Zoogeschichten II – Teil 99

Vorsicht bissiger Bär

Sebastian

„Und jetzt willst du mit mir in den botanischen Garten?“, fragte ich Michael.

„Ja, weil ich mich nicht so gut auskenne, was servieren und so betrifft… und du als ehemaliger Zivi…“

„Micha, ich habe Leute Essen ans Bett gebracht, vielleicht auch mal alte Leute gefüttert, das macht mich noch nicht zum Profi in Sachen Buffet.“

Michael atmete resigniert durch.

„Jetzt gehen wir erst mal zu dieser Caren, gucken uns an, wie wir die Tische stellen… Getränke und so“, meinte ich.

„Ein Klavier.“

„Ein Klavier?“

„Ja. Kevin versucht, einen Freund für uns zu gewinnen, der super Klavier spielen kann.“

„Und der bringt sein Klavier mit?“

„Quatsch…, das müsste ich auch noch besorgen.“

Wir waren fast am Botanischen Garten, als ich abrupt bremste.

„Du weißt schon, dass morgen Abend die Feier ist?“, fragte ich verwundert.

„Ich glaube, ich habe mir das zu leicht vorgestellt.“

„Das Gefühl habe ich allerdings auch. Komm, lass uns reingehen, damit wir wenigstens einen Anfang bekommen.“

Ich lief mit Michael in den botanischen Garten, wo er mir Caren vorstellte. Ich war froh, dass Caren sich schon selbst Vorschläge zu Recht gelegt hatte, so konnten wir die Platzprobleme schnell abhaken.

Phillip

Gelangweilt stand ich vor der Kindertagesstätte und wartete auf Flo. Reinfahren konnte ich ja nicht, dazu hinderte mich die eine Stufe zum Eingang. Drinnen wurde es laut und wenig später kamen die ersten Kinder mit ihren Müttern gelaufen.

Noch etwas später kam dann ein freudenstrahlender Flo aus der Tür.

„Hallo Papa, wir haben heute gemalt. Soll ich dir zeigen, was ich gemalt habe?“

„Hallo Flo! Klar, zeig her!“

Flo nahm sein Rucksack und tat ganz wichtig beim Öffnen, als würde er ein Geheimnis Preis geben. Er zog eine Rolle Papier heraus und wickelte sie auf. Es zeigte mich auf dem Rollstuhl.

Welches Tier ich da an der Leine hatte, konnte ich mir aber nicht erklären. Da ich aber in den letzten Tagen nur ein Tier an der Leine hatte, konnte dies nur ein Lama sein. Es war zwar eher ein Hund… aber wie Kinder nun mal malen.

„Ich und das Lama?“, fragte ich.

„Ja Papa, cool Papa, gell?“

„Ja, Flo.“

Mit drei Jahren so eine Ausdrucksweise… bestimmt hatte er das irgendwo im Kindergarten aufgeschnappt.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Flo.

„Jetzt packst du das Bild wieder ein und dann holen wir Mama ab.“

„Im Zoo?“

„Ja, aber wir gucken heute keine Tiere an.“

„Och schade.“

„Flo, es ist schon spät, die Tiere werden jetzt eh bald rein müssen und zudem wartet Mama sicherlich auf uns.“

Etwas zerknirscht lief Flo neben mir her.

„Okay, mal sehen, ob wir ein Tier sehen, wenn wir Mama abholen.“

„Jipiiiiiiiii!“, rief Flo und tänzelte vor mir her.

Ich musste lächeln. Der kleine Rotzlümmel bekam mich doch fast immer herum. Wir kamen an die Strasse und Flo machte keine Anstalten, langsamer zu machen. Von rechts kam ein Auto.

„Flo, bleib stehen!“, schrie ich.

Volker

Geschockt sah ich Rolf an.

„Geht denn das so einfach?“, fragte ich unwissend.

„Ich weiß es nicht. Bei dem vielen Geld, das Brigitte hat…“

„Man kann nicht alles kaufen…, Kinder schon gar nicht!“

„Aber einen guten Anwalt!“

*-*-*

In Gedanken versunken, fuhr ich wieder auf das Gelände des Zoos zurück. Mein Hass auf diese Frau war jetzt schon groß, obwohl ich sie nur einmal von weitem gesehen hatte, na ja auch gerochen.

Rolf erzählte, dass Brigitte aus vermögendem Hause stammte. Das tat ich auch! Auf meine Bitte, ihm helfen zu dürfen, war Rolf etwas unwirsch geworden. Ich hatte es dann vorgezogen, lieber zu gehen, ihn alleine zu lassen.

Eine SMS von Michael machte mir auch ein bisschen Sorgen. Er schien mit den Vorbereitungen zu Dennis’ Fete hoffnungslos überfordert zu sein. Aber dafür hatte ich nun auch keinen rechten Kopf.

Marion hatte auch die Scheidung eingereicht, aber wir hatten uns im besten Einvernehmen getrennt. Und da die Kinder beide schon volljährig waren, musste auch nicht über das Sorgerecht der beiden diskutiert werden.

Da blieb alles beim Alten. Mir fiel der alte Doktor Clement ein, der mich vertreten hatte. Irgendwo musste ich dessen Nummer doch haben! Am besten, ich fuhr kurz heim, um in den Unterlagen zu schauen, da war sie bestimmt.

