7. Türchen – No one else II

„Hier Noah“, rief Placido und wenig später ging erneut die Tür auf. Die Tür ging auf und Noah kam herein. In Jeans und dickem Wollpullover sah er besser aus, als in dem viel zu kleinen Anzug.

„Ich denke, ich brauche euch Noah nicht mehr vorzustellen“, zog Placido die Aufmerksamkeit aller auf sich, „nur so viel, er ist von heutigen Tag an meinen Manager und wird meine Agentur hier und auch in Amerika leiten.“

„Dann bleibt ja alles in der Familie“, meinte Jakob und brachte die anderen im Raum zum Lachen.

„Ja und ich bin um eine Tante und Cousin reicher!“

„War da nicht noch ein entfernter Verwandter, der nach deinen Reichtümern trachtet?“, kam es schmunzelnd von Letizia.

„Ach der, den einzigen Reichtum den ich besitze, kuschelt sich da an seine Mutter, anstatt in meinen Armen zu sitzen.“

Damit war wohl ich gemeint.

„Mama, du verzeihst, aber mein Mann verlangt nach mir!“

Ich stand auf und wechselte den Sessel, was zur Belustigung der anderen führte.

„Ich wollte mich eigentlich nur verabschieden“, kam es von Noah, „ich bin drüben fertig.“

„Bleib doch noch ein bisschen“, meinte Placido.

„Eigentlich müsste ich nach Hause und packen, mein Flieger morgen geht recht früh.“

„Du willst den Job wirklich machen?“, fragte Jakob.

„Ja, klar, ich arbeite zwar erst einen Tag für Placido, aber ich hatte noch nie so viel Spaß, wie mit ihm und auch euch.“

Alle nickten.

„Wir bleiben in Verbindung…“, meinte er zu Placido, „ und euch noch einen schönen Tag.“

Und schon war er wieder weg. Mama sah zu uns und lächelte.

„Ein süßes Paar, oder?“, fragte Dana.

„Ich habe nie etwas anderes behauptet“, entgegnete Mama.

Placido zog mich etwas zu sich.

„Alles okay jetzt?“, flüsterte er leise.

Ich nickte und gab ihm einen Kuss,

„Danke!“

„Nicht dafür!“

Oh hört auf mit eurem Süßholzraspeln, ich werde neidisch“, sagte Dana.

„Ich sehe es schon kommen, ich werde wohl meine Schwester verkuppeln müssen“, meinte ich frech grinsend, „sonst müssen wir uns das immer an hören.“

„Einen Teufel wirst du! Ich werde mir den schön selbst aussuchen.“

„Wann? Du hast doch eh nie Zeit…, wo wir gerade davon reden, wieso bist du nicht auf der Arbeit.“

„Davon weißt du noch nichts…, ich habe gekündigt!“

„Kind, warum machst du denn so etwas, was wird nun werden. Man kündigt doch nicht so eine gute Stelle!“

„Mama, ich bin schon lange nicht mehr konform mit den Arbeitspraktiken meines Chefs und seine ständigen sexuellen Belästigungen haben auch immer mehr überhandgenommen und für so etwas bin ich mir zu schade.“

„Wenn du meinst…, du bist alt genug Dana, aber was wird nun werden.“

„Zuerst genieße ich meinen Resturlaub, der sich angesammelt hat, das sind immerhin zwei Monate. Solange muss mein „Ex“ Boss noch zahlen, aber keine Sorge, ich habe mich bereits nach einer anderen Stelle umgeschaut.“

„Ob das mal gut geht.“

„Keine Sorge Mama, das wird schon!“

„Mama, du weißt doch, Dana war schon immer ein Stehauffrauchen!“, mischte ich mich in die Unterhaltung ein.

*-*-*

Ich lag bereits im Bett, als Placido unser Schlafzimmer betrat.

„Man denk gar nicht, wie viel Arbeit es macht, ein Haus zu renovieren“, meinte er und begann sich auszuziehen.

Ich schaute von meinem Buch hoch.

„Probleme?“

„Nein und wenn, man kann alles irgendwie lösen.“

Nur in Shorts und Shirt schmiss er sich neben mich aufs Bett und stützte sich auf seinen Ellenbogen ab.

„Wie geht es dir?“

Ich hob den Kopf leicht schief.

„Leichte Nachwehen vom gestrigen Abend, aber sonst gut.“

„Danke!“

Erstaunt schaute ich ihn an, denn ich verstand den Dank nicht.

