Liebe auf den ersten Klick – Teil 2

Pünktlich gegen fünf Uhr traf ich wieder bei Riley ein. Im Gegensatz zum Morgen entledigte ich meines Mantels nicht vorne im Laden sondern hinten, in kleinen Raum fürs Personal. Ich entnahm alles aus den Taschen.

Sicher war sicher! Die kleine Einwegkamera befand sich immer noch in der Tasche. Auf dem Nachhauseweg hatte ich sie längst wieder vergessen. Ich nahm sie mit meinen Schlüsseln und den anderen Sachen mit nach vorne und legte sie ins Regal.

„Kannst du für Tisch vier, zwei Bier heraus lassen?“, fragte mich Riley.

„Schon in Arbeit.“

Ich begab mich an die Zapfanlage und begann die zwei Gläser zu befüllen.

„Willst du Fotos vom Laden machen?“, fragte Riley plötzlich.

„Bitte was?“

Er hob mir die Einwegkamera unter die Nase.

„Ach so die, nein die habe ich gefunden.“

„Gefunden?“

„Ja, heute Morgen, als ich…“

Ich hielt inne. Mittlerweile war das zweite Glas befüllt und ich stellte beide auf ein Tablett auf der Theke.

„Als du was?“, hackte Riley nach.

„Ach ich bin mit jemand zusammengestoßen, besser gesagt, er hat mich über den Haufen gerannt.“

„… er, davon hast du mir gar nichts erzählt.“

Ich nahm ihm die Kamera aus der Hand und legte sie zurück zu meinen Sachen.

„Ist auch nicht so interessant.“

Riley sah mich durchdringend an. Ich wusste, dass er leider nicht locker ließ.

„Jack Colborn, du verschweigst mir doch irgendetwas.“

„Was soll ich dir verschweigen? Auf dem Weg hier her ist er aus dem Carluccio Interieur gestürmt und hat mich über den Haufen gerannt. Dabei hat er seine Einkäufe verloren, die ich ihm netterweise half aufzuheben. Danach stieg er ins Taxi und war nie wieder gesehen.“

„Und die Kamera?“

„Hat er wohl verloren.“

„Und du weißt nicht wer er war?“

„Nein…“

„Also kannst du sie nicht zurück geben?“

„Nein…“

„Und warum behältst du sie dann?“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Sah er wenigstens gut aus?“

„… öhm ja.“

Wieder träumte ich von diesen blauen Augen.

„Na ja, wenn auch die geringste Möglichkeit bestehen würde ihn wieder zu treffen, er ist sicher nicht schwul.“

„… öhm doch.“

„Du hast gesagt du kennst ihn nicht, wie weißt du dann dass er schwul ist, oder seit wann funktioniert dein Gaydar?“

Ich wischte über die Theke.

„So etwas hatte ich nie…, er hatte einen Regenbogensticker am Kragen.“

„Aha…“, meinte Riley und nahm erneut die Kamera aus dem Regal und schaute sie genauer an.

„Da sind alle Bilder verknipst…“

„Das habe ich schon selbst gesehen.“

„Wieso lässt du die Bilder nicht entwickeln?“

„Wieso sollte ich das? Das ist fremdes Eigentum…“

„Dass du wahrscheinlich nie zurück geben kannst. Scheint ein interessanter Mann zu sein und er hat einen guten Geschmack.“

„Wie kommst du jetzt darauf?“

Georg kam an die Theke.

„Wenn einer im Carluccio Interieur einkaufen geht, dann hat er guten Geschmack!“, beantwortete Riley meine Frage.

„Einmal Nudeln Nr. 7 und Pizza mit Fisch“, sagte Georg und steckte seinen Zettel auf die Pinnadel für Bestellungen.

„Kommt sofort“, meinte Riley und legte die Kamera ins Regal zurück.

„Oh Chef, willst du Bilder machen?“, fragte Georg und zupfte in seinem wirren Haar herum.

„Nein, die gehört Jack.“

„Und was will er damit?“

„Du musst nicht alles wissen“, sagte ich zu ihm, bevor Riley antworten konnte.

Etwas eingeschnappt verzog er sich wieder in den Gastraum.

„Lass sie entwickeln…“, meinte Riley, als er in Küche entschwand.

„… was?“, fragte ich ihm folgend.

Er blieb stehen und drehte sich um.

„Jack, wie lange kennen wir uns?“

Ich überlegte kurz.

„… so sieben Jahre denke ich.“

„Genau…, sieben Jahre in denen ich dich gut kennen gelernt habe und ich sehe du hast Interesse an diesem Mann.“

„Wie kommst du jetzt darauf?“

„Komm, gib es zu, du schaust genauso komisch, als du damals James kennen gelernt hast.“

James. Schon wieder.

„Ach, das bildest du dir ein.“

„Du hast selbst gesagt, er sieht gut aus.“

„… ja seine blauen Augen…“

„Siehst du, wenn dich seine Augen schon gefangen nehmen…“

„Blödsinn!“, meinte ich und lief wieder nach vorne.

