Zoogeschichten I – Teil 10

Wasserschäden und lange Hälse

Trockenhosen, wer hatte den Ausdruck nur erfunden? Ja klar, sie ließ kein Wasser herein, aber hinaus auch nicht. Blubbernder Weise lief ich ins Bärenhaus, wo Sabine schon lachend auf mich wartete.

Es dauerte etwas, bevor sie sich fing. Ich hatte mich derweil darin versucht, dieses Gummiteil vom Leib zubekommen, was mit gefülltem Inhalt nicht gerade leicht war.

„Was ist mit dir und Michael?“, fragte Sabine plötzlich.

„Nichts!“, log ich wieder.

„Dennis, ich bin nicht blind!“

Endlich hatte ich die Hose aus und ließ das Wasser herauslaufen, was Sabine wieder zum Grinsen brachte. Eine kleine Pfütze bildete sich um mich herum. Sabines Gesicht wurde wieder ernst.

„Dennis, was wir hier überhaupt nicht brauchen können, ist, dass man sich nicht versteht. Wir arbeiten als Team zusammen und nur so funktioniert es. Also – sollte etwas zwischen dir und Michael sein, dann solltest du es schnell bereinigen.“

„Habe ich ja versucht…“

„Was hast du versucht?“

„Mit Michael zu reden, aber er hat mich total falsch verstanden.“

„Könntest du mir das mal genauer erklären, so, dass man es auch versteht?“

Sabine war wohl etwas angesäuert. Trotz ihres kleinen Wuchses, wirkte sie mit ihren angewinkelten Armen, abgestützt auf der Hüfte, recht groß. Ich versuchte, ihr in kurzen Sätzen das wieder zugeben, was sich seit gestern Abend getan hatte.

„Männer!“, meinte sie nur und schüttelte den Kopf.

„Wenn es bei euch Männern um die Liebe geht, seid ihr nicht mehr zu gebrauchen und das ist etwas, was Schwule und Heten gemeinsam haben!“, sprach sie weiter.

„Was soll ich denn machen?“

„Mit ihm reden!“

„Er will doch gar nicht! Er geht mir doch aus dem Weg“, sagte ich genervt.

Ups, jetzt hatte ich mich im Ton vergriffen, dennoch blieb das erwartete Donnerwetter von Sabine aus.

„Dennis, du musst am Ball bleiben. Halt ihn notfalls fest.“

Ich nickte nur.

„Und jetzt geh, dir etwas Frisches… Trockenes anziehen“, sie begann wieder zu grinsen, „nicht dass du dir noch eine Erkältung holst.“

Dreimal angepisst an einem Tag! Ich fühlte mich echt beschissen. Jeder, der mir entgegen kam, grinste sich eins ab. Gut – einmal… einmal wegen Michael, aber das war eher bildlich gemeint. Meine Nase juckte und ich musste Niesen.

Mist, eine Erkältung konnte ich mir jetzt wirklich nicht leisten. Gleich in der ersten Woche krank werden, das kam nicht gut. Ich beeilte mich, in die Umkleide zu kommen, um jetzt auch noch meine letzte trockene Hose anzuziehen.

*-*-*

Krümel schien auch zu bemerken, dass mit mir Etwas nicht stimmte und ich auch nicht Recht bei der Sache war. Immer wieder rutschte der Nuckel aus seinem Maul, was ich nur merkte, weil er sich lautstark beschwerte.

Immer wieder versank ich in meinen Gedanken, während ich hier im Kleinbärenhaus saß, um Krümel zu füttern. Ich hatte die traurigen Augen von Michael im Kopf, wusste nicht, wie ich es abstellen konnte.

Natürlich wäre es super, wenn ich einfach mit ihm reden könnte, aber er ging mir die ganze Zeit aus dem Weg.

„Hatschi!“

Wieder musste ich ordentlich niesen. Krümel zuckte zusammen, denn dieses Geräusch kannte er wohl noch nicht. Ich setzte Krümel kurz auf den Boden und putze mir die Nase. Wieder musste ich niesen.

„Krümel, ich glaube, heute werden wir nicht solange spielen können“, und wieder ein Niesen.

„Gesundheit!“

Das kam von Fritz, der gerade das Haus betrat.

„Danke“, meinte ich und putze mir erneut die Nase.