„Wofür… danke?“

„Danke, dass es dich gibt, danke, dass du mich liebst! Danke, dass du meinen Traum mit mir teilst…, danke…, dass du dein Leben mit mir teilen willst…“

Ich hob die Hand und hielt sein Mund zu.

„Boah Placido…, bitte nicht, sonst hast du gleich eine Heulsuse im Bett sitzen.“

„So gerührt? Ich sage dir doch nur wie sehr ich dich liebe!“

„Das weiß ich doch“, meinte ich und legte mein Buch weg, „und ich liebe dich genauso, mein großer starker Mann!“

Ich beugte mich vor und gab ihm einen zärtlichen Kuss, aber spürte dabei, da dort etwas war, was Placido beschäftigen musste.

„Was ist los?“, fragte ich.

Placido richtete sich auf und setzte sich im Schneidersitz vor mich.

„Dein Bruder…, er geht mir nicht mehr aus dem Kopf.“

Mein Bruder, was? Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr.

„Mein Bruder, schwärmst du mir jetzt von Emilio vor?“

Er lächelte.

„Eifersüchtig? Süß! Nicht so wie du denkst! Ich denke darüber nach, was Emilio zu Letizia gesagt hatte.“

„Mein Bruder hat eine Menge gesagt, nach seiner Weinattacke…, was meinst du?“

„Ich hoffe du springst nicht gleich aus dem Bett, aber der Gedanke an Heirat oder Kinder hat mich fasziniert.“

Ich sah ihn lange an, ohne etwas zu sagen. Klar war das der Wunsch vieler. Heiraten und eine eigene Familie gründen.

„Aber ich will nicht der Part sein, der schwanger wird“, meinte ich grinsend.

Es dauerte eine Weile, bis Placido begriff, was ich gesagt hatte.

„Du denkst genauso?“, fragte er erstaunt.

„Klar, warum nicht? Nur möchte ich all das langsam angehen. Es gibt so vieles an dir, von dem ich nichts weiß. Ich möchte dich kennen lerne, richtig, mit allem drum und dran!“

„So gesehen, weiß ich auch nicht viel von dir…“

„Aber trotzdem liebst du mich.“

„Ja, mit jeder Faser meines Körpers!“

*-*-*

„Wollte heute nicht dieser Typ von dieser Zeitung kommen?“, fragte ich, während ich mir an der Küchentheke einen Kaffee einschenkte.

„War das heute?“, kam es von Placido, der gerade in die Küche kam.

„Ja, eindeutig heute.“

„So richtig Lust habe ich nicht, ein Interview zu führen. Ein Tag mit dir ist viel interessanter.“

„Danke für die Blumen“, meinte ich lächelnd und gab ihm einen kleinen Kuss.

„Wo wir gerade bei deinem Thema sind, wie weit ist denn euer Projekt mit der Kinderzeitung?“

„Eigentlich könnten wir beginnen, aber uns fehlen schlicht weg die Kinder dazu.“

„Hattet ihr keinen Aufruf dafür gestartet?“

„Doch aber es haben sich nicht mal zehn Kinder gemeldet. Das Interesse eine eigene Zeitung zu gestalten, scheint wohl kein Renner zu werden.“

„Das tut mir leid, also ich fand die Idee gut.“

„Ich weiß und ich danke dir auch für deine Unterstützung. Aber Letizias Chef meinte, wenn bis Monatsende nicht mehr Anmeldung vorliegen, ist die Sache gegessen.“

„Das wäre echt schade!“

Ich nickte und nippte an meinem Kaffee.

„Willst du nichts essen?“

„Später, erst muss  ich zu Letizia, in die Redaktion, aber danach, falls du Zeit hast, wäre ich für ein kleines Frühstück nicht abgeneigt.“

„Mal sehen, ob sich das einrichten lässt.“

Placido stand dicht vor und unsere Münder trafen sich fast, als wir unterbrochen wurden.

„Guten Morgen die Herren“, kam es von der Tür.

„Morgen Jakob“, meinte Placido und ließ von mir ab, „auch einen Kaffee?“

„Nein danke, ich hatte schon zwei.“

„Wann bist du denn aufgestanden?“, fragte ich.

„Früh!“, lächelte er mich an.

„Was steht heute an?“, wollte Placido wissen.

Jakob zauberte sein Tablet hervor und fing an, darauf herum zu tippen.

