Zoogeschichten III – Teil 126 – Geständnis

tuer-14126. Geständnis
© by Pit 2014

Rolf

Im Flur war es total still, man hätte eine Stecknadel fallen hören. Ich spürte wie plötzlich tiefe Wut und Hass in mir aufkam. Meine Hände verkrampften sich, quetschte die Griffe von Luccas Rollstuhl.

„Du hast was?“, fragte Marion, die wohl als erste wieder ihre Worte gefunden hatte.

Gregor schaute Augenverdrehend in die Luft und rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht.

Ich löste mich aus dem Pulk an die Tür und trat vor Gregor.

„Warum?“, fragte Volker nur, „warum hast du das gemacht?“

Mit hasserfüllten Augen schaute Gregor Volker an, mir lief es kalt den Rücken herunter. Darauf gefasst, dass er Volker gleich wieder schlagen würde, hielt er seinem Blick dennoch stand.

„Du willst wissen, warum ich das getan habe?“, fuhr er Volker an, der nun doch etwas zurückwich.

Das wollte wohl jeder hier im Flur wissen, aber keiner sagte etwas.

„Du und dein Zoo, nur immer Zoo, Zoo, ZOO! Nie hattest du Zeit für mich!“

Er schrie diese Worte.

„Meine Abschlussfeier… oh im Zoo ist ein Notfall, ich habe keine Zeit…, dass Endspiel der Handballmannschaft… ich kann nicht… nie konntest du! Und da kommt so ein kleiner Scheißer mit seinem schwulen Vater daher und du verbringst plötzlich mehr Zeit mit denen, als du je mit mir verbracht hast!“

Die wütende Stimme änderte sich in eine weinerliche. Immer noch standen alle am selben Platz und durch offene Wohnungstür halte Gregors Stimme im Hausflur nach. Ich drehte mich und schloss endlich die Wohnungstür.

„Warum? … ich sollte warum fragen, hast du mich nicht lieb? Bin ich dir als Sohn so zu wider?“

„Gregor“, mischte sich plötzlich Marion ein, doch Volker hob seine Hand und Marion verstummte.

„Es tut mir leid, wenn ich dir das Gefühl vermittelte, dich nicht zu lieben…“, antwortete ich Volker im ruhigen Ton, was mich in dieser Situation sehr wunderte.

Ich spürte selbst, wie ich an mir halten musste, um mich nicht auf diesen Junge zu stürzen und dass zu tun, was er Lucca angetan, oder antun lassen hat.

„Du bist mein Sohn und natürlich liebe ich dich. Du und Martina sind wohl das Beste, was ich je fertig gebracht habe…“

Gregor stand keuchend vor Volker, sagte aber kein Wort, nur die Tränen liefen ihm herunter. Auch Volkers Tonfall hatte sich geändert.

„Ich kann das nicht so gut, ich habe nie meine Gefühle zeigen können…“

„Das stimmt“, kam es leise von Marion, was aber nicht vorwurfsvoll klang.

„Dass mir der Zoo wichtig ist, kannst du mir nicht vorwerfen, es ist eine Lebensaufgabe, begonnen von meinem Vater und ich führe sie mit Jürgen weiter.“

Gregor sank in sich zusammen, rutschte an der Wand herunter und fing laut an zu schluchzen.

„Ich habe nie von dir verlangt, deine Interessen hinter meine zustellen, du durftest machen was du wolltest, so wie bei Martina auch…, aber ich wollte bestimmt nicht das Gefühl vermitteln, dass du mir egal bist.“

„… und… und… dass ich jetzt etwas für einen Mann… für Rolf empfinde… für seine Gefühle kann man nichts…“

Diese letzten Worte rührten jeden im Raum, selbst Marions Augen wurden feucht.

„Klar habe ich viele Fehler gemacht, sonst wären deine Mutter und ich immer noch zusammen, aber rückgängig kann ich sie nicht mehr machen.“

Volker sank auf die Knie und hob zittern seine Hand.

„… ich… ich wollte doch nur… einmal dein Mittelpunkt sein…“, schluchzte Gregor.

*-*-*

Michael

„Ich weiß nicht wo Volker ist. Er meinte er hätte dringend etwas Wichtiges zu erledigen“, antwortete Jürgen, als ich nach dem Verbleib von Volker fragte.

„Wenn du Fragen hast, dann wende dich so lange an mich“, sprach Jürgen weiter, „bin wieder im Büro.

Und schon war er weg. Im Bärengehege sah ich Sabine mit meinem Schatz beim Saubermachen. Als er aufschaute, winkte ich ihm zu. Ich konnte sehen, dass er lächelte und mir einen Handkuss zurückwarf.
Am liebsten wäre ich ja jetzt zu ihm gelaufen, aber ich besann mich auf Besseres. Ich vertiefte mich in die mittlerweile geänderten Pläne und versuchte mich zu orientieren. Nach und nach trafen nun die Bauarbeiter an.

„Hallo!“, hörte ich eine Stimme, ein Bauarbeiter kam auf mich zu.

„Ja?“

„Das Tor ist noch verschlossen und der Kran ist da.“

„Ich schließe sofort auf!“

„Danke.“

*-*-*

Dennis

Und weg war er. Er schien wohl sehr beschäftigt. Ich machte mir nur Sorgen, dass Michael sich zu viel zumutete.

