Aschenbrödels Bruder – Teil 15

Ich spürte, wie sich das Blut in meinen Kopf presste und meine Ohren zu rauschen begann. Meinen Kopf zu heben und Dr. Specht anzuschauen, traute ich mich nicht.

„Es tut mir leid, wenn ich dir so eine direkte Frage

stellen muss, aber dein Vater hat in den letzten zwei Tagen viele Schwulenfeindliche Seiten besucht und bisher konnte sich niemand erklären weshalb.“

„Sie denken…, mein Vater trachtet mir nach dem Leben…, weil… ich…“, ich schaute auf, „…schwul bin.“

„Davon weiß die Polizei nichts, aber… möglich ist alles. Benjamin, wenn du irgendwie oder irgendwo Schwierigkeiten haben solltest, kannst du dich ruhig an mich oder Alfred wenden.“

„Alfred?“

Ein komisches Gefühl überkam mich.

„Wie lange kennst du Alfred schon?“

„Ähm, seit ich denken kann, von klein auf.“

Es klopfte und wenn man vom Teufel spricht, kam Alfred herein. Mit großen Augen schaute ich ihn an.

„Frau Debruggen ist mit ihrer Tochter nach oben gegangen“, sagte Dr. Specht.

„Alfred, könnten sie kurz Platz nehmen, wir müssten da ein kleines Gespräch mit Benjamin führen.“

„Wenn es ihnen recht ist, möchte ich gerne stehen bleiben.“

Dr. Specht nickte und Alfred stellte mir eine Tasse Tee hin.

„Danke…“, meinte ich.

„Ich habe gerade Benjamin erzählt, sollte er je irgendwelche Schwierigkeiten haben, sollte er sich vertrauensvoll an mich oder sie wenden…, er fragte dann warum sie. Ist es ihnen Recht, wenn ich etwas die Hintergründe erkläre.“

Nun schien sich Alfred unwohl zu fühlen. Er verzog zwar keine Mine, während er nickte, aber seine Gesichtsfarbe wurde leicht rot.

„Den Beruf Diener, ist schon der zweite Beruf, den Alfred erlernt hat. Seine erste Dienststelle war bei der Polizei. Alfred ist ausgebildeter Polizist.“

„Aber er arbeitet doch schon solange für uns.“

Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass da jemand Fremdes vor mir stand. Gut ich wusste nie viel über Alfred, aber jetzt war das totale Chaos in meinem Kopf ausgebrochen, schon wieder, hörte das denn nie auf?

„Ich habe nach einem Unfall meinen Dienst quittiert und mir eine völlige andere Berufsrichtung gesucht“, erklärte Alfred kurz.

Dr. Spechts Handy ging los.

„Entschuldigen sie bitte“, meinte er und verließ den Raum, so war ich mit Alfred alleine.

Er kam näher und setzte sich nun doch zu mir.

„Als die Ermittlungen über ihren Vater begannen, wurde auch das Personal überprüft. Dabei dachte die wohl, es wäre praktisch jemand vor Ort zu haben, so ist man an mich heran getreten…“

„Sie haben uns die ganze Zeit beschnüffelt?“, fragte ich angesäuert.

„Benjamin, es tut mir leid, wenn sie so denken. Ich habe hier in erster Linie als Butler, was ich gelernt habe, gearbeitet. Ich sollte nur ein wachsames Auge auf ihren Vater haben. Familiäres ist dabei nie nach außen gedrungen!“

Ich wusste gerade echt nicht, wo mir der Kopf stand, so griff ich mit beiden Händen nach meinem Kopf, hielt mir die Ohren zu und presste die Augen fest zusammen. Was mache ich jetzt nur. Dies war mal mein zu Hause. Und jetzt? Ich fühlte mich gerade gar nicht wohl.

„Ist ihnen nicht gut?“

Ich sprang auf und lief zum Feuer.

„Wie würden sie sich fühlen, wenn alles was gewohnt war, zusammenbricht?“

Beim letzten Wort hatte ich mich zu ihm gedreht und ihm direkt in die Augen geschaut.