„Gegen zehn hast du eine Einladung vom hiesigen Kulturdezernenten, um halb eins ein Mittagessen mit Direktor der Galerie Modern Art und heute Mittag ist dieses Interview mit diesem amerikanischen Reporter. Die Zeit weiß ich leider erst, nach der Ankunft dieses Herren.“

Placido strich sich durchs Haar und atmete tief aus.

„Dann fällt wohl unser kleines Frühstück ins Wasser.“

„Davide, das tut mir leid!“

„Muss es nicht, mein Mann ist eben ein viel beschäftigter Künstler und das wusste ich ja schon vorher.“

Darauf sagt Placido nichts, kam zu mir und nahm mich in den Arm.

„Danke! Hättest du etwas dagegen, mich zu diesem Interview zu begleiten?“

„Ich dachte du fragst nie“, lächelte ich ihn an.

„Gut, Jakob soll auch dich verständigen, wenn er mehr weiß, wir treffen uns dann vorher hier, oder?“

„Kein Problem, ich bin dann sowieso zu Hause.“

Er entließ mich aus seinen Fängen und drehte sich wieder zu Jakob.

„Sonst noch etwas?“

„Drei wichtige Mails, die du lesen solltest, zwei Brief und ein dicker Umschlag…, liegen auf deinem Schreibtisch.“

„Danke, darum werde ich mich gleich kümmern… und du?“

„Ich bin soweit fertig und werde mich nun auf den Weg zur Uni machen.“

„Gut mach das, wir sehen uns sicher später noch.“

Er nickte, hob die Hand zum Gruß und verschwand wieder.

„Ein emsiges Bienchen“, meinte ich und stellte meine Tasse in die Spüle.

„Ich bin froh, dass wir ihn haben und bereue keinen Augenblick ihn nach Italien gebracht zu haben.“

„Das brauchst du auch nicht! Dann werde ich mich mal auf den Weg machen.“

„Ja tu das und fahr vorsichtig.“

„Keine Sorge“, meinte ich, „bis später!“

Wir verabschiedeten uns wie gewohnt mit einem Kuss und einer Umarmung. Danach lief ich in den Flur, griff nach meinem Schlüssel, die Tasche und der Jacke, um wenig später die große Treppe hinunter zu laufen.

Hier unten war es wesentlich lauter als oben Zich Handwerker wuselten hier herum und versuchten in der abgemachten Zeit das Café und die Galerie fertig zu stellen. Durch die große Holztür trat ich ins Freie.

Sofort blies mir ein kalter Wind entgegen. Ich hielt kurz inne und zog mir meine Jacke über, bevor ich zum Auto lief.

*-*-*

„Was machst du nachher? Zum Mittagessen schon eine Verabredung?“, fragte Letizia, nachdem wir eine Stunde lang, langweiligen Papierkrieg geführt hatten.

„Nein, ich bin heute frei, warum fragst du?“

Sie verdrehte ihre Augen.

„Ich muss einfach für eine Stunde mal vor die Tür.“

„Nerven die Kollegen wieder… so schlimm?“

„Schlimmer! Besonders unser lieber Sportredakteur Vasco, oder von wem meinst du, sind diese Blumensträuße?“

„Nicht von Emilio, ich dachte…“

„Falsch gedacht! Du weißt selbst, wie unromantisch dein Bruder in solchen Sachen ist, bisher gab es nur drei einzelne rote Rosen…, das ist alles, was er bisher fertig gebracht hat.“

Ich grinste sie an.

„Sei ihm nicht böse…, er lernt noch.“

„Bin ich nicht, dafür ist er einer der liebevollsten Männer, den ich je kennen gelernt habe.“

Ich hob gespielt empört die Hände vor die Ohren.

„Bitte keine Details, sonst quält mich den ganzen Tag mein Kopfkino.“

„Würde ich auch nicht preisgeben“, meinte sie und schloss ihren Ordner.

Sie fuhr ihr Laptop herunter und stand auf.

„Lass uns gehen, bevor uns noch etwas dazwischen kommt“, meinte sie und schlüpfte in ihren Mantel.

„Kein Problem, ich folge dir unauffällig!“

„Gut!“

Sie öffnete die Tür.

„Eins muss man ihm lassen…“

„Wen meinst du?“, fragte Letizia, in hinausgehen.

