No one else – 16.Türchen

Wortlos kam er ins Zimmer zurück gestürmt und drückte seine Zigarette aus. Sein Handy ließ er auf den Couchtisch knallen. Er murmelte etwas auf Englisch, was ich nicht richtig verstand.

„Placido…?“, sagte ich leise.

Aber es kam keine Reaktion. Stattdessen lief er zum Telefon.

„Ja, Placido Romano hier, bitte schicken sie mir Gasparo!“

Sein Ton war scharf. Hatte Gasparo etwas falsch gemacht, oder war etwas falsch gelaufen? Erschrocken schaute ich Placido an, denn so kannte ich ihn nicht. In den Gedanken versunken, lief er im Zimmer hektisch auf und ab, so dass ich mich nicht traute, etwas zusagen.

Ich speicherte mein bisher geschriebenes ab und klappte mein Laptop zu. Den Nerv, ruhig weiter zuschreiben hatte ich jetzt eh nicht. Es klopfte an der Tür und Placido rief „herein“, sein Ton hatte sich nicht geändert.

Die Tür öffnete sich und Gasparo kam ins Sichtfeld.

„Sie wünschen?“, fragte Gasparo.

„Gasparo, auf den schnellsten Weg alles zusammen packen, gegen zwölf geht meine Maschine.“

„Sehr wohl, Signore Romano.“

Gasparo verschwand im Schlafzimmer. Entsetzt starrte ich Placido an.

„Du…, du reist ab?“, fragte ich fassungslos.

„DIESE IDIOTEN…“, fuhr er mich an, so laut, dass ich zurück wich.

Ich wusste nicht recht, ob ich überhaupt noch etwas sagen sollte, denn so kannte ich Placido nicht, hatte keinerlei Erfahrung, wie ich tun konnte, um ihn zu beruhigen. Er sah mir in die Augen, in denen ich auch eine Veränderung feststellte.

Diese Augen, die mich sonst immer faszinierten und in ihren Bann zogen, funkelten wütend und machten mir mehr Angst, als dass sie vertraut waren. Dies war wirklich eine Seite Placidos, die mir gar nicht gefiel.

Aber er war Italiener, wie ich und die waren eben temperamentvoll. Er schnappte sich seine Zigarettenpackung und verschwand wieder auf dem Balkon. Ich erhob mich, sammelte meine Sachen ein und ging ins Schlafzimmer.

Auf dem gemachten Bett standen Placidos Koffer, die Gasparo bereits befüllte.

„Soll ich ihren Koffer ebenfalls packen?“, fragte er, als er mich bemerkte.

„Danke Gasparo, ich habe nicht so viele Dinge…, aber eine Frage, für die Anzüge, wurden dafür Transporthüllen mitgeliefert?“

„Ja, natürlich, die sind hier“, meinte Gasparo, ging zu der großen Kommode und zog die mittlere Schublade auf.

„Danke Gasparo.“

„Ich helfe ihnen gerne, wenn ich mit Signores Romano Gepäck fertig bin.“

„Sie haben genug Arbeit mit Placidos Gepäck, wie gesagt, ich habe nicht viel.“

Ich zog meinen Koffer heraus, als sich die Tür zum Schlafzimmer aufging.

„Was machst du?“, fuhr mich Placido an.

„Ähm… packen…?“

„Wieso?“

Der Ton hatte sich nicht geändert und langsam wurde mir das zu blöd.

„Du reist ab und ich…“

„Quatsch!“, meinte er griff nach meinem Arm und zog mich ins Wohnzimmer zurück.

Es tat weh, so fest umklammerte Placido meinen Unterarm.

„Aua!“, entfuhr es mir, schüttelte meinen Arm und mich aus seinen Griff zu befreien, „das tut weh! Bist du noch ganz normal?“

Erschrocken ließ er los. Sein Funkeln in den Augen verschwand plötzlich, sie wurden traurig, wirkten fast ängstlich.

„Entschuldige…“, kam es viel leiser aus seinem Mund.

Nun war ich aber auf 180.

