Zoogeschichten I – Teil 49

Familienbande

Robert

Da mein Wagen immer noch im Zoo stand, wurde ich von meinen Eltern an meinen Arbeitsplatz gebracht. Adrian hatten sie sogar gebeten, mitzukommen. Unruhig saß ich auf der Rückbank und beschrieb meinem Vater, wie er fahren musste.

Es dauerte eine Weile, denn es gibt Dinge, die ändern sich nie. Mein Vater fuhr noch immer so schlecht Auto wie damals. Aber irgendwann findet auch ein blindes Huhn ein Korn, so auch mein Vater – also den Zoo.

„Stell den Wagen da drüben ab“, meinte ich und zeigte auf den Gästeparkplatz bei der Verwaltung.

Als mein Vater den Zündschlüssel umdrehte und der Motor aus war, spürte ich, wie Adrian neben mir leicht durchatmete.

„Nachher fährst du bei mir mit“, flüsterte ich ihm zu und er lächelte mich an.

„Wollt ihr mit reinkommen oder hier auf mich warten, bis ich meine Sachen geholt habe?“, fragte ich meine Eltern.

„Wenn wir schon mal da sind, möchte ich auch sehen, wo unser Sohn arbeitet“, sagte Mutter.

Mein Vater nickte und löste seinen Sicherheitsgurt, während Adrian und ich bereits ausstiegen. Ein Vorteil, dass ich meine Weste anhatte, als sie mich in die Notaufnahme brachten, war, dass ich alle meine Sachen noch bei mir trug.

So konnte ich ungehindert, ohne jemanden zu bemühen, den Zoo mit meiner Codekarte betreten. Schweigend folgten mir meine Eltern und Adrian. Auf dem Weg zum Delfinarium kamen mir Volker und Dennis entgegen.

„Mensch Robert, du bist ja wieder da“, rief mir Dennis entgegen.

„Ja, sie haben mich einen Tag zur Beobachtung da behalten, aber es scheint alles in Ordnung zu sein. Bisschen Kopfweh, sonst geht alles.“

„Freut mich“, meinte Dennis und sein Blick wanderte zu Adrian.

„Und der junge Mann ist nun auch wieder geheilt“, sagte ich mit einem Lächeln auf den Lippen.

Adrian stupste mich mit der Schulter an.

„Cool Adrian, sieht man dich dann öfter hier?“

Jetzt war es Adrian, der grinste und nickte.

„Ist da irgendetwas, das ich verpasst habe?“, fragte Dennis.

Nun grinsten wir beide. Ich nahm Adrians Hand.

„Ja…, der gehört jetzt zu mir!“, meinte ich stolz.

„Heeeeeeeeee, dann darf man ja gratulieren.“

Dennis nahm zuerst mich in den Arm, bevor er dann Adrian drückte.

„Na super, jetzt haben wir zwei von diesen Turtelpärchen im Zoo… ich glaube, ich beantrage ein eigenes Gehege für euch“, kam es von Volker.

Mein Vater räusperte sich hinter uns, den hatte ich ganz vergessen.

„Ähm…, darf ich euch meine Eltern vorstellen“, sagte ich und zeigte auf sie.

Volker und Dennis nickten und gaben artig Patschhand.

„Das sind Volker und Dennis, beides Kollegen von mir.“

„Arbeiten sie auch im Delfinarium?“, fragte meine Mutter.

„Nein, ich bin im Kleinbärenhaus“, antwortete Volker, „und dieser junge Mann neben mir ist für die großen Bären zuständig. Apropos Bären, wir müssen auf die Besprechung, Dennis.“

„Stimmt, also man sieht sich sicher noch, bis später“, meinte Dennis und Volker nickte.

Wir waren fast am Delfinarium, als ich das Quietschen von Dana hörte.

„Das hört sich aber nicht gut an“, meinte ich und beschleunigte meinen Schritt.

„Was meinst du?“, fragte Vater.

„Werdet ihr gleich sehen“, sagte ich und kamen in die Sichtweite des Delfinariums.

Dennis

„Wow, die beiden zusammen, dass ist der Hammer!“, meinte ich zu Volker.

„Für mich ist das keine Überraschung“, erwiderte er.

„Du wusstest, dass die beiden zusammenkommen würden.“

„Nein, das meinte ich nicht. Ich meinte, dass Robert auch schwul ist.“

„Wieso wusstest du das vorher?“

„Mit der Zeit bekommt man einen Blick für so etwas, wenn man selbst jemand in der Familie hat, der davon … na ja … betroffen ist.“

Bitte, was hatte er da grad gesagt?

„Öhm… Jürgen… dein Bruder?“

Sebastian

„Und das wollen sie wirklich auf sich nehmen?“, fragte ich.

„Sebastian, ich sehe da kein Problem. Wir wollten eh das Dachgeschoss komplett ausbauen und so können wir auch gleich zwei Wohnungen daraus machen, für dich und für Dennis.“

Mir war das jetzt irgendwie unangenehm.

