Schneemann – Teil 4

Das Klingeln meines Telefons riss mich am folgenden Morgen aus dem Schlaf. Noch ein wenig abseits der Realität, griff ich mir den Hörer.
« Gärtner! » murmelte ich.
« Morgen Felix, wie steht’s? » ich war mit einem Schlag wach. Neben mir rührte sich etwas.
« O.K. da bin ich aber froh, ich werde es gleich mal den anderen erzählen. Wann können wir zu ihm? » ich lauschte den Ausführungen des Doctors. Hans war neben mir wach geworden und schaute mich mit großen Augen an. Ich hob zwischenzeitlich den Daumen, damit er wusste, dass keine Lebensgefahr mehr bestand.
« Heute Nachmittag, eventuell ? Gut, hast Du schon mit deiner Frau gesprochen? »
« Ja, machen wir, sie hat alles vorbereitet? Danke. »
« Felix, ich möchte Dir auch noch einmal danken. Ich glaube ohne Dich sähe es jetzt nicht so gut aus. Falls noch etwas Dringendes sein sollte, die Mobilnummer vom Hans hast Du ja, Tschüss. »
Ich legte das Telefon bei Seite, dann bewegte sich noch etwas…
« Hallo, Du ! Wie geht es meinem Alex. » fragte das kleine Mädchen, welches zwischen Hans und mir lag.
Ich musste schon etwas Lächeln, weil ihr schulterlanges Haar ein wenig zerzaust aussah.
« Hallo Corinna, also Alex geht es schon besser, sagt der Onkel Doktor und heute Nachmittag kannst Du ihn besuchen gehen. »
Ich glaube dieses strahlende, glückliche Lächeln, Corinnas entschädigten für allen fehlenden Schlaf.
« Sorry, Thomas. Corinna hat heute Nacht schlecht geschlafen, da habe ich sie einfach zu uns ins Bett genommen »
Hans legte sein schönsten Dackelblick auf und ich wurde weich wie Butter. Ich schaute zwischen den beiden hin und her.
« Ich schlafe manchmal auch bei Alex… » Corinna versuchte einen »gewichtigen« Ton anzuschlagen, die Betonung liegt bei ‚versuchen‘.
« … besonders… wenn ich Angst habe, dann nimmt mich Alex in den Arm. »
Jetzt zog ich meine Augenbrauen hoch, hatte ich etwas dagegen gesagt? Nein!
Konnte ich an dem Geschehenden noch etwas ändern? Nein !
Ein Grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit. Hans ahnte schon, dass ich nichts dagegen hatte. Unser Gast aber nicht, dementsprechend schaute sie nun traurig drein, als ob sie etwas falsch gemacht hat.
« Warum sollte ich etwas dagegen haben? Hast Du denn gut geschlafen? » mein Blick war nun ganz auf das Mädchen gerichtet.
« Ja, ich habe richtig gut geschlafen. » dabei nickte sie heftig mit ihrem Kopf.
« Dann ist es ja gut, ihr beiden. Was haltet ihr den von Frühstück? »
« Du bist also der Thomas? »
« Ja, wie kommst Du denn darauf? »
Corinna fing an zu kichern und tat so als ob sie sich schämte.
« Alex sagt immer, das Du nur ans Essen denkst… » weiter kam sie nicht. Hans brach in schallendes Gelächter aus und mir wurde es sehr warm im Gesicht.
« …immer…nur…ans…Essen… » prustete er zwischen den Lachsalven.
« Ja, der bin ich. » der Spruch kam mir fast tonlos über die Lippen, ich glaube ich muss etwas an meinem Image ändern.
« Ja, wenn das so ist, dann können wir auch ohne Frühstück… », ein Kissen unterbrach mich.
Binnen weniger Minuten war eine interessante Kissenschlacht im Gange. Jeder gegen jeden, na nicht so ganz. Einmal Corinna zusammen mit Hans und dann wieder mit mir gegen ihn. Kurze Zeit später, lagen wir alle lachend im Bett. Hans strupelte mir durch die Haare und gab mir einen Kuss.
Corinna beobachtet uns genau. Eher mit Neugier, als mit Argwohn. Ich nahm ihren Blick wahr und dann sah es so aus, als ob sie angestrengt über etwas Nachdenken musste.
« Thomas, Du küsst Jungen? » sie schien ihre Überlegungen abgeschlossen.
« Nicht jeden, Corinna. Nur Hans darf mich küssen und ich ihn. »
« Stimmt das Hans? »
« Ja, das Stimmt. »
In seinem Gesicht stand wohl das gleiche große Fragezeichen geschrieben wie bei mir.
« Ihr habt Euch lieb? » tönte es aus dem Kindermund. Wir nickten synchron.
« Gut, wenn ihr Euch lieb habt… das ist nämlich wichtig. »
Innerlich zog ich meinen Hut vor dieser kleinen Lady. Mit fast allem hätte ich gerechnet, doch damit überraschte sie mich. Auf meiner innerlichen Festplatte machte ich den Vermerk, Kinder nicht zu unterschätzen.
« Und was ist jetzt mit Frühstück? Ich will Kakao! » fuhr Corinna fort.
Gut, nun war ich nicht mehr der Einzige der nur ans Essen dachte. Hans stand auf und reichte Corinna die Hand.
« Komm Corinna, wir machen jetzt Deinen Kakao, Thomas muss noch einmal telefonieren.»
Damit gingen sie aus dem Zimmer. Ich schnappte mir das Telefon und wählte die Nummer von Felix. Nach einigen Klingeln, hörte ich die Stimme von Frau Hausach.
« Morgen, Claudia. »
« Nein wir sind gerade erst aufgewacht und frühstücken gleich. »
« Jein, sie schien schlecht geträumt zu haben, da hat Hans sie zu uns ins Bett genommen. … Ist das wichtig für Dich und Felix? »
« Was ich Dich fragen wollte, kommst Du auf eine Tasse Kaffee hoch, dann könnt ihr Euch ja schon mal anfreunden? »
« Bis gleich, Claudia. »
Die Schule konnte uns jetzt erst einmal gern haben, in den ersten beiden Stunden würden Hans und ich schwänzen. Corinna war nun einmal wichtiger. Alexander hat sie uns anvertraut, damit wir auf sie acht geben. Demnach konnte sie wohl nicht nach Hause zu ihren Eltern. Frau Hausach – Pädagogin an einer Grundschule – ist jetzt unsere einzige Hilfe. Hans und ich mussten ja auch noch zur Schule und das ist auch Alexander bekannt. Ich hoffe mal, dass wir heute Nachmittag mit Alexander darüber sprechen können, wie es weiter gehen soll.
