Aschenbrödels Bruder – Teil 17

„Sag mal, klebt dein Handy am Ohr, oder was?“

„Nein“, hörte ich Lucas angenehme Stimme, „ich habe deinen Anruf nur herbeigesehnt und das Handy die ganze Zeit in der Hand.“

„Dich hat es wohl sehr

erwischt“, grinste ich.

„Dich nicht?“

Ich kicherte ins Telefon.

„Wie geht es dir“, fragte er.

„Körperlich zu ziemlich am Ende…“

„… und seelisch?“

„Nach wie vor ein Chaos, aber lassen wir das…“

„Okay, ich mach mir halt Sorgen…“

„Das ist auch sehr lieb von dir!“

„Sehen wir uns erst Samstag, oder hast du morgen Mittag Zeit?“

„So gesehen, habe ich alle Zeit der Welt, aber raus gehen ist etwas Schwierig. Aber du kannst gerne zu mir kommen.“

„Und was ist mit den vielen Reportern?“

„Sind gar nicht mehr so viele, es hat angefangen zu schneien und sicher ist es saukalt. Mir tun die zwei Polizisten leid, die da draußen ihren Dienst schieben.“

„Ist es denn wirklich so schlimm? Also ich meine die Sache mit deinem Vater, dass ihr Polizeischutz braucht?“

„Lucas, das kann ich dir nicht einmal sagen. Den Mann den ich früher Vater genannt hatte, kenne ich nicht mehr…, und was er gemacht haben soll, davon weiß ich noch weniger.“

„Ich wäre jetzt gerne bei dir…“

„Lucas, es ist schon spät, du solltest langsam schlafen“, hörte ich eine weibliche Stimme im Hintergrund.

„Ja, Mama, ich bin gleich fertig…“

„Gute Nacht! Schlaf gut!“

„Nacht Mama, du auch!“

Dann hörte ich, wie eine Tür geschlossen wurde.

„Sorry, meine Mum.“

„HE, du brauchst dich nicht entschuldigen, ich hoffe, das Verhältnis zu meiner Mutter wird genauso, wie deins.“

„Das wird schon werden.“

Kurzes Schweigen.

„Bist du noch da?“, fragte ich.

„Ja!“

„Dann mal gute Nacht…, schlaf gut… und träum süß!“

„Gute Nacht mein kleiner tanzender Engel!“

„Hab dich lieb…“

…dich auch!“, erwiderte er und es folgte noch ein Kussgeräusch, dann endete unsere Gespräche und es tutete nur noch. Ich schaltete mein Handy ab und legte es auf mein Nachtisch.

Jetzt hatten wir nicht ausgemacht, was wir morgen denn machen. Egal, ich konnte ihn ja morgen anrufen. Sabine erschien an meiner Tür.

„Alles klar bei dir?“

„Ja, ich wollte gerade das Licht ausmachen und schlafen.“

„Tabletten genommen?“

„Ja“, grinste ich.

„Dann mal gute Nacht“, meinte sie und verschwand wieder.

„Gute Nacht“, gab ich von mir, löschte das Licht und kuschelte mich ein. Es dauerte nicht lange und ich entschwebte in meine Traumwelt.

