Besichtigung
Michael
Der Verband juckte schrecklich, aber was sein muss, muss sein! Nur als Aufsichtperson zu fungieren, war mal etwas Anderes. Aber lieber würde ich mit anpacken. Die Einfahrt für das schwere Gerät war frei.
So kamen heute Morgen die Bagger zum Einsatz. Nach und nach verschwand ein Busch und Baum nach dem anderen. Vorher sah alles so klein aus, aber jetzt, wo das Grünzeug fehlte, sah man erst, wie groß der Platz zwischen den beiden Bärenhäusern war.
„Morgen Micha!“
Ich drehte mich um. Volker.
„Morgen Volker, ich dachte du bist im Krankenhaus.“
„Fahre ich später hin. Den ganzen Tag da rumsitzen ist auch nicht gut für mich.“
„Verstehe ich nur zu gut. Nur hier rumstehen und nicht mit anpacken können, nervt auch ungemein.“
„Tja Micha, deine Rippen gehen vor. He, die sind aber schon weit.“
„Ja, die sind fleißig.“
„Was ist mit der Absperrung? Hast du überprüft, ob sie auch sicher genug ist… wegen der Gäste.“
„Noch nicht.“
„Komm, dann machen wir das gemeinsam.“
Dennis
Nicht genug, dass ich mit Sabine das Außengehege der großen Bären reinigen musste. Nein, meine kleinen Racker dachten sich wohl, ich bräuchte Sonderaufgaben. Das kleine Gehege, das an ihrem Käfig angrenzte, sah total verwüstet aus.
„Da hast du Einiges zu machen“, meinte Sabine.
„Na toll, ich habe ja keine andere Arbeit.“
„Geht schon! Wenn du fertig bist, kommst halt rüber zu mir.“
„Da bleibt mir wohl gar nichts anderes übrig.“
Grinsend lief Sabine davon. Ich nahm den Rechen und sammelte die restlichen Fetzen des Kartons zusammen, den ich gestern den Dreien zum Spielen gegeben hatte. Die Luke zum Käfig stand immer noch offen und ab und an war eine Nase zu sehen.
„Bleibt bloß drin“, meinte ich und es kam auch keiner.
Ich versuchte, mit der Schaufel die Löcher wieder zu begradigen, was an der Menge der Löcher fast scheiterte.
„Könnt ihr nicht wie andere Bären auf den Stämmen herumklettern?“, meinte ich säuerlich.
Auch das Loch am Zaun war mir nicht entgangen. Ich war nur froh, dass der untere Teil des Zauns einbetoniert war und somit Krümel und Gefolge hier nicht abhauen konnten. Nachdem ich auch den letzten Haufen Dreck in den Eimer befördert hatte, ging ich mit meinem Arbeitsgerät wieder nach drinnen.
Die Drei hockten unschuldig auf ihren Kisten und knabberten an ihren Möhren. Ich musste grinsen, als ich sie so vereint sitzen sah.
„Macht mir ja keinen Unfug, ich komme nachher mit den Flaschen wieder!“
Als hätten sie es verstanden, brummten alle drei. Ich entsorgte die zwei Eimer Dreck und lief gleich weiter zu Sabine. Etwas ungewohnt war für mich, dass auf der linken Seite das Grün fehlte.
Die Baufirma hatte schon allerhand geschafft. Ich hatte freien Blick zum Kleinbärenhaus. Auf dem Weg gegenüber sah ich Michael mit Volker, wie sie an den Absperrungen rüttelten.
„Morgen“, rief ich laut, „weißt du etwas Neues, wie es Lucca geht?“
Sabine in meiner Nähe hörte augenblicklich auf mit ihrer Arbeit und kam zu mir. Volker kam zu uns an das Gatter.
„Also wenn alles gut läuft, wird er am Wochenende aus der Intensiv verlegt.“
„He super, dann können wir ihn ja besuchen“, meinte Sabine.
„Ach Dennis, wir sollten nachher noch wegen deiner Party reden“, meinte Volker.
„Findet die überhaupt noch statt?“, fragte Sabine.
„Also ich bin irgendwie auch nicht mehr so begeistert“, sagte ich.
„Schatz, was soll dass?“, kam nun Michael ans Gatter, der sicher unsere Unterhaltung mitbekommen hatte.
„Ich mein ja nur… wegen Lucca… der liegt im Krankenhaus und wir feiern hier.“
„Lucca wär bestimmt sauer, wenn du wegen ihm deine Party sausen lässt“, sagte Volker.
„Genau!“, stimmte Micha zu, „und außerdem laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren!“
„Welche Vorbereitungen?“, fragte ich verwundert.
„Lass dich überraschen!“, rief Michael und warf mir einen Handkuss zu.
Sabine neben mir lächelte nur und nahm ihre Arbeit wieder auf.
„Wir sehen uns später“, meinte Volker und ging mit Michael zurück zu den Absperrungen.
„Volker, kommst du mal?“, hörte ich Fritz vom Kleinbärenhaus rufen.
Praktisch! Früher wäre das nicht gegangen. Aber es half nichts, auch ich musste mich wieder an die Arbeit machen. So schnappte ich mir meinen Rechen und begann wie vorhin, kleine Häufchen zu machen.
Phillip
Mühsam rollte ich die kleine Anhöhe zur Klinik hinauf. Doc Reinhard hatte mich angerufen, dass heute ein Vertreter für das Labor kam. Er meinte, ich sollte gleich von Anfang an dabei sein, wenn es um die Einrichtung ging.