Mit diesen Überlegungen, verließ auch ich das warme Bett, schnappte mir meine Freizeitklamotten und zog sie über. In der Küche hörte ich eine angestrengte Diskussion darüber, ob der Kakao in der Mikrowelle oder erst nur die Milch erwärmt werden sollte. Derweil schnappte ich mir einige Teller und Tassen und begann den Tisch zu decken. Ging langsam zum Vogelbauer hinüber und zog die Decke vom Käfig.
Mit einem Mal war es Ruhig. Ich drehte mich um und sah wie Corinna den – für sie – großen grünen Vogel anschaute. Ohne weiter darauf zu achten, was nun geschehen würde, begann ich Xavier zu Versorgen. Frisches Wasser, Futter und so weiter. Xavier hatte das Mädchen noch gar nicht zur Kenntnis genommen und fing an von seinem Trockenfutter zu nehmen.
« Wo möchtest Du sitzen Corinna? » fragte Hans das Mädchen, damit er den Kakao einschenken konnte.
« Da will ich sitzen! » sie suchte sich eine Platz aus, von dem sie den Papagei beobachten konnte.
« Gut, setzt Du Dich dann bitte mal hin, Corinna! »
Das Mädchen folgte der Aufforderung ohne Xavier aus den Augen zu lassen. Dieser machte wie jeden Morgen Anstallten, seine Position auf den Käfig zu verlagern. Ich sah zu dem Mädchen, welches ängstlich dem Geschehen folgte. Ich fand, dass es nun Zeit war, sie mit dem Papagei bekannt zu machen. Daher nahm ich Xavier auf meinen Arm und brachte ihn zu Corinna.
« Corinna, der tut dir nichts. Xavier, ist ein lieber Papagei. Wenn Du ihm dieses Stückchen Banane gibst, weiß er, dass Du seine Freundin bist. Möchtest Du es versuchen?»
Corinna nickte schüchtern mit dem Kopf.
« Beißt er mir auch nicht in den Finger? »
« Nein, das tut er nicht. Nicht wahr Xavier? » der Vogel legte seinen Kopf in eine Schräglage und pfiff einmal.
« Gut. Hallo Xavier, ich bin Corinna und ich möchte deine Freundin sein. » sie reichte ihm die Banane und er hob langsam sein Bein um diesen Leckerbissen zu greifen. Behutsam nahm er das Stück aus der kleinen Hand und krächzte einmal etwas, so dass Corinna etwas erschrak.
« So nun weiß Xavier, dass Du seine Freundin bist und Du darfst ihn auch streicheln wenn Du möchtest. »
Das Mädchen schüttelte aber den Kopf, ihr schien der Vogel nicht ganz geheuer zu sein. Ich erhob mich und brachte den Papagei zu seinem Bauer zurück, wo er sich oben drauf setzte. Dann klingelte es an der Tür.
« Hans, machst Du bitte mal auf? »
Dieser nickte mir nur einmal kurz zu und verließ die Küche um Frau Hausach hinein zu lassen. Kurze Zeit später trat er mit Claudia wieder ein und ich begrüßte sie recht freundlich.
« Wer bist Du? » frage Corinna.
« Ich bin Claudia, die Frau vom Doktor, der sich um Alex – Deinen Bruder – kümmert. » antwortete die Frau des Doctors und reichte dem Mädchen die Hand.
Wir setzten uns an den Tisch und begannen zu Frühstücken. Frau Hausach stellte geschickt einige Fragen, um das Nötigste zu erfahren. Corinna war demnach erst acht Jahre alt und ging in die zweite Klasse. Die Schule kannte Frau Hausach.
Das Frühstück verlief zu aller Zufriedenheit und das Mädchen erteilte uns – also Hans und mir – die Erlaubnis zur Schule gehen zu dürfen. Sie selbst blieb bei Frau Hausach. Am Nachmittag wollten die Beiden Alex besuchen gehen. So gingen sie nach dem Frühstück hinunter, um sich anderen Dingen zu widmen. Hans und ich räumten noch die Spülmaschine ein, um uns dann für die Bildungseinrichtung fertig zumachen.
« Glaubst Du, dass alles wieder gut wird, mit den Beiden? » diese Frage stellte Hans als ich aus der Dusche kam.
« Also wie die Dinge im Augenblick stehen, hat Alexander eine drei Stunden OP hinter sich. Er wird heute Mittag ins Beobachtungszimmer auf Felix Station verlegt. Noch ist er mit Medikamenten ruhig gestellt, sobald er einigermaßen wach ist, möchte Felix noch einige Kollegen aus der Neurologie hinzuziehen. Anscheinend hat Alexander auf einige Tests nicht reagiert und Doc Hausach möchte da schon auf Nummer sicher gehen. Zu guter letzt hat sich die Kripo eingeschaltet. Da schienen dem Notarzt einige Narben zu sein, die da nicht hingehörten und er ist dann verpflichtet die Polizei einzuschalten. Ähnliches deutet Felix an. Hans… » meine Stimme zitterte. « … Alexander wurde in jeglicher Hinsicht missbraucht. »
Hans ließ vor entsetzen die Zahnbürste fallen und starrte mich an.
« Du meinst…? »
« Ja. Du kannst mit Felix Pferde stehlen und grüne Äpfel klauen. Sobald sich aber in dieser Hinsicht etwas tut, dann ist mit ihm nicht mehr zu spaßen und seine Gegner sollten sich schon mal sehr warm anziehen. Wenn er mir gegenüber so etwas andeutet, ist das Tatsache. »
Keiner von uns sagte noch ein Wort, wir hingen einfach unseren Gedanken nach. Erst als wir uns in der Schule zu den verschiedenen Klassenräumen aufmachten, fragte Hans mich, ob wir uns zur Pause sehen würden. Mit einem Nicken bestätigte ich seine Frage und gab meinem Hans noch einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
Heute schien wohl nicht mein Tag zu werden, Monsieur Larrique – unser Franzlehrer – löcherte mich mit Fragen und lies auch nicht locker bis er eine Antwort erhielt. In der Klasse hatte sich wohl die Sache schon rum gesprochen, denn niemand hatte so richtig Lust auf den Unterricht. Aus meiner Sicht war es aber immer noch besser von der ganzen Thematik abgelenkt zu werden, als immer nur darüber zu grübeln was ich machen konnte oder wo meine Grenzen waren. Zumindest war ich sichtlich überrascht als es schon wieder zur Pause klingelte. Gemächlich packte ich meine Sachen und verließ den Raum. Ist doch immer etwas Gutes wenn wir zwischendurch mal eine Freistunde haben. Mein Babe wartete schon geduldig auf mich.
