Ich schloss die Tür meiner Wohnung und atmete tief durch. Ich hatte James noch heim gebracht und jetzt ein schlechtes Gewissen ihn in diesem Zustand alleine gelassen zu haben. Warum ich ein schlechtes Gewissen habe?
Ich habe mich vielleicht auf den letzten Seiten etwas falsch dargestellt. Vielleicht bin ich im Beruf sarkastisch und kalt schnäutzig, aber im Privatleben, sicher nicht. Wenn jemand Hilfe braucht bin ich sicherlich der Letzte der nein sagen würde.
Ja ich weiß, ich brauche mich nicht zu erklären, aber trotzdem will ich diesen Punkt klarstellen. Auch wenn ich für James nichts mehr empfinde, tut er mir unwahrscheinlich Leid an so ein Arschloch geraten zu sein.
Aber Oliver jetzt die Fresse zu polieren, wäre natürlich auch der falsche Weg, dass wäre dann sein Niveau und auch sicherlich nicht mein Ding. Aber helfen musste ich James trotzdem irgendwie.
Ich entledigte mich meines Mantels an der Garderobe und zog meine Schuhe aus. Im Gedanken lief ich in mein Wohnzimmer, wo mein Blick an meiner Pinnwand hängen blieb. Mr. Smith prangte mir entgegen.
Sollte ich ihn auf Eis setzten und mich wichtigeren Dingen widmen? Eine Liebe war oder ist aber auch wichtig! Ich meine es geht schließlich um meine Zukunft, oder? Immer dieser Zweifel. Meine Blicke wanderten über die Fotografien.
Halt, was war das? Dieses Logo kannte ich woher. Ich hatte es schon gesehen, aber wo? Gedankenverloren lief ich an meinen Schrank und zog meine Sammlung von Visitenkarten, die sich in Laufe meines Berufes als Schreiberling vermehrt hatten.
McQ? Ich fuhr meinen PC hoch und gab die drei Buchstaben ein. Alexander Mc Queen, genau! Der Londoner Modedesigner, der sich vor zwei Jahren das Leben genommen hatte. Sein Unternehmen wurde trotzdem weiter geführt.
Ich konnte mich nur ungenau erinnern, aber ich hatte die Visitenkarte aufgehoben, weil Mc Queen schwul war und das offen. Er hatte einen Filmemacher namens George Forsyth geheiratet, aber nach einem Jahr wieder getrennt.
Sein Selbstmord wurde auf seine starke Depressionen zurückgeführt und er wurde ein Tag vor der Beerdigung seiner Mutter gefunden, die bis dahin als seine beste Freundin und engste Beraterin galt.
Die royale Kate, Williams Frau hatte auch nach seinem Tod an seinem Kleidungsstil festgehalten, wovon die Firma nur profitierte. Ich ging auf dessen Homepage und war über den Kleidungsstil angenehm überrascht.
Die Sachen für Männer sahen luxuriös aus, aber nicht irgendwie steif und in meinem Kopf begann es sich vorzustellen, wie wohl Mr. Smith in diesen Klamotten aussehen würde. Ob er so etwas auch privat gut.
Es war spät geworden und so beschloss ich ins Bett zu gehen. Morgen wollte ich weiter forschen, ob ich etwas über ein Bild herausfand.
*-*-*
Wie jeden Morgen saß ich wieder bei Riley und frühstückte. Riley selbst war heute nicht so gesprächsvoll wie sonst, so konnte ich in Ruhe mein Frühstück genießen. Isaak kam herein und grüßte uns.
„Du Jack, ich glaube ich habe zwei deiner Bilder enträtselt.“
„Ja?“
Fast wie selbstverständlich umrundete er die Theke und gesellte sich zu Riley.
„Oh, da hängt ja schon ein Zettel.“
Er zeigte auf das Bild mit dem Logo, dass ich abends zuvor schon gelöst hatte.
„Das habe ich gestern Abend entdeckt.“
„Okay, aber das andere hast du noch nicht.“
Er zog die Pinnnadel heraus und trat zu mir. Riley widmete dem keine große Aufmerksamkeit, denn er hing über seiner Kasse und dies konnte dauern.
„Das ist das Friendship House an der King James Street.“
Im südlichen Teil von London?
„Ein Hotel?“
„So in der Art, gut geeignet die nur kurz in London verweilten.“
Wohnte er gar nicht in London und kam immer dort unter, wenn er in London war?
„Hm, damit kann ich jetzt gar nichts anfangen.“
Isaak brachte das Bild zurück, nahm einen Notizzettel, beschriftete ihn und hängte ihm zu dem Bild.
„Riley?“
„Hm?“
„Könnte ich ein Frühstück haben?“
„Gleich… Moment…“
Isaak sah mich fragend an und ich zuckte mit den Schultern. Er verließ Riley und umrundete die Theke wieder und setzte sich dann neben mich. Ich schaute in den Gastraum, wo sich Georg mit zwei Gästen an einem Tisch unterhielt.
Es war halb gefüllt wie immer. Riley tippte noch etwas in die Kasse ein.
„So fertig, du wolltest ein Frühstück?“
Issak nickte.
„Okay… Kaffee oder Tee?“
„Kaffee…“
Riley richtete den Kaffee, während er mich plötzlich ansprach.
„Hast du James eigentlich noch nach Hause gebracht?“
Isaak sah mich verwundert an.
„Klar, ich konnte ihn ja so nicht alleine nach Hause lassen.“
„Du und James?“, kam es von Isaak.
