Zoogeschichten II – Teil 88

Morgenlaune

Volker

Ich fühlte mich irgendwie leicht und locker. Nachdem ich Rolf im Bett zurückgelassen hatte – ich konnte ihn wirklich nicht dazu bewegen, so früh aufzustehen – hatte ich noch kurz mit Lucca gefrühstückt.

Nun saß er neben mir im Wagen und ließ sich von mir in die Schule bringen. Ich schaute immer wieder zu ihm, denn sein neues Aussehen gefiel mir. Er wirkte jetzt schon viel freundlicher, als mit seinem schwarzen Mist, den er anhatte.

„Was?“, fragte Lucca genervt, als ich ihn zum Tausendsten Male anschaute.

„Du siehst eben gut aus.“

„Ja, ja. Und morgen werde ich Schüler des Monats.“

„Könnte dir passieren. Jedenfalls, was die Mädels betrifft.“

„Glaubst du wirklich?“, fragte Lucca.

„Mensch Lucca, ich verstehe dich nicht. Woher kommt plötzlich deine Unsicherheit? Du warst doch bisher auch nie auf den Mund gefallen.“

„Alles Eigenschutz.“

„Bitte?“

„Wenn man sich wehrt, wird man in Ruhe gelassen.“

„Willst du denn in Ruhe gelassen werden.“

„Eigentlich schon…“

„Aber?“

Lucca zuckte mit der Schulter. Wir waren bei seiner Schule angekommen.

„Du wartest sicherlich nicht auf einen Kuss zum Abschied?“, grinste ich ihm entgegen.

„Nein, Gott bewahre. Aus dem Alter bin ich draußen!“

„Okay“, lachte ich, „wir sehen uns!“

„Bye, Volker!“, sagte Lucca und war schon fast draußen.

„Ich wünsch dir Glück, Lucca…tschüss!“

Er drehte sich noch einmal zu mir.

„Danke!“, erwiderte er und schlug die Tür zu.

Ich blieb noch kurz stehen und sah zu, wie sich jetzt schon einige Schüler in seinem Alter nach ihm umdrehten. Ich gab Gas und schlug die Richtung Zoo ein. Dort wartete ja jemand auf den nächsten Fütterungsversuch.

Dennis

„Morgen zusammen“, rief ich, als ich die große Küche betrat.

