Good bye Amerika – Teil 25

Ein Wackeln weckte mich auf. Langsam öffnete ich meine Augen. Vor mir tauchte ein lächelndes Gesicht auf.

„Na, gut geschlafen?“

Es war Berry. Ich atmete tief durch und versuchte, mich etwas zu strecken.

„Wie ein To… na ja, ich habe gut geschlafen.“

„Das Antibiotika und das Gegenserum haben noch ihre Wirkung“, hörte ich Bob hinter uns sagen.

„Wenigstens hat er nicht geschnarcht“, kam es nun von vorne – Lesley.

Lesley und Molly drehten sich um und stiegen mit ihren Knien auf die Sitze. So konnten sie Berry und mich besser sehen.

„Ich will wenigstens einmal mit dieser Bahn fahren… dieser… was ist das? Straßenbahn?“, fragte Lesley.

„Calbe-Car heißen die Dinger“, erklärte ich.

Aus dem Blickwinkel heraus sah ich die Frau, die am Flughafen mit Bob und Abby gesprochen hatte. Ihr Gesicht kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich wusste nicht, wo ich sie einordnen sollte.

Als sie bemerkte, dass ich sie anstarrte, schaute sie abrupt weg.

„Kann man über die golden Gate Bridge laufen?“, fragte Molly.

„Kannst du, sind aber ungefähr eineinhalb Kilometer“, erwiderte ich.

„So lang? Wow.“

„Für dich ist das nichts Besonderes, oder?“, fragte Berry neben mir.

Ich schaute zu ihm.

„Ich habe dort siebzehn Jahre gewohnt und wenn man das jeden Tag sieht, ist es was Normales.“

„Verständlich“, meinte Molly.

„Wann wollt ihr denn das alles anschauen?“, fragte ich.

„Wir haben genügend Zeit“, kam es von der Bank hinter uns.

Ich rappelte mich auf und schaute zu Bob.

„Hat dir niemand gesagt, dass wir ein paar Tage bleiben werden?“, fragte Abby.

Fassungslos schüttelte ich den Kopf.

*-*-*

Der Vorteil, nicht alleine zu reisen, ist, dass man keine Langeweile bekommt. Auch wenn der Grund der Reise eigentlich ein trauriger war, so war der Flug so gesehen sehr lustig. Etwas müde und auch benommen humpelte ich neben Berry die Gangway hinunter.

Ob Grandma und Grandpa bereits auf uns warteten? Ich schaute auf meine Uhr. Mist, die hatte noch die Zeit von Australien. Ich pfriemelte mir meine Uhr vom Handgelenk.

„Was ist?“, fragte Berry neben mir.

„Ich habe vergessen, meine Uhr umzustellen. Weiß jemand, wie viel Uhr es ist?“

„Schau an die Decke, da hängen alle vier Meter welche“, kam es von Lesley.

Kurz vor zwölf. Na ja, ob da Grandma noch hier wäre, war zu Bezweifeln. Sie gingen normalerweise immer so gegen zehn Uhr ins Bett. Gähnend lief ich hinter Berry durch die Kontrolle.

Der Zollbeamte schaute meine Papiere etwas länger an.

„Herzlich willkommen in den Staaten“, meinte er, verpasste meinem Ausweis einen Stempel und ich durfte weiter.

Bei Bob und Abby ging es schon etwas länger. Sie hatten australische Pässe und wurden nach dem Grund ihrer Einreise gefragt. Es dauerte eine Weile, bis alle endlich einen Stempel im Ausweis hatten.

Die Glastür öffnete sich wie von Geisterhand und nun betraten wir real amerikanischen Boden. Es war keine Woche her, dass ich hier alleine in die Gegenrichtung hindurch marschiert war.

„Tommmm!“

Ich blickte auf und tatsächlich, meine Großeltern hatten es sich nicht nehmen lassen und waren um diese Zeit noch am Flughafen. Ich humpelte so schnell ich konnte auf sie zu. Etwas besorgt, aber doch erfreut schloss mich Grandma in ihre Arme.