*-*-*

Der Wecker klingelte. Mist, ich hatte ihn vergessen auszuschalten. Frustriert haute ich drauf und er verstummte. Wenn ich keine Schule hatte, brauchte ich auch keinen Wecker. So kuschelte ich mich wieder ein.
Mit geschlossenen Augen lag ich da und versuchte wieder einzuschlafen. Mein Kopf dachte wohl etwas anderes. So drehte ich mich auf die andere Seite und dachte, vielleicht schlafe ich so wieder ein.
Aber dies gelang auch nicht. Boah, was sollte das? Hätte ich jetzt reell Schule, würde ich sofort wieder einschlafen, aber ich hatte Dank Direktorin Surren eben keine Schule. Ich setzt mich angesäuert auf.
Auch egal, dachte ich und setzt mich auf. Ich schaute auf den Wecker. Es war wirklich kurz nach halb sieben, meine normale Aufstehzeit. Aber war denn schon jemand wach, da wir ja keine Schule hatten.
Ich konnte mich noch so sehr anstrengen, aber ich hörte nichts. Der Verband machte sich bemerkbar, es fing irgendwie überall zu jucken. Kurzerhand entschloss ich mich ihn abzumachen und auch abzulassen.
Mühsam entwickelte ich mich, bis ein kleiner Haufen Verband sich neben mir angesammelt hatte. Nur in Shorts lief ich hinüber ins Bad. Mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt, dass meine Zimmertür offen stand.
Im Bad angekommen, entledigte ich mich noch meiner Shorts und entsorgte sie in der Wäschebox. Eine Dusche würde mir sicherlich gut tun, wie sie es immer tat. So stellte ich mich unter die Dusche, drehte das heiß Wasser auf und wollte schon losjaulen, weil ich doch immer wieder bei so Aktionen vergaß, dass erst kalt Wasser kam, bevor das heiße in Erscheinung trat.
Aber ich besann mich auf Besseres, da es ja noch früh war, und so presste ich meine Lippen zusammen und ertrug kurze Zeit das kalte Wasser. Langsam spürte ich das warme Wasser, aber es setzte aber auch etwas anderes in Gang, ich musste plötzlich tierisch pinkeln.
Jetzt sich noch einmal abtrocknen, war mir zu blöd und so lief ich es einfach freien Lauf. Ich spürte, wie der Druck in der Lendengegend langsam nachließ und ich entspannte mich. Nun war das Wasser auch wohl temperiert.
Nach und nach ließ ich meinen ganzen Körper von Wasser einnehmen, zum Schluss die Haare. Wie weggeschwemmt war alles, was in meinem Kopf vorging. Fast mechanisch griff ich nach dem Shampoo und massierte es in meine Haare ein.
Wohl aber aufpassend, dass der Rest des Körper noch genug warmes Wasser abbekam. Der Rest war auch schnell eingeseift. Irgendwie ausgeschlafen und total entspannt, mit dem Handtuch um die Hüften, tapste ich wieder in mein Zimmer.
Die Tropfspur, die ich dabei hinterließ, merkte ich gar nicht. Schnell war ich wieder in etwas Warmes geschlüpft.

„Benjamin, was soll das?“

Irritiert lief ich auf den Flur, wo ich Sabine fand.

„Oh, du bist auch schon wach…“

„Und du setzt den halben Flur unter Wasser, los mach weg!“, sagte sie, warf mir ein Handtuch ins Gesicht und verschwand im Bad.

Ups, deutlich waren meine nassen Fußspuren bis in mein Zimmer zu sehen und auch jede Menge tropfen. Ich seufzte und bückte mich um drüber zu wischen. Dann stand ich nun da mit dem Handtuch in der Hand, im Zimmer hatte ich auch noch eins liegen.
Ich ging zurück ins Zimmer, holte es und deponierte beide auf dem Stuhl neben der Badezimmertür. Drinnen konnte ich Musik und die Dusche hören. Grinsend lief ich die Treppe hinunter, auf direktem Weg in die Küche.
Ich betrat die Küche und hielt kurz inne, denn am Tisch saß Alfred mit Mum.

„Guten Morgen Benjamin, schon so früh wach?“

„Morgen Mum…, morgen Alfred…, ja hab vergessen den Wecker auszumachen.“

Alfred schnappte sich grinsend seine Kaffeetasse und verschwand augenzwinkernd aus der Küche. Ich schaute ihm nach und holte mir dann ebenso einen Kaffee und setzte mich zu Mum an den Tisch.
So in Frühstück mit ihr gefiel mir ganz gut, viel zu selten saßen wir früher so zusammen, auch wenn der Grund jetzt nicht so prickelnd war.

