Zoogeschichten III – Teil 127 – Familie

tuer-15127. Familie
© by Pit 2014

David

„Morgen Brüderchen!“

„Oh, guten Morgen. Aus dem Bett gefallen, oder hast du heute Morgen Vorlesung?“

„Keins von Beiden. Ich habe Tim zur Arbeit gebracht und dachte ich schau bei dir vorbei.“

„Scheint wohl wirklich etwas Ernstes zu sein zwischen euch. Und was ist mit Erkan?“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Kann ich dir nicht sagen, nur, dass er irgendwie in den Hintergrund gerückt ist.“

„Okay, geht mich auch nichts an, pass bitte nur auf dich auf!“

„Keine Sorge, werde ich machen. Wo ist denn Volker, schon auf der Baustelle?“

„Nein…, der ist gar nicht da…“, antwortete Jürgen nervös.

„Ist etwas?“

„Wir haben gerade telefoniert…, er kommt später. Familiäre Gründe…“

„Ich bin auch Familie…hallo?! Geht es wieder um Gregor?“

„Volker hat mich gerade davon in Kenntnis gesetzt, dass Gregor wohl seine rechten Freunde dazu ermuntert hat, Rolfs Sohn Lucca zusammen zuschlagen.“

„WAS?!?“

„Ich habe genauso wie du reagiert.“

„Spinnt der? Welcher Vogel hat denn dem in den Kopf geschissen?“

„David…“

„Stimmt doch auch… man… der gehört genauso verprügelt. Hat Volker schon gesagt warum?“

„Dann wärst du so wie Gregor, das ist auch keine Lösung. Der Grund? Banal… kindisch würde ich es nennen.“

„Was?“

„Eifersucht! Gregor war eifersüchtig auf Rolf und seinem Sohn, weil Volker mehr Zeit mit ihnen verbracht hat, als er es je mit Gregor getan hatte.“

„Aber deswegen schlag ich doch nicht gleich den Sohn zusammen und schmier dem eigenen Vater eine. Von Michael und dem neuen Doktor will ich gar nicht erst reden.“

„Tja, was soll ich sagen. Gregor ist an die falschen Freunde geraten und hat einen riesen Fehler begangen.“

„Ja, hoffentlich kriegt er die gerechte Strafe.“

„Du redest von deinem Neffen…“

„Ja meinem Neffen, der einen Teenager zu Brei hat schlagen lassen.“

Jürgen seufzte.

„Eifersucht…, ich fass es nicht! Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft!“

„Wie alt bist du?“, fragte Jürgen und ich musste grinsen.

*-*-*

Phillip

„Jürgen kommt gleich her, dann können wir darüber beraten, wie wir weiter vorgehen“, meinte Reinhard und ließ sich auf seinen Bürostuhl fallen.

„Ich kann das nicht fassen. Erst klauen sie meine Erfindung und obwohl sie wissen, dass es für die Tiere tödlich ist, vertreiben sie es auch noch. Wie haben die das überhaupt genehmigt bekommen?“

Melanie war nun zu uns gekommen und setzte sich zu uns.

„Das geht heute doch ganz einfach. So wie in der Humanmedizin werden medizinische Geräte oder Präparate im Ausland angemeldet. Dort hat man es nicht so mit den Tests und man bekommt schnell eine Zusage.“

„Das geht so einfach?“, fragte Melanie.

„Mit den entsprechenden Mitteln…“

„Geld?

Ich nickte. Leider war das ein Schwachpunkt unserer Gesetzgebung. Aber Medizin oder Ähnliches aus dem Ausland hier nicht zu genehmigen, obwohl es dort zugelassen war, ging auch nicht. Zu viele wichtige Präparate kamen aus dem Ausland.
Die Eingangstür ging und wenig später stand Jürgen vor uns.

„Guten Morgen zusammen!“

Jeder grüßte zurück.

„Das ist ja echt heftig, was Reinhard mir da erzählt hat. Wenn das alles stimmt, werde ich gleich bei meinem Freund im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) anrufen und Dampf machen!“

„Schon alleine die zwei verwendeten Antihelmintika Ivermectin und Moxydectin gegen Würmer sind völlig nutzlos, weil bei den meisten Pferden es eine Resistenzbildung gegeben hat, bei Fohlen sind beide Wirkstoffe inzwischen weitgehend wirkungslos, aber dennoch belastend für den Körper“, erklärte ich, „und kann mit dem Zusammenwirken der anderen verwendeten Zusätze sogar tödlich sein.

