Zoogeschichten I – Teil 28

Eifersucht

Der Wagen kam zum Stillstand und Michael stellte den Motor ab.

„Du Dennis, ich weiß, ich bin vier Jahre älter als du, was aber nicht zwangsläufig heißt, ich habe vier Jahre mehr Erfahrung. Gut, ich hatte einen Freund… Karl, aber ehrlich, da ist in dieser Richtung noch nie etwas gelaufen, ich traute mich einfach nicht.“

Bitte? Mein Michael war auch noch Jungfrau? Wahnsinn! Was sollte ich jetzt sagen? Ich beugte mich vor und gab ihm einfach einen Kuss. Diesmal erwiderte er ihn, sehr innig und zärtlich.

Krümels Krabbeln in der Box ließ uns wieder auf die Erde kommen.

„Hab dich lieb“, hauchte Michael mir ins Ohr.

„Ich dich auch.“

*-*-*

„Dennis, wenn wir fertig sind, müssen wir ins Savannenhaus.“

„Wieso, bekommt noch eine Giraffe ein Junges?“, fragte ich Sabine und leerte den Müll in den Container.

„Nein, Fibi, die Schwester von Finchen, wird heute abgeholt.“

„Wieso das denn?“

„Weil sie sich schon seit einiger Zeit nicht mit dem Rest der Herde verträgt und in Stuttgart in der Wilhelma wird eine junge Giraffendame gebraucht. Also wird sie heute verfrachtet.“

„Eigentlich schade.“

„Stimmt schon, aber ich denke für Fibi ist es besser.“

So verräumten wir unsere Sachen, ich natürlich etwas schneller, weil ich ja die Hoffnung hatte, Michael gleich wieder zu sehen.

„Du strahlst so…, was Besonders passiert?“, fragte Sabine.

„Nicht das ich wüsste.“

„Und wie läuft es mit Micha?“

„Super“, grinste ich.

„Dann wäre das ja auch aus der Welt geräumt und endlich kehrt wieder Ruhe ins Bärenhaus ein.“

Ich grinste weiter und folgte ihr zum Giraffenhaus. Dort hatten sich schon einige Pfleger versammelt. Ein hoher Anhänger stand schon vor den Schiebetoren des Hauses. Jetzt begann wieder diese Zitterpartie, ob das Tier einfach so in den Anhänger wanderte und es so ohne großen Stress für das Tier verladen werden konnte.

Es unter Narkose setzen war bei einer Giraffe nicht gerade empfehlenswert, wie sollte man schon so ein großes Tier herumtragen? Gespannt schaute ich den Vorbereitungen zu, wie die ganzen Schutzzäune aufgestellt wurden, um ein Ausbrechen des Tieres zu verhindern.

Dabei entdeckte ich auch Michael, der wie immer, an den höchsten Stellen herum kletterte, wo sich die Anderen nicht hinauf trauten. Er hatte mich noch nicht bemerkt und war voll bei der Arbeit.

„Kevin, du musst das Gitter näher heranschieben, ein Drücker von Fibi und sie macht dich platt!“, hörte ich ihn rufen.

Ein kurzer Blick zu dem jungen Kerl, der sich Kevin nannte, ließ mich den Atem anhalten… hatten wir hier Mister Universum angestellt?

„Willst du unseren Nachwuchs sehen?“, fragte Sabine.

„Klar“, nickte ich, aus den Gedanken geholt und folgte ihr ins Giraffenhaus.

Finchen war in einer separaten Halle untergebracht, um nicht mit ihrem Fohlen von den anderen Giraffen gestört zu werden. Der Kleine schien gewachsen zu sein, munter sprang er um seine Mutter herum.

„Da hättest du Schwierigkeiten, den mit der Flasche groß zuziehen“, meinte Sabine, die neben mir stand.