„Ich weiß was du fühlst…“

„Gar nichts wissen sie, keiner kann in meinen Kopf schauen…!“

Tränen drückten sich in meine Augen. Alfred atmete tief durch und erhob sich. Langsam kam er auf mich zu. Zum erst mal nahm ich wahr, das Alfred kräftig gebaut war. Unter seinem weißen Hemd schienen kräftige Arme versteckt zu sein.
Was waren das nur für Gedanken? Hier lief plötzlich alles verkehrt und ich scannte Alfred, wie er aussah. Wurde ich jetzt verrückt. Alfred blieb kurz vor mir stehen.

„Was ich dir jetzt erzähle, wirst nur du wissen, sonst niemand…!“

Fragend, mit glasigen Augen schaute ich ihn an.

„Mein Name ist Bernhard Alfred Bachmeier und ich bin achtundvierzig Jahre alt. Alfred ist mein Zweitname, den ich seit dieser Arbeitsstelle benutze. Früher wurde ich nur mit Bernhard angeredet.“

Mein Kopf begann zu glühen. Achtundvierzig? Da war er gerade 21 Jahre alt und schon bei der Polizei?

„Durch einen Zufall half ich der Polizei, einen schwierigen Fall zu lösen und man trat an mich heran, ob ich nicht Polizist werden wollte und ihnen weiterhin zur Verfügung stehen wollte.“

„Mit einundzwanzig?“, fragte ich verwirrt.

„Mit neunzehn, das ist aber egal. Ich habe zugesagt und wurde nach mehreren Test ausgebildet. Mein gutes schulisches Wissen und sportliche Kondition, kam mir dabei sehr entgegen.“

Irgendwie beruhigte ich mich. Alfred hatte wie Lucas einen angenehmen Bariton. Lucas! Was wussten die über mich und Lucas? Ich schüttelte leicht den Kopf und verwarf diesen Gedanken.
Tief durchatmend schaute ich wieder zu Alfred.

„Und dann hatten sie einen Unfall?“

„Ja, aber das ist nur die offizielle Version.“

Offizielle? Wie viele Überraschungen kommen heute denn noch?

„Inoffiziell ging eine Ermittlung schief und mir war es unmöglich mit gutem Gewissen den Job weiter zu machen.“

„Darf… ich fragen, … was schief gelaufen ist?“

Alfred atmete wieder tief durch und schaute auf seine Schuhe.

„Ich… ich habe mich in die verdächtige Person verliebt.“

Ich verstand nicht recht, so schlimm ist das doch auch nicht.

„Ist die Frau dadurch entwischt, oder sowas?“

„Es… war keine Frau…!“

„Oh!“

*-*-*

Ich lag auf meinem Bett und starrte zur Decke. Alfred ist schwul, ich fasse es nicht. Mir war nie etwas aufgefallen. Trottel! Wie denn auch, ich habe es ja nicht mal an mir gemerkt. Irgendwie tat er mir auch leid.
Durch das Vertrauen, dass er durch seine Verliebtheit, zu dem Verdächtigen hatte, wurde er bei einem späteren Zugriff dann verletzt, getroffen von einer Kugel, angeschossen vom Verdächtigen.
Vor zwei Wochen war irgendwie noch heile Welt und jetzt? Es klopfte an meiner Tür und ich erschrak etwas.

„Ja?“

Es war Alfred, der herein schaute.

„Geht es ihnen jetzt etwas besser?“

Ich nickte.

„Ihre Mutter lässt fragen, ob sie zum Essen herunter kommen?“

Essen war vielleicht gut, vielleicht fühlte ich mich danach etwas besser. Alfred stand immer noch im Türrahmen. Ich stand auf, lief zu ihm hin und hielt ihm meine Hand entgegen. Fragend schaute er mich an.

„Ich wollte mich bedanken, dass sie mir ihr Vertrauen geschenkt haben und über mich… wachen… Danke!“

Er griff nach meiner Hand und schüttelte sie.