„Hast dir eine Erkältung geholt?“

„Ja…“, antwortete ich und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

„Wollt dich eigentlich fragen, ob du mitwillst, Finchen bekommt ihr Junges.“

„Finchen?“

„Ja, eine unserer Giraffendamen.“

„Wow!“

„Wusste ich’s doch, dass dich das interessiert, habe Sabine schon Bescheid gesagt, dass ich dich abhole.“

„Soll ich Krümel hier lassen?“

„Na ja, wenn ich’s mir recht überlege, dann solltest du ihn wirklich da lassen, bei der Geburt sollte es schon ruhig sein, nicht dass der Kleine losbrüllt.“

„Könnte passieren. Aber es ist jetzt eh Mittagsschlaf angesagt.“

„Ok, dann kannst du ihn auch mitnehmen. Bei dir fühlt er sich ja ah sauwohl.“

„Könntest du mir helfen, den Schal anzulegen, damit er sich besser bei mir verkriechen kann?“

„Ja, klar!“

Fritz knotete den Schal auf meinem Rücken zusammen und sobald ich Krümel auf den Arm nahm, suchte er sich im Schal ein molliges Plätzchen. Während ich mit Fritz zum Giraffenhaus lief, schlief Krümel schon fest.

Im Giraffenhaus war schon richtiges Gedränge, endlich sah ich mal, wer hier alles arbeitete. Dafür, dass es so viele Pfleger waren, herrschte eine unheimliche Stille im Flur. Alle klebten an den kleinen Fenstern der Türen.

Ich konnte Doktor Reinhard entdecken und auch Sabine, die mich zu sich winkte. Als ich zu ihr lief, konnte ich auch Michael entdecken. Er schaute kurz auf, als er mich aber sah, schaute er schnell weg.

Ich gesellte mich zu Sabine, bei der auch Volker stand.

„Und, habe ich etwas verpasst?“, flüsterte ich leise.

„Nein, aber es hat schon begonnen“, meinte Volker.

Ich schaute ebenfalls durch das kleine Fenster im Tor und konnte mehrere Giraffen sehen.

„Welche ist es denn?“, fragte ich.

„Die hinten links am großen Heuballen“, erklärte mir Sabine.

„Ich weiß, ist vielleicht eine dumme Frage, aber verletzt sich das Kleine nicht, wenn es von der Höhe aus der Mutter purzelt?“

„Hast schon Recht, dass sind gute zwei Meter, die das Kalb hinunterfällt, aber die Haut des Mutterkuchens bremst den Fall ab“, erklärte mir Volker, „aber Finchen hatte leider bei der ersten Geburt deswegen Pech, das Kalb hatte eine Halsfraktur und musste eingeschläfert werden.“

Ich legte meine Stirn in Falten und atmete tief durch, wobei sich Krümel unter meinem Schal drehte. Sabine zog an meinem Ärmel und ich merkte, dass die Aufregung im Flur sich steigerte.

„Es scheint loszugehen“, meinte Sabine.

So richtig konnte ich mich nicht auf die Giraffe konzentrieren. Ich schaute laufend in die Richtung von Michael, doch er schaute nicht einmal auf und schon gar nicht in meine Richtung.

Hatte ich es mir jetzt verscherzt? Ich musste baldmöglichst mir ihm reden, alles klar stellen, das beschäftigte mich jetzt mehr als diese Giraffengeburt. Als ich gerade wieder durch die Scheibe schaute, sah ich etwas Dunkles hinter der Giraffe herunterfallen.

Keiner sagte etwas. Freute sich denn Keiner, das Kalb war doch da? Doch alles schaute gespannt zur Giraffe. Plötzlich erschien ein kleiner Kopf und die Mutter senkte ihr Haupt und das Kalb abzulecken.

Jetzt brach verhaltener Jubel auf. Alle freuten sich, schauten aber weiter gespannt durch die Fenster. Michael klebte ebenso an der Scheibe, schien sich mit der Frau neben ihm zu unterhalten.

„Jetzt muss es nur noch aufstehen…“, sagte Sabine.

„Warum?“, flüsterte ich leise.

„Dann ist erst mal alles in Ordnung, wenn es aus eigener Kraft aufstehen kann.“

Nun schaute ich ebenfalls gespannt durch das Fenster und man konnte schon sehen, wie das Kalb versuchte, aufzustehen. Sehr wackelig zwar, aber dennoch mit Erfolg. Jetzt brach richtiger Jubel aus, Einige klatschten.

