Good bye Amerika – Teil 35

„Was ist das für ein Buch?“, fragte Berry, als ich, nur mit Handtuch bekleidet, aus dem Bad kam.

Berry stand nackt da und rubbelte seine Haare trocken.

„Das habe ich dir noch gar nicht erzählt. Mir ist ein Nagel runter gefallen und den wollte ich aus einem Spalt im Holz wieder herausholen.“

„Wie wäre es mit einem Neuen gewesen?“

Nicht auch noch er! Ich überging dieses Thema nur und lächelte.

„Molly und ich haben zwei der Bretter entfernt…“, begann ich weiter zu erzählen.

„Wegen dem Nagel?“, unterbrach mich Berry.

Ich stieß Berry aufs Bett und ließ mich auf ihn fallen.

„Willst du die Geschichte jetzt hören, oder nicht?“, meinte ich und drückte seine Hände aufs Bett.

Wenn ich Berry so leicht überwältigen konnte, war ich schief gewickelt. Berry bäumte sich kurz auf und schon lag ich unter ihm.

„Klar, erzähl doch weiter!“, meinte Berry grinsend und fuhr mit dem Zeigefinger vom Kinn abwärts über die Brust.

„Okay“, lächelte ich, weil es sich angenehm anfühlte, „wir haben dann einen schwarzen Kasten drin gefunden.“

Berry hielt in seiner Bewegung inne und schaute mich mit großen Augen an.

„In der Box befanden sich ein paar Geldscheine und dieses Buch eben“, meinte ich und zeigte darauf.

„Und was steht da drin…, von wem ist es?“

„Von Mollys Grandpa, es ist ein Tagebuch.“

„Wow, echt?“

„Ja und der Inhalt ist interessant, sehr sogar.“

„Und warum hast du es und nicht Abby oder Molly?“

„Abby meinte, ich habe es gefunden, also gehört es mir auch.“

„Aha. Und was steht so Interessantes drin?“, fragte Berry neugierig.

„Moment“, meinte ich nahm das Buch.

Ich suchte die Stelle, wo ich vorhin stehen geblieben war.

„Hör mal zu – …Timothy schloss die Holzhütte auf, öffnete alle Fenster, während ich immer noch vor der Hütte stand. Nur zögerlich folgte ich ihm. Drinnen angekommen, war ich erstaunt, wie groß alles hier war. Auch fiel mir auf, dass es nur ein etwas größeres Bett gab, wo wir beide wohl drin schlafen würden…“

„Wer ist Timothy?“, fragte Berry.

„Der Kumpel von Mollys Großvater, James Tippton.“

„Ich kenne Mollys Grandpa, als wir klein waren und hier gespielt haben, saß er oft auf der Veranda.“

„Was mir einfällt… als ich krank war, erzähltest du mir, dass Molly und Lesley bei einer Holzhütte waren. Könnte es sein, das es die gleiche ist?“

Berry zuckte mit den Schultern.

„Ich kenne nur die eine, kann gut möglich sein.“

„Komisch.“

„Was?“

„Wenn es wirklich die selbe Hütte ist… Timothy hatte damals die Schlüssel, also gehe ich davon aus, dass sie auch seiner Familie gehörte. Sie war in eurem Besitz und gehört jetzt Abby und Bob.“

„Auf was willst du hinaus?“

„Die Verbindung zwischen euch und diesem Timothy.“

„Da müsstest du meine Mum fragen, ich kenne mich in meiner Familie überhaupt nicht aus.“

Eine leichte Brise durchs offene Fenster erinnerte mich, dass wir uns anziehen wollten.

„Ziehen wir uns an und gehen raus?“, fragte ich Berry.

„Klar, das hatten wir doch von Anfang an vor“, grinste er.

*-*-*

Wir saßen beide auf der Veranda auf der Bank. Aneinander gekuschelt, las ich Berry einige Stellen aus dem Tagebuch vor.

„Ob ich Abby überhaupt sagen soll, was da drin steht?“, fragte ich nach einiger Zeit.

„Ich weiß es nicht. Es ist Vergangenheit, ändern kann man nichts mehr.“

Ein Auto fuhr die Auffahrt herauf und Berry löste sich aus meiner Umarmung. Ein weiterer Kunde mit einem Patienten fuhr. Eine recht aufgetakelte Frau lief an uns vorbei, würdigte uns kurz eines Blickes – nickte und verschwand dann im Haus.

„Wer war das denn?“, fragte ich.

„Das war Mrs. Stefferson, nebst Pudel Henry“, erklärte Berry.

Ich konnte nicht anders und begann zu kichern.

„Wie vornehm du das ausgedrückt hast“, meinte ich.

„Sie gehört zu den oberen zehn hier in der Stadt. Sehr viel Geld, einen Sohn, aber keinen Mann. Den soll sie zum Teufel gejagt haben.“

„Und dann kommt sie hierher zu Bob und Abby? Kann sie sich keinen Privattierarzt leisten?“, kicherte ich weiter.

„Sprich nicht so über sie. Einiges in der Stadt haben wir ihr zu verdanken.“

„Sorry, wollte dich nicht ärgern.“

„Tust du nicht“, sagte Berry und lächelte in berühmt alter Weise.

Wir hörten Stimmen und beugten uns nach vorne. Molly und Lesley kamen die Auffahrt herauf.