„Da läuft eh eine Sache, dass über 200 Zulassungsstellen in Deutschland überprüft werden, weil ihre Zulassungen eventuell auf eine gefälschte Studie von einer indischen Firma beruhen könnten“, warf Melanie ein.

„Das ist harter Tobak, da kann man nur hoffen, dass es mehr so Leute wie ihr gibt, die nicht gleich jedes Medikament verwenden und hinterfragen“, meinte Jürgen.

*-*-*

Volker

Gregor schaute auf, Tränen rannen über sein Gesicht.

„Ich will das nicht“, setzte Lucca nach.

„… aber…!?“, kam es von Gregor.

„Ich möchte es einfach nicht Gregor. Dass du dich vernachlässigt fühlst, tut mir leid, aber falls Volker wirklich so nachlässig war, wie du sagst, ist es nicht die Schuld meines Vaters oder mir. Mag sein, dass er sich mehr um dich kümmern hätte sollen, das kann ich nicht beurteilen.“

Rolf trat wieder aus der Küche.

„Aber ich kann dir gut verstehen wie du dich fühlst, denn meine Mutter hat, nachdem sie uns verlassen, sich überhaupt nicht um mich gekümmert, geschweige denn sehen lassen. Du hast aber deinen Vater noch und ich kann mir nicht vorstellen, dass er dich im Stich lassen würde, wenn du ihn dringend bräuchtest…“

Ich konnte auf Rolfs Lippen ein kleines Lächeln entdecken.

„… so wie jetzt. Du hast deinen Vater geschlagen und trotzdem hält er zu dir.“

Gregor schluchzte erneut.

„Ich habe ein paar Tage im Zoo gearbeitet und als erstes lernte ich, alle arbeiten und halten zusammen, wie eine große Familie. Nun gehöre ich auch etwas zu dieser Familie, sei es durch Volker oder den Zoo. Du hattest die Chance von Anfang an, sozusagen durch deine Geburt…,
also wirf sie nicht weg. Dass du mich hast verprügeln lassen war der falsche Weg. Ich habe ebenso Blödsinn gemacht und habe fast wertvolle Tiere umgebracht. Nur weil ich auf mich aufmerksam machen wollte. Etwas anderes habe ich dadurch aber auch gelernt, man kann mit allen reden…das rate ich dir auch! … fährst du mich in die Küche, Papa?“

Rolf nickte.

*-*-*

Sebastian

Jetzt musste ich mich aber sputen, sonst kam ich zu spät zum Dienst. Das kleine Gespräch mit David hatte mich doch etwas aufgehalten und ich war eh schon spät dran. Vielleicht sollte ich ab morgen eine Straßenbahn früher nehmen.
Hastig zog ich meine Karte durch und riss die Tür auf. Außer Christian am Becken war noch keiner zu sehen.

„Morgen Christian.“

„Morgen Sebastian.“

„Bin gleich bei dir!“

„Eilt nicht, die anderen sind auch noch nicht da.“

Ich nickte. So lief ich schnell in die Umkleide und erschrak etwas, als plötzlich Robert da stand.

„Morgen!“

„Morgen Sebastian und fit?“

„Wie ein Turnschuh.“

„Nicht gut.“

„Warum?“

„Heut steht die Reinigung des großes Beckens an, da müssen alle mithelfen.“

„Oh!“

*-*-*

Rolf

Volker kam in die Küche.

„Ich bin mal weg, ich geh mit Gregor“, meinte er zu uns.

„Wo will er denn hin?“, fragte Marion.

„Er will zur Polizei, sich stellen.“

„Aber ich sagte doch, wir lassen das“, protestierte Lucca.

Volker beugte sich zu ihm hinunter, legte seine Hand auf dessen Schulter.

„Vielleicht ist es besser so Lucca. Auch wenn du das jetzt vielleicht nicht verstehst, er will das!“

„Aber…“

„Lucca… nicht“, mahnte ich ihn zum Schweigen.

„Ich melde mich dann“, sagte Volker, gab mir einen kleinen Kuss auf die Wange und verließ die Küche.

Wenig später hörte man die Wohnungstür.

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