2. Türchen – No one else II

„…Interesse an dir… uns“, antwortete Placido.

„An mir? Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.“

„Dieser jemand, wer auch immer er oder sie ist, hat wohl deinen Beitrag für die Weihnachtsspalte gelesen und wurde so auf uns aufmerksam.“

„Ist dir das unangenehm?“

„Wieso sollte mir das unangenehm sein? Die Frage ist eher, ist es dir unangenehm, wenn jemand in unserem Leben herum stochert?“

Ich ging zu ihm hin und nahm ihn in den Arm.

„Das habe ich dir schon einmal beantwortet. Mit dir an meiner Seite, schaffe ich alles!“

Er gab mir einen Kuss auf die Nase.

„Danke mein Prinz!“

Er zog mich zu sich und küsste mich sanft. Von einem zaghaften Klopfen wurden wir unterbrochen.

„… ähm, Entschuldigung die Störung.“

Es war Jakob. Hochrot hielt er etwas in der Hand. Placido ließ mich los.

„Hallo Jakob, was ist denn?“

„Ähm unten steht ein Mann, der hat mir seine Karte gegeben und gefragt, ob es möglich wäre dich zu sprechen.“

Placido nahm die Karte entgegen und lass sie.

„Da hat es aber einer wirklich eilig.“

„Warum, wer ist das?“, wollte ich wissen.

Placido hielt mit die Karte unter Nase.

„Noah Coleman, Businessmanager. Sagt mir überhaupt nichts…, ach so, du meinst er will die Stelle als dein Manager?“

Placido nickte und wandte sich an Jakob.

„Was ist dein Eindruck?“

„Ähm, was meinst du?“

„Wie findest du ihn, wie wirkt er auf dich?“

Jakob grinste.

„Etwas eingebildet würde ich sagen, wirkt nach außen hin nobel, besser gesagt er will so wirken, aber hat auch irgendein Geheimnis.“

Verwirrt schaute ich die beiden an.

„Wie kommst du da drauf?“, fragte Placido.

„Seine Augen! Sie sind nicht ehrlich, war auch das erste, was mir sofort an ihm aufgefallen ist.“

Immer noch verstand ich nichts.

„Hatte ich dir nicht erzählt, dass Jakob trotz seines Alters, über eine wahnsinnig gute Menschenkenntnis verfügt? Er war es übrigens auch, der mich als erstes vor Richard gewarnt hat, dass da irgendetwas Krummes läuft…, na ja hätte ich mal darauf gehört.“

„Nein, hast du nicht…, da wäre uns sicher einiges erspart geblieben“, sagte ich.“

„Jakob, bitte den Herren herein…!“

„Schon unterwegs.“

„Ähm… soll ich gehen?“, wollte ich wissen.

„Nein, wieso denn. Du bist mein Freund… Partner… Lover…Muse“, grinste er mir breit entgegen, „du bleibst gefälligst hier!“

„Okay, wenn du meinst.“

„Ja, das meine ich“, er griff nach meiner Hand, „wenn er UNS nicht akzeptiert, kann er gleich wieder gehen!“

Ich nickte und hörte Geräusche von draußen.

„Hier Mr. Coleman, Mr. Romano erwartet sie.“

Weniger Sekunden später kam ein junger Mann ins Sichtfeld. Sein Lächeln war aufgesetzt und ob das seine reale Garderobe war, konnte ich auch nicht sagen, man spürte, dass er sich in ihr unwohl fühlte.

Den Mantel hatte er über dem Arm hängen. Ich hätte ihm das Ganze eine Nummer größer empfohlen. Auch sah er jetzt nicht aus, wie ein typischer Amerikaner, er wirkte eher wie ein Landsmann auf mich.

„Guten Tag, Mr. Coleman, was verschafft mir die Ehre ihres Besuches?“, begrüßte Placido ihn mit Handschlag.

„Guten Tag, Mr. Romano, Entschuldigung, wenn ich so unangemeldet aufkreuze, aber ich habe gehört, bei ihnen wäre eine Stelle frei.“

Sein Englisch war akzentfrei, was auch nicht auf seine wahre Herkunft schließen ließ.

„Sie haben also Interesse an der Stelle meines Assistenten?“

Etwas verwirrt schaute ich Placido an, aber was mich mehr amüsierte, Mr. Coleman Gesichtsausdrück und seine Kinnlade, die gerade zu Boden fiel.

„Assis… tenten…?“, stotterte Mr. Coleman.

Seine Schultern sanken und plötzlich war dieses aufgesetzte Lächeln verschwunden.