« War ja eine ruhige Stunde…, so ohne Alexander! Da konntest Du dich ja erholen Thomas… Der hackt doch sonst immer nur auf Dir herum! » tönte es in einem schrägen Ton an mein Ohr.
Mein Mitschüler Klaus-Dieter wollte sich wohl bei mir profilieren.
« So wie ich gehört habe, ist er ja für einige Zeit kalt gestellt! » die Ironie sabberte nur so an ihm herunter und ein fieses Grinsen konnte er auch nicht lassen.
« Mein lieber Klaus-Dieter, Alexander ist mir als ein störender Mitschüler tausend mal lieber, als einer der mir offensichtlich in den Arsch kriechen will. Es mag sein, das Alex und ich Differenzen haben, aber deswegen mag ich ihn noch immer. Das Schöne an ihm ist nämlich, dass wir uns gegenseitig respektieren. Die paar Sticheleien im Unterricht sind wirklich nicht so ernst gemeint, wie es Dir erscheint, doch dafür hat nun mal nicht jeder ein Gespür… »
Der Angesprochene schien eine sehr lange Leitung zu haben, denn die Umherstehenden fingen an zu kicksen und zu kichern. Klaus-Dieter schien wohl einige Sympathiepunkte in der Klasse verloren zu haben. Dann lief er puterrot an und machte sich von dannen.
Allgemeines Auflösen schien angesagt zu sein, dennoch hörte ich von mehreren Schülern, dass sie ihr Verhalten mal »überdenken« müssten… Ich jedenfalls, schritt auf meinen Freund zu und ganz lieb gab er mir einen Kuss.
« Thomas, kommst Du mit ins Café ich habe eine Freistunde? »
« Gerne, aber wieso, hast Du jetzt nicht Bio? »
« Die Krause ist krankgemeldet, da fällt der Unterricht aus! »
« Gut Hans, dann lass und ins Café gegenüber gehen, da ist es jetzt ruhiger und ich kann mich mit Dir besser unterhalten. »
Im Café bestellten wir uns Tee und Kaffee. Da auch noch nicht so viel los war, fanden wir schnell einen Nischensitzplatz. Der erste Schluck tat einfach nur gut.
« So, dann schieß mal los Tommi, was gibt es? »
« Zunächst einmal Hans, möchte ich erfahren wie Du über diese ganze Geschichte denkst. Ich fühl mich – ehrlich gesagt – etwas unwohl dabei. »
« Tommi, ich habe auch keine Ahnung was ich denken soll, zumal ich eben nichts Genaues weiß. Mein Gefühl sagt mir aber, der Alexander auf Deine Freundschaft baut! Ich kann mir auch nicht so richtig vorstellen, dass ihr miteinander Schwierigkeiten habt. »
« Na so richtig verstanden habe ich es auch nicht, Hans und damit hast Du auch Recht. Wir haben seit dem Bruch nicht mehr viel miteinander gesprochen. »
« Dann erzähle doch einmal, wie Du diese Geschichte siehst, Thomas. »
« Ich kenne Alexander seit sechs Jahren, als wir beide auf diese Schule gekommen sind. Wir waren bis zu meinem Coming – Out, der Schrecken aller Pädagogen dieser Bildungsanstalt. Da unsere Leistungen nie zur Diskussion standen, brauchten wir uns kaum Gedanken wegen eventueller Schwierigkeiten zu machen. Hans ! Alexander und ich waren Freunde und er war es, der mich lehrte zu Schwächeren zu stehen, auch mal gegen den Strom zu schwimmen. » Ich nahm meine Tasse und hielt sei einen Augenblick Gedankenverloren fest. Ja, mit Alexander verband ich viele traurige und lustige Erlebnisse. Unwillkürlich musste ich schmunzeln.
« Alexander hatte auch ein Gespür für den richtigen Zeitpunkt. Sicher kennst Du den »Gläsernen Brunnen« vor dem Rathaus, Hans. »
Hans nickt verstehend.
« Na Alexander ließ mal ein paar Gramm Kaliumpermanganat aus dem Chemielabor mitgehen und kippte das Zeug in den Brunnen. »
Jetzt musste Hans laut lachen, denn der Brunnen war das Lieblingsspielzeug unseres Bürgermeisters. In einer Stadtratsitzung, in der es um einen mögliche Bestechungsaffäre des Stadtoberhauptes ging, behauptete dieser, das seine Weste so rein sei, wie das Wasser in dem Brunnen vor dem Rathaus. Doch war es zu diesem Zeitpunkt schon tiefviolett…
« … und was geschah dann, Thomas? » sprach mich mein Gegenüber an, nachdem er sich etwas beruhigt hatte.
« Na ich wurde vor die Tür gesetzt und das »warum« sprach sich natürlich schnell herum. In der Klasse gab es keine größeren Probleme damit. Nur eins, Alexander sprach kein Wort mehr mit mir und mutierte zu einem unangenehmen Zeitgenossen. Ich habe auch versucht ihn deswegen noch öfters anzusprechen. Ohne Erfolg, doch die Freundschaft wurde nicht gekündigt, sie lag auf Eis. »
« Hm… » entfuhr es Hans, ich schaute zu ihm, doch er starrte Gedankenverloren in seine Tasse. Dann richtete er seien Blick wieder auf mich.
