Fotostudio Plange – Teil 1 – Der Beginn

Der Beginn

Dienstagnachmittag, kurz vor fünf, ich war gerade dabei, das Studio nach einem nervigen Kindertermin aufzuräumen, als das Telefon klingelte. „Fotostudio Plange! Was kann ich für sie tun?“

„Hier auch, Onkelchen! Ich wollte Dir nur sagen, dass ich heute nicht zum Abendessen komme. Nach dem Training bin ich bei Florian, wir wollen Mathe lernen, wir schreiben ja übermorgen die Klausur.“ Mein Neffe Marvin war am Apparat. Eigentlich ist er nicht mein richtiger Neffe, sondern nur eine angeheiratete Form desselben. Als mein Bruder Klaus seine Mutter Claudia vor knapp 14 Jahren kennen- und lieben gelernt hatte, war er schon drei Jahre auf der Welt. Aber da sein Vater sich um den Kleinen nie gekümmert hatte, adoptierte ihn mein Bruder, er wuchs ergo auch mit dem Namen Plange auf.

„Ihr wollt als Mathe lernen und deshalb kommst du nicht zum Essen?“ Eigentlich eine überflüssige Frage, denn ich wusste genau, er flunkerte mich an. Florian ist zwar in seinen Mathe Leistungskurs, insofern könnte die Geschichte zwar stimmen, aber mit diesem streberhaften Pummelchen, über 80 Kilo bei 165 cm Körpergröße, hatte ich am frühen Nachmittag bezüglich des Weihnachtsgeschenkes für Marv, wie ich ihn normalerweise nenne, telefoniert. Das Computergenie sollte mir mit Rat und Tat beim Rechnerkauf zur Seite stehen.

„Ja, sagte ich doch!“

Ich erhob meine Stimme: „Junger Mann, wen willst du denn hier verarschen! Dein vermeintlicher Lernpartner dürfte heute eher mit aktiver Biologie beschäftigt sein!“ Florian hatte mir nämlich während unseres Gespräches mitgeteilt, dass er den Abend mit seiner neuen Freundin Nicole verbringen wolle und was zwei verliebte Teenager zusammen machen, kann man sich unschwer denken.

„Ahhhh! Wir … äh … ich will wirklich lernen!“ Der Kleine wurde kleinlaut. Naja, klein ist er mit seinen 190 cm zwar nicht gerade, aber oftmals benimmt er, der seit einem Monat wählen darf, sich noch wie ein verspielter kleiner Junge.

„Marvin Christian Alfons Plange! Ich will nicht veräppelt werden!“

„Au, wenn du mich so nennst, scheinst du ja echt sauer zu sein.“

„Sauer? Eine Zitrone ist eine Süßfrucht im Vergleich mit meiner Stimmung!“ Naja, meine Stimmung war wirklich nicht die beste an diesem Tag, aber das lag nicht ausschließlich an Marvins Versuch einer Lüge. Sie war nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Erst war der Scheck eines Kunden geplatzt, dann hatte eine Versicherung doppelt abgebucht, dann musste ich feststellen, dass ich die falsche Größe an Fotopapier bestellt hatte, schließlich wollte das nervige Kindergartenkind keine Sekunde ruhig sitzen bleiben. Aus der geplanten halben Stunde wurden fast 60 Minuten.

„Oups!“

„Ja! Oups ist das richtige Wort! Außerdem bin ich enttäuscht, dass du versuchst, mich anzulügen. Also, mein Kleiner, ich höre!“

Ein tiefes Einatmen war am anderen Ende der Leitung zu vernehmen. Er schien zu überlegen, suchte vermutlich nach den passenden Worten. „Wie kommst du eigentlich darauf, dass Flori und ich nicht lernen?“

Geschickt, dachte ich mir, der Kleine drehte den Spieß um. Aber nicht mit mir! Nicht mit Stefan Plange. Ich räusperte mich: „Erstens: Wenn du schon einen deiner Freunde für eine Ausrede missbrauchst, dann solltest du ihn vorher auch entsprechend impfen, dass er sich nicht sich nicht verplappert. Das hat der gute Florian nämlich getan, als er mir vom Date mit seiner neuen Flamme erzählte.“

„Ihr habt miteinander gesprochen? Warum denn?“ Er wollte anscheinend doch das Thema charmant wechseln.