„Jakob, wärst du so freundlich und würdest du uns vier Kaffee bringen?“

„Vier?“

„Du willst dich doch sicher zu uns gesellen.“

„Ja, mache ich gerne“, meinte Jakob und verschwand in unsere Küche.

„Setzten sie sich doch bitte, Mr. Coleman…“, meinte Placido kurz darauf und zeigte auf die Sitzgruppe.

Mir zwinkerte er mit zu, ich folgte den beiden und ließ mich neben Placido nieder.

„Entschuldigen sie Mr. Coleman, ich wollte sie nicht erschrecken, aber wenn ich eins nicht mag, ist es Unehrlichkeit!“

Leicht verzweifelt schaute uns Mr. Coleman entgegen, sagte aber darauf nichts.

„Von ihrem Alter her zu schließen, haben sie gerade das Studium in Businessmanagement beendet. Den Anzug den sie tragen, ist eine Nummer zu klein für sie, also vermute ich mal ein schneller Kauf, ohne darüber nachzudenken.“

Ich vergaß immer wieder, wie genau Placido seine Umwelt wahrnahm. Unser Gegenüber sank nun völlig in sich zusammen.

„Es tut mir leid…, es ist wohl besser, dass ich gehe…“

„Nein, Mr. Coleman, wenn sie schon einmal da sind… Beginnen wir doch noch einmal von vorne…, aber vorher würde ich sie bitten, noch etwas zu machen.“

Erstaunt und total verwirrt schaute dieser Typ nun zu Placido.

„… ähm… was?

„Ich würde vorschlagen, sie entledigen sich von dem zu engen Jacket und der Krawatte. Sie können ruhig die Ärmel ihres Hemdes hoch krempeln, ich weiß bei uns ist gut beheizt.“

Jakob kam mit einem Tablett voll Kaffeetassen zurück. Schön artig verteilte er sie, bevor er sich neben mich setzte. Mittlerweile war dieser Mr. Coleman, Placidos Anweisungen gefolgt und sich der Sachen entledigt.

„Besser, oder?“, fragte Placido.

Unser Gegenüber nickte.

„So, dann fangen wir noch einmal von vorne an, Mr. Coleman. Das ist doch ihr richtiger Name?“

„Ja, Noah Andrea Coleman.“

„Und sie sind aus den Staaten?“

„Ja.“

„Und ihre Familie?“

„Mein Vater stammt aus New York…, meine Mutter ist eine Italienerin.“

Also war es Placido auch aufgefallen, dass dieser junge Mann etwas Südländisches an sich hatte.

„Aber meine Eltern sind geschieden und meine Mutter ist wieder in ihr Heimatdorf hier in der Nähe von Florenz zurück gekehrt.“

Das war interessant zu hören. Ich nahm meine Tasse und nippte an ihr.

„Sie trinken ihren Kaffee schwarz? Oder möchten sie Milch oder Zucker?“, fragte Placido.

„Nein danke, ohne etwas.“

„So und nun erzählen sie mir, wie sie auf mich als Arbeitgeber gekommen sind.“

Er nippte nervös an seinen Kaffee und stellte die Tasse wieder ab. Deutlich konnte ich sehen, wie seine Hände zitterten.

„Also…, ich bin auf Besuch hier bei meiner Mutter. Sie ist eine glühende Verehrerin ihrer Kunst und hat natürlich mitbekommen, was mit ihrem Manager passiert ist. Sie hatte die Idee, ich solle mich bei ihnen als Manager bewerben…, von ihr ist auch der… Anzug.“

„Das hört sich schon anders an, haben sie überhaupt Interesse an dieser Stellung, oder machen sie dies nur ihrer Mutter zu liebe?“

„Ich würde schon gerne bei ihnen anfangen…“

„Aber?“

„Mir ist klar, dass ich so frisch aus dem Studium mit vierundzwanzig Jahren, wohl keine Chancen habe…, aber meine Mutter drängte mich, es einfach zu probieren.“

„Eine kluge Frau! Sie leben in den Staaten bei ihrem Vater?“

„Nein, nach der Scheidung wollte er von uns nicht mehr wissen. Ich bin damals bei einem Freund meiner Mutter untergekommen. Denn ich wollte auf alle Fälle in Amerika studieren.“

„Sie reisen gerne?“

„… ja.“

Dieses Lächeln auf seinen Lippen war dieses Mal echt. Nachdem ich das alles gehört hatte, war er plötzlich schon viel sympathischer.