« Ich weiß nicht so recht Thomas, es mag nur mein Gedanke sein. Gesetzt den Fall, dass er glaubt Du hast eure Freundschaft verraten, weil Du ihm als Freund nicht vertraut und es ihm gesagt hast. Er hat es ja wie alle anderen über den Umweg deines Rausschmisses erfahren. Ich kann mir schon vorstellen, dass er diese Gedanken hegte. »
« Daran habe ich noch gar nicht gedacht, Hans. Aber warum konnten wir uns anschließend nicht darüber unterhalten. Ich habe es doch nicht mit Absicht getan? »
« Es ist nur eine Vermutung meinerseits. Doch ich kann mir vorstellen, dass seine Eltern genauso ablehnend auf deine Homosexualität reagierten wie deine eigenen und Alexander den Umgang mit dir einfach verboten haben. »
« Da ist was Wahres dran, Hans. Denn immer, wenn ich sie mal zufällig in der Stadt getroffen habe, kannten sie mich nicht mehr… »
Unser Gespräch wurde durch ein Piepsen eines self-phones unterbrochen. Während Hans ein Gespräch führte, widmete ich mich meinem Café und hing meine Gedanken nach. Es war wirklich mehr Wahrheit an der Theorie als mir lieb war. Ich begann leicht zu frösteln.
« Thomas. »
« Thomas? Was ist? »
Ich schreckte aus meine Gedanken auf.
« Ja was gibt es, Hans? »
« Ich denke es interessiert Dich, Alexander ist bei Bewusstsein und hat nach Dir gefragt… »
Ein Lächeln huschte über mein Gesicht.
« Felix sagte ihm, dass Du heute am späten Nachmittag kommen wirst, Corinna wird auch da sein. »
« Eh, das ist ja eine super gute Info. Hat er noch etwas gesagt? »
Hans Gesicht verfinsterte sich.
« Ja. Alexander und Corinna sind ein Fall fürs Jugendamt geworden. Es wurde gegen ihre Eltern Strafanzeige gestellt. »
Ich schaute Hans in die Augen und langsam verschwamm sein Gesicht. Ich spürte wie mein Gegenüber meine Hand nahm und mir mit der anderen die Tränen vorsichtig wegwischte.
« Hey Tommi, es wird schon wieder. » flüsterte er mir zu.
« Glaubst Du Hans? »
« Ja ! Ich glaube daran, einfach schon deswegen, weil er Dich als Freund hat. »
« Ist das der springende Punkt? Ich frage mich warum Eltern ihren Kindern das antun. Wer gibt denn zum Kuckuck noch einmal, den Erwachsenen das Recht, ihren Kinder weh zu tun? Können sie denn ihre Kinder nicht einfach lieb haben? Was hat Alexander – stellvertretend für alle anderen – getan, dass er fast zu Tode geprügelt wurde. Ich habe Bennys Eltern kennen gelernt und sie haben mir einmal gesagt, dass ihnen nichts einfallen würde, weswegen sie Ihren Benny nicht mehr lieben würden. Oder schau Dir doch Deinen Vater an, glaubst Du er würde dir jemals auch nur ein Haar krümmen? »

Hans schüttelte seinen Kopf.
« Thomas, da hast Du recht. Solchen Eltern und Erwachsenen, die Ihre Macht missbrauchen, gehören verbannt. Doch wenn wir etwas ändern wollen, dann sollten wir uns um die »Opfer« kümmern und im konkreten Fall haben sie die Namen ‚Alexander‘ und ‘Corinna’! »
Erschrocken sah ich Hans an, Alexander hatte uns das ihm Wertvollste anvertraut, seine kleine Schwester. Also sollten wir schleunigst etwas unternehmen, damit es nicht noch schlimmer wurde. Mit einem Mal spürte ich, wie eine Energie in mir aufstieg und ich wusste was zu tun ist.
« Hans, ich bin froh Dich als meinen Freund zu haben. Es gibt nichts Schöneres als Dich lieben zu dürfen! »
Hans wurde tatsächlich verlegen.
« Haben wir noch Zeit für ein Kaffee? »
« Nein Tommi, wir müssen wieder los. »
Wir bezahlten unsere Getränke und begaben uns zum Bildungsbunker auf der anderen Straßenseite.
« Wie sieht Dein Nachmittag aus Hans? »
« Nach dem Unterricht gehe ich nach Hause um die Post durchzusehen und schnappe mir mein Saxophon. Heute Nachmittag habe ich noch Unterricht. danach komme ich zum Krankenhaus, sagen wir gegen fünf? »
« Gebongt Schatz… »
« Vielleicht hast Du bis dahin auch mit dem Rechtsanwalt der Stiftung gesprochen, dann können wir den Beiden das Heim ersparen! »
« Hans, das ist eine sehr gute Idee. Ich denke Herr Johannsen wird uns zur Seite stehen! »
« Herr Johannsen? » Hans schaute mich entgeistert an.
« Ja, Herr Johannsen, Fachanwalt für Familien- und Sozialrecht. Mein Großvater hat ihn noch für die Stiftung eingestellt. »
« Mensch, Thomas. Dein Opa hat ja wirklich an alles gedacht, als er die Stiftung ins Leben rief. Wir sehen uns bei Alex! »
Hans drehte sich ab um seinen Klassenraum aufzusuchen.
« Halt, stehen geblieben Hans! »
« ? ! ?… Was ist Thomas? »
« Hast Du nichts vergessen, mein lieber Hans? » fragte ich ihn schelmisch… Es wurde eine zärtliche Umarmung und ein ebensolcher Kuss.
Obwohl sich der Unterricht zäh wie Gummi zog, ging die Stunde doch vorbei und gut zwei Stunden später stand ich bei Herrn Johannsen im Büro.
« Hallo Thomas. Was führt Dich her? »
« Hi Olaf. Ich möchte Dich mal etwas fragen? »
Herr Johannsen und ich kannten uns schon recht gut. Er war derjenige, der mich vor Gericht gegen meine Eltern vertreten hatte. Und immer, wenn diese mal wieder auf die Idee kommen klagen zu wollen, nimmt er persönlich die Sache in die Hand. Daher war es auch nicht verwunderlich, als er mir das ‚Du‘ angeboten hatte. Er war auch maßgeblich daran beteiligt, das Schul- und Lernprojekt im Krankenhaus zu organisieren. Wir kannten uns also schon recht gut. Daher verwunderte es mich auch nicht, als er um eine kleine Pause bat.
« Augenblick Thomas. » er hob den Hörer seines Telefons ab.
« Brigitte, bringen Sie bitte Kaffee und Kekse. Stellen Sie keine Anrufe durch und sagen Sie Sabine, dass sie den Termin am Gericht für mich wahrnehmen soll. Danke. »
Kaum lag der Hörer auf der Gabel, öffnete sich die Tür und seine Sekretärin brachte den Kaffee auf einem Tablett hinein. Sie stellte alles auf einen kleineren Couchtisch ab und verließ den Raum genauso leise, wie sie ihn betreten hatte.