„Hallo Tom, ich hätte nicht gedacht, dich so schnell wieder zu sehen“, sagte sie leise zu mir.

„Ich auch nicht Grandma, ich auch nicht!“

„Junge, lass dich anschauen“, kam es von Grandpa, „gut siehst du aus, du hast Farbe bekommen.“

Jetzt erst bemerkte ich, das beide gut dick angezogen war. So schnell konnte man vergessen, dass hier eigentlich Winterzeit war. Dieses Jahr schien es aber recht mild für die Jahreszeit zu bleiben.

Mittlerweile hatten uns auch die Anderen erreicht und ein riesen Begrüßungsspektakel begann. Natürlich hatten Bob und Abby die Großeltern schon lange nicht mehr gesehen, ganz zu schweigen von Molly.

Berry und Lesley wurden vorgestellt.

„Ich habe Hunger…, meint ihr, es gibt irgendwo noch etwas zu essen?“, fragte Lesley verlegen.

„Sicher Junge, wir sind hier in San Fransisco, da kann man rund um die Uhr essen.“

„Kinder, ich denke, dass wir trotzdem erst zum Hotel fahren sollten“, kamen die mahnenden Worte von Bob.

„Sehen wir uns Morgen zum Frühstück?“, fragte Grandma, die immer noch Molly im Arm hatte.

„Ist dir das auch nicht zu viel, Mutter?“, fragte Bob.

„Nein, keine Sorge.“

„Du kennst unsere Esser hier nicht, die vertragen viel… auch Tom kann viel verdrücken.“

Grandma schaute mich erstaunt an.

„Du?“, kam es von ihr.

Verlegen zuckte ich mit den Schultern.

„Ähm ich bin im Wachstum… noch…“

Ein Grinsen ging durch die Menge.

„Wann ist die Beerdigung?“, fragte nun Bob.

Im Nu hatte keiner mehr ein Grinsen auf den Lippen. Deswegen waren wir überhaupt hier.

„Morgen Mittag um zwei auf dem Friedhof von Arlington“, beantwortete Grandpa die Frage.

„Gut…, dann werden wir mal ein Taxi suchen, das uns zum Hotel bringt.“

Aus einem Taxi wurden zwei. Denn mit unserem Gepäck wäre ein Taxi zu klein gewesen. Wir hatten uns recht zügig von Grandma verabschiedet und saßen nun in den Taxis auf dem Weg zum Hotel.

Molly, Berry und Lesley drückten sich an den Scheiben ihre Nasen platt. San Fransisco bei Nacht war natürlich auch ein Erlebnis für sich. Ich dagegen entdeckte hier und da markante Punkte, was irgendwelche Erinnerungen hervorrief.

Nach einer Ewigkeit kamen wir dann endlich vor dem Hotel an. Ich war erstaunt, dass Abby und Bob sich das King George Hotel herausgesucht hatten. Die Taxifahrer halfen uns, das Gepäck aus den Kofferräumen zu laden.

Ich wunderte mich, dass um die Zeit noch ein Hotelboy zu Gange war. Er hatte einen Rollwagen mitgebracht, wo mit Hängen und Würgen unser komplettes Gepäck drauf passte. An der Rezeption angekommen, wurden wir anscheinend schon erwartet.

„Mr. und Mrs. Miller nehme ich an… guten Abend.“

„Ja, Bob Miller. Wir haben drei Doppelzimmer gebucht.“

„Selbstverständlich. Würden sie sich hier bitte eintragen?“

Bob trat an die Theke und griff nach dem Schreiber, dem ihn der Portier hinhielt. Ein anderer Mann hinter der Theke reichte dem Hotelboy etwas und dieser zog den Rollwagen Richtung Aufzug.

Nachdem dieser verschwunden war und Bob mit den Formalitäten fertig, trat der Mann hinter der Theke hervor.