Ein allgemeines >Morgen< schallte zurück. „Morgen Sabine“, meinte ich, als Sabine aus dem Kühlhaus kam. „Morgen. Du, wir müssen uns heute Morgen etwas beeilen.“ „Wieso?“ „Jürgen hat mir Bescheid gegeben, dass wir heute Morgen noch Zuwachs bekommen.“ „Einen neuen Bären?“, fragte ich und nahm ihr das Obst ab. „Nicht nur einfach ein Neuer, sondern ein neuer Bär für deine Kinderstation.“ „Äh…, ich habe ja nicht mal unseren Neuen an mich gewöhnt. Und jetzt kommt schon ein Neuer dazu?“ „He, jeder Bär ist anders, zudem ist es auch eine andere Sorte.“ Ich begann, das Gemüse zu waschen, während Sabine schon Obst schnitt. „Das geht?“, fragte ich verwundert. „Weiß ich nicht, aber solange sie klein sind, kann man sie ja aneinander gewöhnen. Vielleicht ein Plus, wenn man sie später ins Gehege raustun möchte.“ So hatte ich es noch nicht gesehen. „Und wie alt ist das Bärchen?“ „Weiß ich nicht, Jürgen wollte eigentlich gleich bei uns vorbeikommen.“ Sabine hob das Brett an und schob das Obst mit dem Messer in die Schüssel. „Wie weit bist du?“, fragte Sabine. „Nur noch die Milchflaschen richten, dann bin ich fertig.“ „Mach gleich zwei mehr, wer weiß, ob unser Neuling schon Hunger hat.“ „Okay, mach ich!“ Fritz Da hatte ich eine fast schlaflose Nacht hinter mir. Volker hatte mir das kleine Brillenbärchen aufs Auge gedrückt. Natürlich kam es, wie es kommen musste, meine Frau war von diesem Wurm ganz verzückt. Gut, einen Vorteil hatte es - meine Frau brachte es fertig, dass die Kleine, das erste Mal richtig trank. Auch wenn ich mir mit ihr die halbe Nacht um die Ohren geschlagen hatte, da war ich richtig stolz auf sie. Und die Kleine schien auch kräftiger zu wirken. Meine Frau wollte mich fast nicht in den Zoo lassen. Ich musste ihr versprechen, die Kleine wieder mitzubringen. Vorsichtig stellte ich den Korb auf den Tisch und schaltete das Licht in der Halle an. Volker war heute mal spät dran, zwar ungewohnt, konnte ja aber mal sein. In den Käfigen herrschte schon heftiges Treiben. Klar, sie hatten Hunger. Ich nahm mir wieder den Korb und lief zu unserem Raum. „Morgen Jungs und Mädels“, schallte es hinter mir. Volker war gekommen. Ich drehte mich um und sah einen sehr gut gelaunten Volker auf mich zukommen. „Morgen… und, wie geht es der Kleinen?“ „Morgen… sie schläft. Sie hat ihre ganze Flasche geleert.“ „Sie trinkt? Wie hast du das fertig gebracht?“ „Ähm… nicht ich. Das war Hilde.“ „Hilde?“ „Ja, sie kam auf die Idee in Melanies altem Puppenspielzeug zu suchen.“ Ich zog zwei kleine Babyflaschen im zarten Rosa aus der Tasche. „Darauf hätten wir ja auch kommen können“, meinte Volker. „Sind wir aber nicht. Hilde ist ganz vernarrt in die Kleine, ich soll sie heute Abend ja wieder mitbringen.“ „Ich habe nichts dagegen.“ „Kann ich mir vorstellen, du wirst ja nicht um deinen Schlaf gebracht!“ Volker grinste nur. Er grinste überhaupt schon die ganze Zeit. „Willst du mir nichts erzählen?“, fragte ich, während ich die ersten Schüsseln mit Futter richtete. „Was meinst du denn?“ „Deine gute Laune…“ Lucca Mir war schon klar, dass ich heute Morgen einige Blicke auf mich zog. Aber dass sich fast die ganze Schule nach mir umdrehte… Ich schaute starr vor mich hin und versuchte, so schnell wie möglich ins Klassenzimmer zu kommen. Dort angekommen, erwartete mich die nächste Überraschung. Das Klassenzimmer war leer. An der Tür hing ein Zimmer. >Wegen einer wichtigen Nachbesprechung fällt diese Stunde aus<. Na super, das hätten sie uns doch auch schon gestern sagen können. Aber wo waren die Anderen? Ihre Sachen lagen auf den Tischen. Ich legte ebenso meinen Rucksack ab und machte mich auf den Weg in die Cafeteria. Eigentlich Blödsinn, denn zur ersten Stunde hatte die nie geöffnet. Aber man weiß ja nie. Auf dieser Schule ist ja alles möglich. So lief ich die Treppe hinunter, während in den anderen Klassen schon lange Unterricht war. Es war schon fast gespenstisch ruhig. Aus dem Lehrerzimmer kam Frau Seidel und sah mich an. „Lucca?