Good bye Amerika – Teil 44

Nun war es Bob, der Zeit hatte und uns ins Krankenhaus fuhr. Dass sich Nath etwas unwohl bei mir fühlte, bemerkte ich allerdings, auch wenn er mich immer wieder anlächelte. Bob hatte sich verabschiedet und war wieder heimgefahren.

Mit Nath gemeinsam betrat ich das Krankenhaus. Als wir an Berrys Zimmer kamen, stand die Tür gerade offen. Eine Schwester zog gerade einen Wagen mit Medikamenten heraus.

„Wollen sie hier rein?“, fragte sie uns.

Ich nickte.

„Einen Moment bitte.“

Ich wusste nicht, was sie noch in Berrys Zimmer tat, aber wir warteten brav auf dem Flur. Dann kam sie wieder heraus. Ich trat ein und klopfte an die offene Tür. Mein Schatz saß in seinem Bett und aß.

„He… hallo… ich hab dir jemanden mitgebracht“, meinte ich und trat ein.

„Hallo Tom…“, meinte er.

Seine Augen begannen zu leuchten, als er Nath hinter mir sah. Es wunderte mich auch nicht, so lange wie die beiden sich schon kannten, wie Berry erzählt hatte. Nath ging an mir vorbei und begrüßte Berry mit einer sanften Umarmung.

„He, das ist aber eine Überraschung, Nath.“

„Tom hat mich einfach mitgeschleift…, ich hätte dich besucht, wenn du wieder zu Hause gewesen wärst.“

„Unser Surfdate muss ich leider absagen“, meinte Berry.

„Holen wir nach, wenn du wieder fit bist. Was ist denn jetzt genau passiert? Es herrschen wieder die wildesten Gerüchte.“

„Das ist ja richtig schlimm in dieser Stadt“, mischte ich mich ein.

„Stimmt, es reicht von ‚Tom hätte seine Mafiaverbindungen spielen lassen und dich überfallen lassen’ bis zu ‚einem wildem Saufgelage, der mit einem Fenstersturz endete’.“

„Ich mag es nicht, so in den Mittelpunkt des Stadtgesprächs zu rücken“, meinte Berry.

Mitfühlend sah ich Berry an und er zwinkerte mir zu.

„Und was ist nun wirklich passiert?“, fragte Nath.

„Kann ich dir nicht sagen, ich habe eine Lücke, was den Unfall betrifft. Wir wissen nur von der Polizei, dass sie Splitter eines Baseballschlägers in meinen Speichen des Rades gefunden haben.“

„Jemand hat das absichtlich gemacht? Wer?“, fragte Nath sichtlich schockiert.

„Es war bestimmt dieser Tim…“, begann ich.

„Tom!“, wurde ich von Berry unterbrochen, „wir wissen es nicht! Und du hast keinerlei Beweise.“

„Das liegt doch klar auf der Hand, oder nicht?“, fragte ich.

Mir war nicht entgangen, dass Naths Mine zunehmend trauriger wurde.

„He du Held, was ist los?“, kam es von Berry.

„Ach nichts…“

„Komm Nath, ich kenn dich zu gut, als dass du mich einfach mit >Nichts< abspeisen könntest.“

Nath ließ sich auf dem Bett nieder und schaute zu Boden.

„Erinnerst du dich, als wir vor einem Monat ungefähr im Training bei Surfen ein längeres Gespräch führten?“

„Ja klar, du hast mir erzählen wollen, für wen du denn so schwärmst.“

Er würde doch jetzt nicht Berry seine Liebe gestehen! Au weh. Unruhig setzte ich mich auf meinen Stuhl.

„Ja und wir sind unterbrochen worden.“

„Stimmt – und wer ist es jetzt?“

Nath atmete tief durch.

„Es ist…“, seine Stimme wurde sehr leise, „ es ist… Timothy.“

„WAS!“, entfuhr es Berry, „dieses Arschloch?“

Nath hob eine Hand an und rieb sich durch die Augen. Anscheinend sollten wir nicht sehen, dass er Tränen in den Augen hatte. Berry griff nach der anderen Hand.

