Adventskalender – Ein anderes Leben – 18. Türchen (16 Teil)

Mir fiel Papa ein. Ich schaute auf die Uhr und rechnete aus, wie viel Uhr nun wohl zu Hause war. Ich war mir sicher, dass er noch nicht im Bett war, griff nach meinem Handy und schickte ihm eine Mitteilung, dass ich online ging.

Es dauerte etwas, bis er ebenso kam. Er lächelte, als er mich sah.

„Hallo Lukas, freut mich, dass du Zeit hast, dich zu melden.“

„Die Freude liegt ganz auf meiner Seite. Ist Mama in der Nähe?“

„Die ist schon zu Bett gegangen, sie war so müde.“

„Das ist schade. Sag ihr Morgen einen lieben Gruß von mir.“

„Ich weiß nicht, ob das gut ist“, grinste mir mein Vater auf dem Bildschirm entgegen.

„Wieso?“

„Wenn ich ihr erzähle, dass ich dich heute Abend auf dem Bildschirm hatte, wird sie sicher böse, dass ich sie nicht geweckt habe.“

„Sie wird es überleben, sie sieht mich doch in knapp zwei Wochen. Ihr kommt doch am 23ten.“

„Ja, der Flug ist gebucht.“

„Sind deine Geschwister nicht böse, dass ihr Weihnachten nicht da seid?“

„Warum sollten sie. Sie haben sich doch eh beschwert, die Feiertage mit den vielen Essen, wäre immer so anstrengend. So können sie es mal ruhig angehen und abnehmen!“

Ich musste lachen und hielt meine Hand vor den Mund.

„Ist Hyun-Woo nicht da?“

„Der ist schon zur Arbeit gefahren.“

„Und Juen?“

„Der schläft noch.“

„So lange…?“

„Papa, hier ist es kurz nach sieben, als früh und außerdem braucht Juen seinen Schlaf.“

„Wieso denn, ist etwas passiert?“

„Ich weiß nicht, wie viel dir Onkel Min-Chul über Juen erzählt hat.“

„Nicht viel, warum?“

„Juens Mutter hatte vor zehn Jahren einen Verkehrsfall, an dem sie bis heute psychisch leidet, der Schuldige ist mit dem Unfallwagen abgehauen und als Onkel Min-Chul mit seinen Kollegen das Haus des Professors, also der mit dem Medikamentenschwindel…“

„Ich weiß, wen du meinst“, unterbrach mich mein Vater.

 „Also als sie das Haus durchsuchten, fanden sie eine Sammlung von verschiedenen Wagen und durch Zufall den Unfallwagen. Der Professor hat sie über den Haufen gefahren und auf der Straße liegen lassen…, er war also damals schon so kaltschnäutzig…“

„Armer Juen, der ist natürlich über diese Nachricht nicht erfreut.“

„Nein, genauso wie sein Vater.“

„Das tut mir leid.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Wo wir eben von Weihnachten gesprochen haben“, versuchte ich das Thema zu wechseln, „Stört es euch, wenn ich am ersten Weihnachtsfeiertag eine Weihnachtsfeier für die ganze Familie und ein paar Freunde organisiere?“

„Wird dir das nicht zu viel?“

„Nein, das macht Spaß!“

„Also meinen Segen hast du, solange es etwas Gutes zum Essen und Trinken gibt.“

Er lachte und das war ansteckend.

„Es tut gut dich so lachen zu sehen, freut mich. Dir scheint es wirklich gut zu gehen.“

„Wie soll es mir sonst gehen, außer gut? Ich habe so viele Freunde um mich herum und auch Familie, da kann es mir nur gut gehen“, log ich.

Onkel Min-Chul hatte wegen der Entführung anscheinend wirklich nichts erwähnt.

„So, jetzt werde ich aber zu Bett gehen, du weißt selbst, am Freitag ist die Praxis immer voll.“

„Dann mal gute Nacht Papa, freut mich, dass du Zeit hattest.“

„Geht mir genauso und dir einen schönen Tag.“

„Tschüss Papa!“

„Tschüss Lucas.“

Das Bild verschwand und Papa war offline.

*-*-*

Es war schon fast Mittag, als Juen aus seinem Zimmer kam. Ich hatte mir die Zeit am Laptop vertrieben.

„Guten Morgen“, brummelte er.

„Hm…, eher guten Mittag, hast du schon auf die Uhr geschaut?“

Er lugte unter seinem Handtuch hervor und schaute Richtung Uhr, die bei der Küchenzeile hing. Es war eine liebe Angewohnheit geworden, dass Juen morgens immer nur mit einer Shorts bekleidet und einem Handtuch auf dem Kopf aus seinem Zimmer kam. Mich störte es nicht weiter, er sah gut aus und ich mochte ihn.

„Du weißt schon, was du mir antust, wenn du fast nackt und gutaussehend, jeden Morgen vor mich trittst?“, zog ich ihn lächelnd auf.

Er stoppte abrupt und schaute mich entsetzt an.

„Ich… ich dachte… ich dachte du weißt ich steh auf Mädchen… und… und du bist mit Hyun-Woo zusammen“, stotterte er verlegen.

Ich konnte nicht anders und fing laut an zu lachen. Verwirrt guggte er mich an.

„Das war nur Spaß, Juen!“

Ein Durchatmen ging durch seine Körper.

„Du… du findest mich gutaussehend?“

„Klar, du siehst wirklich lecker aus!“

„Das hat noch keiner zu mir gesagt…“

Ich kicherte weiter.