„Jakob würdest du mir den Gefallen tun und Emma für mich anrufen? Sie müsste schon im Büro sein.“

„… ähm ja.“

„Jakob ist übrigens mein Assistent, er stammt aus Amerika und absolviert hier ein Studium an der Florenz Art.

Jakob verschwand in Placidos Arbeitszimmer.

„Und neben mir sitzt Davide de Luca, mein Lebensgefährte. Ich hoffe es störte sie nicht, dass ich mit einem Mann zusammen lebe?“

Abwehrend hob Mr. Coleman seine Hände.

„Nein…, nein sicher nicht, damit habe ich keine Probleme.“

„Wieso, sind sie schwul?“

Ich musste grinsen, denn Placido konnte so herrlich direkt sein, genauso wie Letizia.

„Nein…“, und etwas leiser, „ist das ein Problem?“

Placido fing an zu lachen.

„Nein ist es nicht! Jakob ist auch nicht schwul.“

Mr. Coleman atmete tief durch. Jakob kam zurück ins Zimmer.

„Hier… Emma“, meinte er und reichte Placido das Telefon.

„Hallo Emma, Liebes einen schönen guten Morgen.“

Ich hörte sie etwas sagen, aber verstand es nicht, da es zu leise war.

„Warum ich anrufe, wie viele Anfragen für den Posten als Manager hast du bereits?“

Placidos Augen wurden größer.

„Doch so viele. Hm, Emma würde ich zu viel verlangen, wenn du denen allen eine Absage erteilst?…. Ich habe jemanden gefunden, ja… danke, das ist sehr lieb von dir… alles weitere, werde ich regeln und dir Bescheid geben… ja danke… du auch … Bye!“

Mit großen Augen schaute uns Mr. Coleman an, während Placido Jakob das Telefon zurück gab. Placido hatte sich also entschieden, recht schnell fand ich. Aber ich sagte nichts und folgte weiter der Unterhaltung.

„War der Wunsch, Businessmanagement zu studieren, der ihres Vaters?“

Mr. Coleman nickte.

„Er wollte, dass ich in seiner Firma anfange.“

„Aber das war nicht ihr Wunsch?“

„Nein, aber nach der Scheidung hat er den Kontakt zu uns abgebrochen und somit dieses Problem erledigt.“

„Wie steht es mit der Kunst?“

Verlegen lächelte er.

„Schon von Kindesbeinen an hat mich meine Mutter in Kunstmuseen mitgenommen. Ich wurde groß zwischen Van Gogh, Picasso, Monet oder Chagall.“

„Sehr unterschiedliche Stile würde ich sagen, Malen sie selbst?“

„Vor dem Studium… Bleistiftzeichnungen… mehr nicht.“

Placido lächelte.

„Noah, ich darf sie doch sicher Noah nennen?“

Noah nickte ihm zu.

„Sie sehen, mit Ehrlichkeit kommt man viel weiter und ich würde sagen, sie haben den Job.“

„… ähm… wirklich? Einfach so, ohne meine Papiere nachzusehen?“

„Noah, eins ganz zu Anfang. Papier ist geduldig und für mich zweitrangig. Mir geht es um die Person, sein Handeln und Auftreten, dass sind wichtigere Kriterien. Dann gehe ich mal davon aus, dass sie als halber Italiener auch der Sprache mächtig sind.“

Wieder nickte Noah.

„Ich spreche englische und italienisch fließend, etwas französisch und ein paar Brocken deutsch.“

„Ein Sprachgenie, genau was wir brauchen. Richard hielt es nie für nötig eine andere Sprache zu lernen, es fand Englisch genüge vollkommen. Zudem können sie bei mir von Grund auf lernen, was nötig ist, für diesen Job wichtig ist.“

Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass Noah noch gar nicht richtig wahrnahm, was für einen Job er jetzt inne hatte, noch machte er sich Gedanken über Gehalt, noch wo er zukünftig arbeiten würde.

Er hing an Placidos Lippen und hörte ihm fasziniert zu, was ich natürlich verstand, wer war nicht fasziniert von Placido.

„Und was ist deine Meinung, Davide?“

Ich zuckte zusammen, als mich Placido aus den Gedanken riss und direkt ansprach.

„Meine Meinung?“

„Ja, deine Meinung zu Noah.“

Ich hob meine Augenbraun und schaute Placido lange an.

