Zoogeschichten II – Teil 74

Eingeständnisse

Lucca

Ich verstand nicht. Alle waren so nett zu mir. Obwohl ich den Bockmist mit diesem Ententeich gebaut hatte. Und auch Dad war anders als sonst. Dieser Dennis gefiel mir, auch wenn er gerade etwas schräg drauf war.

Er war nur zwei Jahre älter als ich und hatte hier schon kleine Bärchen unter sich. Ob ich hier eine Chance hätte eine Ausbildung zu machen, wenn ich nächstes Jahr mit der Schule fertig wäre.

Und jetzt hatte mich Sabine gefragt, ob ich das Gefühl hätte, ob mich hier keiner Ernst nehmen würde.

„Ich weiß nicht…, es ist alles anders als sonst.“

„Wie anders?“

„Ich werde hier für voll genommen, das bin ich nicht gewohnt.“

„Wundert dich das?“, fragte Dennis, der sich noch einen bösen Blick von Sabine einfing.

Ich schüttelte den Kopf.

„Ich weiß ja nicht wie Volker dich einteilen wird, wenn du deine sogenannte Strafe im Zoo ableistest, aber wenn du Lust hast, kannst du bei uns helfen“, meinte Sabine.

„Gerne! Ähm…, willst du wirklich nichts zum Kühlen drauf tun?“

„Geht schon…, der Schmerz lässt schon nach…“ antwortete Dennis.

„Seid ihr schon lange zusammen?“, fragte ich.

„Ein paar Wochen…, aber ich weiß nicht…, ach egal.“

„Euer erster Streit?“

„So gesehen nicht…, aber beim ersten Krach waren wir noch nicht zusammen.“

Dennis erzählte mir in Kurzversion wie sie zusammengekommen waren. Ich musste zugeben, hier war ganz schön was los.

Volker

Irgendwie musste ich wieder Ruhe in den Laden bringen. Total verstörte Mitarbeiter konnte ich nicht gebrauchen. Kevin hatte ich zu Corinna geschickt, um Schadensbegrenzung zu betreiben, bevor hier das große Gerede begann.

Rolf war die ganze Zeit bei mir geblieben.

„So, jetzt gehen wir aber zu meinem Arbeitsbereich. Und um ehrlich zu sein, mir reichts jetzt mit Überraschungen.“

„Ich muss zugeben, ich fand es irgendwie lustig. Bei euch scheint immer etwas los zusein“, erwiderte Rolf.

„Ich hoffe nicht, du bekommst einen falschen Eindruck von uns. Normalerweise ist es hier immer sehr lustig. Klar haben wir viel Arbeit, aber es macht Spass!“

„Was anderes habe ich auch nicht gedacht. So und nun zeig mir mal deine Kleinbären.“

„Man folge mir“, sagte ich und lächelte Rolf an.

Der Himmel hatte sich zu gezogen, es sah nach Regen und Gewitter aus. Dies schienen auch die Besucher gemerkt zu haben. Viele bewegten sich schon in Richtung Ausgang.

„Wie viele Tiere habt ihr hier eigentlich?“, fragte Rolf.

„Buh…, da müsst ich echt in die Inventurlisten schauen. Jedenfalls haben wir eine Vielzahl von Sorten. Zudem sind wir im europäischen Zuchtprogramm eingespannt.“

„Zuchtprogramm?“

„Ja. Viele Tiere haben nur in den Zoos die Chance ihre Gattung vor dem Aussterben zu bewahren. Und damit in der Zoo nicht Gefahr läuft, Inzucht zu betreiben, werden Europaweit Tiere unter den Zoos ausgetauscht.“

„Gibt es da keine Probleme mit den Zollbestimmungen?“

„Nein, da besteht ein Abkommen, ist alles geregelt zwischen den Ländern.

Mittlerweile waren wir fast am Bärenhaus angekommen. Ein Blitz zuckte am Himmel und neben mir Rolf, als der Donner folgte.

„Könnten wir uns irgendwo unterstellen?“, fragte er.

„Wieso…, hast du Angst?“

„Ich fühle mich nicht so wohl… zugegeben, ja ich hab Angst vor Gewittern.“

„Kein Problem, wir sind gleich da.“

Die ersten schweren Tropfen vielen vom Himmel, als ich die Codekarte durch den Scanner zog und die Tür zum Kleinbärenhaus aufzog.

Schnell schlüpfte Rolf ins Haus und atmete tief durch.

„So schlimm?“

Rolf wurde rot.

„Ja, ich weiß ich bin ein erwachsener Mann und hab Angst, wie ein kleines Kind…“

Rolf schämte sich und ich musste grinsen. Da hatte ich ein ausgewachsenes Prachtexemplar von Kerl vor mir stehen und nun stand er da und zitterte etwas. Ich konnte nicht anders und nahm ihn in den Arm.

„He, hier drinnen bist du sicher“, meinte ich und genoss die plötzliche Nähe.

Rolf lächelte mich an und ich weiß nicht, was noch passiert wäre, wenn uns ein Räuspern nicht unterbrochen hätte.

„Da bist du ja, wo treibst du dich denn wieder herum?“, kam es von Fritz.

Ich ließ Rolf los und wandte mich zu Fritz.

