In diesem Augenblick schaute der junge Mann in meine Richtung und setzte sich in Bewegung. Kurz vor mir stoppte er.
„Sind sie vielleicht Davide de Luca?“
„JA, aber woher wissen sie…?“
Er lächelte breit.
„Signore Romano hat sie sehr gut beschrieben. Würden sie mir bitte folgen?“
Ich griff nach meinem Kofferwagen und schob ihn vor mir her, folgte dem jungen Mann.
„Um ihr Gepäck kümmere ich mich dann sofort, wenn ich sie zu Signore Romano gebracht habe.“
„… ähm…danke!“
Wir verließen das Foyer und nach unzähligen Gängen öffnete meine Begleitung eine Tür auf der nur VIP stand. Ich ließ meinen Wagen stehen, griff nach meiner Umhängetasche und wollte den Raum betreten.
„Könnte ich bitte noch ihren Ausweis haben?“
„Aber sicher doch…“, meinte ich und suchte nervös in meiner Umhängetasche nach meinen Papieren. Froh sie endlich gefunden zu haben, reichte ich sie dem jungen Mann, der zur Seite ging und ich in den Raum eintreten konnte.
Ich fand Placido am Fenster stehend vor.
„Placido…“
Er zuckte leicht zusammen, drehte sich und rannte auf mich zu. Ich musste ein Bein nach hinten stellen, sonst hätte mich seine Wucht fast umgerissen.
„Danke Davide…, danke…“
Ein inniger Kuss folgte. Als wir uns trennten, schaute ich ihm direkt in die Augen, die gerötet waren. Er schien geweint zu haben.
„Wegen mir?“, fragte ich.
Er nickte.
„Ich…, ich dachte ich verliere dich…“, kam es weinerlich aus seinem Munde und er versenkte seinen Kopf in meiner Schulter.
Ich drückte ihn fest, durchstrich sein Haar.
„Alles wird gut…“, sagte ich.
Toller Spruch, konnte mir nichts Besseres einfallen? Entschuldigen wollte ich mich nicht, ich sah keine Veranlassung hierfür. Ich ließ ihn wieder los.
„Besser?“
Er nickte. Ich griff in meine Tasche und zog ein Papiertaschentuch hervor, dass ich ihn reichte.
Er wirkte plötzlich so zerbrechlich auf mich. Placido, der sonst so starke Mann, jedenfalls wirkte er so auf seine Mitmenschen, war klein und schwach. Ich schob ihn zu einem der großen Sessel.
„Du kommst wirklich mit?“, fragte er ungläubig.
„Ja“, lächelte ich und setzte mich ihm gegenüber.
„Was hat deine Meinung geändert?“
„Um ehrlich zu sein, letztendlich Letizia. Sie meinte ich soll dich nicht gehen lassen.“
„Und wie gewöhnlich hörst du auf Letizia, da muss ich mich also bei ihr bedanken?“
„Nein musst du nicht…, ich wollte schon mit dir, hatte aber wieder Angst. Letizia hat mir nur ein wenig einen Stoß in deine Richtung gegeben.“
„Danke“, wieder holte er sich und lächelte ein wenig.
„Was für eine Veranstaltung konnte dieser… Agent…“
„Du meinst Richard…“
„Ja, Richard, welchen Termin konnte er nicht verschieben?“
„Eigentlich ist es ein Termin, den ich gerne mache. Es ist ein Heim für Jungs von der Straße, dass ich unterstütze und jedes Jahr vor Weihnachten, werde ich von denen eingeladen.“
„Und deswegen musst du dringend nach New York zurück?“
„Das ist eigentlich nicht der Hauptgrund. Ein Verwandter trachtet nach meinem Vermögen, besser gesagt, nach dem meiner Eltern. Es gab wieder eine Anzeige und da muss ich vorstellig werden.“
„Ein Verwandter?“, fragte ich erstaunt, weil ich bis dahin glaubte, Placido hätte keine Familie mehr.
Klar machte ein Verwandter keine Familie aus, aber bisher hatte mich Placido im Glauben gelassen, er war der einzige lebende Sprössling der Familie Romano.
„Irgendein Neffe, zweiten Grades oder so. Er glaubt, er hätte Anrecht auf das Familienvermögen, dass ich meinerseits bisher nur nutzte, um anderen zu helfen. Meine Kunst bringt mir genug Geld ein, dass ich davon gut leben kann.“
„Ein Neffe zweiten Grades…, was ich nicht verstehe, warum lebt keiner deiner Verwandten mehr, ich weiß, deine Eltern verstarben bei einem Unfall, deine Großmutter, von alters her eines natürlichen Todes, aber der Rest…?“
„Ich war ein Nachzügler, meine Mutter war schon dreiundvierzig, als sie mich bekam. Der Neffe zweiten Grades stammt vom Bruder meiner Mutter ab, dessen Sohn der Vater dieses Neffen ist.“
„Das ist mir jetzt fast zu hoch. Nennt man ihn dann nicht eher Großcousin, oder so.“
„Kann ich dir nicht sagen, ich weiß nur das, was mir damals mein Anwalt erklärte. Da das Familienvermögen alleinig von meinen Eltern erwirtschaftet worden ist, hat dieser Neffe, oder was auch immer er ist, kein Anrecht darauf.“
„Aber er versucht es wohl immer wieder?“
„Ja, dieses Mal hat er mich der Veruntreuung bezichtigt.“
„Du?“
„Ja, aber damit kann ich leben, ich bin mir keiner Schuld bewusst, alles wird rechtmäßig von meinem Anwalt geregelt und an das Finanzamt weitergegeben.“
„Willst du nicht gerichtlich gegen ihn vorgehen?“
„Was soll das bringen?“
„Dass er endlich damit aufhört.“
„Wird er nicht, dafür ist sein Hass auf mich zu groß.“
„Aber warum…“
„Lass gut sein Davide, wenn alles geregelt ist, werden wir nach Florenz zurück kehren, sonst bin ich Letizia auf Gedeih und Verderben ausgesetzt.“
„Ja, mit Letizia sollte man es sich nicht verscherzen.“
„Das habe ich bereits gemerkt.“
„Möchtest du einen Kaffee?“
„Gerne!“
Placido stand auf und lief zum Telefon.
