Good bye Amerika – Teil 36

„Tom, versprichst du mir eins?“, meinte Abby zu mir.

Irgendwie fühlte ich mich jetzt völlig klein und ging etwas hinter Berry in Deckung. Etwas ängstlich nickte ich.

„Bleibe immer so, wie du bist! Bleib vor allem dir selber treu. Und keine Sorge, auf diesen Patienten kann ich sehr gut verzichten.“

Erstaunt schaute ich sie an.

„Aber…, aber wenn sie nun ihren Freunden erzählt und die auch nicht mehr kommen?“, fragte ich.

„Zum Ersten hat sie keinerlei Freunde hier in der Stadt und zum zweiten, Tom – die Leute, die dich nicht akzeptieren, haben hier nichts verloren…“

Wow, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Abby beugte sich etwas vor.

„Gewöhn dich daran, dass es Menschen gibt, die dich lieben und für dich einstehen“, meinte sie leise und wuschelte mir über die Haare.

Dann drehte sie sich um und betrat das Haus wieder. Berry war die ganze Zeit schweigsam neben mir gesessen. Nun schaute er mich lächelnd an. Ich konnte nicht anders und strahlte über das ganze Gesicht.

*-*-*

Wir hatten uns eine Decke besorgt und lagen nun hinter dem Haus auf der kleinen Wiese. Berry war eingeschlafen und ich lag mit dem Kopf auf seinem Bauch. Seine Hand ruhte auf meiner Brust und ich las im Tagebuch weiter.

Das Gefühl, seine Hand auf meiner nackten Haut zu spüren, war sehr beruhigend und wohltuend.

…dass Timothy so gut kochen konnte, hätte ich gar nicht gedacht. Mehr als ein Ei mit Speck anzubraten, konnte ich selbst nicht. Gemeinsam saßen wir vor der Hütte und aßen den Bohneneintopf. Geredet wurde die ganze Zeit nichts, aber ich genoss es, mit Timothy zusammen zu sein…

Ich versank in meinen Träumen, auch einmal mit Berry an dieser Hütte alleine zu sitzen. Die warme Mittagssonne tat ihr übriges.

„Tom, shit, wach auf!“

Erschrocken fuhr ich hoch.

„Was? Hä?… aber.“

Ich wusste im Augenblick weder wo ich war, noch was gerade passiert war.

„Warum hast du dich denn nicht in den Schatten gelegt?“

Ich folgte der Stimme und blickte Berry in die Augen.

„Hallo… ich glaub, ich bin eingeschlafen…“, meinte ich noch leicht weggetreten.

„Und hast dir einen tierischen Sonnenbrand eingefangen. Wir können froh sein, dass du ein Muskelshirt an hast.“

Entsetzt sah ich an mir runter. Meine Arme, Schultern und Beine glühten rot.

„Scheiße, das habe ich gar nicht bemerkt…“, rutschte es mir heraus.

„So etwas merkt man auch nicht. Komm, wir müssen gleich ins Haus.“

Berry stand auf und reichte mir die Hand. Schon beim Aufstehen spürte ich, wie meine Schultern und Arme spannten und leicht brannten. Berry nahm das Tagebuch und die Decke und lief mit mir durch den Hinterausgang ins Haus.

„Oh weh, ich seh schon, ich muss meine Creme anrühren“, meinte Darleen, die wir in der Küche antrafen, „Berry, du weißt doch, dass man nicht ungeschützt in die Sonne liegen darf, gerade Tom mit seiner hellen Haut.“

Berry schaute leicht verlegen drein.

„Er hat keine Schuld, ich hätte auch dran denken können“, meinte ich und wollte Berry in Schutz nehmen.

Darleen griff zum Telefon, das an der Wand hing.

„Abby, kannst du mal kurz rüber kommen?“, hörte ich sie sagen.

Sie legte den Hörer wieder in die Gabel und hinter mir hörte ich die Tür zur Praxis.

„Darleen, was ist?“, kam es von Abby.

Darleen zeigte auf mich und Abby verzog das Gesicht.

„Ab, rüber in die Praxis!“, sagte Abby nur und verließ die Küche.

Berry und ich folgten ihr.

„Also wirklich Tom, ich hätte dich für etwas klüger gehalten. Sich ohne Sonnencreme in die direkte Sonne zu legen!“

Sie schüttelte den Kopf und suchte etwas in einem Arzneischrank.

„Wir lagen ja erst unter dem großen Baum, sind aber beide eingeschlafen. Als wir aufwachten, lagen wir in der prallen Sonne“, verteidigte sich.

Abby kam mit einer Tube zurück.

„Ähm, ist das nicht für Tiere?“, fragte ich leicht nervös.

„Viel Medizin aus dem humanen Bereich wird in der Tiermedizin verwendet. Berry, würdest du ihn einreiben?“

Berry nickte.

„Falls du Schmerzen bekommst, meldest du dich wieder bei mir und für heute bleib bitte im Schatten.“

Auch ich nickte nur. Danach verließen Berry und ich die Praxis und gingen in mein Zimmer.

„Tut mir Leid Schatz, ich hätte besser aufpassen müssen“, meinte Berry hinter mir.

„He, wir sind beide eingeschlafen. Vielleicht auch kein Wunder nach dem Morgen“, grinste ich.

Berry lächelte.

„Zieh dich aus“, meinte er zu mir und öffnete die Tube.