„Lenk nicht ab! Der Grund hat mit dir zu tun, tut aber hier und jetzt nichts zur Sache!“

„Krieg ich doch einen neuen Rechner?“

Kinder! Jetzt musste ich aufpassen. „Zweitens: Du fährst in deiner Freistunde nach deiner Mittagspause nach Hause, um zu duschen, obwohl du am Nachmittag Schwimmtraining hast. Mehr als merkwürdig!“

„Äh, woher weißt du?“

Aha! Er ist mir in die Falle gegangen. Ich hatte fast so etwas wie einen inneren Reichsparteitag. „Der UPS-Fahrer musste auf der Straße parken.“ Normalerweise fährt er bei uns in die Einfahrt, wenn er Ware an liefert, denn die Ludwigstraße, hier befindet sich mein Geschäft und unsere darüber liegende Wohnung, ist berühmt-berüchtigtes Politessenjagdrevier. Er regte sich ziemlich über den blockierten Stellplatz auf, denn unsere Stadtoberen brauchten das Geld von den Parksündern. „Und als ich vorhin im Bad war, fand ich das nasse Handtuch auf den Klodeckel! Das kann eigentlich nur bedeuten, dass du dich gespült hast. Ansonsten macht eine Dusche in privatissimo vor dem Duschen im Schwimmbad einfach keinen Sinn!“

„Oh!“ Er war anscheinend sprachlos.

„Genau! Und drittens, mein Lieber, brauchte ich, wenn ich Mathe lernen wollte, nur Zettel und Stift, mein Buch und einen Taschenrechner, keinen Doppeldildo! Wenn du schon an meinen Schrank gehst, solltest du wenigstens hinterher die Tür wieder schließen!“

„Scheiße!“

„Stimmt! Dein Verhalten ist wirklich Mist! Also? Wer ist denn der Glückliche, der dich beglücken sollte?“

Außer einem Atmen war nichts zu vernehmen. „Ich bin wohl im Arsch!“

„Das würde ich jetzt zwar nicht sagen, du kannst dich immer noch retten. Es liegt nur an dir!“

In seiner Stimme lag Resignation, fast Verzweiflung. „Wie?“

„Marvin, ist doch ganz einfach: Ich koch dann halt für drei! Du bringst ihn einfach mit!“

„Mh, und was ist, wenn er nicht will?“ Er atmete tief durch, suchte wohl nach den passenden Worten. „Es ist noch alles so neu für ihn! Er ist sich unsicher, ob er oder ob er nicht …“

„Kind! Du kennst mich! Ich werde ihm bestimmt nicht den Kopf abreißen, höchstens ihm die Leviten lesen! Entweder, er empfindet tatsächlich was für dich, dann wird er mitkommen, allein dir zuliebe, oder er schlägt die Einladung aus, dann hat er dich und das Geschenk, dass du ihm bereiten wolltest, überhaupt nicht verdient.“

„Meinst du wirklich?“

„Ja!“ Diesmal atmete ich hörbar. „Ich erwarte euch dann pünktlich um acht zum Essen! Und Marv, …“

„Ja, Steff?“

„Egal ob er mit zum Essen kommt oder nicht, ich hab dich trotzdem lieb!“

„Ich dich auch, Onkelchen, ich dich auch!“ Er legte auch

Ich starrte ins Leere und wusste nicht, wie viele Personen am heutigen Abend um den Tisch sitzen würden. Ich würde mich überraschen lassen müssen!

Tja, lieber Leser, die Situation ist etwas verwirrend, das gebe ich zu. Wie man der Schilderung des Telefonat unschwer entnehmen kann nur, leben Marvin und ich unter einem Dach. Desweiteren sind wir beide offensichtlich verzaubert, homosexuell, warme Brüder oder wie man das auch immer nennen mag. Um die Fäden etwas zu entwirren, müsste ich wohl etwas tiefer in die Familiengeschichte gehen, aber Historie ist ja meistens langweilig! *fg

Falls das jedoch von Interesse sein sollte, bitte ich um entsprechende Rückmeldung!

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