Ein anderes Leben – Teil 11

Es war schon etwas spät, als wir uns auf den Weg zum Konzert machten. Natürlich ging es beim Ankleiden schon drunter und drüber. Aber später, bei meinen Großeltern, wurden wir fast nicht mehr weggelassen, weil alle über unser Aussehen so fasziniert waren.

Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und ich hatte echt Angst, dass wir den Anfang des Konzertes verpassten. Hyun-Woo versicherte mir aber, dass dieser Event später beginnen würde als normal und wir gut in der Zeit liegen würden.

Da wir mit sechs Personen zu viel für einen normalen Wagen waren, fuhren wir in einem schwarzen Van Richtung Gocheok Skydome. Jack erzählte mir, dass dies eigentlich ein Baseballstadion war, aber auch für Konzerte genutzt wurde.

Er meinte, da hätten locker 25000 Personen Platz, einiges mehr als bei dem Benefizkonzert. So war ich wie Mia gespannt, wie es dort sein würde. Sie war ganz in ihrem Element und unterhielt sich die ganze Zeit angeregt mit Jae-Joong.

Da hatte sich zwei gefunden. Mir sollte es recht sein, so hatte ich mehr Zeit für Hyun-Woo, der schon die ganze Zeit meine Hand hielt. Meine Hand wanderte Richtung Innentasche meiner Jacke und ich ertastete das kleine Kästchen, das der Stoff umhüllte.

Schon mehrere Male hatte ich dies getan, um mich immer wieder davon zu vergewissern, dass ich das Kästchen nicht vergessen hatte. Am Morgen konnte ich mich mit So-Woi davon stehlen und er brachte mich zu einem Juwelier seines Vertrauens.

Wie versprochen war es hier nicht sehr teuer, was mir die Entscheidung, welche Ringe ich nehmen sollte, nicht vereinfachte. Ich hatte mich entschieden, für Hyun-Woo und mich Ringe zu kaufen, natürlich mit Gravur.

So verbrachten wir fast eine Stunde in dem Laden, dass ich mit einem Kästchen in der Hand und einem dezimierten Konto wieder verließ. Lächelnd zog ich meine Hand aus der Jacke und schaute nach vorne.

Natürlich erkannte ich nicht, wo wir waren, aber ich fand es immer interessant, mich um zuschauen. Weit im Hintergrund konnte ich Scheinwerferlicht am Himmel wandern sehen, also waren wir nicht mehr weit vom Stadion entfernt.

Ich erinnerte mich an das erste Konzert, als ich mit Jae-Joong und Hyun-Woo eintraf. Dort standen die Menschenmassen vor den Türen und warteten auf Einlass. Schon dort war alles sehr aufregend für mich gewesen.

„Ganz ruhig“, flüsterte mir Hyun-Woo zu.

Ich sah ihn an und er lächelte. Mir war nicht bewusst, wie sehr ich vor Aufregung zitterte, aber diese Augen und das Lächeln Hyun-Woos brachte mir die Ruhe zurück.

„Danke“, hauchte ich.

„So, wir sind gleich da, jetzt wird es laut!“, meinte Jae-Joong, der schon wieder im Feiermodus schien.

„Wieso?“, fragte ich, „steigen wir nicht an irgendeinem Seiteneingang aus?“

„Nein, Lucas. Dieses Mal sind wir besondere Gäste und schließlich möchte So-Woi ja auch zeigen, was er drauf hat“, antwortete Jae-Joong.

Mir war schon klar, dass wir uns hier in So-Wois Klamotten zeigten, aber doch nicht so öffentlich. Der Wagen verlangsamte sein Tempo und von draußen war lauter Jubel zu hören. Das Zittern kam zurück und mir lief es kalt den Rücken herunter.

Mia schien dass alles besser weg zustecken als ich, sie lächelte und schaute in alle Richtungen. Der Fahrer bremste ab und der Wagen kam zu stehen. Jack öffnete die Tür und lautes Geschrei drang in das Wageninnere.

„Jack und ich machen den Anfang, Mia und Jae-Joong folgen uns und ihr zwei bildet den Schluss“, meinte So-Woi zu uns, „an der Treppe treffen wir uns dann wieder!“

Plötzlich wurde mir bewusst, dass wir vorher vielleicht darüber hätten reden sollen, wie das Ganze hier ablaufen würde, aber dazu blieb keine Zeit mehr, denn Jack stieg bereits aus. Einer nach dem Anderen folgte ihm.

Hyun-Woo schob mich vor sich her, bis ich auch die Tür  erreicht hatte. Der Jubel der Leute, die da draußen standen war umwerfend. Langsam kroch ich aus dem Auto und wurde von einem Blitzlichtgewitter überrascht.

„Boah, ich sehe nichts mehr“, rief ich, aber schon kam Hilfe von hinten.

„Versuch einfach Jae-Joong zu folgen“, rief mir Hyun-Woo zu und drückte mich nach vorne.

Meine Augen gewöhnten sich nur langsam an die Lichtfülle, um uns herum. Auch stellte ich fest, dass wir uns auf einem roten Teppich bewegten.

Dieser Empfang war überwältigend, auch wenn ich mir sicher war, dass viele, die da hinter den Absperrungen standen, nicht wussten, wer da überhaupt auf dem roten Teppich lief. Die laufen auf dem roten Teppich, also sind sie prominent.

Die Sternchen vor meinen Augen lichteten sich und nun konnte ich auch das Stadion vor uns wieder richtig erkennen und verstand was So-Woi mit Treppe meinte. Der Eingang des Stadions schien wohl höher zu liegen, denn eine sehr breite Treppe führte nach oben, deren Mitte mit dem roten Teppich ausgelegt war, auf dem wir uns gerade bewegten.

An der Treppe angekommen hielt So-Woi an und drehte sich zu uns. Jack stellte sich neben ihn. Heute war er das erste Mal ohne Stock unterwegs und ich bewunderte ihn, wie tapfer er sich hielt.

Jae-Joong führte Mia zur rechten Seite von So-Woi und Hyun-Woo schob mich auf die linke Seite neben Jack. So wie die anderen drehte ich mich auch Richtung Van, wo wir gerade ausgestiegen waren.

„Lächeln“, rief So-Woi und kaum hatte er das gesagt, begann erneut ein Blitzlichtgewitter.

So-Woi verbeugte sich leicht und wir taten ihm es gleich.

„Wenn ich das vorher gewusst hätte, würde ich jetzt meine Sonnenbrille tragen und es wären nicht so viele Sternchen in meinem Sichtfeld“, sagte ich laut, bezweifelnd, dass es die anderen bei der Lautstärke der Fans hörten.

Aber sie begannen alle zu lachen und Hyun-Woo neben mir zauberte meine Sonnenbrille heraus, woher er die auch immer her hatte. Dankbar nahm ich sie entgegen und zog sie auf. Viel besser!

„Gehen wir weiter!“, rief So-Woi und drehte sich wieder der Treppe zu.

Mia hängte sich bei Jae-Joong ein und beide begannen diese Treppe hinaufzusteigen. Mit ihren Stiefeln sicher nicht leicht. Am liebsten hätte ich mir Hyun-Woos Hand geschnappt, war mir aber nicht sicher, ob es ihm recht war.

So lächelte ich ihm zu und folgte den anderen.

„Bruderherz, das ist Wahnsinn!“, rief mir Mia zu.

„Ich weiß“, gab ich lächelnd zur Antwort.

Oben angekommen brauste erneut der Jubel auf. Ich drehte mein Kopf und konnte erkennen, dass ein weiterer Wagen vorgefahren war. Die Tür wurde geöffnet und sechs Jungs entstiegen dem Van.

„BTS, einer der wenigen Gruppen, die ihre Songs und Musik selbst schreiben, sehr gefragt zur Zeit“, sagte Hyun-Woo neben mir, als könnte er meine Gedanken, da ich wirklich nicht wusste, wer das war.

Ich zuckte mit den Schultern und lief den anderen hinterher. Wir traten durch die aufgezogene Eingangstür und augenblicklich wurde es etwas leiser. In einigen Ecken konnte ich wie üblich einige meiner geliebten Freunde entdecken, die Männer in schwarz.

„Ich hab so etwas bisher immer nur im Fernsehen gesehen, aber dass, das übertrifft alles“, meinte Mia begeistert zu Jae-Joong.

Seinen Arm hatte sie immer noch nicht losgelassen. Hyun-Woo schaute sich um und ich versuchte seine Blicken zu folgen.

„Wie geht es jetzt weiter?“, fragte ich, aber schon kam ein junger Mann zu uns, verbeugte sich vor uns und wies in eine Richtung.