„Meinst du, Krümel wird leichter? Der krallt sich jetzt schon fest beim Trinken.“

„Dann musst du anfangen, ihn zu entwöhnen. Er muss selbst die Flasche halten können.“

„Geht das denn?“

„Wenn er weiß, dass er sich dabei auf den Rücken legen soll, so wie er es gewohnt ist, kann er das.“

„Das muss ich erst probieren und dann noch Überzeugungsarbeit leisten.“

„Bei Krümel?“

„Nein, bei meinen Eltern, die ihn zu sehr verwöhnen.“

Sabine lachte laut und so gingen wir zurück zu den Anderen. Das große Tor zu Fibis Box war bereits geöffnet. Michael saß oben auf dem Hänger, hatte Grünzeug in der Hand und rief nach Fibi.

Ein Bild für Götter.

„Michael, lehne dich aber nicht wieder so weit vor!“, rief Volker, der mit Fritz auch gerade eintraf.

Dieser Kevin fing an zu lachen und Michael streckte ihm die Zunge heraus.

„Wieso wieder?“, fragte ich Volker.

„Tja, da hatte Michael Glück im Unglück.“

„Wieso, was ist denn passiert?“

„Das letzte Mal, als wir eine Giraffe verladen haben, hat Michael auch mit einem Ast voll Blätter gelockt, nur dass die Giraffe, mit solcher Wucht, an dem Ast zog, dass Michael mit herunterfiel.“

„Hatte er sich verletzt?“, fragte ich besorgt.

„Nein, es war ja alles mit Heu ausgelegt, nur das arme Tier hat sich so erschreckt, dass Michael eine ganze Ladung Scheiße abbekam“, erklärte Volker und alle schauten zu Michael hinauf und begannen zu lachen.

„Volker, was für Märchen erzählst du wieder über mich?“, rief Michael vom Hänger.