„Sorry, ich wollte dich nicht so anfahren.“

„Hat dich eigentlich nie gewundert… dass Timothy mich in Ruhe ließ, nach dem Vorfall damals in der Dusche?“

„Schon, aber ich war froh, dass er dich in Ruhe ließ.“

Nath atmete tief durch, sein Kopf fiel nach hinten und er starrte gegen die Decke.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich das wirklich mal jemandem erzählen würde.“

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er gerade in sich zusammenfiel.

„Du weißt noch, als Timothy in die Stadt gezogen ist, oder?“, fragte er Berry.

„Klar, da war er auch noch in Ordnung.“

„Und da habe ich ihn näher kennen gelernt und mich in ihn verliebt…. Ich weiß, es ist bescheuert…“

„Nein, ist es nicht“, unterbrach ihn Berry.

„Findest du? Einen Kerl zu lieben, der bei allen als totales Arschloch gilt und sich… na ja, auch so benimmt. Wenn wir zusammen sind, ist er total anders.“

„Ihr seid zusammen?“, fragte ich erstaunt.

„Nein, nicht so wie ihr denkt. Ab und zu unternehmen wir etwas zusammen.“

„Ist zwischen euch irgendwann mal was gelaufen? Entschuldige, wenn ich dir so nahe trete“, kam es von Berry.

„Leider nein“, meinte Nath mit einem Lächeln.

Er erinnerte sich wohl an etwas.

„Bis auf einen kleinen Kuss ist nie etwas passiert.“

„Ist doch schon mal was“, grinste Berry.

„Lieb kann ich mir Timothy nicht vorstellen…“, meinte ich zu den beiden.

„Nath hat schon Recht, bevor die Stefferson zu dem vielen Geld kamen und sein Dad verschwand, war Timothy echt ein Lieber.“

„Sorry, ich kenn ihn eben nur von der Begegnung auf der Straße, wo er mich so dumm angemacht hat“, warf ich ein, „Geld verändert halt doch die Leute.“

„Sein Dad war ein super Typ“, sprach Nath weiter, „ich glaube fast, er wusste, dass ich in Timothy verliebt war.“

„Wie kommst du darauf?“, fragte Berry.

„Na hör mal, kannst du dich nicht an die Gerüchte erinnern, warum er gehen musste?“

„Klar, aber was hat das mit Timothy zu tun?“, fragte Berry.

Ich hielt mich nun raus und hörte brav zu.

„Wenn man allen Gerüchten glauben darf, hatte die Stefferson ihren Mann mit einem Kerl im Bett erwischt. Wenn das stimmt, würde er ja merken, wenn jemand anderes schwul ist.“

„Das ist nicht so sicher, aber es wäre nahe liegend.“

„Und wenn die Geschichte um Timothys Großvater, der nach einem Vorfall plötzlich verschwand und hier auf einmal wieder mit viel Geld auftauchte, wirklich stimmt, dann läuft in der männlichen Linie der Stefferson etwas falsch.“

„Stimmt, Timothy wurde nach seinem Großvater benannt. Aber es ist ja nicht die Linie der Stefferson. Die Alte hat doch ihren Mädchennamen wieder angenommen, als die Scheidung durch war.“

So, Timothys Grandpa hieß also auch Timothy. Was für ein Zufall! Automatisch musste ich an Mollys Grandpa denken.

„Wie war der Name noch gleich?“, hörte ich Nath fragen und wurde damit aus meinem Wachtraum gerissen.

„Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern. Das ‚Stefferson’ ist allgegenwärtig“, antwortete Berry.

„Ist ja auch egal… Ich hoffe nur für mich, dass Timothy nicht wirklich was mit deinem Sturz zu tun hatte.“

Mitleidig sah ich Nath an. Er tat mir wirklich leid. Eine Liebe, die nicht richtig erwidert wird oder, wie im seinem Fall, eine hoffnungslose Unerreichbarkeit – nein, sowas sollte niemand durchmachen müssen.

Irgendwie hatte ich das große Bedürfnis, Nath in den Arm zu nehmen, doch mein Großer kam mir zuvor.