Adrian

Ich machte mir langsam Sorgen um meinen Schatz. Robert wurde zusehend ruhiger. Je mehr ich von ihm und seiner Vergangenheit hier erfuhr, desto schweigsamer wurde er.

„Alles klar?“, fragte ich ihn.

Wir liefen am nah angrenzenden Wald spazieren. Robert hatte sich in seine Sweatjacke eingemummelt und sagte, wie erzählt, keinen Ton.

„Ja, alles im grünen Bereich.“

Ich legte meinen Arm um ihn, zog ihn näher an mich heran. Wir liefen nun Gleichschritt.

„Sicher?“

„Könntest du dir vorstellen, hier zu wohnen?“

Ich erschrak etwas über diese Frage, ließ es mir aber nicht anmerken.

„Ähm… eigentlich nicht…“

„Gut… ich auch nicht!“

„Warum fragst du dann?“

„Nur so… ich habe keine Bindung mehr zu hier.“

„Meinst du, das ändert sich jetzt nicht, nachdem du dich mit deinen Eltern wieder vertragen hast?“

„Ich weiß nicht.“

„Lass dir Zeit, Robert.“

„Mit was?“

Ich blieb stehen und schaute ihn an.

„Robert, du warst fünf Jahre nicht mehr hier. Du warst sauer auf deine Eltern“, er wollte mir widersprechen, doch ich redete einfach weiter, „warst dir sicher, dass deine Freunde nichts mehr mit dir zu tun haben wollten.“

„Ja und?“

„Und jetzt siehst du plötzlich, dass es nicht so ist. Du bist zwar hier, aber dein Kopf ist es nicht. Deine Gedanken hängen immer noch an den letzten fünf Jahren.“

„Ist es mir zu verdenken?“

„Nein Schatz, aber man muss auch verzeihen können… vergessen können!“

„Ich kann das alles nicht einfach so vergessen, runterschlucken, als wäre nie etwas gewesen.“

„Ich habe nichts davon gesagt, dass du es vergessen sollst… sondern die Sache an sich, was danach folgte.“

„Man könnte meinen, deine Mutter redet“, sagte Robert mit einem Lächeln.

Ein Lächeln, das von Herzen kam und nicht gespielt war.

„Ja, ab und an färbt sie halt ab, streite ich überhaupt nicht ab.“

„Und was rät mir mein großer, süßer Beschützer?“

„Genieß die Tage und lass dich endlich mal fallen…“

Plötzlich wurde Robert neben mir ziemlich schwer. Und wenn ich ihn nicht mit beiden Armen gehalten hätte, wäre er gefallen.

„Was soll das?“, sagte ich leicht säuerlich.

„Du sagtest doch, ich solle mich fallen lassen.“

Ich stöhnte laut und rollte mit den Augen.

Dennis

Die Geheimniskrämerei nervte. Immer, wenn ich irgendwo dazu kam, verstummte plötzlich das Gespräch. So hatte ich es vorgezogen, den Rest des Tages bei meinen kleinen Rackern zu verbringen.

Krümel zerrte wie immer an meiner Weste. Noch etwas größer und Krümel würde Kleinholz aus ihr machen. Ich musste ihm das dringend abgewöhnen. Der kleine Braunbär machte mir Sorgen.

Sein Auge war etwas geschwollen und wenn ich mich nicht täuschte, war das Eiter am Tränensack. Ich zog mein Handy heraus und wählte Doc Reinhards Nummer. Es dauerte auch nicht lange und er nahm das Gespräch entgegen.

Ich erklärte ihm die Sachlage und er meinte, dass er in wenigen Minuten bei mir sei, wenn er bei den Giraffen fertig war. Dann sollte ich noch Phillip anrufen, er soll dabei sein. Phillip hatte schon ein Zoohandy?

Reinhard gab mir die Nummer durch, die seiner sehr ähnelte. Kaum hatte das Gespräch weggedrückt, wählte ich nun Phillips Nummer.

„Keller.“

„Hallo Phillip, hier ist Dennis!“

„Hallo Dennis, wie kommst du denn an die Nummer, ich habe erst seit einer halben Stunde das Handy.“

„Doc Reinhard hat sie mir gegeben.“

„Liegt irgendetwas an?“

„Ja, der kleine Braunbär, unser Neuling hat ein geschwollenes Auge und es eitert.“

„Oh, hört sich nicht gut an. Und warum rufst du bei mir an?“

„Doc Reinhard meinte, er will dich dabeihaben, wenn er den Bären untersucht.“

„Ach so. Okay, ich mach mich gleich auf den Weg. Bis gleich.“

„Danke, Tschüss!“

Ich drückte das Gespräch weg. Während Krümel immer noch an meiner Weste zerrte, versuchte ich, den kleinen Braunbären aus seiner Box zu bekommen.

„Och Krümel, jetzt hör doch endlich mal auf“, meinte ich und schob ihn weg.

Er schnappte nach meiner Hand und erwischte sie auch.

„Autsch! Scheiße, Krümel, was soll das jetzt?“

Aus einer kleinen Winde am Finger tropfte Blut. Ich stand auf und verließ den Käfig.

„Sabine, hast du irgendwo Pflaster hier?“, rief ich.

„Dort drüben hängt doch der Verbandskasten. Hast du dich verletzt?“

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