Zoogeschichten III – Teil 109

Medizinischer Lehrgang

Volker

Mein Handy klingelte. Ein Teil, das mich in den vergangenen Tagen schon oft genug genervt hatte. Was war denn nun schon wieder?

„Ja?“

„Hallo, hier ist Michael. Shawn, unser Impalabulle hat eine Ohrentzündung.“

„Ja, und? Doc Reinhard schon gerufen?“

„Ja, haben wir. Shawn frisst nichts mehr, oder hat nichts mehr gefressen. Aus meiner Hand frisst er nun. Wollte dir nur sagen, bei mir dauert es noch etwas, bis ich zurückkomme.“

„Kein Problem, hier machen sie eh grad Pause.“

„Wollte dir nur Bescheid geben.“

„Okay, danke.“

„Bye.“

„Ähm, ja tschüss!“

Ich wollte gerade wieder das Handy wegstecken, als es erneut lostönte.

„Bah… scheiße, was ist denn heut los?“

Wieder nahm ich das Gespräch entgegen.

„Ja?“, meinte ich genervt.

„Hallo Volker… ähm störe ich?“, hörte ich Rolfs Stimme an meinem Ohr.

„Ach, du bist es…“

„Ja… ich, wartest du auf einen anderen Anruf?“

„Nein, nur das Handy klingelt ständig.“

„Dann störe ich wohl doch?“

„Du doch nicht… du störst doch nie!“

Auf meinen Lippen machte sich ein Lächeln breit.

„Das hast du lieb gesagt“, hörte ich Rolf sagen, „warum ich anrufe… hast du etwas Zeit?“

„Wie viel Zeit meinst du?“, fragte ich und schaute auf die Uhr.

„Lucca ist aufgewacht und hat nach dir gefragt.“

„Nach mir?“, fragte ich verwundert.

„Ja, er hat nach dir verlangt und will mit dir reden.“

„Aha.“

Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.

„Und, hast du Zeit?“, fragte Rolf erneut.

„Die haben jetzt eine Stunde Pause hier, also könnte ich mich freimachen“, antwortete ich.

„Freimachen?“

Ich hörte Rolfs Unterton und konnte mir sein fieses Grinsen schon gut vorstellen. Ich konnte nicht anders und begann zu lachen.

„So gefällst du mir schon besser!“, kam es von Rolf.

„Okay, ich fahr gleich los, bin bald bei euch.“

„Bis gleich!“

„Ja, bis gleich.“

Dennis

Wie gewöhnlich setzte ich mich zu Sabine an den Tisch und begann zu essen.

„Und, hast du alles schon gepackt?“, fragte Sabine.

„Ja, habe fast alles zusammen.“

„Freust du dich schon?“

„Ja klar“, antwortete ich und starrte ins Leere.

„Was ist?“, fragte Sabine.

„Bitte?“

„Was ist los? Du schaust so Gedankenverloren.“

„Ach nichts. Ich dachte gerade daran, was ich hier schon alles erlebt habe.“

„Ich sagte dir doch, bei uns wird es dir niemals langweilig. Und nun reist du mit dem Chef sogar nach China.“

„Ja, ich fasse das irgendwie immer noch nicht. Ich glaube, das realisiere ich erst, wenn ich in China aus dem Flieger steige“, meinte ich und schaute mich um.

„Suchst du etwas?“

„Michael wollte eigentlich zum Essen kommen.“

„Der wird sicher irgendwo in der Arbeit hängen.“

Sebastian

Robert kam mit dem Fisch zurück und setzte sich wieder an den Beckenrand.

„So, ich zeige dir jetzt, wie man Dana das Blut abnehmen kann“, meinte er.

„Du willst ihr Blut abnehmen?“

„Nicht ich, ich zeige dir nur, wie man Dana dazu bringt, sich genau in Position zu begeben.“

Also schwamm ich zum Beckenrand und setzte mich neben Robert. Er blies in seine Pfeife und gab Dana ein Zeichen. Wie gewöhnlich schwamm das Kleine dicht neben ihr her. Robert hob die Hand und Dana glitt etwas aus dem Wasser, bis sie mit der Schnauze Roberts Hand berührte.

Dann drehte er die Hand und Dana glitt ins Wasser zurück. Sie drehte sich, bis Danas Schwanzflosse direkt vor Roberts Knien zur Ruhe kam. Robert griff danach und schob Dana leicht zur Seite. Dabei drehte er die Schwanzflosse, bis Dana auf dem Rücken lag.

„So. Nun kann man hier an dieser Stelle“, Robert zeigte auf die Schwanzflosse, „Blut abnehmen.“

Doc Reinhard kniete sich neben ihn, stach genau an der Stelle ein und zog seine Spritze mit Blut auf. Dana schien es nicht weh zu tun, oder vielleicht war sie es auch gewohnt. Sie blieb ganz ruhig im Wasser liegen.

„Und wofür braucht ihr das Blut?“, fragte ich.

„Eine Routineuntersuchung, weil sie Nachwuchs hat“, meinte Doc Reinhard.

Robert klopfte Dana auf die Unterseite, die sich daraufhin gleich wieder umdrehte und ihm den Kopf entgegenstreckte.

„Braves Mädchen“, lobte Robert und gab Dana einen Fisch.

„Ich ruf euch dann an, wie das Ergebnis ist“, sagte Reinhard.

