Zoogeschichten I – Teil 27

Bissig und tiefsinnig

Das war doch alles nur ein böser Traum. Erst Karl und nun dieser Gisbert. Krümel schien diese Haltung, leicht nach hinten gebeugt, überhaupt nicht zu gefallen. Er wandte sich in meinem Arm, als wollte er runterspringen.

Doch plötzlich schrie Gisbert laut auf und ließ mich los. Ich hörte, wie das Messer zu Boden fiel.

„Scheiß Bär“, schrie Gisbert und hielt sich das Handgelenk, von dem Blut tropfte.

Krümel schien ihn gebissen zu haben, was mich in diesem Augenblick freute.

„Jeder so, wie er es verdient“, meinte Michael und beugte sich kurz ins offene Auto. Er kam mit einem Baseballschläger wieder zum Vorschein.

„So Gisbert, jetzt bleiben wir mal schön da stehen.“

Wir konnten aus der Ferne Polizeisirenen hören. Klar, nachdem sich Gisbert befreit hatte, wurden natürlich die Kollegen informiert. Ich lief zum Tor und öffnete es mit meiner Codekarte.

Gisbert stand noch immer auf seinem Platz, davor Michael, den Baseballschläger zum Schlagen bereit. Die Sirenen wurden abgestellt und der erste Transporter kam näher und bog schließlich in die Einfahrt zum Zoo.

Krümel war das alles jetzt viel zu laut, er zappelte auf meinem Arm herum, tat mir mit seinen doch recht großen Krallen ordentlich weh.

„Krümel, jetzt halt doch still. Bei mir kann dir nichts passieren… Michael, kommst du klar? Ich muss mit Krümel rein, der dreht mir noch durch…“

Die Sirenen wurden abgestellt und die Wagen kamen zum Stehen. Beamte stiegen aus und rannten zu Michael.

„Legen sie den Schläger ganz langsam auf den Boden!“, sagte der eine Beamte.

„Halt“, rief ich, „der, den sie suchen, ist der Andere. Michael hält ihn doch nur in Schach.“

Michael ließ trotzdem den Schläger sinken, da Gisbert jetzt sicherlich nicht mehr abhauen würde. Aber diese Einschätzung war falsch. Kaum berührte die Spitze des Baseballschlägers den Boden, rannte Gisbert los und die Beamten hinterher.

Michael und ich sahen uns nur an.

„Was habe ich mir da nur für einen Ausbildungsplatz gesucht?“

„Einen schönen!“, antwortete Michael und kam auf mich zu, „ich hatte echt Angst um dich!“

Ich merkte selber, dass alles an mir immer noch zitterte. Diese Aufregung war einfach zuviel für mich. Michael legte seine Hand um meinen Nacken und küsste mich.

„Nicht mal vor minderjährigen Bären lassen sie ihre Knutscherei.“

„Genau, wie soll man so einem Bären denn etwas Vernünftiges beibringen, wenn Herrchen laufend solche Sachen macht.“

Michael und ich fuhren auseinander, aber wer sollte es auch anderes sein, als Volker und Fritz.

„Hat der Chef nicht gesagt, ihr sollt heimfahren?“, meinte Fritz.

„Da macht man sich Sorgen um die Jungs und die stehen knutschend auf dem Parkplatz“, sagte Volker.

„Neidisch?“, fragte Michael und hatte wieder dieses fiese Grinsen auf den Lippen.

„Auf was? Auf dich Grünschnabel?“, fragte Fritz.

„Genau, wir stehen auf richtige Männer… gell Fritz!“, kam es von Volker.

Fritz nahm Volker in den Arm und beide spielten unsere Kussszene von eben nach. Michael und ich fingen nur an zu lachen.

„Hallo? Was geht denn hier ab?“

Volker und Fritz fuhren auseinander.

„Muss ich mir jetzt Gedanken machen?“, fragte Sabine, die ebenso den Weg zum Parkplatz gekommen war.

„Die haben angefangen!“, kam es im gespielt trotzigen Ton von Volker.