« So Thomas, setzt Dich und schildere mir mal, was Du auf dem Herzen hast. »
Ich berichtete ihm von den Ereignissen der letzten 24 Stunden bis zu meinem derzeitigen Wissensstand…
« So Olaf, nun möchte ich Dich bitten, diese Sache in die Hand zu nehmen. Rechtlich meine ich. Ich kann mir schon gut vorstellen, dass es bestimmt nicht leicht werden wird. Aber ich möchte nichts unversucht lassen, um den beiden zu helfen. »
« Bist Du dir sicher Thomas? »
« Ich fühle einfach das es richtig ist, ihnen zur Seite zu stehen. Auch wenn es Differenzen gegeben hat, Alexander ist immer noch mein Freund. Nur in diesem Fall sind meine Möglichkeiten begrenzt, es geht um die rechtliche Seite. Da bitte ich Dich, stellvertretend für die Stiftung, die Sache in die Hand zu nehmen. »
Erwartungsvoll schaute ich mein Gegenüber an, doch es ist schwer aus seinem Gesicht irgendetwas herauszulesen.
« Thomas, ich schaue mir die Sache mal an… » Herr Johannsen machte eine kleine Pause « …versprechen möchte ich aber nichts. Du und Hans seid heute Nachmittag bei Alexander im Krankenhaus? »
Ich nickte ihm stumm zu.
« Gut ich schaue um sechsmal herein, dann sehen wir weiter. So und nun muss ich noch etwas tun. Die Stiftung bezahlt mich nicht nur fürs Café – trinken. » Olaf zwinkerte mir zu.
« Du und Hans, ihr seid glücklich? »
« Ja, und ich liebe ihn jeden Tag etwas mehr. Ich weiß gar nicht wie ich es vorher ohne ihn geschafft habe und wir möchten demnächst zusammenziehen. »
« Schön Thomas. Das freut mich. » Olaf begleitete mich zur Tür.
« Ach so, bevor ich es vergesse. Die Klage, wegen Veruntreuung von Stiftungsgeld gegen Dich, ist vom Gericht abgewiesen worden. Möchtest Du eine Anzeige erstatten wegen Verleumdung? »
« Nee, das bringt doch nur böses Blut. Ich habe andere Sorgen, als dass ich meine ehemaligen Eltern so wichtig nähme. Opa Hannes hat das schon sehr gut für mich geregelt und es wird sie mehr wurmen, dass ich mich nicht darauf einlasse. Irgendwann stolpern sie über ihre eigene Dummheit und Gier, da brauche ich nicht noch nachzuhelfen. »
« Gut Thomas, dann kümmern wir uns um die wirklich wichtigen Dinge. »
Herr Johannsen öffnete die Tür und ließ mir den Vortritt. Ich verabschiedete mich noch von Brigitte und machte mich auf den Weg zum Krankenhaus.
Insgeheim musste ich etwas lachen. Immer wenn Olaf sagte, dass er sich die Sache mal anschauen möchte, hat er den Fall schon übernommen. Ich sah Brigitte sich schon die Finger am Telefon wund tippen, um alle Welt ans Telefon zu bekommen. Manchmal ärgerte sie sich, da ihr Feierabend sich hinauszögerte oder sie auch mal am Wochenende im Bureau saß. Doch wenn sie dann den Erfolg der Stiftung sah und dass sie dazu beigetragen hatte, meinte sie regelmäßig, »hat doch Spass gemacht!«.
« Hallo Thomas, schön dich mal wieder hier im Krankenhaus zu sehen. » so fröhlich konnte mich nur eine Person begrüßen: Oberschwester Antje. Natürlich ließ sie es sich nicht nehmen, mich auch zu umarmen.
« Hi Antje, zerdrück mich bitte nicht, Hans möchte mich so wie ich bin. » grinste ich zu ihr hinüber. « Wie schaut es aus? »
Ich traf Antje vor der Cafeteria des Krankenhauses.
« Auf der Station sieht es gut aus, Felix hat dafür gesorgt, dass wir noch einen Zivi bekommen. »
« Ach, jetzt um diese Zeit ? »
Antje und ich schlenderten, langsam zur Kinderstation.
« Ja, da schien es wohl Probleme mit seiner Anerkennung gegeben zu haben, daher kam er auch erst im Januar. Aber er hat was. Du wirst die Station nicht mehr wieder erkennen. Er hat alles etwas umgekrempelt und engagiert sich. Die Kinder, das Pflegepersonal mögen ihn und er erledigt seine Pflichten immer mit einem lächeln. »
« Scheint ja wirklich ein Wunderknabe zu sein, den ihr da abbekommen habt. »
« Kann man wohl sagen, Thomas. Wenn er Spätschicht hat, nimmt er sich die Zeit und liest den Kleinen noch eine Geschichte vor, bevor sie schlafen gehen. Ich glaube er will mal Kinderarzt werden, denn er hat so ein richtiges Händchen im Umgang mit ihnen. »
« Das freut mich aber, für die ganze Station. Lerne ich ihn mal kennen, Antje?»
« Ja, Felix hatte heute Morgen Anweisung erteilt, dass er in den nächsten Tagen eine Sonderaufgabe hat. Er soll sich um einen Neuzugang kümmern. Er müsste eigentlich bei ihm sein, denn er wurde auf unser Beobachtungszimmer verlegt. Der Doc hat sogar den Personenkreis eingeschränkt, der zu ihm darf. »
« Weißt Du ob ich dazu gehöre? »
« Da musst Du Sebastian, den Zivi, fragen. Er hat die Liste. Da ich sowieso da hin möchte, kannst Du mich ja begleiten. »
« Mach ich doch glatt, meine Liebe. » ein freches Grinsen konnte ich nun doch nicht lassen.
Sebastian war tatsächlich beim Patienten gewesen, denn er kam uns auf dem Flur entgegen, als er das Zimmer verließ. Er war mir auf Anhieb sympathisch. Er hatte Grübchen, wenn er lächelte und sein kurzes blondes Haar passte zu seinen graublauen Augen. Sie strahlten viel Wärme und Verständnis aus.