„Danke“, kam es von Heike, die die ganze Zeit hinter uns gestanden hatte.

„Ich muss weiter. Kevin hat angerufen. Einer der Impalas braucht mich“.

„Okay, dann bis später“, sagte Heike.

„Du kannst das mit allen vier üben, wenn du möchtest“, sprach Robert plötzlich weiter, „so haben sie, wenn wir Untersuchungen anstellen müssen, auch keine Angst. Willst du es einmal versuchen?“

Ich nickte ihm zu. Robert zeigte auf meine Pfeife und dann auf Paula. Wie er vorhin, blies ich kurz in die Pfeife und gab Paula das gleiche Zeichen. Paula reagierte sofort und schwamm auf mich zu.

Auch ich hob die Hand, die Paula mit ihrer Schnauze anstupste. Robert machte neben mir noch einmal dieselbe Handbewegung, die ich ihm dann nachmachte. Wie Dana zuvor, drehte sich Paula, bis ihre Schwanzflosse direkt vor mir war.

Zaghaft griff ich nach ihr und versuchte nun, wie Robert vorhin, den Delfin zu drehen. Gar nicht so leicht, bei einem fast drei Meter Tier. Anscheinend war ich entweder zu langsam, oder auch wieder zu grob, denn Paula schien das nicht zu gefallen, was ich machte.

Eine kleine Bewegung mit der Schwanzflosse und diese entglitt mir, schlug direkt vor mir aufs Wasser. Natürlich bekam ich diesen Platscher voll ab. Das Wasser tropfte nur so an mir herunter.

Robert neben mir grinste.

„Ich zeige es dir noch einmal!“, meinte er.

Michael

Als ich Doc Reinhard ans Savannenhaus fahren sah, atmete ich erleichtert auf. Ich lockte Shawn mit der zweiten Karotte wieder zurück in den Stall. Ohne zu zögern machte er dies auch.

Drinnen angekommen, stand Reinhard bereits in der Box.

„Seine Ohren sind eitrig“, meinte ich nur.

Ohne die Schwierigkeiten, die ich vorhin hatte, betrachtete er Shawns Ohren.

„Sieht nicht gut aus“, meinte Reinhard, „am besten wir betäuben ihn, damit ich das genau anschauen kann.“

Ich seufzte. Ich hatte es nicht gern, wenn die Tiere betäubt werden mussten. Es bestand immer die Gefahr, dass sie den Stress nicht überlebten. Doc Reinhard verließ die Box wieder und machte sich an seinem Koffer zu schaffen.

„Michael, kommst du bitte raus?“, hörte ich ihn sagen.

„Ja?“, antwortete ich, „was ist denn?“

Ich ging nach draußen und schloss hinter mir das Rolltor.

„Wenn ich gleich einen Pfeil abschieße, möchte ich dich nicht in der Box haben!“

„Schon gut“, erwiderte ich.

Er zog ein Rohr aus dem Koffer und stopfte dort einen kleinen roten Pfeil hinein, den er vorher mit etwas befüllt hatte. Danach erhob er sich, setze das Rohr am Torgatter an. Reinhard holte Luft und wenig später sauste der Pfeil Richtung Shawn.

Der zuckte natürlich zusammen, als ihn der Pfeil am Hinterlauf traf.

„So, eine Viertelstunde, dann müsste der Pfeil wirken“, meinte Reinhard und verstaute das Blasrohr wieder.

Volker

Ich nahm gleich zwei Stufen auf einmal und stieß fast mit einer alten Frau zusammen.

„Langsam, junger Mann“, rief sie mir hinter her.

Ich musste grinsen. Mit über vierzig noch junger Mann genannt zu werden. Lucca war mittlerweile nicht mehr in der Intensiv, so konnte ich mir den Umziehkram ersparen. Bei der Flurtür passierte fast der nächste Unfall.

Nur mit knapper Not konnte ich der aufschwingenden Tür noch ausweichen.

„Oh, entschuldigen sie bitte, ich habe sie nicht gesehen“, meinte die Frau und lief an mir vorüber.

Eine Glastür ist durchsichtig und sie sieht mich nicht. Ich lief in den Flur.

„243… 245… 247“, las ich laut die Schilder, hier war es.

Sachte klopfte ich an die Tür und von drinnen konnte ich ein >Herein< hören. Ich öffnete die Tür und streckte meinen Kopf hinein. „Hallo“, sagte ich und sah Rolf und Lucca vor mir. Rolfs Augen begannen zu funkeln. „Hallo“, sagte er mit einem hinreißenden Lächeln. Ein leises „Hallo“ konnte ich von Lucca wahrnehmen. Ich schloss hinter mir die Tür und da stand ich nun, wie bestellt und nicht abgeholt. „Wollt ihr euch nicht richtig begrüßen?“, fragte Lucca. Beide schauten wir zu Lucca und ich musste wie Rolf grinsen. „Wie meinst du das?“, fragte Rolf. Trotz Verband konnte man sehen, wie Lucca rot wurde. „Ähm… ich meine so… mit küssen und… so.“ „Aha… interessant…“, meinte Rolf und begab sich zu mir. „Mein Sohn möchte, dass ich dich küsse… Vielleicht will er ja noch etwas dazu lernen.“ Jetzt konnte ich mich wirklich nicht mehr halten und begann laut zu lachen. Danach nahm mich Rolf in den Arm und küsste meine Knie weich.

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