„Und ihr alten Simpel macht das dann nach?“

Mittlerweile bogen sich Michael und ich vor Lachen, weil Volker und Fritz so taten, als wären sie beim heimlichen Küssen erwischt worden.

„Alte Simpel – hör dir doch mal diese Frau an“, kam es tuntig von Volker, „da brauchst du dich nicht wundern, dass es so viele Schwule in Deutschland gibt, bei den Frauen heutzutage. Komm Fritz, wir gehen.“

Er tuckte mit Fritz zurück in die Anlage. Mir kamen die Tränen vor Lachen und Michael war schon auf die Knie gesunken, konnte nicht mehr aufrecht stehen.

„Wir taufen das neue Bärenhaus, wenn es fertig ist >das warme Bärenhaus<, dass gleich jeder weiß, was los ist“, sagte Sabine. „Hör auf“, kreischte ich vor Lachen, „ich mach mir gleich in die Hosen.“ „Färbt dein Bär jetzt ab?“, fragte Sabine trocken, fing dann aber genauso an zu lachen. *-*-* Michael und ich hatten gestern noch einen schönen Abend miteinander verbracht. Meine Eltern hatten den Grill angeworfen und Krümel sein erstes Stück Fleisch genüsslich verschlungen. Eher müde stand ich an diesem Morgen auf, mir fehlte die letzten Tage einfach zu viel Schlaf. Nachdem ich das Bad erledigt hatte, also meine Morgentoilette, nicht das Bad, ging ich hinunter, wo Krümel im Wohnzimmer bereits schon sehr aktiv war. Dad hatte ihn rausgelassen und so hatte Krümel eine Erkundungstour durch das Zimmer gestartet. „Morgen mein Kleiner, na - fit?“ Krümel drehte den Kopf und brummte, was ihn aber nicht hinderte, weiter mit den Krallen die Blumenerde aus dem Topf zu schaufeln. „Das lässt du mal schön sein, wenn Mama sieht, was du hier für einen Dreck veranstaltest, hast du schlechte Karten bei ihr.“ „Was soll ich sehen?“ „Zu spät“, meinte ich und man konnte meinen, Krümel wurde verlegen. Er ließ nämlich sofort vom Kübel ab, als wäre er das nicht gewesen. Können Bären eigentlich rot werden? Ich musste grinsen. „Nicht schon wieder, Krümel. Ich habe dir doch gesagt, die Pflanzen sind tabu!“ „Mum, kannst du bärisch?“ „Bitte… was?“ „Du kannst kein bärisch und Krümel ist unserer Sprache nicht mächtig, wie soll der Kleine dann verstehen, welche Pflanze er in Ruhe lassen soll?“ Ich ließ Krümel und Mum im Wohnzimmer alleine und lief in die Küche. Als ich mir gerade einen Kaffee einschenken wollte, klingelte es an der Haustür. „Ich mach auf“, rief ich. Keine Gegenantwort, also auf zur Wohnungstür und Öffnen. Es war natürlich Michael, wer sollte sonst so früh bei uns klingeln. „Morgen Schatz“, meinte er und drückte mir einen Kuss auf den Mund. „Ist das alles?“, fragte ich gespielt empört. Ich nahm ihn in den Arm, presste ihn fest an mich und knutschte und leckte ihn regelrecht ab. „Könntet ihr das ins Haus verlegen und nicht gerade vor aller Nachbarn Fenster?“, meinte Mum hinter uns. „Wir hören schon auf, war ja nur die Begrüßung“, sagte ich und ließ Michael wieder los, der jetzt irgendwie wie in Trance dastand. „Wie ist das dann, wenn ihr… halt…das will ich gar nicht wissen, streich die Frage und vergiss sie!“ „Was, du willst keine Details erfahren? Frauen sollen doch sonst immer so neugierig sein.“ Ich konnte nicht mehr ernst sein und fing einfach an zu grinsen. „Können wir gehen?“, drängelte Michael. „Was willst du so früh im Zoo?