„Das ist aber groß“, meinte ich erstaunt.

„Ja, die Giraffenkälber sind bei der Geburt meist schon fast zwei Meter groß und wiegen um die 100 Kilo“, erklärte mir Volker wieder.

„So Leute, Abflug. Wollen wir die kleine Familie nicht länger stören!“, meinte Doktor Reinhard und wies mit der Hand nach draußen.

Ich schaute nochmals zu Michael, der sich aber angeregt mit Kollegen unterhielt und dann anfing, zu lachen. Na ja, er war wohl nicht lange ein Kind der Traurigkeit. Zusammen mit Sabine und Volker verließ ich wieder das Giraffenhaus.

Vor dem Haus hatte sich ein kleiner Pulk von Presseleuten gebildet, die Herrn Trebnitz fast umrahmten. Er erzählte ihnen, dass eine Giraffe geboren wurde, vertröstete die Leute aber darauf, dass vor zwei Wochen noch keine Bilder geschossen werden konnte.

Ich rückte meinen Schal zurecht, weil Krümel diesmal sehr unruhig schlief und den Schal verdrehte.

„So, wir werden jetzt noch die Käfige reinigen und dann ist Feierabend für dich.“

Mir fiel ein, wie ich denn mit Krümel heimkommen sollte, denn Michael hatte jetzt bestimmt keine Lust, mich heimzubringen.

„Ähm, Sabine? Kannst du mich vielleicht heimbringen.“

„Ich dachte, Michael… ach so… gut, aber schau trotzdem, dass es vom Tisch kommt.

„Wenn sich eine Gelegenheit findet…“

„Wird schon!“, sagte Sabine und klopfte mir auf meine Schulter.

*-*-*

Später stand ich im Käfig und fegte. Krümel hatte ich auf den Boden gesetzt. Aufgeregt schnüffelte er am Boden, hatte wohl den Geruch der anderen Bären in der Nase. Irgendwann versuchte er, meinen Besen in die Tatzen zu bekommen, aber er schaffte es nicht.

Da war er eben noch zu langsam für. Es dauerte eine Weile, bis ich alles sauber hatte. Grund dafür war natürlich auch Krümel, der weiter den Besen zu bekommen versuchte. Sabine kam herein.

„Dennis, Micha ist vor dem Haus, geh zu ihm“, sagte sie nur.

„Schaust du nach Krümel?“

„Ja und nun geh!“

„Danke!“

„Danke mir nicht, ist alles Eigennutz. Ich will endlich wieder Ruhe im Laden haben.“

Ich verließ den Käfig und rannte zum Vorderausgang. Dort fand ich Michael vor. Er telefonierte. Er schaute kurz auf, um mit enttäuschtem Blick wieder den Kopf zu senken.

„Okay Flo, ich melde mich dann noch später bei dir… ja klar. Tschüss!“

Er drückte das Gespräch weg.

„Kann ich jetzt mit dir reden?“, fragte ich.

„Über was?“, fragte er genervt.

„Über Bären?“, fragte ich jetzt ebenso gereizt, „Michael, über das Missverständnis, das zwischen uns herrscht.“

Er war anscheinend gerade am Gehen, doch diese Worte bremsten ihn ab.

„Missverständnis?“

„Ja Michael, ich wollte dir das heute Morgen schon im Auto sagen und dann mit der Dusche….“

„Ich könnte dich ja anfallen“, meinte Michael sarkastisch.

„Mensch Michael, ich wollte dir doch nur sagen, dass ich auch schwul bin.“

Erstarrt schaute Michael mich jetzt an.

„Du schwul…? Nein das glaube ich nicht, das kann…“

Mir reichte das jetzt. Ich ging einfach auf ihn zu, packte ihn am Nacken und zog ihn zu mir. Ohne groß nachzudenken, küsste ich ihn einfach. Doch der Kuss wurde nicht erwidert. Hart wurde ich von Michael weggestoßen und zugleich fühlte ich einen brennenden Schmerz auf meiner rechten Wange.

„Mach dich nie wieder lustig über mich“, knurrte Michael und ließ mich allein stehen.

Meine Wange brannte wie Feuer… Michael hatte mir im Zorn eine geklebt.

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