Später hatte ich noch einen Termin mit Heide. Sie hatte zusammen mit Kolping meinen Vertrag vorbeireitet. Als ich hörte, was ich verdiente, musste ich schlucken. Mit so viel hatte ich gar nicht gerechnet.
Endlich angekommen, klopfte ich an die Eingangstür. Es dauerte etwas, bis eine junge Frau erschien.
„Hallo“, meinte sie und zog die Tür weiter auf.
„Ich bin Phillip Keller und habe einen Termin mit Doc Reinhard.“
„Ich weiß Bescheid. Der Doc ist noch bei den Pinguinen, wird aber gleich zurück sein. Ich bin die Melanie, seine Assistentin.“
„Hallo Melanie“, meinte ich und schüttelte ihr die Hand.
„Wenn sie möchten, zeige ich ihnen schon mal die Räumlichkeiten, die umgebaut werden sollen.“
„Das wäre nett, danke“, sagte ich.
Also rollte ich ihr den langen Flur hinterher. Die Regale auf beiden Seiten waren voll mit Dingen, die ich noch nicht gesehen hatte.
„Wofür braucht man das alles?“
„Haltevorrichtungen bei Operationen und allerlei andere Sachen. Wir haben hier viele verschiedene Tiere.“
„Schon klar, ich kenne nur vieles nicht.“
„Kein Problem, werden sie alles kennen lernen.“
„Im Labor?“
„Nein, ich denke, bei Notfällen oder am Anfang auch so, werden sie sicher auch ab und zu Doc Reinhard zur Hand gehen.“
Das war mir bis jetzt noch nicht bewusst. So etwas hatte Herr Kolping auch schon erwähnt, nur hatte ich das nicht ganz realisiert.
„Ich bin zwar schon eine Weile aus der Übung, aber ich werde es schon irgendwie schaffen.“
Melanie lächelte.
„So, hier sind wir. Alles ist gekachelt, das war schon so, es fehlen nur noch die Aufbauten“, meinte sie und ging zur Seite.
Ich rollte hinein und sah mir die zwei Räume genau an. Stromanschlüsse waren reichlich vorhanden, ebenso Wasseranschlüsse.
„Hallo, jemand da?“, hörte ich es im Flur rufen.
„Wir sind hier“, rief Melanie und wenig später erschien Doc Reinhard.
„Morgen Phillip“, sagte er und streckte mir die Hand entgegen.
Seit meinem letzten Besuch waren wir per Du.
„Morgen Eckard, alles klar bei den Pinguinen?“
„Ja, die Kolik bekommen wir auch noch weg. Und wie gefallen dir die Räumlichkeiten?“
„Gut… sehr gut!“
„Also wenn ich ehrlich bin, freue ich mich schon, wenn hier alles fertig ist und du loswerkeln kannst.“
„Ja?“
„Frag Melanie. Wie oft mussten wir auf Ergebnisse warten, weil das hiesige Institut nicht nachkam. So ist das Problem von selbst gelöst.“
„Jetzt wart erst mal ab, wie ich mich anstelle!“
„Ich habe vollstes Vertrauen zu dir! Lust auf einen Kaffe, bis der Vertreter kommt?“
„Klar, immer doch!“
Robert
„Der scheint angebaut zu haben, das ist alles größer als früher“, meinte ich zu Adrian.
Wir standen vor dem Maurergeschäft von Niklas. Adrian schloss das Auto ab und gemeinsam betraten wir das Grundstück. Ein Mann sah uns und kam uns entgegen.
„Kann ich ihnen helfen?“
Ich blickte kurz zu Adrian.
„Ist der Chef zu sprechen?“, fragte ich.
„Moment, ich schau nach.“
Er lief zurück zum großen Haus, in dem ich als Kind schon viel gespielt hatte. Langsam lief ich ihm nach.
„Willst du nicht warten?“, fragte Adrian.
„He, ich war früher als Kind oft hier. Der Mann scheint neu, er kennt mich jedenfalls nicht.“
„Chef…? Da will sie einer sprechen!“, hörten wir plötzlich den Mann rufen.
„Wer denn?“, hörte ich eine mir vertraute Stimme.
„Kenn ich nicht, ist nicht von hier.“
„Gut, ich komme!“
Der Mann erschrak förmlich, weil er ja nicht mitbekommen hatte, dass wir ihm gefolgt waren.
„Der Chef… kommt gleich…“, stammelte er und drückte sich an uns vorbei.
„Robert, he das is ja eine Überraschung!“
Niklas kam die Treppe herunter.
„Ich muss doch den neuen Boss vom Maurergeschäft mal besuchen“, erwiderte ich.
Niklas begrüßte uns beide mit einer Umarmung.
„Hat sich Einiges verändert“, stellte ich fest.
„Ja, durch das große Neubaugebiet am Ortsrand, haben wir viele Aufträge bekommen und mussten vergrößern.“
„Robert… bist du das?“
Niklas’ Mutter kam die Treppe herunter.
„Ja Sieglinde, ich bin es!“, meinte ich lächelnd.
„Lass dich ansehen…Mensch du hast dich gar nicht verändert, siehst immer noch wie früher aus.“
„Mutter, du brauchst eine Brille!“, sagte Niklas, was ihm einen Hieb von mir einbrachte.
„Jetzt sei doch nich so frech, nicht jeder ist so auseinander gegangen wie du!“