„Mach ich doch gerne“, kicherte ich.

„Am Besten legst du ich auf dein Bett, dann kann ich dich besser eincremen.“

„Okay. Da fällt mir ein, da liegt mein Handy, du könntest nachher noch deine Nummer eingeben.“

„Geht klar“, meinte Berry.

*-*-*

Das Brennen war ja noch auszuhalten, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, auf einem Grill zu liegen. Berry war kurz heim, um sich kurz dort blicken zu lassen. Ich dagegen lag auf meinem Bett und hatte mir wieder das Tagebuch zur Hand genommen.

… für meinen Geschmack war das Bachwasser etwas zu kühl zum Waschen, aber dennoch versuchte ich, mir das nicht anmerken zu lassen. Timothy hielt seinen Kopf in die kleine Quelle, ließ das Wasser drüber laufen. Er warf seinen Kopf nach oben und seine nassen Haare flogen nach hinten…

Das liest sich ja fast wie ein Roman! Der hätte Schriftsteller werden sollen. Mich wunderte, dass Abby noch nicht gefragt hatte, was hier drin stand. Auch wusste ich nicht, ob ich ihr das einfach so sagen konnte.

… da es sehr schnell kalt wurde, und Timothy das Feuer noch einmal geschürt hatte, beschlossen wir, uns schlafen zu legen. Mein Blick fiel auf das eine Bett. Ein Bett für zwei, aber dennoch nicht so groß, wie das Bett meiner Eltern. Timothy zog sich aus, legte seine Hose und anderen Sachen fein säuberlich über den Stuhl. Er hatte wirklich keine Probleme, nackt herumzulaufen, wenn jemand anderes im Raum war…

Es klopfte an der Tür.

„Ja?“, rief ich.

Die Tür wurde geöffnet und Molly kam herein.

„Hi Tom, hast… wie siehst du denn aus?“

Ihr Blick fiel auf meine roten Arme und Beine.

„Bin in der Sonne eingeschlafen“, nuschelte ich.

„Bitte?“

„Ich bin in der Sonne eingeschlafen.“

„Das ist ja… Oh Mann, Tom! Und ich wollte dich gerade mit etwas überraschen.“

Ich richtete mich auf.

„Womit denn?“

„Heut Abend ist ein Konzert in der Stadt, wir wollten dich mit Karten überraschen.“

Ich sah Molly die Enttäuschung an.

„Welche Gruppe denn?“

„Human nature.“

„Sagt mir überhaupt nichts.“

„Das ist eine australische Boygroup, ein absolutes Muss! Tut mir leid, ich vergaß, dass du dich wahrscheinlich nicht so in der australischen Musik auskennst.“

„Das stimmt so nicht! Ich kenne Kylie Minogue und Vanessa Amorosi… ja Keith Urban auch noch… sind doch alles Australier, oder?“

„Stimmt, du kennst dich doch ein bisschen aus. Aber so, wie du aussiehst, kannst du heute Abend wohl nicht mit.“

„Wer sagt das? Gut, ich muss vielleicht ein paar weitere Klamotten anziehen.“

„Meinst du wirklich?“

„Also wenn ihr schon eine Überraschung für mich habt, muss ich die doch auch in Anspruch nehmen.“

Koste es, was es wolle. Da musste ich jetzt durch. Mollys Gesicht heiterte sich wieder auf.

„Lesley und Berry holen uns so gegen sieben ab. Meinst du, du bist bis dahin fertig?“

Ich schaute auf die Uhr. Kurz vor sechs. Hatte gar nicht bemerkt, dass die Zeit so schnell verflogen war.

„Klar, ist kein Problem.“

„Darleen hat uns ein paar Sandwiches gemacht, stehen in der Küche.“

Und schon war Molly wieder draußen. Mein Blick fiel auf meine Arme und Beine. Was konnte ich da anziehen? Etwas, bei dem der Sonnenbrand nicht so sehr auffiel. Mein Blick fiel aufs Handy.

Ich schnappte es mir und ging in den Speicher. Berry wollte doch seine Nummer eingeben. Sie war ja auch schnell gefunden, bei nur drei Nummern im Speicher. Ich drückte die grüne Hörertaste und wartete.

„Hier Berry.“

„Hallo Schatz, ich bin’s.“

„Oh sorry Tom, ich kannte die Nummer nicht.“

„Jetzt kennst du sie.“

„Warum rufst du an, alles klar mit dir?“

„Molly war gerade hier und hat mit Karten für ein Konzert gewinkt.“

„Ach du scheiße, das hab ich ja ganz vergessen.“

„Du wusstest das also auch.“

„Klar, war ja mein Vorschlag, da hin zu gehen.“

„So, so. Du stehst also auf Boygroups“, zog ich ihn auf.

„Es gab auch noch ein Leben vor dir“, konterte er.

Ich musste grinsen.

„Warum ich eigentlich anrufe. Was ziehst du denn an?“

Ich hörte ein Geräusch in Berrys Hintergrund.

„Moment Mal. Ich muss mal schauen, was mein Kleiderschrank so hergibt.“

„Ein kleines Schwarzes?“, kicherte ich ins Telefon.

„Nein, das ist in der Wäsche. Ich zieh die weiße Jeans an und das weite schwarze Hemd drauf.“

Mir wurde gerade bewusst, dass ich eigentlich noch nie bei Berry war.

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