„Du hast dir einen tollen Freund rausgesucht, Berry, muss ich schon sagen. Gibt nicht viele, die so ein großes Herz haben und mir wenigstens noch ein Stückchen von dir übrig lässt.“

Grinsend sah Berry zu mir herüber.

„Ja, ja es gibt Stücke von Berry, die hast du ja schon voll abgesahnt“, rutschte mir aus und als mir bewusst wurde, was ich da gerade losgelassen hatte, hielt ich die Hand vor den Mund, „ups… Sorry!“

Berry fing an zu lachen und Nath wurde rot.

*-*-*

Ich hatte den Kampf verloren. Die Nachtschwester war nicht davon zu überzeugen, dass Berry eine weitere Nacht meine fürsorgliche Hingabe benötigte. So war ich von Bob abgeholt worden und lungerte nun wieder auf meinem Bett herum.

Gustav lag wie immer vor dem Bett und schien zu schlafen. Mein Blick fiel kurz auf ihn und ich kam zur Überzeugung, Bob zu fragen, ob ich diesen Hund nicht mal waschen sollte. Sein zottiges, langes Fell hing kreuz und quer und war mit den unterschiedlichsten Dingen der Natur behaftet.

Ich blätterte im Tagebuch und las weiter.

… ich weiß nicht, wie lange wir beide aufgerichtet so dasaßen und uns anschauten. Ich immer noch erschrocken über dieses Erlebnis eines Kusses. Timothy, ängstlich schauend, weil er nicht wusste, was nun passierte. Ich wusste nicht, was mich antrieb, aber ich hob meine Hand und fuhr sacht über seine Brust. Timothy schloss die Augen und schluckte. Leise, aber stoßweise, konnte ich seinen Atem hören. Meine Hand wanderte nach oben und…

Es klopfte.

„Ja?“, fragte ich genervt.

Die Tür ging auf und Lesley kam herein.

„Nanu, hat dich die liebe Molly vor die Tür gesetzt?“, meinte ich und grinste.

„Nein… sie führt grad ein Gespräch mit Abby, da stör ich sicher nur.“

„Und deswegen guckst du so traurig?“, fragte ich und legte das Tagebuch zur Seite.

Längst war mir Lesleys Blick aufgefallen. Er ließ sich neben mich auf mein Bett fallen. Gustav hatte den Kopf angehoben, den er jetzt kraulte.

„Hört sich das kindisch an, wenn mir mein Bruder fehlt?“

Bitte? Was war das jetzt? Lesley hob den Kopf und sah mir in die Augen. Ich schüttelte den Kopf.

„Weißt du… Wenn wir nicht gerade durch Schule oder Freunde getrennt sind, dann machen Berry und ich immer alles gemeinsam. Irgendwie spüre ich auch, dass er sich nicht wohl fühlt.“

„Man sagt doch immer, Zwillinge sind irgendwie besonders verbunden.“

„Kann sein, ich weiß es nicht.“

„He, komm mal her, du guckst so herzzerreißend“, meinte ich und nahm ihn in den Arm.

Ich konnte ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht entdecken. Ich legte beide Arme um ihn und zog ihn an mich. Wir drückten uns um die Wette und kicherten dabei.

„Du weißt schon, dass du den falschen im Arm hast?“

Erschrocken fuhren wir auseinander. Molly stand in der Tür uns schaute uns ernst an.

„Er hat mich bloss gedrückt“, sagte Lesley.

Aber ich sah schon, wie Mollys Mundwinkel nach oben zuckte und wusste, dass die Frage nicht ernst war.

„Warum seid ihr Jungs immer so schmusebedürftig?“, fragte sie.

Ich lächelte Lesley an und wurde sogar eine Stufe frecher. Ich nahm ihn noch mal in den Arm und küsste ihn auf den Mund. Lesley schaute mich fassungslos an und ich erhob mich aus dem Bett. Langsam und grinsend lief ich an Molly vorbei.

„Meiner küsst besser!“

Danach verschwand ich auf der Toilette.

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