“, fragte ich. „Du hast wohl vergessen, dass wir gestern früher gegangen sind, da ist bei mir noch Einiges liegen geblieben.“ „He, der Chef hat uns heimgeschickt, persönlich!“ „Meinst du der Chef hat unsere Arbeit gemacht?“ „Okay, ist ja schon gut, ich hol nur noch schnell meine Sachen und pack Krümel ein, dann kann es losgehen.“ Michael nickte. „Krümel hat aber noch nicht sein Fläschchen bekommen“, rief es aus der Küche. Mum musste auch überall ihre Ohren haben. „Macht nichts, kann ich auch im Zoo machen“, rief ich beim Vorbeigehen in die Küche. Ich schaute kurz noch mal zu Michael, bevor ich die Treppe hinauf rannte. Irgend Etwas stimmte nicht. Er war heute so anders, nicht mal auf meinen Kuss hat er reagiert, sich einfach küssen lassen. Später im Auto dasselbe Spiel, das einzige Geräusch im Auto war Krümel, der in seiner Transportkiste an der Außenhülle mit seinen scharfen Krallen kratzte. „Micha… ist irgendwas?“, fragte ich leise und schaute ihn an. „Bitte … was?“ Ich schien ihn aus den Gedanken gerissen zu haben, aber dennoch schaute er mich immer noch nicht an. „Was ist los mit dir, du bist heute Morgen so anders.“ „Findest du?“ „Ja…, hab ich etwas Falsches gemacht?“ „Nein Schatz…“ Zumindest sagte er wieder Schatz zu mir. „Was ist es dann… komm rede endlich mit mir.“ „Ach… mir gehen die letzten paar Tage durch den Kopf. Es ist soviel passiert und nun weiß ich nicht mehr weiter.“ Warum hatte ich plötzlich so ein ungutes Gefühl in meiner Magengegend? Kam jetzt irgendeine Aussage, die mir nicht gefiel? „Kannst du mir das bitte näher erklären?“ „Du hast doch selber gemerkt, seit wir zusammen sind… oder - na ja, uns jetzt schon besser kennen, ist jeden Tag irgendwas passiert und ich dachte darüber nach… ob es richtig ist, dass wir zusammen sind.“ Autsch, dass wollte ich nicht hören. Und wie meinte er das jetzt, sind wir nun zusammen oder kennen wir uns nur… meine Gefühlswelt kam schon wieder ins Schwanken. „Ich… ich weiß nicht recht, was ich darauf antworten soll…, also ich für meinen Teil… ich habe mich in dich verliebt, wenn du nicht da bist, dann denke ich pausenlos an dich und wenn du dann da bist…“ „Dann passieren immer Dinge, die dich in Gefahr bringen!“, unterbrach mich Michael. „Ach Quatsch, das waren Zufälle, Michael.“ „Ich schaute ihn jetzt schon die ganze Zeit an und bisher waren mir die roten Augen nicht aufgefallen. Hatte er geweint? „Du willst es wirklich… mit mir versuchen?“ Ich beugte mich hinüber und gab ihm sanft einen Kuss auf die Wange, mehr war ja nicht möglich während des Autofahrens. „Muss ich dir das schriftlich gehen, oder sagen komm nimm mich, als Beweis, dass ich dich wirklich will?“ „Ich dürfte dich nehmen?“ War das jetzt eine ernste Frage? Aber halt - nein, seine Mundwinkel wanderten leicht nach oben, er schien seinen Humor wiedergefunden zu haben. „Klar, in allen Stellungen, die du probieren möchtest!“ Hatte ich das gerade wirklich gesagt? Ich bin doch noch Jung“Mann“ in dem Gebiet und jetzt biete ich sowas an. Nun war es das erste Mal, dass Micha seinen Kopf kurz zu mir wendete und mich erstaunt anstarrte. Wie brachte ich mich nur wieder aus dieser Situation heraus. Michael hatte bereits den Wagen an einer freien Stelle am Straßenrand zum Stehen gebracht.

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