„Darf ich ihnen bitte ihre Zimmer zeigen?“

Bob nickte und begleitete ihn zum Aufzug und wir hinterher. Doppelzimmer, cool. Eigentlich war ich auch noch nie in einem Hotel, geschweige denn in einem hier in Frisco. Im Fahrstuhl herrschte absolute Stille, keiner sagte etwas.

Nur das Geräusch des fahrenden Aufzugs war zu hören. Er bremste ab und die Tür öffnete sich.

„Würden sie mir bitte folgen?“, sagte der Portier.

Wieder liefen wir dem Mann nach und hier fanden wird auch den Hotelboy wieder mit unserem Gepäck. Nacheinander bekamen wir unsere Zimmer. Bob gab dem Hotelier ein Trinkgeld und der verschwand nun mit dem Pagen.

„Kinder, ich habe angeordnet uns morgen… ähm heute so gegen neun wecken zu lassen, also macht nicht mehr so lange“, meinte Bob und schloss dann die Tür hinter sich.

Nun war ich mit Berry alleine. In mitten des Zimmers stand ein riesiges Bett. Berry schaute mich kurz an und grinste.

„Sollen wir noch auspacken, oder legen wir uns gleich hin?“, fragte ich.

„Ich denke, nur das nötigste… müde bin ich aber nicht.“

„Ich auch nicht.“

So stellten wir unsere Sachen aufs Bett und suchten die benötigten Sachen heraus. Danach musste ich erst einmal auf die Toilette. Mein Fuß juckte unheimlich. Ich verließ das Bad wieder.

„Ich komme gleich wieder, ich muss kurz zu Bob… wegen meinem Fuß.“

„Okay… ich geh dann mal duschen.“

Ich schnappte mir die Codekarte und verließ das Zimmer. Welches Zimmer hatten Bob und Abby doch gleich? Ich lief den Flur hinunter und klopfte am Nachbarzimmer.

„Herein?“

Die Tür öffnete sich und streckte den Kopf durch. Dort stand Lesley gerade, nur mit einem Handtuch bekleidet.

„Öhm… könntet ihr mir sagen, welches Zimmer Bob und Abby haben?“, fragte ich.

„Links schräg gegenüber“, kam es aus dem Bad gerufen.

„Danke… gute Nacht.“

So verschwand ich schnell wieder und ging zu dem beschrieben Zimmer und klopfte auch dort an.

„Ja?“

„Ich bin’s…“

„Tom? Komm doch rein!“

Auch hier öffnete sich die Tür anscheinend von alleine. Als ich das Zimmer betrat, fiel mir gleich auf, dass die beiden wohl grad am Auspacken waren. Im Zimmer lag alles kreuz und quer.

„Was ist Tom?“

„Ich wollte wegen meinem Fuß fragen… ich würde gerne noch duschen.“

„Dann kremple mal deine Hose hoch.“

Ich zog den Schuh und die Socke aus und krempelte wie gewünscht die Hose hoch.

„Stell den Fuß hier auf den Stuhl“, meinte Bob.

Während Bob anfing, meinen Verband zu öffnen, stellte Abby einen Mülleimer neben den Stuhl und eine kleine Tasche. Es war das erste Mal, dass ich nun auch auf die Wunde schaute. Deutlich waren noch die zwei Einstiche der Zähne der Schlange zusehen.

„Das sieht ja schon ganz gut aus. Also ich denke, du kannst beruhigt duschen gehen. Danach legst du dich am besten gleich ins Bett und morgen machen wir noch einmal einen Verband drauf, okay?“

Damit konnte ich leben.

„Danke“, meinte ich, „und gute Nacht.“

Ich schnappte meinen Schuh und die Socke und machte mich auf den Weg zurück in mein Zimmer. Ohne nachzudenken lief ich nun halb barfuss durch den Korridor. Dort kam mir ein elegant gekleidetes Paar entgegen, die sicher von irgendeiner Veranstaltung zurückkamen.

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