„Flamingos aus ihrem Schaumbad geholt und zwei kämpfende Hähne auseinander getrieben…?“

„Hä? Könntest du mal für mich kleinen Mann alles genauer erklären und deinen Besuch hast du mir auch noch nicht vorgestellt“, meinte Fritz und zeigte auf Rolf.

„Ein Schüler hat Spülmittel in den Flamingoteich gekippt und dies hier ist der Vater des Übeltäters.“

„Ihr kennt euch?“, fragte Fritz.

„Na ja…, ich habe Volker vorhin erst kennen gelernt“, antwortete Rolf und reichte Fritz die Hand, „Rolf Genster ist mein Name.“

„Ich bin der Fritz. Wieso habe ich das Gefühl hier im Bärenhaus immer etwas verpassen?“

„Wieso? Mit Volker wird es doch sicherlich nie langweilig?“

„Kann man so sagen.“

Warum grinste Fritz bei dieser Antwort so blöd? Und jetzt Rolf auch noch.

Michael

Ich stand am Gatter und streichelte das Zebra. Erst hatte ich mich mit Kevin geprügelt und dann Dennis noch eine herunter gehauen. Was war bloß in mich gefahren. Ich war eigentlich nie gewalttätig.

Dennis tat mir so Leid. Ich wollte das nicht. Er war weggegangen ohne mit mir reden zu wollen. Konnte ich es ihm verübeln. Ich hatte meinen Zorn auf Kevin, an ihm ausgelassen.

„Micha?“

Das war Kevins Stimme.

„Micha bitte, ich halte das nicht aus…“

Ich drehte meinen Kopf und sah ihn an. Sein Gesicht schimmerte in verschiedenen Farben, ich hatte wohl doch sehr kräftig zugeschlagen.

„Was?“, sagte ich schon wieder im giftigen Ton und bereute es auch gleich wieder.

„Ich will keinen Streit mit dir haben, dafür bist du mir zu wichtig.“

„Fällt dir früh ein…“, sagte ich nun gleichgültig.

Langsam trat Kevin näher. Ich konnte einen kleinen Riss an der Oberlippe sehen.

„Tut mir Leid, ich wollte dich nicht so zurichten“, meinte ich leise und senkte den Kopf.

Kevin nahm mich in den Arm und drückte mich an sich.

„Ich habe dich, seit ich mit Corinna zusammen bin, wohl zu sehr vernachlässigt.“

Ich zuckte mit der Schulter.

„Das ist deine Freundin…“

„Quatsch! Und du bist mein Freund.“

„Ja Freund…“

„Du liebst mich immer noch…, stimmt’s?“

Dazu sagte ich nichts, schaute ihm nur in seine Augen.

„Was ist mit deinem Kleinen? Dennis ist doch ganz ein Lieber.“

„So? Vor ein paar Tagen hattest du noch eine andere Meinung. Und außerdem weiß ich nicht ob ich Dennis noch habe.“

„Wie meinst du das?“

„Ich war sauer auf dich und habe es an Dennis ausgelassen.“

„Und? Das legt sich wieder.“

„Mir ist die Hand ausgerutscht…“

„Autsch!“

Kevin fasst sich vorsichtig ins Gesicht.

„Er hat Partei für dich ergriffen, da ist mir die Sicherung durch.“

„Für mich? Wie komme ich zu der Ehre?“

„Weil er Recht hatte…, ich hätte dir zu hören sollen.“

„Entschuldigung angenommen!“

Ich schaute Kevin an, der mich anlächelte.

„Und jetzt gehen wir zusammen, zu Dennis und klären das auch, okay?“

Ich drückte Kevin fest an mich und spürte einen Kuss auf meiner Wange.

Sebastian

„Wollen sie nicht etwas mit zu den Delfinen gehen?“, fragte ich Florians Vater.

Gehen…, der Mann sitzt im Rollstuhl und ich spreche vom Gehen. Wie saublöd kann man eigentlich sein.

„Würde ich gerne, aber ohne fremde Hilfe, komme ich die Rampe zur Zuschauertribüne nicht hinauf.“

„Da möchte ich auch mit ihnen nicht hin.“

„Aha.“

„Florian hilfst du deinen Papa schieben?“, fragte ich.

Der Kleine tat ganz gewichtig und trat hinter den Rollstuhl.

„Dann kann es ja losgehen“, meinte ich und lief neben den Beiden her.

„Töff, töff, wir sind die Eisenbahn“, sang der Kleine.

„Warum haben sie eigentlich einen Taucheranzug an?“, fragte Florians Vater.

„Ich habe mit den Delfinen vorhin geübt, aber sie können ruhig du und Sebastian sagen, so alt bin ich noch nicht.“

„Gut, ich bin der Phillip.“

Phillip lächelte mich an.

Jetzt konnte ich die Ähnlichkeit mit Florian sehen. Sie hatten beide das gleiche Lächeln.

„Darf ich dich auch was fragen…, etwas Privates?“

„Klar“, antwortete Phillip.

„Was ist passiert…, ich meine, warum sitzt du im Rollstuhl… Dennis… äh ein Kollege erzählte etwas von Unfall.

Ich hatte wohl das Falsche gefragt, Phillip gab keine Antwort.

Florian hatte aufgehört zu schieben und schaute sich die Tiere in den Gehegen an. So übernahm ich seinen Part und schob weiter.

„Das war kein Unfall…, ich…, ich wollte mich umbringen!“

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