Good bye Amerika – Teil 46

„He, was ist los mein Schatz?“, fragte Berry.

„Ach ich weiß auch nicht, du fehlst mir so unheimlich. Und jedes Mal muss ich jemanden fragen, ob er mich zu dir fährt.“

Berry zog mich zu sich ran und nahm mich so gut es ging in den Arm.

„Bin ja nur noch den einen Tag hier, dann darf ich wieder nach Hause.“

„Und dann? Wenn dir wirklich jemand einen Baseballschläger in die Speichen geworfen hat, kannst du da überhaupt noch vor die Tür?“

„Jetzt mach mal halb lang Tom. Er war reiner Zufall, dass um diese Zeit nach Hause fuhr. Niemand konnte das wissen. Also ist mir auch niemand aufgelauert!“

„Du hast ja Recht. Ich mach mir trotzdem Sorgen.“

„Ist lieb von dir Kleiner“, meinte Berry und wuschelte mir durch die Haare.

Ich seufzte.

„Du alter Mann“, kicherte Berry und mein Kopf wackelte auf seinem Brustkorb.

*-*-*

Ich saß auf meiner neuen Veranda hinter dem Haus, die nun fertig war. Der große Baum warf einen schönen Schatten, so war es jetzt um die Mittagszeit hier erträglich. Meine Gedanken hingen bei Berry, während ich meinen Blick über das Grundstück wanderte.

Das Gebell der Hunde ließ mich aus meinem Tagtraum erwachen. Abby kam mit zwei Eimern um die Ecke und lief auf das Gatter zu. Sie sah mich und lächelte mich an.

„Meinst du, du könntest dich von deinem Plätzchen trennen und mir etwas zur Hand zu gehen?“, fragte sie.

„Klar, bei was denn?“

„Unsere Patienten füttern.“

„Okay, wen du mir zeigst, wie man das macht.“

Ich legte mein Tagebuch zur Seite und lief die kleine Treppe hinunter zum Gatter. Abby hielt mir einen Eimer entgegen. Einkurzer Blick hinein, zeigte mir den Inhalt. Zwei Milchflaschen und jede Menge Obst.

„Wer bekommt denn hier Milchflaschen?“, fragte ich.

„Ein Findling und eine junge Koaladame.“

„Ihr habt hier Koalabären?“

„Nur das Jungtier, wurde uns von einem Touri gebracht. Sie werden es nie lernen, nicht in die Natur einzugreifen.“

„Was meinst du damit?“

Abby stellte vor dem Häuschen neben dem Stall ihren Eimer ab. Dann wandte sie sich zu mir.

„Weißt du, Griffith zieht sehr viele Wanderer an, weil ja die Berge in der Nähe sind. Finden sie bei der Gelegenheit ein Jungtier, so schleppen sie es gleich mit.“

„Ist es nicht besser, sie bringen es mit, bevor es verhungert?“

„Tom kann es auch sein, dass da ein Jungtier alleine sitzt, weil die Mutter gerade auf Futtersuche ist?“

„Ach so… daran habe ich gar nicht gedacht.“

„Und unsere Koaladame ist so ein Fall. Sie war viel zu gut genährt, als dass sich um ein verloren gegangenes Tier handelt.“

Ich folgte Abby in die Hütte und schloss hinter mir die Tür. Hier drinnen war ich noch nie und war erstaunt, wie geräumig alles war. Mehrere Boxen und Käfige reihten sich aneinander. Hier würde sich Berry bestimmt nicht rein trauen.

Aber da würde ich auch noch Abhilfe schaffen.

„Nimmst du die Flasche für die kleine Camilla?“, fragte Abby und riss mich aus den Gedanken.

„Camilla?“

Abby zeigte auf einen Laufstall, mitten im Gang. Ich nahm die Flaschen und lief hin. Als ich hineinsah, war da nur ein kleines Knäuel braunes Fell zu sehen.

„Was ist das?“, fragte ich.

„Camilla?“

Ich nickte.

„Ein Wombat.“

„Ein Was?“

„Ein Wombat, hast du noch nie davon gehört?“

„Nicht direkt…“

Hatte ich in Naturwissenschaften nicht aufgepasst?

„Du kannst ihn ruhig heraus nehmen. Er beißt nicht.“

Wär ja noch schöner. Also stellte ich die Flasche beiseite und bückte mich zu dieser Fellkugel hinunter. Als ich es berührte, zuckte es zusammen. Langsam kamen zwei Ohren zum Vorschein.

Wenig später auch noch zwei Augen, die mich ansahen. Vorsichtig griff ich unter das Tier und hob es hoch. Sofort spürte ich ein leichtes Zwicken an meiner Hand.

„Aua.“

„Was ist, hat sie dich gebissen?“

„Öhm… ich glaube nicht… irgendwas hat mich in den Unterarm gepiekst. Hat der Stacheln?“

„Nein, aber Krallen. Vor denen solltest du dich vielleicht in Acht nehmen.“

Der Wombat hatte sich inzwischen an mein Shirt gekuschelt.

„Und was mache ich jetzt?“

„Halte ihr einfach den Sauger vor den Mund, sie weiß schon wie das geht“, meinte Abby und verschwand in einer Box.

Wie Abby gesagt, hob ich der Kleinen den Sauger vor das Maul, was sich aber schnell als schwieriges Unterfangen erwies. Camilla vergrub ihr Gesicht in meinem Arm. Nur mit Mühe konnte ich es wieder nach oben drücken.

Als sie aber den Sauger vor sich sah, begann sie gierig zu nuckeln. Irgendwie fand ich die Kleine süß.