„Hast du heute schon etwas geplant?“, fragte Juen.

Da wollte wohl jemand vom Thema ablenken, aber ich konnte mich nicht zurückhalten. Ich stand auf und ging zu ihm. Langsam fuhr ich mit meinem Finger über seine nackte Brust bis zum Bauchnabel.

„Wieso, hast du noch etwas vor?“, fragte ich süffisant.

Entsetzt schüttelte er seinen Kopf. Wieder musste ich lachen, aber nicht wegen seinem Verhalten, sondern weil sie in seiner Shorts deutlich etwas regte.

*-*-*

„Hallo?“

„Hallo Jae-Joong, bist du zu Hause?“

„Grad noch, du hast Glück, wolltest du vorbei kommen?“

„Jaein… kommen wollte ich später, eigentlich wäre ich mehr an deiner Mutter interessiert.“

„Meine Mutter?“, fragte Jae-Joong gespielt entsetzt, „ist sie nicht etwas zu alt für dich? … Aua.“

„Ich musste lachen.

„Du weißt wie ich das meine!“

„Meine Mutter nicht, die sitzt neben mir und hat mir eine Kopfnuss gegeben.“

Ich grinste.

„Kannst du sie mir kurz geben?“

„Einen Moment, ich sag schon mal bye.“

„Bye Jae-Joong!“

Es knisterte kurz.

„Hallo Lucas?“, hörte ich Hyo-Joo altvertraute Stimme.

„Hallo Hyo-Joo, schön, dass ich dich sprechen kann.“

„Was hast du auf dem Herzen?“

„Es geht um Weihnachten, Ich möchte eine Weihnachtsfeier organisieren und kenn mich da nicht so aus.“

„Und ich soll dir dabei helfen? Wie viele Personen sind es denn?“

„Ja, das wäre nett! Moment, lass mich nachrechnen…“

Ich klemmte das Handy zwischen Ohr und Hals und fing mit den Finger an, abzuzählen.

„Dreiundzwanzig mit euch drei sind es dreiundzwanzig.“

„Uns drei?“

„Ja, du, Jae-Joong und Kang-Hee. Das soll ein Fest der Familie und Freunde werden und da gehört ihr dazu.“

Da Mr. Choi eh nie anwesend war und in der Vergangenheit nicht gerade freundlich zu mir war, wollte ich ihn nicht dabei haben. Jae-Joongs Mutter schien das aber auch nicht zu stören.

„Das ist lieb von dir, Lucas. Was hast du dir denn vorgestellt?

„Das weiß ich eben nicht, deshalb wollte ich dich fragen, ob du mir zur Seite stehen kannst. Wann hättest du denn Zeit?“

Ich fragte erst gar nicht, ob sie es überhaupt machen wollte. Ich ging gleich in die Vollen.

„Heute Mittag wäre es mir Recht, Lucas, aber es wäre vielleicht gut, wenn eine oder beide deiner Tanten dabei wären.“

„Darum werde ich mich sofort kümmern, ich lasse dir dann eine Nachricht zu kommen, ob es in Ordnung ist.“

„Geht in Ordnung, Lucas, ich freue mich.“

„Ich mich auch, bis später, bye!“

„Bye!“

Schon war das Gespräch beendet. Ich schaute auf und sah dass Juens Tür offen stand.

„Juen?“, rief ich.

„Ja?“, kam es aus seinem Zimmer.

Plötzlich lugte sein Kopf heraus.

„Was ist?“

„Wäre es möglich den Fahrdienst zu informieren, dass ich gerne zu meinen Großeltern fahren würde.“

„Das ist kein Problem, Moment, ich rufe gleich an.“

Juen verschwand wieder in seinem Zimmer. Wenig später kam er fertig angezogen wieder heraus.

„In zehn Minuten steht der Wagen bereit!“

„Danke Juen, dann mache ich mich auch fertig.“

*-*-*

Das Gefühl, dass wir beobachtet werden, war nicht vergangen. Ich erwischte mich immer wieder, wie ich ab und zu nach hinten schaute.

„Alles klar, Lucas? Du wirkst so nervös.“

„Ach ich weiß auch nicht, ich habe immer noch das Gefühl, dass wir beobachtet werden.“

„Dir geht es genauso?“

Juen nickte.

„Solange dieser Professor nicht verhaftet ist, denke ich wird dieses Gefühl noch bleiben“, meinte er.

„Es ist aber nervig!“

„Das kann ich dir nachfühlen.“

Ich war froh, als der Wagen vor dem Haus meiner Großeltern vorfuhr. Ich bedanke mit beim Aussteigen artig beim Fahrer, der dann wieder umdrehte und zurück fuhr. Ich schaute nach oben.

Die Wolken waren so dick und dunkel, da würde es sicher bald anfangen zu regnen. Ich zog meinen Schal mehr ins Gesicht, denn ich fror auch. So lief ich zur Eingangstür vom Laden, Hauptsache schnell ins Warme.

„Hallo Lucas! Juen…“, wurden wir von meiner Tante Min-Ri begrüßt.

Ich begann mich erst einmal etwas zu entkleiden, denn hier war es um einiges Wärmer als draußen.

„Vater und Mutter sind hinten“, fügte sie noch an.

„Hallo Tante Min-Ri…“, Juen verneigte sich, „wollte ich zu dir und Tante Min-Sun.“

Etwas verängstigt schaute sie mich plötzlich an.

„Zu uns? Ist etwas passiert? Geht es meiner Schwester gut?“

Oh, da hatte jemand etwas falsch verstanden.

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