„Zwei Kaffee bitte… danke!“, hörte ich ihn sagen, bevor er wieder auflegte.
Dann lief er wieder ans Fenster und schaute hinaus.
„Was bedrückt dich?“
„Mach ich das Richtige?“
„Da frägst du den Falschen!“
Er kam auf mich zu und nahm mich in den Arm.
„Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht…, oder?“
Ich nickte.
„Ich kann gar nicht oft genug sagen, dass du doch gekommen bist.“
Ich lächelte.
„Ich brauche dich Davide, sehr sogar, ohne… ohne dich sieht alles so unerreichbar aus.“
Fragend schaute ich ihn an.
„Ich weiß selbst, ich habe mir viel vorgenommen und dass ich das wahrscheinlich nicht alleine schaffe. Ich brauche eben einen starken Partner an meiner Seite, der an mich glaubt und unterstützt und das bist eben du, den ich so liebe.“
Beeindruckt von dieser neuen Liebeserklärung, überlegte ich was ich darauf erwidern sollte, aber mir viel um besten Willen nichts ein. Er gab mir einen Kuss und ließ mich wieder los. Es klopfte kurz und die Tür ging auf.
Der junge Mann von vorhin kam zurück und reichte mir meine Papiere zurück. Ein Flugticket konnte ich aber nicht entdecken. Hinter ihm kamen zwei ältere Damen herein, die nach ihrer Sprache Amerikaner waren.
Sie sprachen etwas zu schnell für mich, als dass ich ihr Gesprächsthema gut verstehen konnte, so setzte ich mich neben Placido, der sich eben nieder gelassen hatte. Ich nippte an meinem Kaffee, der mittlerweile fast kalt war.
„Sie können in wenigen Minuten die Maschine besteigen“, meinte der Mann noch, bevor er wieder verschwand.
„Natürlich blieben mir die Blicke zu uns nicht verborgen und trotz ihrer leisen Stimmen, verstand ich auf alle Fälle, dass man über Placido redete. Er schaute kurz auf, blickte dann zu mir, bevor er wieder auf seine Tasse starrte.
„Möchtest du noch eine?“, fragte ich und stand auf.
„Nein, sonst muss ich im Flieger gleich auf die Toilette.“
Ich nahm seine Tasse und meine und trug sie zur Theke zurück. Auf meinem Rückweg bemerkte ich, wie die zwei Damen die Köpfe zusammensteckten und tuschelten.
„Was ich dich fragen wollte, ich habe noch gar keine Bordkarte“, meinte ich dann zu Placido.
„Brauchst du auch keine, den Flieger den wir nehmen, für den gibt es keine Bordkarten.“
„Wieso?“
„Ein Privatjet.“
„So etwas bin ich noch nie geflogen.“
Er lächelte mich an und ich war sicher, er wollte nach meiner Hand greifen, aber er tat es nicht. Woher diese plötzliche Scheu.
Mein Handy ging und ich nahm das Gespräch an.
„Ja?“
„Na hast du es noch rechtzeitig geschafft?“, hörte ich Letizias vertraute Stimme.
„Ja, ich sitze neben ihm“, antwortete ich ihr und schaute lächelnd zu ihm.
„Letizia?“, flüsterte er leise.
Ich nickte.
„Schöne Grüße von mir!“
„Ich soll dir schöne Grüße soll ich dir von Placido sagen.“
„Danke zurück und dass mir keine Klagen kommen. Und wenn du zurück bist, will ich in deinen Bericht hineinlesen, ob das auch was wird.“
„Du willst ja nur wissen, ob er mich schon vernascht hat“, meinte ich kichernd und zog so die Aufmerksamkeit der zwei Damen auf mich.
„Du ich muss Schluss machen, man sagte uns eben, wir können gleich die Maschine besteigen.“
„Okay, dann wünsch ich euch einen schönen Aufenthalt und halt die Ohren steif. Bye.“
„Danke Letizia, bye.“
Ich wollte gerade mein Handy verstauen, als es erneut klingelte. Ich hob die Augenbraun, als ich sah, wer da anrief.
„Was ist?“, fragte Placido, der mich wohl beobachtet hatte.
„Meine Schwester…“, antwortete ich und zeigte auf mein Handy.
3 Kommentare
Hallihallo, ich wunder mich schon, das so wenige Kommentare geschrieben werden. Immer die gleichen schreiben. Wie wäre es wenn sich auch andere trauen. Diese Seite wird es nur geben, wenn sie mit Leben gefüllt wird. Also auf!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Pit, die Geschichte ist einfach wunderbar, Du schreibst immer, als ob du die Personen deiner Geschichten lebst bzw. erfährst. Dieses bezieht sich auf alle deine Geschichten. Bitte versuch weiter zu machen. Es sei dir der Dank gewiß. LG Stef
Dem kann ich mich nur anschließen.
Hallo Pit,
das wird noch richtig spannend.
echt gut geschrieben.
Vielen Dank und liebe Grüße
Claus