Aschenbrödels Bruder – Teil 4

Etwas außer Puste versuchte ich die Schlussfigur zu halten. Ich war selbst verwundert, aber nicht ein Patzer war mir passiert.

„Bravo, damit endet unsere kleine Probe, wir sehen uns nächsten Dienstag wieder. Lucas, kommst du dann bitte noch in mein Büro?“

Lucas nickte, sah aber nicht glücklich dabei aus.

Ich lief zu meinen Sachen, wo Constanze immer noch auf dem Boden saß.

„Respekt, Benjamin! Ab und zu habe ich mir zwar das Lachen verbeisen müssen, aber du machst das richtig gut. Und dass ist wirklich eine weibliche Rolle, die du da tanzt?“

„Ja, die böse Schwiegermutter, du kennst doch die Geschichte von Aschenputtel.“

Sie fing an zu kichern.

„Ist ja schon gut, was ist erst, wenn ich dieses mächtige Kleid anhabe, da schmeißen die dich hinaus, wegen Ruhestörung!“

„Kleid?“, fragte Constanze irritiert.

„Ja ich muss ein Kleid anziehen.“

Sie prustete los.

„Ich habe es gewusst!“

Constance hechelte nach Luft, stand auf und kam ganz dicht an mein Ohr.

„Das mit dem schwul wusste ich ja, aber als Drag Queen…“

„Boah, du bist ja so ein…“, weiter kam ich nicht, denn sie hielt mir einen Finger auf den Mund.

„Sag nichts, was du später bereuen könntest“, grinste sie.

Etwas später, Constanze war schon vorgegangen, sah ich, wie Lucas aus Madam Toufons Büro kam. Er blickte mich kurz an und ich konnte kurz seine traurigen Augen sehen. Nanu, war er nicht angenommen worden.
Ich stellte meinen Rucksack ab und folgte ihm in die Umkleide. Er zog sich gerade seine Shirt über den Kopf und ich konnte seinen muskulösen Oberkörper bewunder. Ich schloss kurz die Augen, dies gehörte nun nicht hier her.
Kurz durch atmen und hinein.

„Hallo Lucas, Constanze wartet draußen auf uns.“

„Okay“, kam es leise.

„Alles in Ordnung?“

„Ja, alles im grünen Bereich.“

Nun zog er sich auch noch bis auf seine Shorts aus. Es fiel mir schwer, einen klaren Gedanken zu behalten, angesichts so eines Bodys. Benjamin, okay, also als wir ankamen war er noch richtig guter Laune und seine blauen Augen strahlten mich an.
Boah, man und jetzt schaut er so traurig drein. Wieder schluckte ich schwer und atmete tief durch.
Als Lucas gerade in seine Jeans schlüpfte, hielt er plötzlich inne.

„Und genug gesehen? Gibt es keinen Laden, wo man sich mal anziehen kann, ohne das gleich sämtliche Klemmschwestern der Republik die Augen ausfallen?“

Klemmschwestern? Scheiße, noch so ein homophobes Arschloch. Auf der Stelle drehte ich mich um und verließ eilig die Umkleide.

„Benjamin…warte…!“

Da kannst lange drauf warten und war schon fast zur Tür hinaus, wenn davor nicht ein Hindernis namens Constanze gestanden hätte. Ich stolperte und es kam wie es kommen musste.
Ich purzelte die vier weiteren Stufen herunter und kam auf dem Gehweg auf.

„Benjamin!“, schrie Constanze entsetzt.

Scheiße tat das weh. Sekunden später war Constanze neben mir.

„Aua!“, entfleuchte es mir, als sie ihren Arm um mich legte, als ich mich gerade aufsetzten wollte.

„Oh man, Benjamin, ich habe dich echt nicht kommen gesehen, hast du dich verletzt?“

Ich weiß nicht“, fuhr ich sie an.

In dem Augenblick ging die Tür zur Schule auf und Lucas erschien.

„Lucas schnell, Benjamin ist die Treppen herunter gefallen.“

Augenblicklich ließ er seine Taschen fallen und eilte zu uns. Auch er ging neben mir in die Knie, wie Konstanze.

„Irgendetwas gebrochen?“, fragte er und umfasste meinen linken Knöchel, den ich aber schnell wegzog.

„Lass die Finger weg! Die KLEMMSCHWESTER braucht keine Hilfe!“

Constanze sah mich entsetzt an. Ich rappelte mich unter Schmerzen auf und griff nach meiner Tasche.

„Schönes Wochenende!“, meinte ich sarkastisch und ließ die beide einfach humpelnd stehen.

*-*-*

„Du hast wahnsinniges Glück gehabt, junger Mann. Außer einer geprellten Rippe, scheint alles in Ordnung zu sein.“

In Ordnung? Mir taten alle Knochen weh.

„Du solltest eine Woche lang etwas kürzer treten, auch beim Ballett.

Unser lieber Hausdoktor Hubert Schmiedeisen, immer zur Stelle, wenn Sabine oder ich ihn brauchten.

„Eine Woche? Aber die Proben zu unserem Weihnachtsballett.“

„Die kannst du dann nur unter Schmerzen durch stehen, so eine geprellte Rippe ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.“

Schulter, die tat mir auch weh. Es klopfte an der Tür und Sabine streckte den Kopf herein.

„Benjamin unten steht… oh Doc Schmiedeisen, ich wusste gar nicht dass sie hier sind, ist etwas passiert.“

„Ja, ihr Bruder ist gestürzt.“

Nun kam sie ins Zimmer gelaufen direkt an mein Bett.

„Gestürzt, beim tanzen?“

„Nein ich bin die Treppe herunter gesegelt.“

„Oh mein Gott, wie hast du das wieder fertig gebracht?“

Wieder? Als würde ich ständig hinfallen…hallo?