„Ist was?“, hörte ich Sabine fragen.

„Nein, ich hab nur kurz über Micha nachgedacht.“

„Wieso? Ist etwas passiert?“

„Nein, ich mach mir nur Sorgen, dass etwas passieren könnte und es mit seinen Rippen nicht so glimpflich ausgeht wie die letzten zwei Mal.“

„Ja, die Sorge kann ich dir nicht abnehmen. Normalerweise würde ich sagen, er ist alt genug, aber wir reden hier über Michael!“

„Eben…!“

*-*-*

David

Ich hatte wie versprochen, Tim bei der Gärtnerei abgesetzt und mich gleich wieder mit ihm am Abend verabredet, sein Fahrrad stand ja noch bei mir. Meinen alten Golf eingeparkt trottete ich langsam zum Eingang des Zoos.
Einige Leute standen schon an und warteten auf den Einlass. Da Jürgen mir gestern endlich eine eigene codekarte verpasste, konnte ich ungehindert den Nebeneingang passieren.

„David?“

Ich drehte mich um und konnte Sebastian entdecken. Ich hielt das Tor auf.

„Danke, David.“

„Und fit?“

„Ja geht.“

„Hast du dich endlich eingelebt?“

„Ja, kann mich nicht beschweren, alle sich sehr nett zu mir und die Arbeit mit den Delphinen macht auch sehr viel Spaß, auch wenn es ab und zu anstrengend ist.“

„Welche Arbeit ist hier nicht anstrengend?“

Sebastian lachte.

„Warum arbeitest du nicht hier, als ich meine so wie Volker bei den Tieren oder Herr Kolping im Büro?“

Mein Weg zu Jürgen und sein Weg zum Delphinarium waren ein Stück derselbe, so lief ich neben ihm weiter.

„Weil ich eigentlich immer andere Interessen hatte.“

„Und was hat deine Meinung geändert, also ich meine du bist jetzt so oft hier und hilfst auch mit.“

„Die Familie…“

„Die Familie?“

„Ja die Familie! Es ist so viel geschehen in letzter Zeit und mir ist bewusst geworden, wie wichtig Familie ist. Nebenbei… auch wie wichtiger dieser Zoo ist, den mein Großvater gegründet, mein Vater weitergeführt hat und jetzt von meinen Brüdern geleitet wird.“

„Ja… stimmt Familie ist sehr wichtig.“

„Und ich habe mich dazu entschlossen, wenn ich meinen Betriebswirt fertig habe, hier voll einzusteigen.“

„Darüber haben sich deine Brüder sicherlich gefreut.“

„Die wissen noch gar nichts davon, ich wollte es ihnen eigentlich diese Tage sagen.“

„Dann wünsch ich dir mal Glück für das Gespräch, ich muss jetzt abbiegen.“

„Okay, man sieht sich vielleicht, bis dann!“

Er lächelte mir zu und bog bei der nächsten Gabelung ab. Was mich etwas stutzig machte, war, warum er beim Wort Familie plötzlich so traurig schaute, da schien wohl auch etwas im Argen zu liegen.

*-*-*

Robert

Adrian hatte mich vor seiner Vorlesung zur Arbeit gefahren. Am Delphinarium angekommen zog ich meine Karte hervor und ließ sie durch die Elektronik gleiten. Der Summton wurde hörbar und ich zog die Tür auf.
Feuchte und warme Luft schlug mir entgegen. Noch während die Tür hinter mir zu viel, hatte ich meine Jacke ausgezogen.

„Morgen Robert“, begrüßte mich Christian, der bereits mit der Fütterung begonnen hatte.

„Morgen Christian! Noch niemand sonst da?“

„Nein, die beiden Mädels hab ich zwar am Eingang gesehen, aber hier im Haus sind sie noch nicht, aber es ist ja auch noch Zeit.“

„Gut, ich zieh mich dann mal um.“

Von Sebastian war auch noch nichts zu sehen, aber als ich unsere Personalräume betrat, hörte ich den Summer der Eingangstür. Heute stand die Reinigung des Hauptbeckens an, so sollten doch alle anwesend sein.

*-*-*

Volker

Gregor glitt in meine Arme und schluchzte noch mehr. Sanft strich ich ihm über sein Haar.

„Wollt ihr nicht ablegen“, meldete sich Martina plötzlich zu Wort.

Ich konnte es zwar nicht sehen, aber man schien sich hinter mir der Jacken zu entledigen.

„Küche oder Wohnzimmer?“, fragte Martina.

„Küche!“, hörte ich Marion sagen, „kommen sie Rolf, wir können glaub ich jetzt beide einen starken Kaffee brauchen.“

„Ähm… ja.“

So war ich nun alleine mit Gregor.

„Komm Gregor, du kannst hier nicht auf dem Flur sitzen bleiben.“

Er wischte sich mit den Armen die Tränen aus den Augen.

„Wieso denn nicht…, wo soll ich denn hin?“

„Zu den anderen…“

„Was soll ich denn da…, es ist alles gesagt…, ihr könnt jetzt die Polizei anrufen.“

„Nein!“

Ich erschrak etwas, denn dies kam nicht von mir, sondern von Lucca, der mit seinem Rollstuhl immer noch hinter mir stand.

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