„Geschmack hat er ja?“

„Davide, von wem in drei Teufels Namen redest du?“

„Von Vasco…,  die Blumen sind schön!“

„Oh, Davide…!“

*-*-*

„Was nimmst du?“

„Die Pasta“, sagte ich und legte die Speisekarte zur Seite.

Letizia tat es mir gleich und nahm einen Schluck von ihrem Rotwein.

„Warum werde ich das Gefühl nicht los, das heute oder gestern etwas Besonderes passiert ist?“

„Was meinst du?“, fragte ich unschuldig.

„Komm deine Augen funkeln schon die ganze Zeit und du warst noch nie mit so viel Elan bei der Besprechung der geplanten Artikel dabei, wie heute. Und dann dieses Grinsen!“

„Ach so, dass meinst du.“

Ich nahm ebenso einen Schluck von meinem Glas.

„Ja und?“

„Was?“

Ich liebte es, Letizia aufzuziehen. Sie schnaubte dann immer herum und war kurz vor dem explodieren. Sie schaute mich durchdringend an. Ich musste kichern und stellte mein Glas ab. Dann beugte ich mich zu ihr hinüber.

„Placido hat heute Morgen erzählt, dass er von Emilio ganz fasziniert wäre.“

„MEIN EMILIO?“

Das war eine Spur zu laut und das ganze Restaurant drehte sich zu uns herum. Ich konnte nicht anders und begann zu kichern. Als sich alle wieder ihrem Tisch zugewendet hatten, beugte ich mich erneut vor.

„Placido fand Emilios Idee mit dem Heiraten und Kindern gut.“

„Er will dass wir heiraten?“

„Ich habe nicht von euch gesprochen.“

Mit großen Augen schaute mich Letizia an, bis es bei ihr Klick machte.

„Er hat dir einen Heiratsantrag gemacht?“

„Nein, er hat mich gefragt, was ich dazu meine.“

„Und, was war deine Antwort?“

„Dass ich nicht den schwangeren Part übernehmen werde!“

Letizia ließ sich in ihren Stuhl zurück fallen und lachte.

„Ich werd verrückt, mein Davide kommt vor mir unter die Haube…“

„Eine eingetragene Lebenspartnerschaft…“, berichtete ich sie.

„Aber mit Kindern wird das schwer, du weißt, in dem neuen Gesetz ist kein Adoptionsrecht vorgesehen.“

„Ja leider. Aber ich habe ja noch einen Bruder und Schwester, da kann ich hoffen, wenigstens Onkel zu werden.“

Letizia erwiderte nichts darauf, sondern streckte mir nur ihre Zunge heraus.

*-*-*

„Ob er schon da ist?“, wollte ich von Placido wissen, als unser Wagen am St. Regis vorfuhr.

„Jakob konnte mir bis vorhin keine Auskunft geben“, antwortete mir Placido.

Beide stiegen wir aus und betraten das Hotel. Ein leichter Duft süßen Gebäcks lag in der Luft.

„Seniore Romano… Seniore de Luca…! Es freut mich sie in unserem Hause begrüßen zu dürfen“, kam es von der Rezeption.

„Hallo Alfredo, die Freude liegt ganz unsererseits.“

Der Concierge trat hinter der Theke hervor.

„Wie kann ich den Herren helfen?“

„Wir haben hier eine Verabredung, mit einem amerikanischen Reporter. Dummerweise, hat mir niemand seinen Namen genannt. Ich weiß nur, dass er von New York News kommt…“

„Ah, diesen Herren meinen sie, der hat bereits eingecheckt und wartet auf sie. Würden sie mir bitte folgen?“

Placido nickte und gemeinsam folgten wir ihm durch den großen Saal mit den schweren Sesseln. An einem Tisch blieb er stehen und redete mit einem Mann, der dort mit dem Rücken zu uns saß.

Dieser erhob sich und drehte sich zu uns.

„Seniore Romano…, Seniore de Luca, darf ich ihnen Mr. Bianchi vorstellen?“

„Emiliano Bianchi Junior, mein Name“, sagte der Mann uns gegenüber und streckte seine Hand aus.

 

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2 Kommentare

  1. Zuerst dachte ich, es plätschert heute so vor sich hin…..
    Dann kam die Spannung und der Cliffhanger

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  2. Huhu Pit, den diesjährigen Adventskalender zu lesen macht wieder viel Spaß, lauter Überraschungen und Wendungen. Bin gespannt, wies weitergeht.

    LG Andi

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