„Guten Morgen“, trällerte ich und beide sahen auf, unterbrochen in ihrer Unterhaltung.

„Morgen Tom… morgen Bruderherz, hier steckst du also, ich habe dich schon gesucht.“

„Mum weiß, dass ich hier bin. Morgen Molly.“

„Morgen Berry und Tom.“

Beide stellten sie ihre Räder vor der Veranda ab. Molly lief die drei Stufen hoch, während Lesley sich das Auto vor dem Haus betrachtete.

„Ist Mrs. Stefferson hier?“, fragte er anschließend.

„Ja, mitsamt Pudel“, antwortete Berry und ich fing wieder an zu kichern.

„War Timothy nicht dabei?“, fragte Lesley.

Verwundert schaute ich Berry an.

„Nein, heute nicht.“

„Wer ist Timothy?“, fragte ich.

„Timothy Stefferson, Beruf Sohn – siebzehn wie wir und in unserer Klasse, du wirst ihn noch früh genug kennen lernen, oder auch erleben!“, kam es trocken von Berry.

„Komm, so schlimm ist Timothy auch nicht“, meinte Lesley.

„Das ist deine Meinung, nicht meine“, erwiderte Berry kühl.

„Komm, ihr werdet euch jetzt doch nicht wegen diesem Rindvieh in die Haare kriegen?“, mischte sich Molly ein.

Ein paar Sekunden war Ruhe, bis Berry neben mir einatmete.

„Ich habe etwas gegen Blutsauger, die auf Kosten anderer leben“, hörte ich ihn sagen.

„Glaubst du etwa alles, was man sich über die Stefferson erzählt?“, fragte Lesley.

„Nein, ich weiß nur, dass Mr. Stefferson ein sehr netter Mann war und seit er weg ist, sind sie so geworden, wie sie sind.“

„Weg? Was ist passiert?“, warf ich ein.

„Irgendetwas mit Timothys Großvater, wie mir Mum erzählt hatte. Mrs. Stefferson hat darauf Mr. Stefferson einfach vor die Tür gesetzt und seitdem ist er weg, wie damals sein Vater, jedenfalls eine Zeit lang.“

Ich schaute auf das Tagebuch und dann wieder zu Berry.

„Weißt du vielleicht, wie Timothys Grandpa hieß?“, fragte ich.

„Nein“, antwortete Berry Kopfschüttelnd.

„Was macht ihr noch?“, fragte Molly.

„Wir bleiben noch etwas hier sitzen“, meinte Berry, ohne mich zu fragen.

„Okay“, kam es von Molly, „Schatz, hast du auch Durst?“

Lesley nickte und folgte ihr ins Haus.

„Ist irgendwas?“, fragte ich leise.

„Ach, mein lieber Bruder lässt sich doch nur von diesem Idioten einlullen.“

„Was meinst du?“

„Timothy hat Lesley schon einiges spendiert… schon mal davon gehört, dass es Leute gibt, die sich Freundschaften erkaufen?“

Berry war sichtlich verärgert und ich streichelte ihm über den Rücken.

„Tut mir Leid, Tom, ich wollte nicht so aufbrausend sein.“

„He, ist doch kein Problem. Ich find es nur seltsam, dass gerade Lesley darauf reinfällt.“

„Ja, da verstehe ich meinen Bruder auch nicht.“

„Hättest du Lust, etwas zu laufen, oder wollen wir hier sitzen bleiben?“, fragte ich.

Berry setzte sein Grinsen auf.

„Och ich würde gerne etwas anderes tun!“

„Du Nimmersatt“, meinte ich und beugte mich vor, um ihn zu küssen.

„Das ist ja widerlich!“

Der Satz ließ uns auseinander fahren.

„Dass sie so etwas vor ihrem Haus dulden!“

Mrs. Stefferson, nebst Pudel stand mit Abby an der Tür.

„Ich weiß nicht, was sie meinen Mrs. Stefferson.“

„Ja, das da“, meinte sie und zeigte mit ihrem Schmuck behangenen Arm auf uns, „sie haben sich geküsst.“

„Ja und? Da ist doch nichts Schlimmes dran!“

Abby blieb völlig ruhig und dafür bewunderte ich sie.

„Dass sich zwei Jungen küssen? Ich finde das widerlich!“

„Entschuldigen sie, Mrs. Stefferson, ich kann da wirklich nichts Widerliches daran finden.“

Mrs. Stefferson blähte sich auf, als wollte sie etwas sagen. Sie zog es aber offensichtlich doch vor, wortlos von dannen zu ziehen.

„Das war das letzte Mal, dass ich mit Pfiffi hier bei ihnen war!“, ließ sie dann doch noch vom Stapel und stieg in ihr Auto ein.

Eine Staubwolke hinterlassend, raste sie die Einfahrt hinaus. Alle drei schauten wir ihr nach. Mein Blick wanderte zu Abby, die immer noch im Eingang stand. Ihr Kopf drehte sich und ihr Blick wanderte zu uns. Mir war plötzlich ganz unwohl.

„Abby… tut mir leid, dass du wegen mir einen Patienten verloren hast… ich hab nicht darüber nachgedacht, was ich mache“, sage ich leise.

Abby kam heraus, lief langsam schlendernd zu uns und baute sich dann vor uns auf. Gab es jetzt ein Donnerwetter?

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