„Kannst du mir vielleicht sagen, was mit dir los ist?“, fuhr ich ihn nun an.

Seine Übellaunigkeit war nun völlig auf mich übergesprungen. Er dagegen, stand mir gegenüber und wirkte irgendwie zerbrechlich.

„Warum…, warum willst du ausziehen?“, fragte er mit gebrochener Stimme.

„Was soll ich hier, du reist ja ab…“, ich drehte mich weg und ließ mich aufs Sofa plumpsen.

Ich verschränke meine Arme vor der Brust und sah ihn wütend an. Er umrundete den Couchtisch und wollte sich neben mich setzten, was mich dazu veranlasste wieder aufzustehen.

„Weißt du Placido, klar wird man mal sauer, weil was nicht so ist, wie man will, aber das brauchst du an mir nicht auszulassen und könntest mir Gott verdammt nochmal endlich sagen, was los ist?“

Ich wusste nicht, was mit ihm plötzlich los war. Er stand da, wie ein Häufchen Elend. War er keine Widerworte gewohnt? Auch er kannte diese Seite nicht an mir und war sicherlich genauso überrascht wie ich seinerseits, was aber kein Grund war, mich so anzugehen.

„Meine… Agentur hat vergessen, einen Termin zu verschieben…, deshalb muss ich nach New York zurück.“

„Wann kommst du zurück?“

Er senkte den Kopf.

„…weiß nicht…“

Na toll. Hatte ich mich so gefreut, mit Placido ein paar Wochen verbringen zu können.

„… du könntest mitkommen…“, hörte ich ihn noch leiser sagen.

„Was soll ich bitte schön in New York? Ich bin für so etwas nicht eingerichtet…, und ich zieh deshalb in meine Bude zurück, weil ich mir hier alleine fehl am Platze vorkomme…“

„Dir gefällt es hier nicht…, oder?“

„Es tut mir leid, dass ist eben nicht meine Welt. Bisher war ich mit meinem bescheidenen Leben ganz zufrieden. Ich bin nur hier…, weil ich mit dir zusammen sein wollte.“

Er kam auf mich zu und ohne ein Wort zu sagen umarmte er mich von hinten, mit seinen starken Armen.

„Es tut mir leid, Davide“, flüsterte er fast, „ich wollte dir nicht weh tun.“

Noch immer hatte ich meine Arme vor mir verschränkt, aber ich spürte, wie meine Wut zu bröckeln begann.

„Du willst wirklich nicht mitkommen?“

Ich drehte mich zu ihm, ließ meine Arme sinken.

„Placido, ich… das ist nicht meine Art, hier her zu kommen, war meine erste spontane Aktion seit langem, sonst bin ich eher der Typ, der alles gern durchdenkt, bevor er etwas macht.“

Resigniert ließ auch er seine Arme sinken.

„Ich geh packen“, meinte ich und ließ ihn im Zimmer alleine zurück.

*-*-*

Ich saß auf meinem Bett und starrte ins Nichts. Ohne großes Tamtam, war ich gegangen, ohne mich großartig von ihm zu verabschieden. Mich fröstelte es, hier in meiner Wohnung war es kühl.

Mit meinem Koffer vor mir, hatte ich keine Lust im Augenblick irgendetwas zu tun, geschweige denn, ihn auszupacken. Mein Blick fiel auf die Klamotten, die mir Placido gekauft hatte. Sanft strich ich mit der Hand über die Verpackungshülle.

Ich musste Letizia verständigen, das mein Auftrag in ein paar Stunden im Flieger nach New York reiste. So griff ich in meine Innentasche der Jacke und zog es heraus. Placidos strahlendes Gesicht prangte mir entgegen, als ich es andrückte.

Schnell war Letizias Nummer gewählt und wenige Sekunden später hatte ich sie in der Leitung.

„Hallo Davide, schön von dir zu hören, was steht an?“

„Placido reist ab…“, antwortete ich nur.