Wie Hyun-Woo damals, dachte ich. Mir schien, als wäre er versucht, sich ebenso tief zu verbeugen, war er doch bis vor kurzen, in ähnlicher Anstellung tätig gewesen. Ich spürte sein Unbehagen und griff ohne weiter darüber nachzudenken nach seiner Hand.

Er zuckte leicht, drehte seinen Kopf zu mir und lächelte mir zu. Sein hochroter Kopf war aber deutlich zu sehen. Gegen meine Erwartung ließ er aber nicht los, sondern folgte dem jungen Mann, so wie die anderen auch.

Hier waren deutlich weniger Fotografen anwesend, aber dennoch nervten mich langsam deren Bilder, die sie schossen. Leider war es ja für einen guten Zweck, so lächelte ich weiterhin angestrengt.

Der junge Mann führte uns zu einem Aufzug, den wir nun alle betraten. Als sich die Tür schloss, drehte sich So-Woi zu mir.

„Mit dir alles klar? Du bist etwas weiß um die Nase.“

„Geht schon“, antwortete ich ihm, „vielleicht etwas heftig, aber auch irgendwie cool!“

„Komm Bruderherz, stell dich nicht so an, das ist doch so geil!“

Ich zog meine Brille ab und schaute sie streng an. Sie wusste sofort, dass sie sich mit ihren Äußerungen etwas zügeln sollte, wie wir es zuvor besprochen hatte.

„Wo geht es jetzt hin?“, wollte ich wissen.

„Erst mal nach unten zu den anderen“, meinte Jae-Joong und wieder machte sich dieses unangenehme Gefühl in mir breit, welches ich immer in Aufzügen verspürte.

„Anderen?“, hackte ich nach und versuchte nicht weiter darüber nachzudenken.

Jae-Joong grinste. Was hatte er wieder ausgeheckt?

„Mia, Lust ein paar Stars kenne zu lernen?“, fragte Jae-Joong.

„Stars? Wirklich?“, kam es recht laut von Mia.

Doch bevor ich sie zügeln konnte, stoppte der Aufzug und die Türen öffneten sich. Wieder kam ein langer Kellerflur in Sicht. Diese Katakomben der Stadien ähnelten sich doch alle und auch hier wimmelte es nur so von Menschen.

„Wir gehen bloß uns ein wenig die Nase pudern, dann werden wir zu unseren Plätzen gebracht“, meinte So-Woi und verließ der Fahrstuhl.

Nase pudern, wie er das sagte. Wir folgten ihm und versuchten uns mühsam, an den geschäftigen Leuten vorbei zu drücken. Natürlich lass ich die Schilder an den Türen und konnte bekannte Namen lesen.

Es blieb auch nicht aus, dass wir stoppten, weil Jae-Joong ein bekanntes Gesicht sah, oder So-Woi, als Sohn des oberen Chefs begrüßt wurde. Natürlich wurden wir in diese Begrüßungsfloskeln einbezogen.

Ich fragte mich, ob diese Verneigerei und Hände schütteln, Mia genauso nervte wie mich. Sie hielt sich aber tapfer und gab nun kein Laut mehr von sich. Ich musste grinsen. Plötzlich nahm ich jemand an meiner rechten Seite war.

„Hallo Lucas, schön dich zu sehen… So-Woi… Jae-Joong!“

Vor mir stand Minho von Shinee.

„Hallo Minho“, meinte ich und schüttelten ihm ebenso die Hand und verbeugte mich erneut.

„Man hört ja aller Hand über dich“, meinte er und sein Blick wanderte zu Mia.

Toll, war ich also auch hier Gesprächsthema und ich dachte, dass die ganze Sache mit In-Jook niemand groß mitbekommen hatte. Aber Mia kam mir da gerade recht, um nicht auf das Gesagte reagieren zu müssen.

„Darf ich dir meine jüngere Schwester Mia vorstellen?“

Ich verspürte einen leichten Stoß in meine Seite, welches Mias Ellenbogen war.

„Wow, niemand hat mir erzählt, dass du so eine hübsche junge Schwester hat, bleibt sie auch ein Jahr hier, wie du?“

Ich musste mir das Lachen verbeißen, denn Mias Gesicht wurde auf Minhos Bemerkung tief rot.

„Nein, sie ist zu Besuch hier, Sonntag fliegt sie zurück nach Deutschland.“

„Entschuldige Minho, wir müssen weiter“, meinte So-Woi und unterbrach unsere kleine Unterhaltung.

„Ich auch, werde sicher schon vermisst, aber man sieht sich später sicher noch“, meinte Minho und unser Trupp setzte sich wieder in Bewegung.

„Später?“, fragte Mia, aber ich winkte ab.

Dass mit dem Nase pudern, meinte So-Woi ernst, denn wenig später saß ich auf einem Stuhl, vor einem Spiegel und wurde geschminkt. Im Spiegel sah ich hinter mir dem Treiben zu und konnte immer wieder bekannte Gesichter sehen.

Das alles hier war verrückt. Hätte mir das jemand vor Monaten gesagt, hätte ich ihn schallend ausgelacht und nun war ich mitten drin und gehört irgendwie dazu, obwohl ich weder Sänger noch ein richtiges Model war.

Mia schien es nicht anderes zu gehen, ihre weit aufgerissenen Augen zuckten hin und her.

„Jae-Joong, jetzt halt doch mal still!“

Neugierig schaute ich in seine Richtung und sah, dass seine Tante persönlich, um sein gutes Aussehen bemüht war. Als sie meinen Blick erwiderte, nickte sie mir lächelnd zu. Auch ich verbeugte mich ansatzweise.

„Woher kennst du Minho?“, fragte plötzlich Mia neben mir, die wohl schon fertig war.

Ich grinste sie an.

„Du vergisst, dass ich bereits auf einem Konzert war und Jae-Joong hat mir viele Leute vorgestellt.“

„Das ist Wahnsinn, hast du gesehen, wer…“

„Ja Mia, habe ich“, unterbrach ich sie, „versuch bitte normal zu bleiben! Was sie hier absolut nicht brauchen können, ist ein ausgeflippter Teenie!“

Augenblicklich verstummte Mia, aber ich konnte für einen Bruchteil einer Sekunde, die Spitze ihrer Zunge sehen. Der junge Mann, der sich um mein Aussehen kümmerte, drehte meinen Stuhl vom Spiegel weg, ich schien wohl fertig zu sein und ich erhob mich. Artig bedankte ich mich. Neben mir tauchte plötzlich Hyun-Woo auf.

„Anscheinend geht So-Wois Rechnung auf. Seine Kollektion scheint viel Aufmerksamkeit zu erregen, es gab schon ein paar Anfragen.“

„Das freut mich für euch, besser könnte es ja nicht laufen, oder?“

Ich schaute ihn genauer an, denn seine Augen hatten etwas Schminke abbekommen und stachen nun deutlich heraus. Hyun-Woo nickte nur und wieder spürte ich seine Nervosität. Ich beugte mich zu seinem Ohr.

„He, ich liebe dich und wir schaffen das gemeinsam!“, hauchte ich ihm zu und richtete mich wieder auf.

Hochrot lächelte er mich an und atmete tief durch. Jack trat neben mich.

„Wenn ihr fertig seid, können wir gehen, dann wird alles etwas ruhiger“, meinte er.

„Gerne“, entgegnete ich.

Jae-Joong war natürlich der letzte, der fertig wurde und so folgten wir alle So-Woi. Wieder betraten wir den Aufzug und fuhren dieses Mal nach oben. Ich hätte lieber die Treppe benutzt, aber wer hört schon auf mich.

An der Eingangshalle vorbei ging es noch zwei Stockwerke weiter, bevor sich wieder die Türen öffneten. Froh dieses Monstrum zu verlassen betraten wir einen schwach ausgeleuchteten Flur der nach beide Seiten ging.

Hier waren deutlich mehr Männer in schwarz zu sehen, als sie mir unten schon in der Eingangshalle aufgefallen waren. So-Woi und Jae-Joong liefen zielstrebig nach links und wie immer folgten wir.

Vorbei an mehreren Türen stand da plötzlich der junge Mann von vorhin wieder und zeigte Richtung einer offenen Tür, die So-Woi und Jae-Joong betraten. Dass es hier leiser war, konnte ich nicht bestätigen, denn es wurde eher lauter.

Der Grund lag vor uns. Vor mir offenbarte sich nun die ganze Halle, die anscheinend schon gut gefüllt war. Überall tanzten oder blinkten kleiner Lichter zu einer Musik, die die Halle beschallte.

Ich war ja schon bei ein paar Sportveranstaltungen gewesen, aber dieser Ausblick war unbeschreiblich. Neben mir blitze es und ich zuckte leicht zusammen. Mia hatte ihre Kamera gezückt und machte bereits Bilder.

So ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen, in dem wir uns befanden. Bei der schwachen Beleuchtung konnte ich einen Tisch mit Getränken entdecken und eine kleine Bank, für zwei oder drei Leute, mehr Sitzplätze gab es hier wohl nicht.

„Und? Wie gefällt es dir?“, sagte Jae-Joong zu mir.

„Besser als das erste Konzert.“

„He, es hat ja noch gar nicht begonnen!“, lachte Jae-Joong.

„Das“, ich zeigte auf die Menge an Menschen unter uns, „übertrifft alles.“

Hyun-Woo trat neben mich und hielt mir ein Glas Wasser entgegen.

„Trink bitte etwas“, meinte er nur.

„Danke!“

Irgendein Handy ging. So-Wois griff in seine Jacke und zog den Geräuschgeber heraus.

„Ja? … Das fällt ihm jetzt ein? Ich habe Gäste! … Ja… wo? … Ja ich bin gleich dort…“

Er drückte sein Gespräch weg und auf seinem Gesichtsausdruck zu schließen, war er sauer.

„Jack, wir müssen kurz zu meinem Vater… und ihr amüsiert euch, wir sind gleich wieder da!“

Und schon hatte er mit Jack den Raum verlassen.

„Bekommt er jetzt Ärger?“, fragte Mia leise.

„Warum sollte er Ärger bekommen“, meinte ich und nahm sie in den Arm.

„Weil ihn sein Vater gerufen hat und er nicht gerade glücklich dabei aussah.“

„Tja, nicht jeder hat so ein tolles Verhältnis, wie wir zu unserem Vater! Aber keine Sorge Mia, So-Woi bekommt sicher keinen Ärger mit seinem Vater.“

„Aha…!“, war alles was die darauf sagte.

„Da drüben sind auf beiden Seiten die Großmonitore…“, begann Jae-Joong und zog Mia von mir weg.

Hyun-Woo neben mir starrte auf mein Glas, dass ich immer noch in der Hand hielt. Um ihn zu beruhigen nahm ich ein paar Schluck davon und lächelte ihn an. Selbst hier machte er sich noch Sorgen um mich.

„Hab ich dir schon gesagt, wie geil du aussiehst?“, flüsterte ich ihm zu.

Er nahm mir das Glas ab und stellte es auf den Tisch.

„Danke“, flüsterte er genauso leise zurück.

Es war dunkel genug im Raum und Mia von Jae-Joong abgelenkt. So beugte ich mich leicht vor, griff mit meiner Hand nach seinem Nacken und zog ihn sanft zu mir. Unsere Lippen trafen sich zu einem Kuss.

Ich spürte seine Hände auf meiner Brust, wie sie leicht Druck ausübten, doch nicht stark genug, um diesen Kuss abzuwehren. Mit geschlossen Augen entrückte die laute Umgebung kurz und hier standen nur Hyun-Woo und ich. Leider dauerte dieser Kuss viel zu kurz und wir trennten uns wieder.

„Du weißt schon, dass hier in der Halle tausende von Fotoapparaten vorhanden sind?“

„Die zwei süßen Typen beim Küssen fotografieren könnten…, Hyun-Woo, wer interessiert sich denn schon für uns?

„Mehr als du denkst“, grinste er mich an, „ … und ich liebe dich auch“, hauchte mir Hyun-Woo entgegen.

*-*-*

Als So-Woi mit Jack zurück kam, war die Begrüßung bereits vorbei und eine Girlgroup heizte den Saal ein. Tausende Lichter winkten zum Takt der Musik.

„Für jede Gruppe gibt es solche Leuchtsticks“, begann So-Woi neben mir zu reden, „entweder sind es Kugeln oder Vierecke, meist aber dem Emblem der Gruppe nach empfunden. So zeigt jeder einzeln für sich, wessen Fan er ist.“

„Wahnsinn, das sieht gigantisch aus.“

„Solange sie nicht damit vor deinem Gesicht herum wedeln schon.“

Dies Lächeln war nicht echt, was er mir da gerade zeigte.

„Ärger?“

Er schaute mich an.

„Nicht so wie du denkst, nein ich habe keinen Ärger bekommen, ich habe mich nur über das Gesagte, meines Vaters aufgeregt.“

„Um was ging es, wenn ich fragen darf?“

„Um … dich!“

Mit großen Augen schaute ich ihn an.

„Um mich?“

So-Woi nickte.

„Da hat wohl jemand seine Fühler ausgestreckt und mein Vater hat dies in den falschen Hals bekommen.“

Ich verstand ihn nicht und sah ihn fragend an.

„Du erinnerst dich, was meine Großmutter sagte? Wir warten ab, was die Gegenseite unternimmt. Es hat wohl bekommen. Dieser Professor hat wohl seine Beziehungen spielen lassen und Erkundigungen über dich eingezogen.“

„Echt jetzt? Und was hat das mit deinem Vater zu tun?“

„Er fragte mich, ob ich immer noch mit diesem Troublemaker zusammen bin, der ihn um seinen Sicherheitschef gebracht hat.“

Geschockt sah ich ihn an, denn damit war ich gemeint.

„So-Woi, das tut mir…“

„Lucas“, unterbrach er mich, „entschuldige dich nicht dafür, dazu hast du keinen Grund. Du kennst meinen Vater nun etwas, also wundere dich nicht, wenn von dieser Seite immer wieder mal Seitenhiebe kommen.“

„Aber…“

„Nichts aber, ich habe meinem Vater deutlich gemacht, dass er sich in meine Belange nicht einzumischen hat.“

„Aha… und das hat er so hingenommen?“

„Das ist mir ehrlich gesagt egal, Lucas. Genießen wir das Konzert, deswegen sind wir schließlich hergekommen.“

Ich schaute zu Hyun-Woo, der natürlich unser Gespräch mitbekommen hatte. Hilflos zuckte er mit seinen Schultern und griff dabei nach meiner Hand.

*-*-*

Der Abschluss der Veranstaltung gefiel mir besonders. Sämtliche Interpreten und Gruppen des Abends waren nun auf der Bühne und gemeinsam sangen sie einen Klassiker eines berühmten, früheren Interpreten, wie mir So-Woi erklärte.

Höhepunkt war, dass dieser Sänger selbst dann auftrat. Sein Haar war lang und weiß und auf der Nase trug er eine kleine Nickelbrille. Mit einem Stock bewaffnet, betrat er die Bühne und nach kurzem Jubel wurde es ganz ruhig im Saal, bei solch einer Menge von Menschen, eigentlich unvorstellbar.

Seine raue Stimme hallte durch den Saal und beim Refrain setzten auch die anderen Sänger wieder mit ein. Es war fast, als würde die ganze Masse unter uns mit singen. Ich bekam eine Gänsehaut und das Ganze rührte mich doch sehr.

Ich spürte, wie sich eine einzelne Träne ihren Weg über meine Wange bahnte. Ein anderes Wort als gigantisch fiel mir nicht ein, wie man diesen Augenblick bezeichnen konnte. Auch dieses Lied endete und der ganze Saal begann erneut an zu jubeln.

„Alles in Ordnung?“, fragte mich Hyun-Woo, der selbst glasige Augen hatte.

Ich nickte und schaure erneut auf die Menge hinunter. Anscheinend war ich etwas voreilig, dass dies wohl das Ende sei, denn plötzlich fingen diese mehr als 20000 Mensch an, weiter zu singen. Auf der Bühne fing man an im Takt mit den Armen zu winken, Mikros wurden Richtung der Menschenmenge gehalten.

Sämtliche Haare an meinem Körper stellten sich und es schüttelte mich etwas, so überwältigend war diese Szene. Selbst die anderen neben mir, fingen an mitzusingen. Mein Blick fiel auf Mia, die wohl ebenso fasziniert war, wie ich.

Als nun das Lied endete, brauste erneut das Geschrei, der meist weiblichen Fans erneut auf und schien noch lauter als zuvor. Auf der Bühne verabschiedete man sich winkend und die Bretter der Welt begannen sich zu leeren.

Die Beleuchtung des Saales wurde langsam hochgefahren und man konnte nun auch die Besitzer der Leuchtsticks erkennen, die ebenfalls begannen, auf die Ausgänge zuzusteuern.

„Hat deine Mutter etwas gesagt, wann wir Mia zurück bringen müssen?“, riss mich So-Woi mit seiner Frage aus dem Gedanken.

„Ähm… nein, wieso… ich denke, sie vertraut mir da voll und ganz.“

„Weil ich nicht weiß, wie lange wir auf der Party sein werden.“

Die Aftershowparty hatte ich voll vergessen, oder eher verdrängt. Auch wenn So-Woi solche Menschenaufläufe zu wider waren, wollte er uns da natürlich auch zeigen, Gab es eine bessere Werbung für ihn?

