Engelchen und Teufelchen – Tür 9

tuer-09„Was tut er hier?“, fragte mich meine Mutter, als ich in die Küche kam.

„Ich habe ihn im Park so vorgefunden, ich weiß auch nicht, was mit ihm los ist. Er hat dort schon geweint.“

„Ist aber komisch!“

„Warum ich zu dir komme, wäre es möglich seine Jeans in den Trockner zu stecken…, die ist völlig durchnässt.“

„Warum dass denn?“

„Er saß auf einer verschneiten Parkbank, als ich ihn fand.“

„Sollen wir nicht seine Eltern anrufen?“

„Ich weiß nicht…“

„Geh du zurück und schau, das er die nassen Sachen ausbekommt und ich koche erst Mal einen Tee.“

„Danke Mama“, meinte ich und drückte ihr einen Kuss auf den Mund.

Wenig später betrat ich wieder mein Zimmer. Peter stand noch immer am Fenster.

„Peter?“, sagte ich leise.

Er drehte sich um und schaute mich an.

„Willst du nicht deine nasse Hose ausziehen…, wir haben einen Trockner…“

Peter schaute auf seine Hose.

„Du kannst eine Trainingshose von mir haben, oder nur eine Decke, wenn du willst.“

Er nickte, schlüpfte kompliziert aus der Hose und reichte sie mir.

„Ich bin sofort wieder da…“

Ich rannte zu meiner Mutter, gab ihr die Hose und wollte gerade wieder zurück in mein Zimmer, als sie mich aufhielt.

„Du…, ist dass jetzt dein Freund?“

„Freund?“

„Du weißt schon was ich meine.“

Sämtliches Blut schien sich in meinem Kopf zu sammeln, meine Ohren begannen zu glühen. Wie konnte sie davon wissen?

„Jetzt tu nicht so überrascht, Rafael. Glaubst du ich habe nicht gemerkt was mit dir los ist? Keine Freundin, keine Interesse an Mädchen…, ich bin deine Mutter und nicht blöd.“

Ich schluckte schwer.

„Aber…, aber du hast nie…“

„… was gesagt? Wie denkst du dir das? Raphael ich weiß dass du auf Jungs stehst?“

Ich zuckte leicht mit den Schultern.

„Geh zu diesem Peter…, du solltest ihn nicht so lange alleine lassen, wer weiß was er noch in deinem Zimmer anstellt.“

Ich nickte und lief langsam wieder zurück in mein Zimmer. Sie wusste es. Sie wusste es schon die ganze Zeit, hat aber nie etwas gesagt. Ich hatte mein Zimmer erreicht und drückte langsam die Klinke hinunter.

War ich wirklich in Peter verliebt, dass es Torsten und meine Mutter merkten? Ich schob meine Tür auf und fand Peter immer noch an selben Platz stehend vor. Die Tür hinter mir schließend ging ich an meinen Schrank um eine meiner Trainingshosen heraus zu ziehen.

„Warum…, warum tust du das?“, hörte ich Peter plötzlich hinter mir sagen.

Es war das erste, was er gesagt hatte, seit ich ihn gefunden hatte.

Ich drehte mich zu ihm um.

„Weil es dir nicht gut geht.“

Ich wunderte mich über meine feste Stimme.

„Ist dir das nicht egal…?“

Ich reichte ihm die Hose, die er sich mühsam anzog.

„Warum sollte mir das egal sein?“

„Ich habe dich geschlagen…“

„Ein gutes Argument…, aber ich bin eben ein gutmütiger Trottel.“

Er brummelte etwas.

„Was?“

„Bist du nicht…“, sagte er jetzt etwas lauter, damit ich es verstehen konnte.

Ich atmete tief durch. Was wurde das hier?

„Willst du dich nicht setzten? Da auf meinem Bett ist es warm neben der Heizung.“

Zögerlich setzte er sich hin und ich mich zu ihm.

„Möchtest du mir jetzt erzählen, was passiert ist?“

„… hm… mein… mein Vater hat mir eine… runtergehauen…“

„… ähm Entschuldigung… wenn ich jetzt etwas kalt wirke… aber ist das so unnormal?“

„Er hat das noch nie gemacht…“

„Ach so…, warum hat er es gemacht?

Jetzt schwieg Peter wieder. Das Klopfen an meiner Tür, empfand ich dieses Mal als Rettung.

„Ja?“

Die Tür wurde langsam aufgeschoben und meine Mutter kam herein.

„So hier ist der Tee“, meinte sie und stellte ein kleines Tablett ab.

Dann drehte sie sich zu uns um.