„Nein, du verstehst das falsch. James hat mir gestern lediglich sein Herz ausgeschüttet und ich wollte ihn in der Verfassung nicht alleine nach Hause lassen.“
Riley kam zu uns und stellte Isaak die Tasse Kaffee hin.
„Stell dir vor, unser Oliver ist ein kleiner Prügelknabe.“
Isaak sah mich fassungslos mit offenstehendem Mund an, während ich genervt nickte, weil Riley wieder zum Plappermaul mutierte.
„Er hat James geschlagen?“
„Geohrfeigt!“, meinte Riley und verschwand in die Küche.
„Das fass ich nicht. Er gilt doch immer als so nett und zu vorkommend.“
„Eher jähzornig und unberechenbar“, meinte ich und trank von meinem Tee.
„Das muss ich jetzt erst Mal verarbeiten.“
„So ging es mir gestern Abend genauso.“
„Der arme James. Aber dass er gerade zu dir kam.“
„Wieso denn? Zudem kam er nicht zu mir, ich habe ihn nur hier angetroffen und wir kamen ins Gespräch.“
„Aha.“
Wie sollte ich dieses Aha jetzt bewerten?“
Riley kam mit dem Frühstück zurück, während Georg eine neue Bestellung aufgab. Sein Chef nickte und machte sich an die Arbeit.
„Hast du dir eigentlich schon überlegt, was du machst, wenn du herausgefunden hast wo Mr. Smith wohnt und richtig heißt?“
„Er heißt Mr. Smith.“
Ich meine seine Vornamen.“
Wieder zuckte ich mit den Schultern. Isaak biss in seinen Tost, während er wieder zu der Bilderwand schaute. Plötzlich grinste er.
„Was?“
„Das ist wie ein Adventskalender. Vierundzwanzig Bilder und jedes eine Überraschung.“
Damit hatte er Recht. Von diesem Standpunkte hatte ich es noch gar nicht betrachtet. Aber wenn die Hinweise weiter so schleppend das Tageslicht erreichten, würde ich bis zum Vierundzwanzigsten das Rätsel um Mr. Smith nicht gelöst bekommen.
*-*-*
Nach dem Frühstück machte ich mich in die Südstadt auf und kam nach mehrfachem Umsteigen in der King James Road an. Das Friendship House war schnell gefunden und so betrat ich es.
Ein junger Mann saß an der Rezeption und lass etwas.
„Guten Morgen“, sagte ich und machte so auf mich aufmerksam.
„Guten Morgen, was kann ich für sie tun.“
„Ähm… ich möchte einen Freund besuchen.“
„Wie heißt er denn?“, meinte mein Gegenüber.
„Smith…“
Er tippte etwas auf der Tastatur.
„Im Augenblick haben wir vier Smith im Haus, könnten sie mir den Vornamen sagen.“
Mist! Ich zog mein Handy hervor.
„Oh, ich sehe gerade, dass meine Anwesenheit woanders gewünscht. Danke für die Information.“
„Nichts zu Danken, noch einen schönen Tag!“
Ich nickte und verließ das Haus. Wieder eine Sackgasse! Ob es einen Laden von Alexander Mc Queen in London gab, bisher hatte ich nur die Onlinepräsents entdeckt. Doch ich wusste, dass in der Nähe vom Covent Garden sich ein Geschäft befinden musste.
So verbrachte ich eine weitere drei viertel Stunde in der Untergrundbahn und stieg schon am Piccadilly Circus aus. Ich fragte eine Zeitungsjungen, der mir den Weg ungefähr beschreiben konnte. So lief ich an der Piccadilly entlang, bis ich die Old Bund Street erreichte.
Das vierte Haus war es und ich konnte das Logo wieder sehen und verglich es gleich mit der Fotografie. Es war exakt hier gemacht worden. Ich schaute in die Schaufenster, wo Damen und Herrenmoden gleichermaßen ausgestellt waren.
Ob ich hinein gehen sollte und erfragen, ob jemand etwas über Mr. Smith wusste. Ich schüttelte den Kopf. Niemand würde Auskunft geben, genauso wie mein Chef meine Initialen unter meinen Artikel preisgeben würde.
Ich atmete tief durch und betrat den Laden. Ob ich mir etwas Nobles zulegen sollte. Im Stil einer italienischen Taverne waren die Räume gestaltet und ganz in weiß gehalten. Die Dame an der Kasse beäugte mich komisch.
Das störte mich nicht weiter und lief weiter in die Ausstellungsräume hinein. Ein Jackett fiel mir ins Auge. Genau so etwas hatte ich immer gesucht und wäre etwas für die Festtage über Weihnachten.
Ich griff nach dem Ärmel und beäugte das Preisschild. 1375,- Pfund. Ich schluckte schwer und atmete langsam aus. Ich war zwar nicht arm, aber das war doch etwas teuer. Aber das Jackett gefiel mir schon sehr.
„Kann ich ihnen helfen?“
Etwas erschrocken drehte ich mich um und es stand ein junger Typ im Anzug vor mir. Ich kam mir mit meiner Jeans und Wollpullover unterm Mantel leicht deplatziert vor.
„Öhm… ja… haben sie dass auch in meiner Größe.“
Er schaute mich von oben bis unten an.
„Sicher!“, antwortete er und verschwand kurz.
Ich steckte meinen Zeigefinger in den Kragen meines Wollpullovers und zog diesen etwas auseinander. Mir war warm geworden. Ich entschied mich während der Warterei weiter zu schauen.
Das passende Hemd zur Jacke war auch schnell gefunden. Wieder schaute ich auf das Preisschild.