„Ich werde meinem Vater eine kurze Mitteiling schicken und denke das wird wohl klar gehen“, meinte ich und zückte mein Handy.

„Ich darf wirklich mit?“, fragte Mia total erstaunt.

„Klar, wann wirst du sonst so nah an deine Lieblinge kommen?“

„Lieblinge?“, kam es von Jae-Joong.

„Hat sie dir nicht erzählt, dass sie so von Exo schwärmt?“, fragte ich ihn grinsend.

Das brachte mir einen Hieb gegen meine Schulter ein. Übertrieben rieb ich an meinem scheinbar lädierten Arm.

„Ich glaube, wir sollten dich vielleicht doch lieber zum Hotel bringen…“

„Untersteh dich!“, kam es giftig von meiner Schwester.

Ich konnte nicht anders und begann laut zu lachen.

*-*-*

Die Aftershowparty fand im KBS Gebäude statt. So mussten wir zurück zum Auto, das unten an einem Seiteneingang auf uns wartete. Natürlich zog sich dies in die Länge, weil wir immer wieder durch irgendwelche Gespräche mit jemandem Bekannten, zu Stopps gezwungen wurden.

Mein Blick wanderte während dessen immer durch die Gegend und immer wieder erwischte ich mich dabei, dass ich mich beobachtet fühlte. Fast mit einer einstündigen Verspätung verließen wir das Stadion, um unter lauten Jubel, der am Zaun stehenden Fans, den Wagen zu besteigen.

Wir waren nicht alleine. Minho von Shinee und der Schauspieler Lee Hyunwoo, dessen enger Freund, hatten sich uns angeschlossen. Die beiden unterhielten sich angeregt mit Mia und Jae-Joong, die ihre Autogramme zeigte, die Jae-Joong für sie besorgt hatte.

Ich dagegen saß still neben meinem Schatz Hyun-Woo, der sich mit So-Woi unterhielt.

„Der Manager von V ist auf mich zu gekommen…“, erzählte Hyun-Woo, wurde aber gleich von So-Woi unterbrochen.

„Du meinst Taehyung von BTS?“

„Ja, genau der. Der Manager meinte, die Gruppe hätte Gefallen an deiner Kollektion gefunden und hätten Interesse daran, dies selbst zu tragen, das wäre genau ihr Stil.“

„Alle sieben?“

„Ja!“

„Das wäre natürlich ein tolles Aushängeschild für uns.“

„Das dachte ich auch.“

Dann war ich wohl aus dem Rennen, worüber ich überhaupt nicht böse war. Meine Mutter hatte gesagt, ich solle mir darüber klar werden, was ich wollte. Eine Modelkarriere war es auf alle Fälle nicht.

Zu fremd war diese Welt für mich und zu aufregend. Zumindest dass, was ich bisher mitbekommen hatte. Zu einem war ich es absolut nicht gewohnt, so im Rampenlicht zu stehen, auch wenn es angenehme Seiteneffekte hatte.

Zum anderen waren mir die Begleiterscheinungen bitter aufgestoßen, alleine wenn ich In-Jook dachte. Aber es war auch Hyun-Woos Welt, die ihn vollends faszinierte. Er ging in diesem Job völlig auf.

Auch die angenehmen Seiteneffekte waren nicht von der Hand zu weisen, interessante Menschen kennen zu lernen, Konzerte zu besuchen, oder Orte zu sehen, an denen ich noch nie gewesen war.

Dies alles hatte ich mit Hyun-Woo zusammen erlebt, eine gemeinsame Erinnerung, die sich für immer in meinem Kopf eingemeißelt hatte. Und doch war da etwas in mir, was mir sagte, dass es da noch etwas anderes gibt, was mich interessieren würde.

Nur das was – das wusste ich nicht, hatte es noch nicht gefunden oder erkannt.

„Du bist so schweigsam“, riss mich So-Woi aus den Gedanken.

Ich hatte das Gespräch nicht weiter verfolgt, so wusste ich natürlich nicht, worüber sie eben noch geredet hatten.

„Ich lass das Ganze einfach auf mich wirken und stelle erschreckend fest, dass meine Schwester viele Dinge besser meistert, als ich.“

Hyun-Woo sah mich komisch an, seinen Blick konnte ich nicht deuten.

„Dann solltest du sie vielleicht um Rat bitten“, grinste mich So-Woi an.

„Bloß nicht, sonst bildet sie sich noch etwas darauf ein. Sind wir eigentlich bald da, ich habe wie immer total die Orientierung verloren.“

Die Hoffnung, dass nicht weiter über meine gedankliche Abwesenheit gesprochen wurde, schien sich zu erfüllen. 

„Bleib einfach bei uns, dann gehst du schon nicht verloren“, meinte Jack lächelnd, „oder wir ketten dich an Hyun-Woo, dann gehen wir auf Nummer sicher.“

Hyun-Woo lächelte, wurde aber rot.

„Das ist eine gute Idee, Jack, das könnte mir sogar gefallen!“, erwiderte ich.

„Was?“

„Mich an Hyun-Woo zu ketten!“

*-*-*

Die Leute vom Sender hatten an nichts gespart, vielleicht an freien Plätzen. Die Tische waren maßlos überfüllt, aber auch die Tanzfläche war voll. Was mich wunderte, dass die Gruppen nach wie vor, beisammen saßen.

Ungewohnt war auch, dass es reichlich Alkohol zu trinken gab und einige hatten schon mehr intus, als sie vertrugen. Ich schaute laufend auf meine Uhr, weil ich Mia nicht zu spät ins Hotel bringen wollte.

„Du hast noch gar nichts getrunken“, hörte ich Hyun-Woos Stimme neben mir.

Er hatte recht. Hier gab es so viel zu sehen, dass ich vor lauter herum schauen, dass trinken vergessen hatte. Es war auch das erste Mal, dass ich Hyun-Woo, mit einer Flasche Bier in der Hand sah.

So griff ich nach meinem Glas und schmeckte sofort, dass dort nicht nur Cola eingefüllt war. Ich hoffte nur, dass Mia sich beherrschen konnte und keinen Alkohol trank, sonst bekam ich definitiv Ärger mit Mum.

Hyun-Woo lächelte mich an.

„Alles klar mit dir? Seit der Herfahrt bist du so still!“

„Weiß nicht, vielleicht ist es doch ein wenig viel, oder die Scheu wegen Mia.“

„Mia? Der geht es gut, sie ist die ganze Zeit am tanzen.“

„Ja, von wegen großer Bruder und Vorbild und so. Ich kann ich schlecht ausflippen und meine Schwester sieht alles.“

Hyun-Woo rückte näher zu mir, so dass sich unsere Schenkel berührten.

„Das verlangt auch niemand zu dir…, ich vermisse nur meinen lustigen Lucas…“

Ich lächelte und drückte ihm, ohne weiter darüber nachzudenken, einen Kuss auf die Nase.

„Boah, seid ihr ein Pärchen?“, hörte ich es vor unserem Tisch jemanden fragen.

Vor unserem Tisch standen drei Mädchen, die ich bisher nur vom sehen her kannte.

„Apink“, flüsterte mir Hyun-Woo zu.

„Ist hier noch frei?“, fragte einer der drei.

„Im Augenblick ja, die anderen sind alle tanzen“, antwortete ich.

Wo sich Jack befand, wusste ich nicht. Die drei Mädels ließen sich sofort nieder und stellten die Getränke auf den Tisch.

„Hyun-Woo, ich habe dir noch gar nicht gratuliert“, sprach das Mädchen von eben einfach weiter und streckte ihre Hand aus.

Hyun-Woo nickte und schüttelte ihre Hand.

„Zu was?“, fragte nun die andere.

„Er ist nun hochoffiziell Partner von Chung So-Woi und dessen Modelabel.“

„Stimmt das?“, die Frage war eher an Hyun-Woo gerichtet, „davon habe ich gar nichts gehört.“

„Lucas, darf ich dir die Damen vorstellen? Rechts, das ist Park Cho-rong, Leader der Gruppe Apink, daneben sitzt Son Na-eun und links von ihr Oh Ha-young.“

Artig wie ich war, stand ich auf und reichte jede der Damen, die Hand.

„Und ihr zwei seid zusammen? Ich hab es euch gesagt, dass Lucas bald vom Markt ist, so gut wie er aussieht, aber auf mich hört ja keiner“, beschwerte sich Ha-Young.

Jetzt bloß nicht rot werden. Hyun-Woo nickte schüchtern neben mir.