„Die Geschichte mit >alles Gute kommt von Oben<“, sagte Kevin und wieder fing alles an zu lachen. „Wart nur ab, bis ich dich in die Finger kriege, Kleiner“, sagte Michael. Wer war dieser Kevin? Ob ich einfach fragen sollte, oder dachte dann gleich jeder, ich könnte eifersüchtig sein…? Scheiße, ich WAR eifersüchtig auf Mister Universum, braungebrannt, muskulös und ein Gesicht… einfach erste Sahne. Und nun schäkerte mein Freund mit diesem Kerl. Ich spürte einen Ellebogen in meiner Seite. „Mensch, Dennis nun starre doch nicht so, man könnte meinen, du bist auf Beutefang“, sagte Sabine leise neben mir. „Bitte? Ich starre doch nicht.“ „Wenn du meinst.“ „Ähm… echt?“ „Ja, nur dass dein Freund auf dem Hänger sitzt und nicht daneben steht.“ Eiskalt erwischt. „Man darf ja noch gucken dürfen.“ „Gucken ja, aber mehr nicht, sonst befindest du dich im falschen Revier und das geht bis in die oberste Etage.“ Fragend schaute ich sie an, doch sie grinste mir nur entgegen, keine Antwort kam. Die Giraffe kam ins Freie, also hieß es mit anpacken und die Stützhölzer festhalten, damit keine Zäune umfallen konnten. „Fibi, komm endlich, hier oben wird es unbequem“, hörte ich Micha rufen. „Michael, das ist ein Weibchen, die steht nicht auf deine Anmache“, kam es von Kevin. Was will das Arschloch von meinem Schatz, er soll gefälligst sein Maul halten! Langsam wurde ich sauer. Das Tier stand unschlüssig zwischen Halle und Transporter. Immer wieder konnte ich den Kopf von Fibi sehen, die kurz über den Zaun schaute. „Dir wird sie sich auch nicht hinterher rennen!“, rief Michael zurück. „Das käme auf einen Versuch an“, grinste dieser Kevin. „Oller Angeber!“ Und wieder fing dieser Kevin an zu lachen. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis das Tier endlich im Hänger war und Michael… der saß noch oben. Diesmal hatte ihn nichts herunter gezogen. Kevin hatte noch ein paar blöde Sprüche losgelassen, die ich eigentlich bisher nur so von Volker und Fritz gewöhnt war. Michael konterte jeden Satz mit einer Begeisterung, dass man meinen könnte… halt… nein, nicht solche Gedanken. Was war nur mit mir los… er hatte doch morgens in Auto gesagt, er liebt mich. „Dennis du kannst loslassen, das Tier ist drin“, sagte Sabine. „Äh… ja okay.“ „Was ist denn mit dir los? Vorhin noch der strahlende Frühling und jetzt der welke Herbst?“ Ich schüttelte einfach nur den Kopf und half den Anderen, die Bretter zu verstauen. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und ich drehte mich um. „Wer bist denn du, dich kenne ich ja noch gar nicht?“ Kevin stand vor mir. „Das ist unser Dennis!“, hörte ich Volker hinter mir sagen. „Kann er auch sprechen?“, fragte Kevin. „Ja kann ich.“ Kevin grinste mich breit an und ich überlegte, ob ich ihm nicht einfach eine runterhauen sollte, denn diese herablassende Art nervte. „Du bist also der berühmte Bären – Dennis.“ „Eigentlich heiße ich nur Dennis und arbeite hier seit einer Woche, also von berühmt keine Spur.“ Was ließ ich da nur vom Stapel? Eigentlich sollte ich ihn links liegen lassen und einfach meine Arbeit weiter tun. „He, nicht so untertreiben, du bist im ganzen Zoo bekannt.“ „Glaub ich zwar nicht, aber auch egal“, meinte ich und drehte mich wieder weg, um diesen nervigen Typen nicht weiter ertragen zu müssen. „Bist du irgendwie sauer?“, fragte Kevin. „Wieso? Habe ich einen Grund für?“, antwortete ich, ohne mich nach ihm umzudrehen. „Es ist nicht schön, mit einem Rücken zu sprechen.“ „Hat dich auch niemand dazu aufgefordert“, sagte ich und lief einfach weg. Volker, Fritz und Sabine schauten mich einfach nur fassungslos an. „Ich bin dann wieder im Bärenhaus, wenn ihr mich braucht“, sprach ich und ließ auch sie stehen. Trotzig lief ich zurück zum Bärenhaus, kickte jeden Stein weg, den ich vor mir auf dem Weg sah. Ich und berühmt, dann sollte er auch wissen, dass ich mit Michael zusammen bin und gefälligst aufhören, mit meinem Schatz zu flirten. *-*-* Ich fegte nun schon zum dritten Male den Gang vor den Käfigen, so sauber war er glaub ich noch nie, als die Tür zum Flur aufgeworfen wurde. Sabine kam herein und blieb kurz vor mir stehen. „Kannst du mir vielleicht sagen, was das gerade eben war?“ Ich zuckte mit den Schultern und kehrte weiter. Sabine griff nach dem Besen und pfefferte ihn in die Ecke. „Herr Kahlberg, ich rede mit dir!“ Ich sah sie nur an, sagte aber kein Wort. „Was hat dir Kevin getan, du kennst ihn ja nicht mal, oder?“ „Nein, tue ich nicht, habe auch nicht das Verlangen danach.“ „Wäre aber vielleicht besser, bevor du dir irgendwelche Urteile bildest und zu schnell eine Meinung zurecht legst.“ „Das er herablassend ist, dazu brauch ich ihn nicht kennen zulernen.“ „Dennis, was ist mit dir los, ich hab dich jetzt eine Woche hier, habe mich gefreut, so einen tollen Kollegen zu bekommen und jetzt? Ich kenne dich nicht wieder.“ Verlegen schaute ich in die Luft, spürte das Blut, das meine Wangen durchfloss, hörte das Rauschen in meinen Ohren. Ich wusste echt nicht, was ich darauf sagen sollte.

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