« Hi Antje, ich gehe gleich mal hinunter zur Wäscherei. Ich habe bei Alexander ein neues Laken aufziehen müssen. Brauchst Du noch etwas von unten. »
« Ja, aber warte einmal Sebastian. Ich möchte Dir Thomas vorstellen und fragen, ob er zu Alexander darf? »
« Hallo Thomas. Wenn Du Thomas Gärtner bist, ja. Er hat auch schon nach Dir gefragt. Antje, ich habe die Liste ans Info-Bord gehängt und noch einmal in seine Kartei gelegt. Felix sagte ausdrücklich, dass wir darauf achten. » sein Gesicht bekam einen traurigen Ausdruck. « Mittlerweile verstehe ich auch warum. Thomas wenn Du gleich zu ihm hineingehst, mach dich auf einiges gefasst. »
« Danke, Sebastian. » ich wandte mich dem Patientenzimmer zu.
Leise ertönte das Klopfen und ich hörte von drinnen ein »herein«. Das Zimmer war abgedunkelt und über dem Bett leuchtete so eine Leuchtstofflampe. Ich musste schlucken, als ich zum Bett trat. Alexander trug ein Kopfverband, sein linker Arm war eingegipst, am rechten Handgelenk saß eine Infusionsnadel mit Schläuchen dran, die zu irgendwelchen Flüssigkeiten führten. Er war nur zur Hälfte zugedeckt und ich sah neben dem breiten Brustverband auch eine menge Narben und blaue Flecken. Dann schaute ich Alex an, ihm war die ganze Sache peinlich und schaute weg. Ich nahm die Bettdecke und deckte ihn zu, dann nahm ich seine Hand. Alexander weinte. Ich fühlte dass es richtig war, einfach nur seine Hand zu halten und nichts zu sagen.
« Hallo Thomas. » kam es nach einiger Zeit leise vom Bett.
« Hi Alexander, wie geht es Dir? »
« Ich weiß es nicht, der Doktor sagt, dass es mir – den Umständen entsprechend – gut geht, Antje meinte es wird schon wieder. Nur Sebastian ist der Meinung, dass es mir recht beschissen zumute sein müsste. Ich neige dazu, mich Ihm anzuschließen. Ich fühle mich mies und habe Schmerzen. » er hatte wenigstens noch seinen Sarkasmus, um mit der beschissenen Situation fertig zu werden. Dann brach seine Stimme ab. Er schien zu überlegen. Dann sah er mir direkt in die Augen.
« Thomas, ich weiß nicht was Du schon so mitbekommen hast? »
« Alexander, ich habe nur das Erfahren, was ich durch die Umstände mitbekommen habe… Gut etwas mehr schon, da ich mit dem Doc gut befreundet bin. »
« Ich möchte, dass Du alles das erfährst! Schon seit einiger Zeit werde ich regelmäßig von meinem Vater verprügelt, besonders wenn er betrunken gewesen ist. Dann nahm er dazu immer den Rohrstock. Meine Mutter sagte nichts, sie heulte zwar, wenn ich mich vor Schmerzen krümmte und nicht bewegen konnte, doch sie Tat nichts. Ich glaube er hat sie auch verprügelt und auch vergewaltigt. An Corinna traute er sich wohl nicht heran. Wenn es vorbei war, war sie es die dann zu mir kam und mich in den Arm nahm. Jedes mal, dachte ich, ich sollte die Biege machen. Aber was wäre dann aus dem Mädchen geworden? Thomas ich konnte sie nicht alleine lassen. »
« Alexander, ich hätte auch nichts anderes von dir erwartet. Du warst immer schon auf der Seite der Schwächeren, warum solltest Du hier eine Ausnahme machen. »
« Du hast Dich nicht verändert Thomas, Du glaubst immer noch an mich, obwohl ich dich ignorierte. Das ist mir auch nicht leicht gefallen. Mein Vater verbot mir den Umgang mit Dir, weil Du ja ein »perverses Stück« bist mit deiner Homosexualität. Er hasst alle Schwulen und Lesben und besonders Dich. »
« Warum hast Du nichts gesagt, Alexander? Musste es erst soweit kommen, dass Du hier landest? »
« Thomas ich hatte Angst vor dem Typ, der mein Vater war. »
« Und was ist gestern geschehen? »
« Jemand muss ihn wohl davon informiert haben, dass ich bei Dir gewesen bin und wir zusammen gelernt haben. Jedenfalls erhielt ich eine Ohrfeige, als ich gestern Abend mit Corinna die Wohnung betrat. Das Mädchen schickte er sofort ins Kinderzimmer und mich brüllte er an, was mir denn einfallen würde mich mit Dir einzulassen. Er hätte es mir doch verboten und ob ich denn auch so eine perverse Sau wäre. Ich bin gar nicht zu Wort gekommen, denn er schlug immerweiter auf mich ein. Ich flüchte in mein Zimmer und er kam hinterher. Er schloss die Tür und dann begann für mich die Tortour. Er prügelte mit dem Rohstock auf mich ein und dann verlor ich für einen Augenblick die Besinnung… » Alexanders Augen fingen wieder an zu glänzen und er hatte sichtliche Probleme weiter zu sprechen. « Als ich wieder zu mir kam… Thomas… er hat mich… vergewaltigt… es tat höllisch weh… »
Ich biss mir auf die Lippen und ich spürte, dass Alex meine Hand fester hielt.