„Und was meint da So-Woi dazu? Hat er da nichts dagegen?“, kam es von Cho-rong.

Jetzt wurde mir das etwas zu bunt, setzte mein Pokerface auf und entschied mich einen Gegenangriff zu starten. Hier kannten sich ja alle, mehr oder weniger, so spielte ich dieses Spiel einfach mit.

„Was sollte So-Woi dagegen haben, er hat uns ja so etwas wie verkuppelt!“, meinte ich und nippte an meinem Glas.

„So-Woi? Wirklich? Das hätte ich jetzt nicht gedacht“, erwiderte Cho-rong.

Hyun-Woo sah mich entsetzt an. Gleichzeitig kamen So-Woi und die anderen an den Tisch zurück. Jack war auch dabei.

„He, Ha-young, wir haben uns ja schon lange nicht mehr gesehen“, rief Jae-Joong, der direkt hinter Mia lief. Dass die beiden Händchen hielten, war mir nicht entgangen.

Die drei Mädels erhoben sich und man begrüßte sich gebührend, wie es sich eben gehörte. Dann wurden Stühle gerückt, Tische leicht verschoben, bis endlich alle saßen. Der Kreis war größer geworden.

„So-Woi, ich habe gehört, du warst daran beteiligt, dass sich dein Partner Hyun-Woo den Lucas geschnappt hat“, rief Cho-rong.

Ich konnte nichts Sarkastisches oder Böses an der Frage feststellen, sie schien dies wirklich aus Interesse gefragt zu haben. Minho sah mich mit großen Augen an und zeigte mit seinem Finger zwischen Hyun-Woo und mir hin und her.

Ich nickte und mit einem breiten Lächeln hob er seinen Daumen nach oben. Mein Blick fiel auf meine Schwester, die zwischen Minho und Jae-Joong saß. Sie sagte zwar nichts, aber grinste die ganze Zeit.

Auch sah ich den erstaunen Blick, den So-Woi mir zu warf. Ich zuckte einfach mit der Schulter. Dann schaute er wieder zu Cho-rong.

„So kann man es nicht sagen. Lucas war zu Gast bei Jae-Joongs Eltern und er hat mir bei einem Problem geholfen, seither sind wir super Freunde. Jae-Joongs Vater hat Hyun-Woo Lucas als Hilfe zur Seite gestellt, solange er in Korea ist. Lucas wohnt mittlerweile bei mir im Haus und da sind die zwei sich wohl näher gekommen.“

Mich wunderte, wie frei und unbezwungen So-Woi sprach, wobei er eigentlich nur die Wahrheit erzählte und ein paar wichtige Dinge dabei wegließ.

„Und bevor die Gerüchteküche noch weiter brodelt, ich bin ebenso vergeben!“

Hoppla, dass schockte jetzt sogar mich. Klar wusste ich, dass er mit Jack zusammen war, aber dass er dies hier jetzt öffentlich erzählte, verwirrte mich jetzt doch. Jack neben ihm wurde tief rot.

„Mit wemmmmm?“, rief Na-eun neugierig.

So-Woi griff nach Jacks Hand, der sie nur widerwillig in den Vordergrund ziehen ließ.

„Nein!“

„Doch!“, grinste So-Woi ihr entgegen.

„Warum müssen die süßesten Jungs immer vergeben oder schwul sein?“, beschwerte sich Ha-young.

„Also ich bin noch zu haben“, warf Minho ein.

„Ich habe von süßen Jungs geredet!“, kam es postwendend von Ha-young zurück und streckte ihm die Zunge heraus.

Also ich wusste nicht was Ha-young hatte, ich fand Minho absolut süß. Mein Glas war mittlerweile leer und kaum hatte ich es abgestellt, wurde es von den fleißigen Helferlein durch ein Volles ersetzt.

„Und was ist mit deinem Vater“, wollte Minho wissen, „weiß der das?“

Natürlich war allen bekannt, dass So-Woi der Sohn des Chefs des Hauses war.

„Ja, tut er!“

„Und du lebst noch?“, fragte Minho erstaunt.

So langsam füllten sich die Stehplätze hinter den Stühlen. Unser Gespräch schien interessant zu sein und immer mehr kamen an den Tisch.

„Wie du siehst?“

„Ja, In-Jook war nicht erfolgreich…, habe ich schon mitbekommen.“

Alle schauten fragend zu Minho.

„Was denn? Hört ihr keine Nachrichten mehr? Unser oberster Sicherheitschef des Hauses, den wir ja alle so mögen, sitzt hinter Gittern.“

„Ich hab mich schon gefragt, warum der heute noch nicht aufgetaucht ist“, meinte ein Junge bei den Stehenden.

„Und warum ist er verhaftet worden?“, wollte nun Ha-Young wissen.

„Er hat Jack nach dem Leben getrachtet!“, beantwortete Minho die Frage.

„Nein hat er nicht!“

Was um Himmels Willen hat mich veranlasst, das zu sagen? Natürlich schaute jetzt jedermann am Tisch auf mich. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, wie Hyun-Woo neben mir den Kopf senkte und schüttelte. Ich atmete tief durch.

„In-Jook hat es auf mich abgesehen, Jack hat mich nur gerettet und ist selbst vom Auto angefahren worden.“

Nun war es still am Tisch, nur die Musik dröhnte laut aus den Boxen und der Rest, der nicht am Tisch stand war zu hören. Der Abend konnte noch heiter werden.

*-*-*

Als ich erwachte, lag meine Wange auf etwas Warmen, so wie mein restlicher Oberkörper. Langsam öffnete ich die Augen und schaute auf einen wunderschönen Sixpack. Halt Sixpack? Hyun-Woo hatte keinen Sixpack.

Ich fuhr hoch, das heißt ich wollte hochfahren, wurde aber von einem Arm und einem Bein  und natürlich dessen dazu gehörigen Körper gehindert. So schaute ich nur auf und stellte fest, dass mein Kopf auf Jack geruht hatte, Hyun-Woo hinter mir lag, der mich mit seinem Körper so vereinnahmte.

Das alleine war nicht verrückt, sondern, dass wir alle nackt waren. Nun fand ich auch So-Woi, der irgendwie zwischen Jacks Beinen kuschelnd schlief und Jacks Herrlichkeit mit seinem Kopf verdeckte. Seine Beine waren irgendwie mit Hyun-Woos freiem Bein verknotet.

„Krass“, rutschte mir laut heraus, was zur Folge hatte, dass ich die anderen drei weckte.

Auch sie schauten erstaunt. Während So-Woi zu grinsen begann und mein Blick auf Jacks Schwanz frei gab, wurden Hyun-Woo und Jack mehr als rot. Die Situation war irgendwie Mega peinlich, aber gleichzeitig auch geil.

Wir waren wohl, nach der gestrigen Party irgendwie in So-Wois Schlafzimmer gelandet und waren nicht tatenlos gewesen. Richtig erinnern konnte ich mich nicht, nur dass ich etwas zu viel getrunken hatte, wie mir es mein Brummschädel bestätigte.

Natürlich blieb dieser begnadete Anblick dreier nackter Männer neben mir nicht ohne Einfluss. Mein kleiner meldete sich und wuchs in kürzester Zeit zur vollen Größe. Auch die anderen drei bleiben nicht verschont und wenig später, ragte bei uns allen vier die Männlichkeit steil in die Höhe.

„Ähm…“, suchte ich nach Worten, „… was ist das hier?“

„Nach was sieht es denn aus?“, fragte So-Woi frech und setzte sich nun auf.

Auch er war nicht schlecht gebaut, von Jack ganz zu schweigen. Ich spürte Hyun-Woos Körper hinter mir, der sich wohl etwas zu verstecken versuchte.

„Auf Schüchtern brauchst du jetzt nicht mehr machen“, lachte plötzlich Jack und da war wohl Hyun-Woo mit gemeint.

„Ich… wieso?“

Ich kratzte mich am Hinterkopf und wusste wirklich nicht, was ich sagen sollte. Verkrampft versuchte ich mich an das heute Nacht zu erinnern, aber es gelang nicht.

„Ich hätte nie gedacht, dass du so verbal sein kannst“, kicherte Jack.

Gedächnisfetzen mit lautem Gestöhne fluteten mein Gehirn und so langsam wurde mir klar, was da wohl alles abgegangen war. Auch bemerkte ich überall die verräterischen und eingetrockneten Spuren auf den Laken und unseren Körpern.

Hyun-Woos Fragezeichen auf dem Gesicht wurden immer größer. Dass nur Jack redete, bedeutete wohl, dass nun alle Barrieren bei ihm gebrochen waren.

