Liebe auf den ersten Klick – Teil 4

Mutter fuhr mit ihrem Taxi davon und ich stand immer noch vor dem Restaurant. Wie viel Zufälle sollte es eigentlich geben. Es war nun das dritte Mal, das ER mir über den Weg lief. Er war schnell wieder verschwunden.

Er musste aus dieser Gegend sein, nur, warum war er mir vorher nicht aufgefallen. Gedankenversunken machte ich mich auf den Weg nach Hause.

*-*-*

„Das dritte Mal?“, fragte mich Riley, nachdem er mir meinen Tee serviert hatte.

„Ja.“

„Der ist eindeutig von hier. Auf den Bilder war ja niemand zu sehen, sonst wüsste ich vielleicht, wer es ist.“

Stimmt, ich hatte mir vor dem Zubett gehen, die Bilder kurz angeschaut. Es waren ausschließlich Bilder, mit Häusern und Landschaften.

„Ist ja auch egal“, meinte ich und biss von meinem Toast ab.

„Nichts ist egal, dass ist Schicksal, du sollst ihn sicher kennen lernen!“

„Riley, ich glaube nicht an so einen Kram.“

„Papperlapapp! Jeder Mensch hat ein Schicksal.“

„Woher hast du diese Weisheit?“, fragte ich amüsiert.

„Meine Nachbarin, Koe-Jeng, hat mir das gesagt.“

„Ach so. Woher weiß die das?“

„Ich habe dir doch erzählt, sie hat so einen kleinen Esoterikladen in der Boswell Street.“

Esoterik! Noch ein Thema, auf das Riley voll abfuhr.

„Sie hat mir beigebracht, dass jedes Leben vorbestimmt ist und man sich seinem Schicksal ergeben soll.“

„Aha. Und welches Schicksal hat sie dir vorausgesagt?“

„So etwas macht sie nicht.“

„Nicht? Sie hätte dich vor dem Schicksal deines Geldverlustes vorwarnen können!“

Riley schaute mich kurz böse an.

„Sie kann keine Zukunft voraussehen. Sie ist keine Hellseherin.“

Ich schob das letzte Stück Toast in meinem Mund und wischte meinen Mund mit der Serviette ab.

„Sie hat zu mir gesagt, dass zwischen allen Teilen der sichtbaren Welt und allen Teilen der unsichtbaren Welt und umgekehrt existieren symbolische oder reale Verbindungen. Diese Verbindungen können durch den Menschen erkannt, gedeutet und benutzt werden.“

Hatte er das auswendig gelernt?

„Und du hast diesen Mann nun dreimal hinter einander gesehen. Das ist ein deutliches Zeichen!“

„Zeichen?“, fragte ich, mich beherrschend nicht loszulachen.

„Ja, dass du ihn kennen lernen sollst.“

„Aha.“

Darauf wusste ich nichts zu sagen. Sichtbare und unsichtbare Welt? Was für ein Blödsinn. Ich glaubte nur an das, was ich sah.

„Guten Morgen“, schalte es von der Eingangstür.

Ich sah nach vorne und nahm wahr, dass Isaac den Laden betreten hatte.

„Morgen Isaac“, sagten Riley und ich fast gleichzeitig.

Isaac. Das Energiebündel schlecht hin. Wie immer setzte er sich direkt neben mich und nahm die Tageszeitung in die Hand.

„Das Übliche?“, fragte Riley.

„Ja!“, antwortete Isaac und ließ die Zeitung wieder sinken, schaute mich an.

„Was macht die englische Esskultur?“

„Sie lebt!“, antworte ich, während Riley kurz in der Küche verschwand.

Isaac schob den Ärmel seines Hemdes ein wenig nach oben und schaute auf die Uhr.

„Bah, schon wieder so spät, ich habe nachher noch einen Termin mit einem Mandanten.“

Isaac war Vollblutanwalt. Nicht dass er über fehlende Freizeit klagen könnte, aber wenn er einen Fall hatte, fehlte ihm immer Zeit.