« Thomas ich fühlte mich durch ihn gedemütigt und als es endlich vorbei war, sackte ich zusammen. Ich fühlte mich durch den Mann meiner Mutter beschmutzt. Ich wollte nicht mehr weiterleben. Ich hörte auf, meine Umwelt wahr zu nehmen… Dann erklang die Stimme von Corinna, ängstlich, weinerlich drang sie an mein Ohr. Sie bettelte und rief meine Namen. Ich nahm alle Kraft zusammen, zog mich an und ging auf den Flur hinaus. Was ich sah, ließ alle meine Schmerzen vergessen. Da stand der alte Bock mit heruntergelassenen Hosen und wollte sich an Corinna sexuell vergehen. Ich sah Corinnas angsterfüllten und Hilfesuchenden Blick. Ich glaube ich rastete aus. Im nächsten Augenblick stand ich vor dem Typ. Alle meine Wut, mein Zorn, mein Schmerz und was sonst noch was legte ich in den einen Schlag, mitten in sein Gesicht. Thomas, ich bin weißlich nicht der Mensch der zu Gewalt neigt, doch in diesem Fall fielen alle meine Sicherungen aus. Er fiel um wie ein nasser Sack, ich schnappte mir Corinna und eine Jacke. Bevor ich die Tür hinter uns schloss, sagte ich noch, dass Du – Thomas – immer noch ein besserer Mensch bist als er. Einfach nur deswegen schon, weil Du die Menschen respektierst, so wie sie sind. »
« Alex, es tut mir Leid, dass Du wegen mir leiden musstest… »
« Thomas, vergiss das sofort wieder. Das Arschloch hat auch wegen nichts losgeprügelt, er suchte nur einen Grund und Du kamst ihm gelegen… Du hast mich nicht enttäuscht Thomas.» Alexander machte eine kleine Pause « Hast Du Corinnas Lachen gehört und ihre glänzenden, großen braunen Augen gesehen? Alleine deswegen konnte ich sie schon nicht im Stich lassen… »
« Thomas, ich habe physische Schmerzen, doch die sind nichtig, wenn ich nicht weiß, dass es Corinna gut geht und wo sie ist. »
Wie auf ein Stichwort öffnete sich die Tür und ein kleiner Wirbelwind stürmte mit einem lauten »Alex, Alex« hinein. Claudia und Hans folgten ihr. Corinna lief auf das Bett zu und erst als sie die Schläuche im Handgelenk sah, stoppte sie abrupt.
« Tut das weh Alex? » fragte sie ihren Bruder und zeigte mit ihren kleinen Fingern auf die Schläuche.
« Nein, das tut nicht weh, mein Hasel. Wie geht es Dir? »
« Mir geht es gut… » sie kletterte auf das Bett und setzte sich neben Alex hin. Dieser legte sein Arm auf ihren Schoss.
« …ich habe bei Hans und Thomas geschlafen. Wusstest Du das sie sich lieb haben? »
« Ja das weiß ich Connilein. »
« Hey ich bin nicht Connilein ich bin Corinna! » protestierte sie.
« Schon gut Corinna. »
« … dann habe ich mit Claudia heute Mittag Pudding gekocht… »
Leise verließen Claudia, Hans und ich das Zimmer. Die beiden sollte sich ungestört unterhalten können. Auf dem Flur nahm Hans mich in den Arm und knuddelte mich etwas.
« Habe dich vermisst Tommi. » flüsterte er mir ins Ohr.
« Ich dich auch Hans. » konnte ich noch sagen, bevor Hans mich küsste.
Ein leichtes Hüsteln unterbrach uns.
« Jungs, ich habe noch eine eigene Familie, um die ich mich kümmern muss. Corinna geht nachher mit Euch mit und sieht zu, dass sie heute Abend noch warm isst. Thomas, es wäre schön, wenn einer von euch beiden nachher noch zu uns hinunter kommen könnte. Dann besprechen wir den Tagesablauf. Ich denke mal, es ist auch in eurem Sinne, wenn wir uns gemeinsam um das Mädchen kümmern. »
« Alles klar Claudia. » meldetet sich Hans zu Wort. « Ich werde so gegen Acht bei euch sein. Geht das in Ordnung? »
« Ja, komm ruhig. So Jungs ich mach mich vom Acker. Oder wie pflegt ihr heutzutage zu sagen? » man merkte, dass Claudia mit Felix zusammen war. Humor hatte sie…
« Sollen wir wieder hinein? » Hans nickte mir zu.
Leise öffneten wir die Tür, Alexander sah uns nur kurz an und seine Augen leuchteten. Anscheinend hatten wir genau das richtige getan und Alex Vertrauen bestätigt. Doch eine gewisse Müdigkeit konnte der Junge im Bett auch nicht verbergen. Corinna erzählte und erzählte
« …ja und dann sind Claudia und ich Taxi gefahren. Das war lustig. Der Fahrer sagte immer Madame zu mir und hielt mir die Tür auf. Nachdem ich eingestiegen bin, schnallte er mich mit einem Gurt fest. An dem waren so Tiere aus ganz weichem Stoff befestigt. Der Taximann sagte, dass einer davon Benny hieß. Dieser Benny ein Schutzengel ist, der sich als ein Teddybär verkleidet hat und aufpasst, dass den Kindern nichts passiert… »
Ich musste bei dem Namen, an meinen kleinen Wichtelmann denken. Hans schaute zu mir hinüber und meine Augen wurden glasig. Benny, ich glaube das ist ein guter Name für einen Schutzengel… Leise trat mein Schatz zu mir und strich mir über den Kopf. Seine Berührungen taten mir in dem Augenblick gut.
Alexander und Corinna bekamen nichts davon mit, dass es mir nicht gut ging bei den Erinnerungen an Benny…
Nach einer weiteren halben Stunde waren alle Anwesenden im Bilde, wie aufregend ein Tag eines achtjährigen Mädchens sein kann. Alexander ging es aber mit jeder Minute besser. Nur wenn wir lachen mussten, holte ihn die Wirklichkeit ein. Dann hatte er wohl Schmerzen in der Brust.
Ich habe gar nicht so richtig mitbekommen, wie die Zeit verging. Denn plötzlich klopfte es an der Tür und Olaf trat ein. Hans fragte ob jemand einen Kakao trinken möchte und Corinna rief ganz laut »ich« und wieder mussten wir Lachen. Hans nahm sie an die Hand und verließ mit ihr das Zimmer.
« Alexander, ich möchte Dir Olaf Johannsen vorstellen. Er ist Rechtsanwalt der Stiftung. Wenn Du möchtest übernimmt er den juristischen Teil und vertritt Euch beide in Rechtsdingen. »
« Und wer bezahlt das? Ich bin nicht versichert ! »
« Alexander, ich darf Sie doch so nennen? Zum einen gibt es für diese Fälle staatliche Mittel und zum anderen, Thomas bat mich Ihren Fall zu übernehmen. Da ich bei der Stiftung zum Schutz von Kinder und Jugendlichen arbeite, liegt Ihr Fall auch satzungsgemäß im Aufgabengebiet der Organisation. Da entstehen für Sie keine Anwaltskosten. Ich habe mich heute Nachmittag schon etwas mit Ihrem Fall beschäftigt und ich bin froh, dass Thomas mich zu Rate gezogen hat. Ich werde alles tun, um Ihnen und Ihrer Schwester Corinna zu helfen. Ihre Eltern haben sich schon an einen Anwalt gewandt und so wie es aussieht, läuft die ganze Sache auf eine Schlammschlacht vor Gericht hinaus… »
« Halt! » rief Alexander dazwischen. Olaf und ich sahen uns an.