„Nein jemand hat mich übersehen…“

„Ist etwas gebrochen?“

Woher die plötzliche Fürsorge? Das war ja ein ganz unbekannter Wesenszug meiner Schwester, oder steckte da mehr hinterm Busch?

„Nein, ihr Bruder hatte Glück und nur eine Rippe ist geprellt… Benjamin, falls dir irgendwie schlecht wird, oder du starke Kopfschmerzen hast, dann rufe bitte sofort an, oder deine Schwester.“

Ich nickte. Der alte Herr räumte noch seine Sachen in seine Tasche, bevor er sich verabschiedete.

„Ich bring sie noch zur Tür…, apropos Tür, da unten stehen zwei Leute, die zu dir wollen“, meinte Sabine und geleitete Herrn Schmiedeisen zu Tür.

Wer konnte das sein, doch nicht etwa Constanze und Lucas?

„Ich will keinen sehen“, rief ich Sabine hinter her, doch sie hatte das Zimmer schon verlassen.

Da Sabine meine Tür nicht geschlossen hatte, konnte ich unten Stimmen hören, die langsam näher kamen.

„Und wie gefällt es dir bei uns?“, konnte ich Sabine hören, genau so, wie ich sie kannte.

„Gut! Du warst aber heute nicht bei der Probe?“

Das war eindeutig die Stimme von Lucas. Scheiße, was sollte das? Das Wort Klemmschwester hallte mir immer noch in den Ohren.

„Madam Toufon meinte, dass ich heute eine Pause einlegen sollte und in der Szene, die ihre anscheinend probten, kam ich eh nicht vor.“

Das war nun eine untypische Antwort, mir wurde Sabine langsam unheimlich.

„Danke fürs Hochbringen“, hörte ich Lukas und wenig später erschienen er und Constanze an meiner Tür.

„Dürfen wir eintreten?“, fragte Constanze.

Was sollte die Frage? Eine Antwort brauchte ich gar nicht zu geben, denn sie schob Lucas einfach in mein Zimmer und schloss hinter sich die Tür.

„So und nun raus mit der Sprache, könnt ihr beide mir vielleicht sagen was los ist?“

Lucas sah noch trauriger aus, als vorhin in der Umkleide.

„Ich… ich wollte mir nur entschuldigen… Benjamin, dass hätte ich nicht sagen dürfen…“

„Könnt ihr mir mal der Reihe nach erzählen, was vorgefallen ist?“, meldete sich Constanze zu Wort.

„Ist jetzt auch egal“, antwortete ich und ließ mich nach hinten fallen, was ich aber sofort bereute.

Das Gesicht schmerzverzehrt, hielt ich meine Hand auf die Brust, hinter der die Rippe kräftig schmerzte.

Sofort waren beide am Bett.

„Du hast dich doch verletzt!“, meinte Constanze.

„… Rippe geprellt…“

„Tut mir leid…, alles nur wegen mir“, stammelte Lucas.

„Oh ihr zwei Mimosen, es reicht jetzt, benehmt euch doch endlich wie richtige Jungs! Das halte ich ja im Kopf nicht aus!“, was sie damit bestärkte, dass sie ihre Hand auf den Kopf legte.

„Benjamin hat nur gefragt, wie es mir geht“, erzählte Lucas plötzlich leise, „aber ich war genervt und hab ihn angefahren.“

„Wie angefahren?“

„… ob ich Klemmschwester ihn gerne beobachte…!“, antworte ich immer noch leicht sauer.

Constanze schaute zwischen uns hin und her und begann zu grinsen. Sie ließ sich auf mein Bett nieder, während Lucas immer noch am Fußende stand.

„Von einer Drag Queen zur Klemmschwester… hm, das ist natürlich ein heftig sozialer Abstieg!“

Entsetzt schaute ich Constanze an, die immer noch grinste. War sie bescheuert? Sie grinste immer noch heftig, was war hier los?

Plötzlich konnte ich ein leises Kichern vernehmen, dass Lucas hinter vorgehaltener Hand zu verstecken schien. Und dann schien es Constanze nicht mehr zu halten, sie prustete los. Irgendwie konnte ich nicht anders und stimmte mit ein, wie auch Lucas.

Natürlich bereute ich auch dies, und griff wieder nach meiner Rippe, in der heftig der Schmerzteufel bohrte. Daraufhin schien sich Constanze wieder zu fangen.

„Sorry Benjamin, dass musste sein!“

Ich sah sie wieder verwirrt an. Auch Lucas machte wieder ein ernstes Gesicht.

„Was?“

„Das fragst du noch? Es ist sonst nicht deine Art so zickig wie deine Schwester zu reagieren, sie gewöhnt sich das ab und du an?“

„Hä?“

„Du bist heut wirklich schwer von Begriff. Als du so zickig vor der Schule weggehumpelt bist, habe ich Lucas natürlich sofort zur Rede gestellt und dabei erfahren, wie er dich angemacht hat.“

„Ja und?“, fragte ich leicht genervt.

„Dann habe ich ihn erst mal herunter geputzt.“

Das konnte ich mir herzhaft vorstellen, dazu kannte ich Constanze schon lange genug und irgendwie hatte es Lucas auch verdient, so wie gestern meine Schwester.

„Dabei ist Lucas in sich zusammen geklappt und hat mir alles erzählt.“

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1 Kommentar

    • sandro auf 7. Dezember 2015 bei 10:42
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    ahhh solangsam kommt die wahrheit auf den tisch, ich bin gespannt ob die schwester noch einen “bösen” part bekommt-

    gruß
    sandro

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