Wir standen vor dem Glockenturm des Lincoln’s Inn.
„Hier ist viel zu viel im Haus, als dass wir daraus schließen könnten, warum er das Foto von hier gemacht“, sagte Isaak und ließ das Bild sinken.
Er hatte Recht. Hier war einer der vier Anwaltskammern Englands untergebracht.
„Stimmt, ich kann mir nicht vorstellen, dass er neben seinem Modeln noch Rechtsanwalt ist.“
„Vielleicht hat er juristischen Rat gebraucht?“
„Egal, auch dieses Bild ist eine Sackgasse.“
„Was hältst du davon, in ein Cafe einzukehren?
„Gute Idee! Aber erst laufen wir noch ein Stück!“
„Sklaventreiber.“
Ich lächelte ihn an.
*-*-*
„Ich wusste nicht, dass sich hier ein Cafe befindet“, sagte ich und trat hinter Isaak ein.
„Die Fleet River Bakery ist eigentlich sehr bekannt, besonders für die Vielzahl seiner selbst gebackenen Kuchen.“
„Dann lass ich mich einfach überraschen.“
Wenig später saßen wir an einem der vielen Tischen. Vor mir stand ein Teller, mit einem großen Stück Apfelkuchen. Daneben stand eine Tasse Cappuccino mit einem schön geformten Herz aus Schokolade auf dem Schaum.
„Duftet herrlich“, meinte Isaak.
„Ich gebe dir Recht, der Laden gefällt mir und wenn der Kuchen nur angehend so schmeckt, wie er duftet und aussieht, werde ich hier sicher zum Stammkunden.“
Habe ich schon erzählt, dass ich in Apfelkuchen baden könnte. Man stelle mir ein Apfelkuchen hin und ich bin der liebste Mensch auf Erden. Ich könnte dir da einige Rezepte zu kommen lassen, die deinen Gaumen erfreuen würden.
Isaak schob langsam ein Stück seines Apfelkuchens in den Mund und schloss die Augen.
„Himmlisch!“
Ich konnte ihm nur Recht geben, es schmeckte einfach lecker. Das Cafe war gut gefüllt und durchweg im Alter von Isaak und mir.
„Etwas Passendes gefunden?“, fragte Isaak grinsend.
„Was?“
„Schon gut“, meinte er und winkte ab.
„Ach so…, ich beobachte gerne Menschen.“
„Auf was achtest du genau?“
„Nein, das mache ich nicht, also keine genauen Beobachtungskriterien, eher das Gesamtbild.“
„Und wie schneide ich ab?“
Isaak hatte den Kopf leicht schräg gelegt?
„Lass mich überlegen…“, antwortete ich und konnte ein freches Grinsen nicht vermeiden, „… so zwischen sieben und acht würde ich sagen.“
„Oh doch so hoch, wie kommt’s?“, fragte er und schob sich den nächsten Happen Apfelkuchen in den Mund.
„Ach Quatsch, das war Spaß!“
Isaak fing an zu schmollen. Natürlich gespielt, dafür konnte er sein Grinsen nicht unterdrücken.
„Was, nur eine drei oder zwei?“
„Jetzt hör auf, du weißt wie ich das meine. Du bist ein ehrlicher und aufrichtiger Zeitgenosse, mit dem man gerne seine Freizeit verbringt. Ich bin gern mit dir zusammen, weil du immer zuhörst und man sich prima mit dir unterhalten kann.“
Eine Dame am Nachbartisch sah mich komisch an, bevor sie meinem durchdringenden Blick nicht mehr stand hielt.
„Köstlich!“, kicherte Isaak.
Er kam etwas näher zu mir gerückt.
„Das hörte sich ja fast an, wie eine halbe Liebeserklärung“, flüsterte er, was mir ein sattes Rot im Gesicht einbrachte.
Im Nachhinein wurde mir erst bewusst, was ich da gerade gesagt hatte, obwohl es auch stimmte. Ich mochte Isaak sehr gerne, aber zum nächsten Gedanken, der eigentlich darauf folgte kam ich nicht mehr, denn etwas anderes erweckte meine Aufmerksamkeit.
Isaak folgte meinem Blick. Da stand er, Mr. Smith an der Kuchentheke.
*-*-*
„Ich glaube es einfach nicht, Jack!“
Wir hatten mittlerweile das Cafe verlassen.
„Ach… ich weiß auch nicht.“
„Jetzt hättest du endlich die Chance gehabt, ihn anzusprechen und was machst du? Du sitzt nur da mit der Gabel im Mund und starrst, so wird das nie etwas werden. Sonst bist du doch auch nicht so schüchtern.“
„Und was machen wir jetzt?“, fragte ich, weil ich das Thema wechseln wollte.
Isaak atmete scharf aus und schüttelte den Kopf.
„Ich weiß es nicht, möchtest du heute Abend noch weg gehen?“
„Um ehrlich zu sein, nein, mir wäre eher nach einem ruhigen Abend vor dem Fernseher, ein gutes Glas Wein oder eine Unterhaltung.“
„Bei dir oder bei mir?“, kam es von Issak.
Ich war noch nie bei Isaak und wusste über sein Privatleben auch nicht viel.
„Bei dir?“
„So gegen acht?“
Ich nickte und wir verabschiedeten uns voneinander.
*-*-*
Ich wusste nicht warum ich aufgedreht war. Auf dem Nachhauseweg hatte ich für Isaak noch eine Flasche von diesem Chablis gekauft und schön verpacken lassen. Dass ich Mr. Smith nicht angesprochen hatte, ärgerte mich nun doch etwas.