„Sebastian, ich weiß, dir kommt das jetzt alles etwas komisch vor, ich würde es auch verstehen, wenn du uns gegenüber misstrauisch bist. Es verhält sich nur so… wie kann ich das jetzt am Besten erklären?“

„Schön der Reihe nach“, grinste ich, um die Situation etwas aufzulockern.

„Gut, dann fangen wir mal so an… ich bin die Maria und ab sofort gibt es nur noch du… okay?

Ich nickte und nippte an meinem Glas Saft.

„Also… es war schon schwer genug, Dennis zu bekommen und wir hätten gern noch weitere Kinder gehabt… es ging aber nicht… aus gesundheitlichen Gründen.“

Ich war erstaunt, dass Frau Kahlberg… Maria mir das einfach so erzählte.

„Und als mein Mann so viel von dir erzählte, du dich dann auch noch gut mit Dennis verstanden hast, da dachten wir einfach… dich … wie einen zweiten Sohn bei uns aufzunehmen…“

Buh… jetzt war ich von den Socken. Ich wusste, das war keine Reaktion aus Mitleid, es war einfach eine nette Geste der Zwei, mir ein neues Zuhause zu geben. Ich schaute sie mit großen Augen an.

„Und… du… sagtest…ihr hättet Schwierigkeiten mit der Geburt von Dennis gehabt?“

„Nein… nicht bei der Geburt… Dennis ist … adoptiert.“

Robert

Ich sah Heike und Doc Reinhardt am Beckenrand stehen.

„Wartet ihr bitte hier draußen?“, fragte ich.

Adrian und meine Eltern nickten. Ich öffnete die Haupttür, um auf die Außenanlage zu kommen.

„Was ist mit Dana?“, rief ich.

„Robert… Mensch, was machst du hier?“, rief mir Heike entgegen.

„Bin wieder entlassen worden, wollte meine Sachen noch abholen.“

„Und wie geht es dir?“

„Es geht… was ist mit Dana?“

„Sie hat Schwierigkeiten mit der Geburt“, antwortete Doc Reinhard.

„Inwiefern?“

„Ich weiß es nicht, alles war normal, bis sie vor fünf Minuten anfing, diese Laute von sich zu geben und am Beckenrand blieb.“

„Ich geh rein!“, meinte ich.

„Robert, du solltest langsam machen. Nicht, dass du uns noch einmal umkippst“, sagte Heike besorgt.

Ich plätscherte etwas am Wasser und Dana kam näher.

„He Mädchen, du wirst mir doch jetzt nicht schlapp machen?“, fragte ich.

Ich stand wieder auf und lief ins Haus, um mich umzuziehen.

Dennis

„Ach Quatsch, Jürgen doch nicht…ich meine meinen kleinen Bruder David.“

„Ihr habt noch einen Bruder?“

„Ja… sozusagen ein Unfall und Nachzügler. Der studiert gerade Betriebswirtschaft, deswegen hast du ihn hier noch nicht gesehen, er ist in einer anderen Stadt.“

Deswegen ging Volker so human mit dem Schwulsein um.

„Darf ich dich etwas fragen?“

„Klar.“

„Wie hast du reagiert, als du erfahren hast, dass dein Bruder schwul ist.“

„Sagen wir mal so, ich war vorgewarnt. Habe ihn in einem Cafe sitzen sehn, Hand in Hand mit einem Kerl.“

„Und ihn dann darauf angesprochen?“

„Nein, dass wollte ich nicht. Wenn der Kleine was hatte, kam er sowieso immer zu mir und das tat er dann auch wenige Tage später.“

„Und wie hat Jürgen reagiert?“

„Dem musste ich erst mal den Kopf waschen, weil er David runter gemacht hat, aber das ist schon lange vergeben und vergessen.“

„Und… hast du nun einen Schwager?“

„Ja, den habe ich!“

Sebastian

„Adoptiert? Weiß er das?“

Maria schüttelte den Kopf.

„Oh Mann, warum habt ihr ihm das nicht gesagt?“

Marias Augen hatten sich mit Tränen gefüllt.

„Ich weiß nicht… am Anfang dachten wir, er wäre noch zu jung. Danach haben wir es immer vor uns her geschoben.“

„Aber… sorry, wenn ich jetzt so direkt werde… Dennis hat doch ein Recht darauf, es zu wissen… oder nicht?

„Ja, das wissen wir auch… wir dachten… an seinem achtzehnten Geburtstag…“

„Na toll… schönes Geburtstagsgeschenk.“

Mir war klar, dass ich eigentlich kein Recht dazu hatte, meine Meinung zu äußern, aber das hatte mich jetzt doch schockiert.

„Darf ich noch etwas fragen?“, begann ich nun vorsichtiger.

„Ja… was willst du denn wissen?“

„Leben Dennis’ Eltern noch?“

„Der Vater ist bei der Geburt abgehauen… und die Mutter wenig später an einer Überdosis Drogen gestorben.“

„Also niemand mehr da…?“

Maria schüttelte den Kopf.

„Ihr müsst ihm das sagen Maria… je länger ihr wartet… desto schwieriger wird es für euch.“

„Aber wie?“

Stimmt… einfach war das nicht.

„Soll ich vielleicht…?“, begann ich meine Frage.

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