„Na, als du mit So-Woi zu Gange warst…, das hat wohl Lucas erst so richtig angetörnt.“

„Das heißt wohl…?“, begann ich.

„… ja, das war das erste Mal, dass ich jemand in mir spüren durfte“, antwortete Jack mit einem breiten Lächeln.

„Warum hast du nie etwas gesagt?“, fragte So-Woi plötzlich, „ich dachte, du bist der Aktive von uns beiden.“

Jack wurde verlegen. Selbst hier, beim Sex, ordnete er sich unter, auch wenn er den aktiven Part übernahm. Etwas worüber ich nie mit Hyun-Woo gesprochen habe. Für mich war klar, dass alles was ich mit Hyun-Woo tat, er auch mit mir tun dürfte.

Ich schüttelte den Kopf und rieb mir übers Gesicht, versuchte diese Gedanken für jetzt aus dem Kopf zu verbannen. Erfolglos!

„Ähm…“, begann ich erneut, „wie… wie ist das Ganze zustande gekommen?“

So-Woi krabbelte quer übers Bett und kuschelte sich, nackt wie er war, in Jacks Arm. Dabei fiel mir Jacks große Narbe am Bein auf. Er bemerkte meinen Blick und legte seine Hand darauf.

Toll seine Narbe versuchte er zu verdecken, war ihm wohl peinlich, aber sein riesen Teil prangte mir immer noch entgegen.

„Ihr zwei hattet ziemlich gebechert und Hyun-Woo und ich hatten viel Mühe gehabt, euch hier hoch zu bringen. Als wir dann endlich in der Wohnung waren, ist es dann passiert!“

„WAS?“, sagten So-Woi und ich gleichzeitig.

„Naja, du Lucas bist gestolpert und auf So-Woi gefallen, ihn unglücklich mit umgerissen. Als ihr dann beide zum liegen kamt…, naja deine Lippen, Lucas, waren auf So-Wois Lippen“, erklärte Jack.

„Wir wollten euch aufhelfen“, sprach Hyun-Woo weiter, „aber ihr zwei habt wie wild angefangen miteinander zu knutschen. Wir haben versucht euch zu trennen, aber irgendwie sind wir dann alle im Bett gelandet und…“

Ich winkte ab, denn die restliche Erinnerung kam zurück. Jeder hatte sich mit jedem vergnügt, was auch die wild verteilten Klamotten auf dem Boden um das Bett erklärten. Plötzlich fiel mir Mia ein und meine Hand wanderte zum Mund.

„Mia?“, fragte ich erschreckt.

„Habe ich wohl behalten bei deinen Eltern abgegeben“, meinte Hyun-Woo, der sich nun auch etwas entspannte und an mich kuschelte.

„Haben sie nicht nach mir gefragt?“

„Doch, aber ich habe sie beruhigt, ihnen erzählt, das Ganze war etwas anstrengend für dich und du wärst im Wagen eingeschlafen.“

„Ich war eingeschlafen?

Hyun-Woo grinste verlegen.

„Naja…, ihr beide wart nur am Lachen und Blödsinn machen, so konnte ich dich nicht zu deinen Eltern lassen, die hätten sofort bemerkt, dass du zu viel getrunken hast.“

„Wahrscheinlich wäre ich ja nicht mal ins Hotel gekommen, oder?“

„Du wolltest unbedingt mit, aber Jack hat dich und So-Woi mit Mühe festhalten können.“

Ich schaute zu So-Woi, der aber nur mit der Schulter zuckte und grinste.

„Und Mia?“

„Die kicherte nur, bedankte sich nochmal für den tollen Abend, wedelte mit ihren Autogrammkarten und verschwand in ihr Zimmer.“

„Aha…“, meinte ich nur und rieb mir erneut durchs Gesicht, „wenn ihr erlaubt, werde ich eine Dusche aufsuchen und diese…“, ich zeigte auf meinen Bauch, „… was ihr wohl auf mir abgeladen habt.“

Hyun-Woo begann hinter mir zu kichern und Jack wurde rot.

„Das ist alles von Jack“, grinste mir So-Woi entgegen, der ganz ungeniert Jacks Schwanz streichelte.

Ich sah Jack mit großen Augen an und schüttelte erneut ungläubig den Kopf.

„Egal“, meinte ich, „ich geh duschen!“

Mühsam kroch ich vom Bett und spürte, dass wohl auch bei mir, jemand oder mehrere Zugange gewesen waren. Etwas breitbeinig lief ich zur Tür.

„Geht jemand mit?“, fragte ich frech grinsend.

*-*-*

Das Schmerzmittel tat seine Wirkung und ich konnte den ersten Kaffee am diesen Kaffee genießen. Die vergangene Nacht schien Jack nichts ausgemacht zu haben. Trotz seines lädierten Beines war er wie immer fit und hatte bereits das Frühstück gerichtet.

Die Tür zu meinem Zimmer ging auf und Hyun-Woo kam heraus. Er rubbelte sich dabei die nassen Haare. So-Woi war noch nicht erschienen, der brauchte wohl etwas länger im Bad. Irgendwo fiepte ein Handy.

Jack stellte seine Tasse ab und lief in So-Wois Schlafzimmer und kam wenig später mit zwei Handys in der Hand zurück. Stimmt ja unsere Sachen lagen immer noch in So-Wois Zimmer.

„Das war deins“, meinte er zu Hyun-Woo und reichte ihm sein Handy.

Dann ließ er sich wieder langsam neben mir nieder und legte das andere Handy neben seinen Teller.

„Oha…“, hörte ich Hyun-Woo sagen.

Er war stehen geblieben. Es sah irgendwie lustig aus, denn sein Handtuch hing immer noch auf dem Kopf.

„Was ist?“, wollte ich wissen.

„Meine Mutter hat angerufen…“

„Das ist doch schön!“

„Das tut sie sonst nie.“

„Meinst du, es ist etwas passiert?“

„Ich weiß es nicht…“

Aus seiner Stimme heraus, hörte ich Angst und Unsicherheit.

„Ruf sie am besten gleich an…, ich sollte mich auch bei meinen Eltern melden.“

Er nickte und verschwand im Flur. Eine andere Tür ging auf und So-Woi trat heraus.

„So eine Dusche tut immer wieder gut…, habt ihr noch eine Tasse Kaffee für mich?“

Ohne zu antworten Griff sich Jack den Pott von So-Woi und stellte sie unter die Kaffeemaschine. Wenig später summte die Maschine im alt vertrauten Ton.

„Hyun-Woo noch nicht fertig?“, wollte So-Woi wissen.

„Doch, aber der telefoniert gerade mit seiner Mutter.“

„Ach so.“

„Was steht heute an?“

„Nichts…, heute wird mal nicht getan, das heißt, ich denke Hyun-Woo wird heute seine Sachen nach unten schaffen… und du wohl auch. Ich verlier dich zwar ungerne als Mitbewohner, aber du bist ja nicht weit weg.“

„Halt… halt mal langsam, ich weiß nicht ob Hyun-Woo das überhaupt will.“

„Da bin ich mir sicher!“

„Denkst du?“, fragte ich nachdenklich.

So-Woi nickte und füllte sich seine Schüssel mit Reis, während Jack ihm seine Tasse Kaffee hinstellte.

„Danke“, lächelte So-Woi seinen Schatz an, der ihn mit einem Kuss begrüßte.

Es hatte sich vieles geändert, seit ich hier war. Die Tür ging auf und Hyun-Woo kam zurück. Sein Gesicht war blass.

„Alles in Ordnung?“, kam mir So-Woi mit seiner Frage zu vor.

Er schüttelte den Kopf und starrte auf sein Handy. Ich stand auf und lief zu ihm hin.

„Schatz, was ist?“

„Meine Großmutter ist im Krankenhaus…, wegen mir.“

Dicke Tränen liefen über seine Wangen.

„Warum wegen dir?“, fragte ich verwirrt.

„Großmutter hat wie jeden Morgen die Zeitung gelesen und da stand wohl etwas über uns beide drin…“

Ich nahm ihn an den Arm und drückte ihn an mich. Jack reichte So-Woi sein Handy, der kurz darauf große Augen machte.

„Da steht wohl ein großer Bericht über die Aftershowparty drin, jemand hat wohl zu viel getrunken und sich noch ins Auto gesetzt und einen Unfall verursacht… da gab es Verletzte.“

„Und was hat das mit uns zu tun?“

„Nichts, aber da wird auch über meine Firmengründung berichtet, ein Foto von uns sechsen gezeigt und Namen genannt.“

Hyun-Woo nahm sein Handy und tippte etwas ein. Kurz darauf reichte er es mir. Da war ein Bild vom roten Teppich abgebildet. Dort stand So-Wois voller Name und Hyun-Woos und Jae-Joongs Name ebenso.