„Ein neuer Fall?“

„Ja“, antwortete er, „ein Händler will seine eigene Frau auf Schadensersatz verklagen.“

„Was hat sie denn gemacht?“

„Sie hat beim Rückwärts einparken vor dem Haus, den Familien eigenen Hund überfahren.“

Ich konnte nicht anders und fing an zu Lachen.

„Das ist nicht zu Lachen, das arme Tier.“

„Entschuldige.“

Ich versuchte mich zusammen zu reisen.

„Wo findest du immer so verrückte Mandanten?“

„Wieso verrückt?“

Riley kam zurück und stellte Isaac einen Teller mit Rührei und Speck hin.

„Komm Isaac, dass hat sie doch sicher nicht mit Absicht gemacht.“

„Was?“, fragte Riley.

„Isaacs Mandant, dessen Frau hat den Familienhund beim Einparken überfahren und der Ehemann klagt jetzt auf Schadensersatz.“

Riley sah mich zweifelnd an.

„Schicksal…“, gab er nur von sich und wandte sich wieder der Kaffeemaschine zu.

Ich konnte nicht anders und fing wieder an zu lachen. Vielleicht hatte die Frau aus der unsichtbaren Welt ein Zeichen bekommen, genau an dieser Stelle zu parken.

„Ach Isaac, habe ich dir noch gar nicht erzählt, Jack hat jemand Neues kennen gelernt“, änderte Riley abrupt das Gespräch und meine Laune fiel ins Bodenlose.

„Echt? Davon weiß ich ja noch gar nichts“, meinte Isaac mit vollem Mund in meine Richtung.

„Davon kannst du auch nicht wissen, weil es gar nicht wahr ist“, widersprach ich und trank meinen Tee leer.

„Aber Riley sagte doch gerade…“

„Ich bin einem Mann drei Mal begegnet…, wohl bemerkt begegnet! Mehr nicht.“

„Wie begegnet“, harkte Isaac nach.

Bevor ich antworten konnte, drehte Riley sich um und stellte sich dichter an Isaac.

„Das erste Treffen war vor dem Carluccio Interieur, da hat der Typ ihn schlichtweg über den Haufen gerannt.“

Carluccio Interieur? Cooler Laden, aber etwas teuer.“

„Das zeigt ja, dass er Geschmack hat und dann hat ihn Jack bei der Royal Opera gesehen, da läuft gerade Wagners Siegfried.“

„Entschuldige, ich habe den neuen Spielplan noch nicht studiert, aber ich hörte, die neue Aufführung soll ein voller Erfolg sein.“

Die beiden unterhielten sich, als wäre ich gar nicht vorhanden.

„Und gestern, als Jack mit seiner Mutter essen war, ist er auch in dem Restaurant aufgetaucht.“

„Und wie heißt er?“

„Woher soll ich das wissen?“, gab ich nun ärgerlich von mir, „er ist mir drei Mal zufällig begegnet.“

„Zufällig?“, fragte Isaac, „komm Jack, dass ist doch kein Zufall.“

„Jetzt fang du nicht auch noch an.“

„Er hat sogar Bilder von ihm“, warf Riley ein.

„Bilder? Zeig her.“

Genervt schloss ich die Augen und atmete tief durch.

„Keine Bilder von ihm. Als ich mit ihm zusammen gestoßen bin, hat er eine Einwegkamera verloren.“

„Und du hast die Bilder entwickeln lassen?“

„Ja.“

„Das ist privates Eigentum, das kann Ärger geben…, du hättest ihm die zurück geben sollen!“

Da brach der Anwalt durch.

„Wie denn?“, fragte ich genervt.

„Du hast ihn doch noch zweimal gesehen!“

„Isaac, wie gesagt, das war rein zufällig, er stand auch nicht direkt neben mir. Und an die Bilder habe ich da auch nicht gedacht, nur…“

„Nur? An was?“

„Der Typ ist schwul“, sagte Riley.

„Woher wisst ihr das, ich denke er hat ihn nur gesehen?“

Ich gab es auf.