„Was? … Davide, was hast du angestellt…“

„Ich habe gar nichts“, meinte ich trotzig, „seine Agentur hat Mist gebaut und er muss zurück nach New York.“

„Und du bist jetzt bei ihm am Flughafen?“

„Nein, sein Flug geht in drei Stunden…, ich bin zu Hause.“

„Warum bist du zu Hause, warum bist du nicht bei ihm?“

„Was soll ich am Flughafen?“

„Ähm, vielleicht mitfliegen?“

„Aber…“

„Nichts aber! Schwing deinen zuckersüßen Arsch ins nächste Taxi und fahr gefälligst zum Flughafen. Du hast den Auftrag von mir bekommen, einen Bericht über Placidos vorweihnachtlichen Aktivitäten zu berichten und wenn das New York mit einschließt, hast du ihn gefälligst zu begleiten!“

Jetzt war ich völlig perplex.

„Davide…? Bist du noch dran?“

„… ja.“

„Du rufst dir ein Taxi und ich verständige Placido, damit er dir einen Flug mit buchen kann.“

Was würde Placido denken, vorhin hatte ich ihm eine Absage erteilt, schon die zweite jetzt, in der kurzen Zeit, die wir uns kannten.

„DAVIDE!“, riss mich Letizia aus dem Gedanken.

„Ja…“, entwich es mir geschockt.

„Ausweis und was du sonst noch alles brauchst, such es zusammen und dann schau wie du schnellst möglich zum Flughafen kommst!“

Ich nickte, dachte nicht daran, dass Letizia mich nicht sehen konnte.

„Davide…“, sie seufzte laut und einiges leiser sprach sie weiter, „ ich finde, ihr zwei passt gut zusammen, sonst würde ich mir nicht die ganze Mühe machen, dir zu ermöglichen, Placido besser kennen zu lernen“

Ich war mir eben nicht mehr so sicher, ob wir wirklich so gut zusammen passten. Aber gab es nicht überall Streit und Meinungsverschiedenheiten? Warum setzte mir das gerade bei Placido so zu. Bei Letizia krachte es auch und es zog mich nicht so hinunter.

„Davide bitte!“, redete sie weiter auf mich ein, „mach dich auf den Weg und lass dir diese Gelegenheit nicht entgehen, du wirst es später bereuen, wenn du es nicht machst!“

Daran hatte ich bisher noch gar nicht gedacht, dass ich meine Entscheidung bereuen könnte. Sollte ich wirklich mitfliegen. Ich war noch nie in den Staaten, also wäre das etwas Besonderes und ich wollte ja eigentlich Placido näher kennen lernen und was wäre da besser, als eine gemeinsame Reise?

„Okay… ich ruf ein Taxi…“, meinte ich.

„Warte, weißt du, ob Placido schon weg ist?“

„Weiß ich nicht…, aber denke schon, er hatte es sehr eilig.“

„Okay, dann ruf du dein Taxi und ich verständige Placido! Viel Glück und meldete dich, wenn du wieder zurück bist.“

„Okay…“, es war nur noch das tuten zu hören, das Gespräch war beendet.

Ich atmete tief durch, rieb mir mit meinen kalten Händen durchs Gesicht und stand auf. Zuerst wählte ich die Nummer vom Taxiunternehmen dass ich immer nutze, und bestellte ein Taxi, dann schaute, ob ich alles nötige für diese Reise hatte.

Nach ein paar Minuten stand ich schon vor dem Haus und wartete auf das Taxi. Ich zitterte. Ich wusste nicht, ob das die richtige Entscheidung war, aber das Zureden von Letizia hinterließ ein gutes Gefühl.

*-*-*

Zermürbt, ob ich das richtige tat, kam ich am Flughafen Florenz an. Artig zahlte ich meine Rechnung und wenige Augenblick später befand ich mich im Innern des Flughafens. Ratlos schaute ich mich um und wusste zuerst nicht, wohin ich sollte.

Ein junger Mann kam ins Blickfeld, der eine Tafel in die Höhe hielt. Auf dieser Tafel stand mein Name.

 

 

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