„Und… alles okay zwischen euch?“

Ich nickte.

„Ich habe leider keine Kekse… könnte euch höchstens Speckröllchen anbieten…, aber das passt wohl nicht. Rafael, ich muss noch einmal kurz weg, wenn etwas ist, kannst du mich auf dem Handy erreichen.“

Ich nickte erneut und sie ließ uns alleine. Mein Blick fiel wieder auf Peter, der auf den Boden starrte und zitterte. Ich überlegte, ob ich meinen Arm um ihn legen sollte, aber ließ es dann, einfach, weil ich es mich traute.

„… nur…, nur weil ich nicht so sein will, wie sie…“

„Was?“, fragte ich, weil ich nichtrichtig zugehört hatte.

Peter drehte den Kopf und sah mir in die Augen.

„Würdest du mit jemand zusammen sein wollen, der im Geld badet, nach außen hin ein Kotzbrocken zu sein scheint?“

„…uffz…, das kommt drauf an.“

Auf was wollte er hinaus. Sein Körper zuckte kurz und wieder rannen die Tränen über seine Wangen.

„Wenn…, wenn ich schwul wäre…, würdest du dann noch…“, erneut bebte sein Körper, „…was mit mir zu tun haben wollen.“

Jetzt atmete ich tief durch.

„… warum… warum soll jemand anders sein, nur weil er schwul ist?“

„Es ist… nicht richtig…“

„Wer sagt das?“

Er zuckte mit den Schultern.

„…das denkt doch jeder.“

„Ich bin nicht jeder.“

Was mich wunderte, dass Peter, obwohl er so mies drauf war, mich ohne wegzublicken, anschaute. Dass er schwul war, wurde mir jetzt klar, sonst würde er mich so etwas nicht fragen.

Aber was wollte er damit bezwecken? Ein Nieser von Peter riss mich aus den Gedanken.

„Ich denke, du hast dich erkältet…“

„Das ist jetzt auch egal.“

„Was ist los mit dir…, auf dem Weihnachtsmarkt hast du vor Kraft gestrotzt.“

„Rafael, es tut mir Leid, ich weiß ich hätte dich nicht schlagen dürfen…“

„Das meinte ich nicht, Peter. Du warst so selbstsicher, hast deine Meinung vertreten und…

„Das war nicht meine Meinung. Ich will kein reicher Schnösel sein…“

„Bist du aber…“

Entsetzt schaute mich Peter an.

„Halt, bevor du jetzt irgendetwas sagst oder machst, lass mich bitte ausreden.“

Er nickte.

„Peter, du kannst nichts dagegen tun…, du bist ein Sohn aus reichem Hause, oder wie man das nennt, was du im Endeffekt daraus machst, bestimmst alleine du!“

Ich hörte mich an wie ein Erwachsener, aber ich hatte Recht, das wusste ich.

„Die einen haben halt Glück und wachsen behütet auf…, andere haben Pech und müssen sich alles erkämpfen.“

„Aber dass ist doch nicht meine Schuld!“

„Das sagt doch auch keiner… Als damals mein Vater wegging, wurde es für mich und meine Mutter auch schwer. Sie arbeitete den ganzen Tag, dass wir die Schulden, die mein Vater angehäuft hatte, bezahlen konnten.“

Darauf sagte Peter nichts.

„Dass war auch nicht meine Schuld. Es kommt immer darauf an, was man daraus macht. Gut, wir können uns auch heute noch keine großen Sprünge leisten, aber meiner Mutter und mir geht es gut.“

„… mir nicht…“

Ich schaute Peter an und wartete, dass er weiter redete.

„Meine Eltern haben alles, was man sich wünschen kann…, ich auch“, er zuckte kurz mit den Schultern, „… aber was habe ich von meinen Eltern…, sie sind nie da… sie haben keine Zeit für mich…, was bringt da, das viele Geld?“

Ich nickte.

„Ich will dass nicht mehr…, ich will nicht von morgens bis abends bedient werden und…“

„Musst du doch auch nicht“, unterbrach ich ihn.

„Mein… mein Vater versteht das nicht… ich habe ihm das gesagt.“

„Was hat er darauf gesagt?“

„Er hat mir eine herunter gehauen.“

„Scheiße!“

Peter nickte.

„Was hast du jetzt vor?“

„Weiß ich nicht…“

„Soll ich dich nach Hause begleiten?“

„Ich will nicht nach Hause! Ich… ich will bei dir bleiben.“

Dabei schaute er mich durchdringend an. Ich konnte nicht anders und musste lächeln.

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