“, fragte sie verwundert. „Ähm…ja?“ „Jetzt habe ich dich fast nicht erkannt…, hast du keinen Unterricht?“ „Der fällt aus, stand an unser Klassentür… wegen einer Nachbesprechung.“ „Ach so…“, meinte sie und schaute auf die Uhr, „oh ich muss weiter…, bis später, Lucca!“ Und schon war sie weg. >Später<… Geschichte! Okay, also setzte ich meinen Weg fort. Je näher ich der Cafeteria kam, umso mehr bezweifelte ich, dass ich dort jemanden finden würde. Es war einfach zu ruhig. Die sonst verschlossene Tür ließ sich aber öffnen und so trat ich ein. Zuerst konnte ich niemanden sehen. Als ich mich aber gerade umdrehen wollte, sah ich hinten in der Nische jemanden sitzen. Gut, ich sah nur ein Bein, wer alles in dem Seitenteil des Saales saß, sah ich nicht. Neugierig wie ich war, ging ich natürlich hin. Ich erschrak etwas, als da meine halbe Klasse saß, die sich leise unterhielten. Sie schienen aber genauso erschrocken, denn anscheinend hatte mich niemand gehört. „Wenn man vom Teufel spricht…“, kam es von Gunther. „Bist du das, Lucca?“, fragte Melanie und zog ihre Brille auf. Ich grinste verlegen. „Was ist denn mit dem passiert?“, fragte Mike. Man redete also in der dritten Person von mir. War meine Entscheidung wirklich richtig? Michael Es dauerte eine Weile, bis ich dran kam. Doc Reinhard hatte, wie versprochen, die Röntgenbilder weitergeleitet. Der Arzt wunderte sich zwar anfänglich, dass die Bilder aus einer Tierklinik stammten, aber als er meinen Beruf las, war ihm alles klar. „Da haben sie aber wirklich Glück gehabt. Die dritte Rippe ist gebrochen und die Vierte angebrochen. Die Schwellungen und die Blutergüsse werden schnell wieder weggehen.“ „Und wie sieht es mit Arbeiten aus.“ „Um ehrlich zu sein, in ihrem Job mit gebrochener Rippe, da sehe ich schwarz, außer sie beschränken sich auf leichte Arbeiten.“ Leichte Arbeiten… im Zoo, da sollte ich mal mit Volker reden. Daheim rumsitzen - dazu hatte ich keine Lust, noch dazu, wo mein Kleiner bald seinen Geburtstag feierte. Ich bekam noch Tabletten und Salben zur Heilung verschrieben und konnte wieder gehen. Mein Dad hatte draußen artig gewartet, so ließ ich mich gleich von ihm in den Zoo fahren. Sebastian Nichts wünschte ich mir sehnlicher, als dass Robert bald wieder da war. Seit wir den Nachwuchs hatten, musste ich mich verstärkt um unsere Delfine kümmern, denn Heike war fast die ganze Zeit bei Dana und ihrem Nachwuchs. Es machte schon Spass, mit den Tieren zusammen, aber es war auch anstrengend. Etwas anderes nervte mich noch mehr. Mittlerweile schien ich Fans bekommen zu haben. Zwei ältere Damen waren nun jeden Tag da und schauten mir zu. Immer wieder winkten sie mir zu und klatschten wie verrückt, wenn einer der Delfine irgendein Kunststück vorführte. Das Delfinarium konnte ich nicht verlassen, sonst hatte ich die beiden am Hals. Ob sie mir auflauerten? Ich machte gute Mine zum bösen Spiel und nickte freudenstrahlend den Beiden zu, wann immer es ging. „Na, ist dein Fanclub wieder da?“, fragte Heike, die mir auch mal wieder die Ehre erwies. „Die sind ja schlimmer wie Kletten“, sagte ich leise. „Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du rüber zu Dennis willst, die bekommen heute ein neues Jungtier.“ „Gerne! Aber wie soll ich an den Zweien vorbeikommen?“, fragte ich und zeigte unscheinbar mit dem Kopf in deren Richtung. „Du könntest unseren Nebenausgang benutzen.“ „Nebenausgang?“ „Ja, bei euch in der Umkleide, die kleine Tür, die kennen sie bestimmt nicht.“ *-*-* „Ach Agnes, der junge Mann kann das richtig toll!“ „Elfriede, meinst du ich bekomme ein Autogramm?“

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