle mal. Wenn du morgens raus gehst, musst du verstärkt aufpassen. Da sind die Viecher noch sehr aktiv.“

Viecher… er meinte die Schlangen. Als wir in die Nähe des Hauses kamen, lief uns Abby entgegen.

„Mein Gott, was ist den passiert?“, rief sie.

„Tom ist von einer Tigerotter gebissen worden. Ich fahr ihn gleich zu Doc Conrad.“

„Okay, ich rufe an, damit er weiß, dass ihr kommt.“

Abby lief zu Bobs Auto und öffnete die Wagentür. Ich war froh, endlich angekommen zu sein, denn so langsam ging mir die Puste aus, ich konnte einfach nicht mehr hüpfen. Erschöpft ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen.

Bob hastete um den Wagen herum und stieg ebenfalls ein. Er drehte den Zündschlüssel um und schon fuhr das Auto die Auffahrt hinunter zur Straße.

„Alles klar mit dir?“, fragte Bob, während er in die nächste Straße einbog.

„Ja… na ja mir wird ein bisschen schwindelig.“

„Keine Sorge… wir sind gleich da.“

Sorge? Warum fuhr er so schnell? … Er meinte doch, es ist schon lange niemand mehr an einem Schlangenbiss gestorben.

„Bob ich will nicht in einem Auto sterben…, könntest du etwas langsamer fahren?“

Ich spürte, wie es in der Region um den Knöchel herum anfing, dick zu werden. Um den Biss herum war die Haut blutrot. Bei der nächsten Kurve quietschten die Reifen etwas und es drückte mich regelrecht gegen die Tür.

„Sorry“, meinte Bob nur und bremste vor einem weißen Haus stark ab.

„Wir sind da“, meinte Bob und sprang aus dem Wagen.

Ich öffnete die Wagentür und wollte aussteigen.

„Sitzen bleiben“, fuhr mich Bob an.

Bob trat neben mich legte den einen Arm unter und hob mich aus dem Fahrzeug.

„Du solltest jetzt besser nicht mehr selbst laufen“, meinte er nur und trug mich durch das Gartentürchen zum Haus.

Dort wurden wir anscheinend schon erwartet. Eine Frau hielt uns die Tür auf.

„Hallo Bob, geh gleich in Raum drei, dort wartet Henry auf dich“, sagte die Frau.

„Danke Kitty“, erwiderte Bob nur und trug mich an der Frau vorbei.

Ähnlich wie Bobs Haus, war auch dieses geschnitten. Nur dort, wo mein Zimmer war, betraten wir hier einen Behandlungsraum.

„Hallo Bob“, begrüßte uns ein Mann im weißen Kittel.

„Hallo Henry, das hier ist Tom, mein Neffe. Ich glaube, er ist von einer Tigerotter gebissen worden.“

Dieser Henry verzog das Gesicht.

„Moment, ich muss schnell telefonieren“, sagte Henry und verschwand.

Bob hatte mich mittlerweile auf einer Liege abgelegt.

„Alles klar mit dir?“, fragte Bob nun wieder.

„Ja“, meinte ich nur leise.

Er hielt seine Hand auf meine Stirn, danach nahm er mein Handgelenk in seine Hand. Er schaute auf seine Uhr. Dieser Henry kam wieder in den Behandlungsraum.

„Ungefähr zwei Stunden, dann haben wir das Gegenmittel“, sagte er zu Bob.

Bitte?

„Nicht schneller?“, fragte Bob.

„Nein, es wird aus Yenda gebracht.“

Bob seufzte und schaute kurz zu mir.

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