*-*-*

Ich hatte mir einige Naturalien besorgt und stand nun vor meiner Wohnungstür, die ich gerade aufschloss. Isaac hatte sich die Bilder angeschaut und meinte, dass das eine ein Haus am Bedfore Place zeigte.

Was für ein Haus es war, konnte er mir natürlich nicht sagen. Ich schloss hinter mir die Tür und stellte meine Einkäufe auf der Kommode ab. Ich entledigte mich meines Mantels und meiner Schuhe.

Danach betrat ich die Küche und verstaute die Lebensmittel im Kühlschrank. Ich ging zurück in den Flur und zog den Bilderumschlag aus der Manteltasche. Schnell war das betreffende Bild gefunden.

Das Haus musste doch zu finden sein. Ich schaute den Flur entlang. Quatsch! Was machte ich hier? Das war doch kindisch. Ich wollte das Bild schon zurück in den Umschlag stecken, als ich inne hielt. Und wenn ich ihn dort wieder traf?

Fünf Minuten später war ich wieder auf der Straße. Bis zum Bedfore Place waren es ungefähr zehn Gehminuten. Die Kälte hatte angezogen, ich zog meinen Kragen nach oben. Es wurde gemeldet, das man bald mit Schnee rechnete.

Wenig später öffnete sich die Häuserschlucht zu einer freien Wiese. Bedfore Place. Ich griff in meine Manteltasche und zog das Bild heraus. Dann hob ich es in die Höhe und verglich es mit der Umgebung.

Plötzlich verharrte ich. Das könnte es sein. Es war nicht ein einzelne Haus, sondern ein Anbau des britischen Museums in London. Ich steckte das Bild weg und lief darauf zu. Ich wusste nicht, was ich mir erhoffte.

Vor dem Haus blieb ich stehen und lass die Informationstafel. Die Kunst der chinesischen Dichtungen, Diskussionsrunde mit Keeper Jan Stuart. Chinesische Dichtung, eigentlich überhaupt nicht mein Interessensgebiet.

Er, das große Fragezeichen, schien sich aber dafür zu interessieren, sonst hätte er nicht ein Bild von diesem Ort gemacht. Oder war er vielleicht dieser Jan Stuart? Ich griff nach der Türklinke, aber die Tür war verschlossen.

Was machte ich hier? Es war kalt und ich fror. So beschloss ich zurück zu laufen. Irgendwie war mir das jetzt peinlich. Ich hatte die Great Russel Street hinter mir gelassen und sah schon den großen Bloomsbury Way, als mir plötzlich etwas auffiel.

Die Auslage des London Review Cake Shop kam mir bekannt vor. Ich zog die Bilder heraus und schaute die Bilder durch. Da! Ich hob das Bild hoch. Es zeigte fast das gleiche Fenster wie vor dem ich stand.

Nur das die Auslage mit anderen Kuchen bestückt war. Wieder überzog  mich eine Gänsehaut auf dem Rücken und so beschloss ich, den Laden zu betreten und einen wärmenden Tee zu mir zu nehmen.

Ich hielt kurz inne. Dies war nicht nur ein normaler Bäckerladen, sondern gleichzeitig anscheinend auch ein Bücherladen. Ich hatte schon davon gehört, war aber noch nie hier gewesen.

Auch wurden nicht nur Kuchen und Gebäck angeboten, sondern auch Sandwiches, Eintöpfe und frische Salate. Ich nahm ein Sandwich und einen köstlich riechenden Weihnachtstee. Dann setzte ich mich in den Teil des Ladens, wo in vielen Regalen Bücher ausgestellt waren und Zeitschriften.

Ich nippte kurz am Tee, der so gut schmeckte, wie er roch und bis vom Sandwich ab. Mein Blick wanderte über die Regale. Dazwischen hingen Bilder von irgendwelchen Leuten, die hier schon gewesen waren.

An einem Bild blieb mein Blick haften. Ein süßer Typ mit strahlenden Augen und einer Zeitschrift in der Hand. Er!

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