„Und? Trinkt sie?“, hörte ich Abby rufen.

„Ja und das sehr gierig.“

Abby kam aus der Box wieder heraus.

„Wenn sie die Flasche leer hat, setzt sie einfach wieder in den Laufstall.“

„Okay.“

Fasziniert starrte ich auf dieses Wombatbaby, wie Millimeter für Millimeter der Flasche sich leerte.

*-*-*

Eine ganze Stunde verbrachte ich mit Abby meine Zeit im Stall.

„Soll ich dir noch in der Praxis helfen?“, fragte ich.

„Nein danke Tom. Du hast mir schon genug geholfen. Was macht eigentlich dein Schlangenbiss, ist alles schön verheilt?“

An den hatte ich schon lange nicht mehr gedacht. Ich schaute auf mein Bein hinunter und außer zwei kleinen Punkten konnte man nichts mehr sehn.

„Sieht gut aus, die werden auch noch verschwinden“, meinte Aby neben mir, „so ich geh dann rein. Hast du Lust mit mir nachher einen Kaffee zu trinken?“

Ja, klar“, meinte ich und lächelte.

Sie wuschelte mir kurz über den Kopf und verschwand dann mit ihren zwei Eimern. Ich lief die drei Stufen zu meiner Veranda hinauf und wollte es mir wieder auf meiner Bank bequem machen.

Nanu, wo war denn mein Tagebuch. Der Stift lag noch auf der Bank, aber das Buch war weg. Ich bückte mich und sah unter die Bank, vielleicht war es ja herunter gefallen. Aber auch dort lag es nicht.

„Suchst du das?“

Ich fuhr hoch und knallte mit dem Kopf gegen die Latten der Bank.“

„Scheiße!“, schrie ich und hob mir den Hinterkopf.

„Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken…“

Kopf reibend drehte ich mich um, damit ich sehen konnte wer der Übeltäter war. Als ich meine 180 Grad beendet hatte, traute ich meinen Augen nicht. Da stand doch tatsächlich Joshua, mit meinem Tagebuch in der Hand.

Joshua lächelte mich an. Mir war nicht nach lächeln zu mute. Erstens tat mein Kopf weh und zweites hatte er mein Tagebuch, dass ihn absolut nichts anging.

„Hättest du vielleicht die Güte mir zu sagen, was du mit meinem Tagebuch vor hast?“, sagte ich kühl.

Sauer lief ich die Stufen hinunter in den Garten, bis ich vor Joshua mich aufgebaut hatte und ihm das Tagebuch aus der Hand zog.

„Du schreibst Tagebuch?“

„Das kann dir ja wohl egal sein, oder?“, meinte ich und drehte mich auf der Stelle wieder um.

„Tom, warum bist du auf einmal sauer? Ich hab da nicht rein geschaut, falls du das glaubst.“

Gerade als ich wütend was entgegnen wollte, bogen Lesley und Molly um die Ecke. Beide blieben abrupt stehen und schauten uns verwundert an.

„Was ist den hier los?“, fragte Molly.

„Tom ist sauer auf mich, weil ich sein Buch hatte“, erklärte Joshua.

„Ich habe dir gleich gesagt, lass es liegen“, kam es von Molly.

Ohne einen Ton zu sagen holte ich noch den Stift und betrat mein Zimmer wieder.

„Tom, jetzt warte doch!“, hörte ich Lesley rufen.

Die Tür hinter mir ging auf, Lesley war mir gefolgt.

„Tom, er hat es bestimmt nicht böse gemeint. Es ist doch nur ein Buch…“

„Es ist mein Tagebuch, das geht ihn wohl nichts, oder?“, giftete ich nun auch Lesley an.

„Dein Tagebuch? Davon wusste ich nichts… tut mir Leid.“

Ich warf es aufs Bett, verschränkte meine Arme vor der Brust und schaute Lesley stinkig an.

„Er hat sicherlich nicht drin gelesen, wir sind doch erst gekommen. Josh hatte da gar keine Zeit für. Komm Tom, bitte… nicht mehr sauer sein. Okay?“

Er kam auf mich zu und legte seine Hand auf meine Schulter. Dann schaute er so treudoof und trollig aus den Augen, dass ich nicht anders konnte, als zu lächeln.

„So gefällst du mir schon besser“, sagte Lesley und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

Erstaunt sah ich ihn an.

„Was denn?“, kam es von Lesley.

Ich verließ meine Trotzhaltung und strich mir über die Wange, die eben noch von Lesleys Lippen berührt worden waren.

„Für was war der?“, fragte ich immer noch etwas verwirrt.

„Einfach so! Du bist ja so etwas wie mein Schwager könnte man sagen oder? Also gehörst du zur Familie und Familie begrüßt man mit einem Kuss.“

„Aha…“

Die Tür ging auf und Molly kam in Sicht. Dicht hinter hier stand Joshua, der aber nicht mein Zimmer betrat.

„Ist jetzt alles geklärt?“, fragte sie.

„Ja, antwortete Lesley, bevor ich etwas sagen konnte.

Molly drehte sich um, griff nach Joshuas Hand und zog ihn herein. Schüchtern folgte er dieser Aufforderung.

„Tut mir… Leid, Tom… wirklich!“, sagte Joshua leise.

Ich atmete tief durch. Und schaute Joshua an. Sein Gesicht schien traurig, aber seine Augen sagten etwas anderes. Sie funkelten mich regelrecht an. Er hob seine Hand und streckte sie mir entgegen.

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