Das war nichts besonderes, nur die Anhänge, die hatten es in sich. Bei So-Woi und Hyun-Woo stand „mit Lebensgefährte“ und bei Jae-Joong „mit Freundin“.

„Scheiße…“, rutschte mir heraus und ich sah zu den anderen.

Wieder klingelte es in So-Wois Schlafzimmer.

„… das ist deins…“, meinte Hyun-Woo.

Mit ungutem Gefühl lief ich ins Schlafzimmer und fand nach kurzer Suche mein Handy.

„Lukas hier…“

„Schwing deine Hufe mein Guter und komm ganz schnell ins Hotel, deine Mutter ist auf Hundertachtzig.“

„Papa, ich kann das erklären…, das ist nicht so wie es scheint!“

„Dann bin ich gespannt, wie du ihr deine Volltrunkenheit erklären willst!“

„Ähm… ist sie nicht wegen Mia sauer?“

„Was ist mit Mia?“

Mist!

„Ähm… ich mach mich fertig und komme ins Hotel, dauert etwas, weiß nicht wer mich fahren kann.“

„Dann nimm ein Taxi… wir sehen uns!“

Und somit war das Telefongespräch beendet, ohne ein Tschüss oder Bye. Da war die Kacke am dampfen. So angesäuert war Papa mir gegenüber sonst nie. Ich lief zurück zu den anderen.

„Ich muss zu meinen Eltern…“, meinte ich nur und lief Richtung meinem Zimmer.

„… ich fahre dich!“, kam es von Hyun-Woo.

Ich blieb stehen und drehte mich um.

„Ich kann auch ein Taxi nehmen, Hyun-Woo, fahr du lieber zu deiner Großmutter.“

„… ähm…, meine Mutter meinte, ich soll fern bleiben, sie will mich vorerst nicht sehen.“

Was hatte ich da nur angestellt? Ein kleiner Kuss auf Hyun-Woos Nase hatte alles ins Rollen gebracht.

*-*-*

Hyun-Woo reichte dem Mann mit Zylinder die Wagenschlüssel und wenig später betraten wir das Hotel. Ich wollte direkt zu den Aufzügen gehen, doch Hyun-Woo hielt mich zurück. Sein Blick wies Richtung Rezeption und ich folgte ihm.

„Guten Morgen, wir möchten zu Mr. Und Mrs. Dremmler.“

Der junge Mann nickte und griff nach dem Telefon. Ich wollte schon sagen, dass dies nicht nötig wäre, aber Hyun-Woo griff kurz nach meinem Arm und ich ließ es.

„Guten Morgen Mr. Dremmler, hier sind zwei junge Herren…, aber gewiss doch…, auf Wiederhörn.“

Der junge Mann legte auf.

„Sie werden bereits erwartet…, hier bitte rechts zum Aufzug… sechster Stock… Zimmer 623…“

„Danke!“, meinte Hyun-Woo.

Ich folgte im stumm zum Aufzug, wo der Liftboy bereits auf uns wartete. Die Türen schlossen sich und mein Magen machte wieder einen Satz.

„Was soll das? Wir wissen doch in welchen Zimmer sie wohnen“, flüsterte ich Hyun-Woo ins Ohr.

„Reine Höflichkeit!“, flüsterte Hyun-Woo zurück.

Wenig später standen wir vor dem Hotelzimmer, in dem meine Eltern und Mia untergekommen waren. Ich atmete tief durch und klopfte. Es dauerte nicht lange und die Tür öffnete sich.

Mia kam zum Vorschein. In geduckter Haltung ließ sie uns herein.

„Sorry!“, meinte sie und zeigte Richtung großen Raum.

Nachdem Hyun-Woo und Mia sich begrüßt hatten betrat ich den Raum, den uns Mia gewiesen hatte. Meine Mutter saß in einem Sessel, lass in einer Zeitschrift, während Papa am Fenster und nach draußen schaute.

„Guten Morgen“, meinte ich nur, während sich Hyun-Woo neben mir kurz verneigte.

Mama sah auf und Papa drehte sich zu uns um.

„Guten Morgen ihr beiden!“, kam es von Papa, einen Tick freundlicher, als vorhin am Telefon.

„Setzt euch!“, sagte Mama, deutlich geladen.

Ich ließ mich auf dem Sofa nieder, während Hyun-Woo sich dahinter stellte.

„Hyun-Woo, setz dich bitte zu meinem Sohn“, sagte Mama dann, als sie es sah.

Er nickte unsicher und setzte sich nun neben mich. Ich griff nach seiner Hand und schaute wieder zu meiner Mutter.

„Hyun-Woo, ich wollte mich noch einmal bei dir bedanken, dass du meine Tochter so zu verlässig zurück gebracht hast, was ich von meinem Herrn Sohn nicht behaupten kann!“

„Das…, das ist doch selbstverständlich!“, meinte Hyun-Woo und verneigte sich wieder leicht.

„Für mich nicht! Wenn ich meinem Sohn sage, er soll auf seine Schwester aufpassen, dann erwarte ich, dass er dies auch tut und nicht jemanden anderen damit beauftragt.

Sie war wirklich sauer. Sie redete von mir, als wäre ich nicht anwesend, das war nicht gut. Ich wollte etwas erwidern, aber Hyun-Woo sprach einfach weiter. Wir hielten uns immer noch die Hand.

„Lucas hat mir keine Order geben. Mia ist die Schwester meines Freundes, da ist es selbst verständlich, dass ich auf sie mit aufpasse. Ich müsste mich eher bei ihnen entschuldigen, dass ich nicht besser auf Lucas aufgepasst habe, weil ich die übertriebene Gastfreundschaft auf diesen Parties kenne.“

Ich war von dieser Antwort nicht minder verzückt, wie meine Mutter. Es war ein weiteres Mal, dass Hyun-Woo, so offen für mich einstand, mich als seinen Freund. Gerührt schaute ich ihn an und er erwiderte meinen Blick leicht verlegen.

„Dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen, Hyun Woo, mein Sohn ist alt genug, auf sich zu achten“, meinte Mama nicht mehr so streng.

„Und ich bin froh, dich an der Seite meines Sohnes zu wissen“, Hyun-Woo. Danke!“, fügte Papa hinzu.

Wieder verneigte sich Hyun-Woo leicht.

„Und was hast du damit vorhin gemeint, du kannst das wegen Mia erklären?“, setzte er gleich noch dran und diese Frage war an mich direkt gerichtet.

Mama schaute ihn fragend an.

„Ähm… also… gestern sind viele Bilder von Presse gemacht worden. Bei einem standen wir zu sechst auf dem roten Teppich und Mia hatte ihre Arm auf Jae-Joongs Arm gelegt…“

„Das ist ja nichts besonderes, mit ihrem Stiefeln war es sicher nicht leicht zu gehen“, meinte Papa und winkte ab.

„… heute Morgen sind Bilder von dem Konzert und der Party abgebildet und eben dieses Foto auch.“

Mama wollte etwas sagen, aber Papa war schneller.

„Auch das ist nicht schlimm. Mia kennt niemand, also wer soll das interessieren?“

Die Frage war wohl eher an Mama gerichtet, die aber mit ihren Schultern zuckte.

„Es geht ja auch nicht um das Bild, es geht eher um das, was darunter stand. Da wurde Jae-Joong mit Namen genannt und seiner Freundin.“

„Was?“

Dieses „Was“ kam weder von Mama noch von Papa, es kam von der Zimmertür. Besser gesagt, von Mia, die hinter der Tür stand, um zu lauschen. Ich musste grinsen, mir viel dieses alte Sprichwort ein.

Der Lauscher an der Wand, hört seine eigene Schand`. Wie treffend!

„Mia…!“, rief Mama.

Die angelehnte Tür ging auf und Mia trat herein. Ihr Gesicht war hochrot.

„… davon hast du mir aber nichts erzählt!“

„Mama, es ist nichts passiert, ich war nur die ganze Zeit bei Jae, weil er mir so viele tolle Leute vorstellte.“

Jae, aha, man redete sich schon in Kurzform an, so nannte niemand von uns Jae-Joong.

„… Händchen haltend…“, rutschte mir dann noch heraus, was ich aber sofort bereute.

Außer Mama, wurden mir von drei Personen böse blickte zu geworfen.

„Ich bin mir sicher, das Jae-Joong keinerlei schlechte Absichten hatte. Er wird wie Hyun-Woo gedacht haben, um Mia zu beschützen. Mama, du weißt nicht, wie viele junge Männer auf dieser Party anwesend waren. Selbst Minho, ein Sänger meinte, er wusste nicht, dass ich so eine bildhübsche Schwester habe.“

Papa lächelte leicht, doch Mamas Gesicht versteinerte sich noch mehr.