„… dürfte ich Noah erst etwas näher kennen lernen, bevor ich dir meine Meinung sage?“

„Dein erster Eindruck?“

„Interessant, auf alle Fälle viel sympathischer, als Richard.“

„Danke!“, kam es von einem strahlenden Noah.“

„Noah, darf ich sie und ihre Mutter zum Essen einladen?“

„… ähm, ich weiß nicht, ich müsste da erst meine Mutter fragen.“

„Ich denke, wenn sie meinen Namen hört, wird sie sicher zusagen!“

Wir hatten heute noch nicht darüber gesprochen, was noch anstand. Aber Essen gehen war mir irgendwie recht. Nach dem üppigen Mahl bei Mutter war es mir ganz recht nicht mehr in der Küche stehen zu müssen.

„… ich gebe ihnen nachher sofort Bescheid.“

Placido lächelte breit.

„Ich finde, beim Essen lernt man sich am besten kennen.“

*-*-*

Wieder einmal hatte ich Placidos schnelle Entscheidungsfreudigkeit erleben dürfen. Natürlich hatte ich mir im Vorfeld meine Meinung über Noah gebildet, aber ich war noch nicht breit dies kund zu tun.

Ich wollte ihn wirklich erst kennen lernen, vielleicht sogar etwas recherchieren. Nicht umsonst war ich Journalist und hatte meine Mittel, um noch mehr über Noah zu erfahren. Dies war kein Misstrauen, sondern ich wollte einfach vorsichtig sein.

Jakob hatte die Einladung zum Essen dankend abgelehnt, weil er sich am Abend mit anderen Kommilitonen verabredet hatte. Letizia hatte natürlich Zeit, aber eher aus reiner Neugier, wen sich Placido als neuen Manager anstellen wollte.

Natürlich hatte ich Placido gefragt, warum er Noahs Mutter ebenso eingeladen hatte. Er meinte, aus einem ganz einfachen Grund. Bei Jakob hatte er damals die Großmutter eingeladen. So hatte er eine Verbündete, die ebenso etwas auf Jakob wachte.

So wollte er es auch bei Noah machen. Ich saß in meinem kleinen Arbeitszimmer über einen Artikel, konnte mich aber nicht recht konzentrieren. Wie oft spielte ich mit meinem Ring, gedankenverloren schaute ich aus dem Fenster.

War das, das Leben, welches ich führen wollte. Klar liebte ich Placido über alles und ich genoss jede freie Zeit, die wir miteinander hatten. Doch immer wieder kamen kleine Zweifel auf, ob dies meine Welt wirklich war.

Diese Gedanken kamen aber nur, wenn ich für mich alleine war. Sobald ich mit Placido zusammen war, schien alles in den Hintergrund zu treten. Es klopfte an meiner Tür und meine Gedankenwelt wurde einfach zur Seite geschoben.

„Ja?“

Die Tür ging auf und Jakob schaute herein.

„Hallo Jakob, was kann ich für dich tun?“

„… hallo Davide, wäre es möglich dich kurz zu sprechen?“

„Klar doch komm rein, setz dich!“

„Danke! … also… warum ich vorbei schaue… es ist wegen diesem Noah, irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl.“

Er hatte nun meine volle Aufmerksamkeit und ich drehte mich zu ihm.

„Irgendein spezieller Grund?“

Er zuckte mit den Schultern.

„Einfach so aus dem Bauchgefühl heraus.“

„Und warum kommst du dann zu mir?“

„Es ist…, könntest du einfach etwas mehr auf Placido aufpassen? Er hatte schon genug Ärger mit Richard, ich will nicht, dass er noch mehr verletzt wird.“

Placido… verletzt?

„Kein Problem, ich habe auch nichts anderes vorgehabt.“

„Du bist also auch der Meinung, man kann diesem Noah nicht trauen?“

„Das habe ich nicht gesagt, Jakob. Ich möchte ebenso nur, dass Placido den Rücken frei hat und sonst keinen Ärger kriegt.“

Jakob nickte, er schien mit meiner Antwort nicht so sehr zufrieden zu sein. Er blickte kurz auf seine Uhr.

„Oh, doch schon so spät. Ich muss langsam los, wenn ich nicht zu spät kommen möchte.“

„Okay, dann dir einen schönen Abend.“

„Danke, euch auch.“

Und schon war er verschwunden. Jakob hatte also auch ein ungutes Gefühl, was Noah betraf.  Ich wollte gerade das Laptop herunter fahren, als es erneut an meiner Tür klopfte.

„Nanu Jakob, hast du etwas vergessen?“

Als keine Antwort kam, drehte ich mich um und ich blickte in das Gesicht von Letizia.

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