Isaak hatte Recht gehabt, sonst war ich auch nicht auf den Mund gefallen. Ich wusste nicht, was mich davon abgehalten hatte. Ich schloss meine Wohnungstür auf und sah, wie ich die Post, die durch den Schlitz in der Tür geworfen worden war auf die Seite geschoben wurde.
Ich schloss die Tür und hob meine Post auf. Rechnung, Werbung und ein Brief… halt was war das? Die Schrift war die von Riley. Ich riss den Umschlag auf und mir prangten drei bekannte Bilder entgegen.
Ich entnahm sie dem Umschlag und schaute sie kurz an. Auf den Rückseiten standen Adressen und ein kleiner Notizzettel.
Viel Erfolg beim Suchen, lieben Gruß Riley – stand da. Ich griff nach meinem Handy und drückte auf Isaak Nummer, doch dann besann ich mich Besserem. Wir wollten uns einen gemütlichen Abend machen und nicht auf die Suche gehen.
So legte ich die Bilder und den Rest der Post zu meinem Schlüssel auf die Kommode. Wenig später und einer Dusche fühlte ich mich wieder besser. Doch nun spürte ich meine Beine, ich schien es doch nicht mehr gewohnt zu sein, so viel zu laufen.
Nur mit dem Handtuch bekleidet, ließ ich mich auf das Sofa fallen. Mein Blick fiel wie immer auf die Pinnwand. Ich drückte mich hoch und lief in den Flur zur Kommode, wo ich die drei Bilder zurück gelassen hatte.
Zurück im Wohnzimmer fuhr ich mein Laptop hoch und gab die erste Adresse ein. Club Aquarium in der Old Street. Schien interessant zu sein. Der einzige Club in England, der sogar einen Pool besaß, wo des Öfteren Events abgehalten wurden unter anderem auch Fashionveranstaltungen.
Die zweite Adresse war auch nach meinem Geschmack. Ein Pub in Whitechapel und die dritte Adresse war sogar in der Nähe von Isaaks Wohnung. Ja, Isaak wohnte in Soho, das chinesische Stadtviertel von London.
Und genau unter der Adresse auf dem Bild war das Admiral Duncan Pub, eine Schwulenkneipe, die 1999 traurige Berühmtheit erlangte, als damals David Copeland, ein Neonazi, eine Bombe gezündet hatte.
Wie immer hatte diese mit Nägeln bestückte Bombe viele unschuldige Menschen getroffen. Es waren drei Tode, darunter eine im vierten Monat schwangere Frau und 70 teilweise Schwerverletzte zu verzeichnen.
Dieser Copeland war schnell gefasst und wurde zu sechs mal Lebenslänglich verurteilt. Interessant wo dieser Mr. Smith überall verkehrte. Ich schaute auf die Uhr. Es war Zeit, dass ich mich langsam anzog.
*-*-*
Nach dem Türgong waren Schritte zu hören. Wenig später öffnete sich die Tür und Isaak kam zum Vorschein.
„Willkommen in meinem bescheidenen Heim.“
„Hallo Isaak“, begrüßte ich ihn und umarmte ihn.
Danach hielt ich ihm mein kleines Präsent vor die Nase.
„Hm, ein Geschenk, danke.“
Ich legte meine Winterkleidung ab und verstaute sie an Isaaks Garderobe.
„Du ich bin froh, dass wir uns für einen gemütlichen Abend entschieden haben“, meinte Isaak, der vorauslief.
„Wieso?“
„Mir tut alles weh“, fing er an zu jammern, was mich zu einem Grinsen verleitete, obwohl es mir genauso ging.
Er führte mich in sein Wohnzimmer, wo mir gleich der schöne offene Kamin auffiel, in dem ein Feuer prasselte.
„Gefällt mir!“, meinte ich und schaute mich weiter um.
„Setz dich“, meinte Isaak und ließ sich in einem der zwei großen Ohrensessel nieder.
Ich setzte mich ihm gegenüber.
„Schade, dass du kein Tatendrang mehr hast“, begann ich.
„Warum? Hast du noch etwas vor?“, lächelte er mir anzüglich entgegen.
„Nein, aber durch die Hilfe von Riley sind drei weitere Rätsel der Bilder gelöst.“
„Welche denn?“!, fragte Isaak aufmerksam.
„Einmal hier in der Nähe, das Admiral Duncan.“
„Oh man, darauf hätte ich selbst kommen, jetzt wo du es sagst, erkenne ich das Fenster, mit der Fahne davor.“
„Das zweite ist ein Pub in Aldgate East und das dritte ein Club namens Aquarium.“
„Vom Aquarium habe ich schon mal gehört. Die sollen einen Pool oder so etwas im Haus haben.“
„Nicht nur im Haus sondern im Club, tanzen und schwimmen gleichzeitig.“
„Hört sich interessant an, besonders, wenn man bedenkt, wo dieser Mr. Smith überall verkehrt, aber wo bleiben meine Manieren, hast du etwas Hunger mitgebracht?“
„Ich könnte schon etwas vertragen, wieso fragst du?“
„Och, ich habe eine Kleinigkeit für uns vorbereitet.“
„Lieb von dir“, meinte ich und erhob mich wie er.
„Man folge mir in die Küche.“
Dieser Raum, den er Küche nannte war ein wahrer Genusstempel. Funktional und optimal eingerichtet und in den Schränken und Regalen alles was ein Herz des Essens begehrte. Je mehr ich mich umschaute, umso mehr Dinge konnte ich entdecken, von denen ich angenehm überrascht und angetan war.
Besonders die Aussicht von dem großen Fenster.