„Ich bin froh, dass wir morgen zurück fliegen“, meinte Mama nur dazu, was mir etwas weh tat.

So schnell hatte ich mich daran gewöhnt, meine Familie wieder um mich zu haben.

„Heute Mittag werden wir alle bei meinem Vater sein, da kann ja nichts passieren!“

„Ähm… ich wollte Hyun-Woo beim umziehen helfen…“, warf ich ein, obwohl ich mit Hyun-Woo noch gar nicht darüber geredet hatte.

„Dass hättest du dir früher überlegen sollen!“, kam es von Papa, der immer noch am Fenster stand.

Leicht genervt, atmete ich tief durch. Ich musste mir eine andere Strategie überlegen, um bei Hyun-Woo bleiben zu können, der mich brauchte. So entschied ich mich für die Wahrheit.

„Gestern bei dem Bild wurde auch Hyun-Woos Name genannt und ich als sein Lebensgefährte… und das…“

„Lucas bitte…!“

Ich schüttelte den Kopf.

„… das hat seine Großmutter auch mitbekommen und liegt jetzt im Krankenhaus.

„Oh Gott, die Arme…, sie wusste nicht…?“, meinte Mama.

Hyun-Woo schüttelte traurig den Kopf und senkte seinen Blick.

„Das tut mir leid, Hyun-Woo, können wir irgendwie helfen?“, fragte Papa.

Mein Schatz schüttelte ohne auf zu sehen, erneut seinen Kopf.

„Seine Mutter meinte vorhin am Telefon, sie will ihn vorerst nicht sehen.“

Ich spürte etwas Feuchtes auf meiner Hand und sah, dass es Tränen von Hyun-Woo waren.

Auch bei meinen Eltern blieb dies nicht unbemerkt.

„Mia, du ziehst etwas Ordentliches an!“, kam es plötzlich von Papa.

„Aber warum…, wir fahren doch erst…“

„Junge Dame, mach einfach, was ich sage. Hyun-Woo, können wir irgendwo Blumen für deine Großmutter besorgen?“

Stolz lächelte ich Papa an.

„Aber meine Mutter meinte…, sie wolle mich nicht sehen.“

„Ach was! Egal was passiert ist, jede Mutter will ihren Sohn sehen, wenn der nicht zu Hause ist!“, sagte Mama und stand auf.

„Komm Mia, wir ziehen uns um“, fügte sie noch an und verließ mit ihr das Zimmer.

*-*-*

Nervös lenkte Hyun-Woo den Wagen durch die Stadt. Bei der letzten Ampel war ihm der Motor abgesoffen. Mit hochrotem Gesicht entschuldigte er sich mehrere Male, bis ich meine Hand auf seinen Schenkel legte und meinen Kopf schüttelte.

„Die Stadt ist riesig“, meinte Mia, „kennst du dich hier überall aus, Mama?“

„Nein, es gibt Teile der Stadt, wo ich selbst noch nie war.“

„Mir geht es nicht anders, auch wenn ich hier einige Zeit verbracht habe“, sagte Papa.

„Ich weiß nicht ob ich hier her wollte, also ich meine um zu studieren. Es ist zwar alles sehr toll, aber in Deutschland habe ich doch viel mehr Möglichkeiten.“

Hoppla, Mia schien doch ganz genau zu wissen, was sie wollte.

„Bis dahin ist ja noch etwas Zeit“, meinte Papa.

„Lucas…“, flüsterte Hyun-Woo plötzlich neben mir.

„Hm?“

„… uns folgt ein Auto“, sagte er leise, für die Insassen hinten nicht hörbar.

„Bitte?“

„Ein schwarzer Wagen, der hängt schon seit dem Hotel hinter uns…“

Ich schaute zu meiner Familie nach hinten und konnte leicht versetzt drei Wagen hinter uns einen schwarzen Wagen erkennen.

„Bist du dir sicher?“

Hyun-Woo nickte und bog an der nächsten großen Kreuzung ab. Ein weißes Schild mit rotem Kreuz erschien auf der rechten Seite.

„…Huawei Medical Center?“ Ist das nicht…?“

„Ja ist es…“

Das hatte ich laut gefragt und als ich wieder nach hinten drehte, um nach dem Wagen zu schauen, sah mich Papa komisch an. Auch sah ich, dass der schwarze Wagen, ebenso abgebogen war.

Hyun-Woo suchte einen Parkplatz, was gar nicht so einfach war. Unser Anhängsel war verschwunden. War es Zufall, oder hatten wir uns das nur eingebildet? Mein Schatz fand schließlich einen Parkplatz und parkte den SUV souverän ein.

Er stieg aus und öffnete sofort die hintere Tür, dass Papa leicht aussteigen konnte. Ich folgte seinem Beispiel, aber Mama war schneller als ich, sie hatte ihre Tür bereits geöffnet. Sie stieg aus und Mia folgte ihr.

„Boah ist das riesig, wie sollen wir da Hyun-Woos Großmutter finden?“, fragte Mia.

„Man fragt nach?“, kam es grinsend von Papa.

*-*-*

Nach einem ekligen Aufzug und mehreren Fluren standen wir nun vor der Tür, hinter der sich Hyun-Woos Großmutter befand. Er selbst atmete tief durch und klopfte leise, bevor er die Tür aufzog.

Ich konnte seine Mutter erkennen, die gerade aufschaute. Hyun-Woo betrat den Raum nicht, sondern blieb davor stehen. Hae-Soon, seine Mutter stand auf und kam zu uns an die Tür.

„Was willst du hier“, meinte sie giftig und zog hinter sich die Tür zu.

Erst jetzt bemerkte sie meine Familie, die neben dem Eingang zum Zimmer stand. Verwundert schaute ich in die Runde.

„Mrs. Lim, darf ich ihnen meine Eltern und Schwester vorstellen, die zurzeit auf Besuch sind“, sagte ich einfach, um von Hyun-Woo abzulenken.

„… hallo Lucas…“, meinte sie und hob ihre Hand.

„Hallo Mrs. Lim, freut mich sie kennen zu lernen“, meinte Dad und schüttelte verbeugend ihre Hand. Ebenso Mama und Mia.

Total überrascht, verbeugte sie sich ebenso.

„Wir haben schon Hyun-Woo beteuert, wie leid es uns tut, dass ihre Mutter ins Krankenhaus musste.

„… sie ist die Mutter meines verstorbenen Mannes“, sagte Hyun-Woos Mutter leise.

„… wie… wie geht es Großmutter?“, meldete sich nun Hyun-Woo leise zu Wort.

Seine Mutter schaute ihn durchdringend an.

„Der Arzt meinte…, ein kleiner Schwächeanfall, aber soweit ist alles in Ordnung.“

Ich spürte die Erleichterung, die durch Hyun-Woos Körper ging.

„Mrs. Lim, wäre es möglich, uns irgendwo zu setzten und uns ein wenig zu unterhalten?“

Sie nickte.

„Einen Moment bitte, ich hole nur kurz meine Tasche“, sagte sie und zog die Tür wieder auf.

Natürlich schauten wir alle in Richtung Hyun-Woos Großmutter, als jemand mich an der Schulter antippte. Ein im Anzug gekleideter Mann stand vor mir und verbarg seine Augen hinter einer dicken Sonnenbrille.

„Lucas Dremmler?“, meinte dieser nur leise und ich nickte.

Er reichte mir einen Umschlag und war so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war. Mit zittrigen Händen öffnete ich den Umschlag. Etwas fiel heraus und ich bückte mich danach. Im Umschlag kam ein kleiner Zettel zum Vorschein, ich entnahm ihn und dort stand in großen Buchstaben:

Wenn sie die Sache Lee Young-Sung nicht ruhen lassen, könnten andere mit hineingezogen werden!

Ich drehte das Aufgehobene um und sah, dass es ein Bild von Hyun-Woos Großmutter war.

 

 

 

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2 Kommentare

  1. Huhu Pit,

    hab mit Spass und Freude diese tolle Fortsetzung gelesen, am Ende wieder ein interessanter Cliffhanger. Bin gespannt, wie das weitergeht, was da als nächstes passiert.

    VlG Andi

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  2. hi, Pit

    sehr schön das es eine fortsetzung gibt.

    wieder ist sehr viel neues geschehen und ich bin gespannt wie sich das alles auflösen wird.

    schön auch das es endlich zu einem outing der leute gekommen ist :-))

    hoffen wir das es damit nicht zu grosse probleme geben wird.

    bin super gespannt wann und vorallem wie es weitergehen wird.

    gruß und viel spass beim schreiben

    sandro

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