Circa zehn Minuten später kam auch Riley zurück, zwei Teller in der Hand, die er auf die Theke stellte und auf die Glocke schlug. Georg war sofort zur Stelle und nahm die Teller entgegen.

„Morgen gehst du zu Evelin hinüber und gibst die Kamera ab. Wäre doch gelacht, wenn da nicht ein paar interessante Bilder dabei wären.“

So bestimmend hatte ich Riley schon lange nicht mehr erlebt. Weitere Gäste betraten den Laden und spätestens bei der ersten Bestellung hatte ich die Unterhaltung vergessen.

*-*-*

„Buh endlich geschafft“, meinte Riley und schloss die Ladentür ab. Ich trocknete gerade den letzten Korb Gläser ab.

„Trinkst du noch einen mit mir?“, fragte Riley und ließ sich auf einen der Hocker nieder.

„Und was wünscht der Herr?“

„Einen Rotwein.“

Ich stellte zwei Gläser auf die Theke und nahm eine Flasche des Hausweins.

„Nicht den…, nimm einen von den Chateau Vieux Prezat Medoc.“

„Das ist eine Flasche für fast sechzehn Pfund“, merkte ich an.

„Na und? Mir gehört der Laden, also kann ich auch trinken, was ich möchte.

So öffnete ich nach seinem Wunsch einer dieser Rotweinflaschen und goss jeweils die Gläser halb voll.

„Er kauft also Geschenke im Carluccio Interieur?“

Jetzt fing er wieder davon an.

„… also hat er einen guten Geschmack und Geld…, der Laden ist nicht billig.“

Genervt nahm ich mein Glas in die Hand und wollte davon trinken.

„Halt, lass ihn noch ein wenig atmen…“

„Hä?“

„Du sollst den Wein noch etwas atmen lassen, dass er sich besser entfalten kann.“

„Ach so, du meinst den Wein.“

Ich stellte das Glas wieder ab.

„Wie groß ist er?“

Ich atmete tief durch und rieb mir durchs Gesicht.

„Ungefähr so groß wie ich…“

„Was hatte er an?“

„Wird das jetzt ein Verhör, oder was?“

„Ich will nur wissen, wie genau du ihn dir angeschaut hast.“

„Was soll das bringen?“

„Damit sehe ich, wie hoch dein Interesse an diesem Mann ist.“

Ich verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Gegen Rileys Anweisung nahm ich wieder mein Glas, ließ den Wein eine kurze Drehung vollführen, roch kurz daran, bevor ich einen kleinen Schluck davon nahm.

Etwas zu trocken für meinen Geschmack, aber zu einem Essen würde er gut passen. Erst jetzt sah ich, wie mich Riley fixierte.

„Was?“

„Dich hat es erwischt!“

„Quatsch, ich habe den Mann vielleicht gerade eine Minute vor mir gehabt.“

„Hast du schon mal was von Liebe auf den ersten Blick gehört?“

„Riley, dass sind Ammenmärchen, so etwas gibt es nicht.“

„Jack, jetzt lass doch deiner Fantasie mal freien Lauf.“

„Was hat meine Fantasie damit zu tun?“

„Denk doch mal nach. Meinst du nicht, wenn er schon im Carluccio Interieur verkehrt, dass er nicht auch in anderen Läden hier in dieser Gegend einkauft, oder gar im Covent Garden?“

„Weißt du wie viele Menschen täglich den Covent Garden durchlaufen? Das wäre ja wie eine Nadel im Heuhaufen zu suchen.“

Wieder nippte ich an meinem Wein, Riley tat es mir nach.

„Immer noch diesen interessanten Geschmack, als ich ihn damals verköstigte.“

Er redete so, als wäre schon Jahre her. Dabei war es nicht mal zwei Wochen her, als der Vertreter ihm diesen Wein aufschwatzte. Gut in diesem Bistro verkehrte viel Kundschaft, die diesen Wein auch trank, das nötige Kleingeld dafür hatte, aber ich hielt es für übertrieben.

„Ich werde mich so langsam auf den Heimweg machen, ich werde müde“, meinte ich.

„Gut, sehen wir uns morgen zum Frühstück wieder?“

„Sicher.“

*-*-*

Als ich das Covent Garden verließ, waren die Straßen davor wie leer gefegt. Einzig die Straße vor dem Royal Opern Haus war belebt. Es wurde zurzeit diese deutsche Wagneroper Siegfried gegeben und sollte gut sein.

Die Vorstellung schien fertig zu sein, denn es strömten viele Menschen aus dem Haus. Ich lief auf der anderen Straßenseite und beobachtete das Treiben. Jede Menge Taxis standen vor dem Haus und füllten sich.

Plötzlich blieb ich stehen und schaute genauer hin. Da war er. Elegant gekleidet inmitten einer kleinen heiteren Runde.

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