„Hast du heute etwas vor?“, fragte sie mich und aß ihr letztes Stück Toast.

„Eigentlich steht nichts an Proben sind morgen, eventuell will Lucas vorbei schauen, aber er traut sich nicht recht, wegen den Reportern.“

„Das sind fast keine mehr da, es ist viel zu kalt geworden.“

„Wir können ihnen ja einen Glühwein ausgeben“, kicherte ich.

„So weit kommt es noch, die sollen verschwinden und lieber über wichtige Dinge schreiben.§

Stimmt, mein Erzeuger war so gesehen, wirklich nicht wichtig, keines Wortes wert.

„Was machen deine Rippen?“

„Noch am selben Platz!“

Mum schaute mich mit angehobenen Augenbraun an.

„Ich habe den Stützverband ausgelassen, ich will es mal ohne probieren, die Schmerzen sind Doc Schmiedeisen Pillen erträglich, oder fast nicht spürbar.

„Wenn die Schmerzen aber wieder stärker werden, dann ziehst du den Verband wieder an.“

„Ja Mama!“, grinste ich und biss in mein Brötchen.

„Dann brauchst du Alfred nicht, so wie ich die Sache sehe.“

„Mum, ich bräuchte ihn sowieso nicht, aber leider muss er ja auf mich aufpassen.“

„Ich wollte ihm heute etwas frei geben, er ist jetzt schon vierzehn Tag hier ohne einen freien Tag.“

Mich wunderte, dass sie darüber nachdachte, aber bei der augenblicklichen Situation nur verständlich.

„Morgen zusammen“, hörte ich hinter mir meine Schwester sagen, die ebenfalls in die Küche kam.

Auch sie holte sich eine Tasse aus dem Schrank und schenkte Kaffee ein. Wir hörten die Haustür. Wenig später stand Marianne in der Küche.

„Guten Morgen…“, meinte sie nur, aber bestimmt wunderte es sie uns so vereint am Küchentisch zu sehen, sonst saßen wir ja immer im Esszimmer.

„…Morgen…“, kam es von uns.

„Guten Morgen Marianne“, sagte meine Mutter.

„Frau Debruggen, ich zieh mich schnell um, dann bin ich bei ihnen.“

„Keine Eile Marianne“, lächelte Mum.

Auch etwas, was total neu und früher undenkbar war, da hieß es immer hopp… hopp… schnell.

„Etwas Größeres geplant?“, wollte Sabine wissen.

Ich schüttelte den Kopf.

„Ich auch nicht, ich werde mich wohl wieder in mein Zimmer verziehen und… ach irgendetwas werde ich schon finden.“

Mum schaute wechselnd von einem zum anderen. Mariann kam zurück, frisch gestriegelt in ihrer Schürze.

„Haben sie für das Essen einen speziellen Wunsch?“, fragte sie meine Mutter.

„Nein Marianne und wir sind auch alle da.“

„Gut, dann mache ich mich mal an die Arbeit „, sagte sie und verschwand aus dem Zimmer.

„Ob sie wieder leckeren Fisch macht?“, fragte Sabine und schmierte ihr Brötchen mit Himbeermarmelade.

„Ich denke doch… und sonst alles klar… bei euch?“

Sabine und ich nickten beide.

„Ich werde mich dann mal wieder in mein Zimmer zurück ziehen, ich habe noch einige Telefongespräche zu führen.“

Wieder nickten wir bei gemeinsam. Sie erhob sich und auch sie verließ die Küche. So war ich alleine mit Sabine.

„Hat sich irgendwer gemeldet uns zu besuchen?“, fragte ich.

„Du meinst aus der Schule?

Ich nickte und sie beantwortete meine Frage mit einem Kopfschütteln.

„Heute Morgen sowieso nicht, die sind ja alle noch in der Schule.“

Eine Trommeln und Klingeln an der Haustür ließ uns zusammen fahren.

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