„Nicht dafür…“

„Dieses Gespräch bleibt natürlich unter uns, ich werde niemand etwas davon erzählen.“

„Danke…, was kann ich ihrer Mutter ausrichten?“

„Das ich Hunger habe“, lächelte ich ihn an.

*-*-*

„Wollt ihr denn beide nicht lieber zu Hause bleiben?“, fragte Mum, als Sabine und ich fertig angezogen für die Ballettschule im Flur standen.

„Ja Mama“, antwortete Sabine, „wir können das nicht ausfallen lassen, in zwei Wochen ist Premiere.

„Und außerdem ist die ganze Zeit Alfred bei uns, da wird sicher nichts passieren.“

„Wenn es denn sein muss…, gut, aber Alfred, sie passen mir bitte auf die Kinder auf.“

„Ja Madam.“

Weniger später saßen wir wieder im Auto, das gleiche, mit dem uns Alfred schon am Morgen abgeholt hatte. Alfred selbst war in Sportkleidung gekleidet, auch etwas an ihm, was ich noch nie gesehen hatte.

„Alfred, was ist das eigentlich für ein Auto?“, wollte ich wissen.

„Dies wurde von Dr. Specht zur Verfügung gestellt, weil eurer Wagen zum Fuhrpark der Firma eures Vaters gehört und abgeholt wurde.“

„Erzeuger bitte, ein Vater kann man so einen Menschen nicht nennen.“

Darauf erwiderte Alfred nichts, wie die ganze restliche Fahrt nicht.

„Wir sind da“, meinte er plötzlich und lenkte den Wagen in eine Parknische.

Wir stiegen aus und zogen unsere Taschen aus dem Kofferraum.

„Dann mal los“, meinte ich und wir betraten die Schule.

Natürlich war Madam Toufon ebenso informiert worden und war umso überraschter uns zu sehen.

„Euch schickt der Himmel…, aber warum seid ihr eigentlich hier? Ich dachte, dass ihr bis auf weiteres nicht mehr kommen könnt. Wir waren schon am Überlegen das Stück dieses Jahr abzusagen.“

„Eben drum“, meinte ich, „in zwei Wochen ist Premiere und wenn ich mal die Chance für eine erste Rolle habe, dann möchte ich die nicht verpassen.“

„Und wer ist dieser junge Mann?“, fragte Madam Toufon und zeigte dabei auf Alfred.

„Unser Bodyguard“, kicherte Sabine.

Madam Toufon schaute etwas irritiert.

„Quatsch, Be… Alfred ist ein Vertrauter der Familie und ja er passt auf uns auf“, wenn wir nicht zu Hause sind.“

Jetzt hätte ich beinahe Bernhard gesagt, aber warum? Gut Bernhard gefiel mir viel besser als Alfred.

Lucas traf ein.

„Hallo Lucas“, rief Sabine und winkte ihm zu, „ich gehe mich dann mal umziehen.“

„Tu das Kind und die beiden Herren… hopp, hopp, das Training beginnt gleich.“

„Ich werde hier warten“, sagte Alfred leise.

„Ach was, Alfred, kommen sie ruhig mit, ich habe nichts zu verstecken“, grinste ich ihn frech an.

War da ein kleines Lächeln zu sehen, aber bevor ich mehr darüber nachdenken konnte, schob sich Lucas zwischen uns. Seine Augen funkelten tief blau und sein Lächeln war hinreisend.

„Hallo“, kam es fast flüsternd von ihm, „geht es dir gut?“

„Ja?“

Er schulterte seine Tasche und zu dritt liefen wir Richtung Umkleide.

„Ich habe mir Sorgen gemacht. Constanze hat erzählt, dass du mit deiner Schwester von der Schule geholt worden seid und vom Bus aus konnte ich die vielen Reporter und die Polizei sehen.“

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2 Kommentare

    • claus auf 15. Dezember 2015 bei 04:58
    • Antworten

    sehr, sehr spannend…
    und voller Überraschungen!

    Vielen Dank Pit

    Grüße Claus

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    1. Freut mich zu hören, danke, danke Gruß Pit

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