« Herr Johannsen, Thomas. Mir geht es in erster Linie um das Wohlergehen von Corinna. Ihr darf nichts passieren und ich möchte, dass meine Eltern dafür bestraft werden, für das, was sie uns angetan haben. Eine Frage: Bekommen sie es hin, dass Corinna und ich nicht getrennt werden? »
« Ja, das kann ich sogar versprechen. Ich habe schon mit dem Jugendamt gesprochen und da Sie schon volljährig sind, steht einem sozial betreuten Wohnen nichts mehr im Weg. »
« O.K., wo muss ich unterschreiben? »
Olaf öffnete seinen Altenkoffer und zog eine Akte hervor. Auf dem Umschlag stand Corinnas und Alexanders Name und ein Aktenzeichen. Dann hielt er ein Blatt in der Hand und gab es Alexander.
« Bitte lesen Sie es sich durch und Unterschreiben sie unten auf der Linie. » Olaf fügte eine Pause ein und sah Alexander zu wie er den Schreiber nahm und unterzeichnete.
« Wie geht es Ihnen jetzt? »
« Ich habe Kopfschmerzen und ich fühle mich erschöpft. »
« Dann machen wir für heute Schluss, Alexander. Noch eine Sache, ich habe zum Schutz ihrer Schwester eine zivil Beamtin der Polizei besorgt. Ich möchte nicht, dass ihr etwas zustößt. » Alex schnappte nach Luft und wollte etwas sagen, doch Olaf ließ ihn nicht zu Wort kommen. « Die Beamtin bleibt in der Nähe und im Hintergrund, so dass sie nichts davon mitbekommt. Sie sind hier im Krankenhaus sicher, Corinna aber nicht. Ich wünsche Ihnen gute Besserung und ich unterrichte sie regelmäßig über den Stand der Dinge. » Olaf verließ das Zimmer.
« Thomas ist der immer so? »
« Nein, Alex nicht immer. Heute war er sehr zurückhaltend. Falls es Dich interessiert, er hat mich nach meinem Rausschmiss vertreten und meine ehemaligen Erziehungsberechtigten hatten das nachsehen. Selbst die Gerichts- und seine Anwaltskosten mussten sie übernehmen. »
« Und warum tust Du das für mich, Thomas? »
« Du bist mein Freund. Reicht das? »
Die Tür öffnet sich und Hans, Corinna und Sebastian betraten das Zimmer. Der letzt genannte trug ein Tablett mit dem Abendessen hinein.
« So für heute ist die Besuchszeit zu Ende, der Patient braucht Ruhe und daher bitte ich Euch morgen wiederzukommen! »
Auch eine Art von, Rausschmiss, doch eine sehr angenehme. Ein Blick auf die Uhr sagte auch, dass es schon sehr spät geworden ist.
« Du hast es ja gehört, Connilein, ich muss jetzt Abendessen und anschließend soll ich schlafen. Kommst Du morgen wieder? »
« Ja, Alexander. Ich bin auch sehr müde. » An den Pfleger gewandt. « Darf ich morgen auch meine Schulsachen mitbringen, dann kann mir Alex ja dabei helfen? »
« Kein Problem, ich werde auch einen Tisch hineinstellen und einen Stuhl. Doch Alexander darf noch nicht aufstehen. Glaubst Du dass der Deal gilt? » Sebastian sprach mit Corinna, wobei er sich in die Hocke setzte, um genauso groß wie sie selber zu wirken.
« Ja, das geht in Ordnung. » dann drehte sie sich zu Alex um « Alex, was ist ein ‚Deal‘? »
« Das ist ein Handel. So ähnlich, wenn ich Dir nur dann eine Geschichte vorlese, nachdem Du dir die Zähne geputzt hast. »
« Ich verstehe, bis Morgen, Alex. » Dann kletterte sie noch einmal auf das Bett und gab ihrem Bruder einen Schmatz auf die Wange.
Corinna nahm Hans bei der Hand und zog ihn zur Tür.
« Alexander, wenn Du noch etwas brauchst oder wenn sonst noch etwas sein sollte, dann melde Dich einfach. »
« Tschüss ihr Beiden. » damit verließ ich das Krankenzimmer und traf auf die beiden anderen, die mich schon erwarteten.
Vor dem Krankenhaus hupte jemand und bald schon fuhr ein Auto langsam neben uns her. Sicherheitshalber nahm Hans Corinna bei Seite und ich drehte mich zu dem Auto um.
« Hi Mädel und Jungs, kann ich Euch mitnehmen. »
« Mensch, Felix, musst Du uns so erschrecken! » ich war schon sauer auf ihn.
« Keep cool, Thomas. » na es schien ihm auch gerade eingefallen zu sein, dass es – auf dieser Art – nicht die beste Idee gewesen ist.
« Aber wenn Du schon mal hier bist, ich denke wir sagen nicht nein. » dabei zwinkerte ich ihm zu.
« Hans, Corinna, steigt ein, Felix möchte Chauffeur spielen. »
Corinna stieg mit Hans in den Fond des Wagens ein, ich setzte mich auf den Beifahrersitz.
« Hallo, Onkel Doktor. Hast Du auch »Tatütata«? »
« Nein, Corinna… »
Im Wagen selber wurde noch etwas herumgeplänkelt und gealbert. Dann standen wir auch schon vor unserem Haus.
« Wir gehen schon mal hinein. Felix. Hans kommt so gegen neun! »
« Ja wir werden ihn erwarten. »
Corinna schien schon etwas müde, für sie muss es ein sehr anstrengender Tag gewesen sein. Hans nahm sie auf den Arm und sie klammerte sich an ihn. Meine Gedanken schwanden dahin. Vielleicht ist es ja mal möglich, das Hans und ich auch eine »Familie« bilden können…
« Träumer, schließt Du mal die Tür auf! » Hans grinste schon wieder von einem Ohr zum anderen.
« Was würde ich nur ohne Dich tun, Schatz? »
« Vielleicht vor eine geschlossene Tür laufen? »
« Ich mach ja schon, ich sehe ja gar nichts, ist das dunkel hier, welcher Schlüssel ist das denn jetzt. Ach, da ist er ja… »
« Warte einmal, Thomas… »
Mehr hörte ich nicht, ich spürte nur noch den elektrischen Schlag, dann wurde es dunkel…

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