Ich schüttelte abwehrend meine Hände.
„Nein, so meinte ich das nicht. Meiner Mutter geht es gut, aber ich bräuchte die Hilfe meiner zwei Tanten trotzdem!“
Sie schaute mich fragend an, dann drehte sie sich von mir weg.
„Min-Sun, könntest du bitte kommen“, rief Min-Ri nach hinten.
„Komme!“, hörte ich sie rufen und wenige Sekunden später, tauchte sie auch schon auf. Juen neben mir verneigte sich leicht.
„Oh, hallo Lucas“, sagte sie überrascht, schaute dann aber zu ihrer Schwester.
„Lucas benötigt unsere Hilfe…“, meinte Min-Ri.
„Unsere Hilfe? Um was geht es denn?“, wollte Min Sun wissen.
Damit wanderte deren Blick zu mir.
„Ähm… ich würde gerne eine Weihnachtsfeier machen…, also für die Familie und engen Freunde.“
„Eine Weihnachtsfeier, das ist schön“, kam es von Tante Min-Ri.
„Und wie hast du dir das vorgestellt?“, wollte Tante Min-Sun wissen.
Ich verzog leicht gequält das Gesicht.
„Also… ich… dachte mir, ihre beide könntet mir vielleicht… helfen…, ich kenn mich da nicht so aus.“
Beide schauten mich an, aber sagten nichts.
„Wenn ihr beide heute Mittag etwas Zeit habt, würde Mrs. Choi vorbei kommen, sie würde auch gerne helfen.“
„Sung-Ja könnte meinen Dienst übernehmen“, sagte Min-Sun zu ihrer Schwester, die ihr zu nickte.
„Wir werden dir auch sehr gerne helfen“, sprach dann Min-Ri zu mir, „und wann möchte Mrs. Choi kommen?“
„Die richtet sich ganz nach uns, ich soll ihr dann Bescheid geben.“
„Dann würde ich zwei Uhr sagen, oder?“
Beide Tanten nickten sich zu.
„Okay, dann sende ich ihr eine Mitteilung.“
Ich schaute zu Juen, der den Daumen nach oben hielt.
*-*-*
„Wie viel von diesen Tischgrills werden wir dann brauchen?“, fragte ich.
„Drei oder vier“, antwortete Hyo-Joo.
„Und wo wollt ihr das machen?“, wollte Großmutter wissen.
„Sie hatte sich zu uns gesellt, weil sie neugierig war, was wir machen wollten.
„Ich dachte erst hier…“, sagte ich, „aber ich glaube, dass ist zu eng, oder?“
Die vier Damen um mich herum nickten. Tante Min-Sun kratzte sich am Kopf und verzog ihr Gesicht.
„Min-Ri, wenn wir das große Regal neben die Kasse stellen, müsste doch genug Platz sein für einen so langen Tisch.“
Auch Min-Ri überlegte kurz.
„Du hast Recht und dekoriert wäre ja auch schon.“
„Ihr meint im Laden?“, fragte ich verwundert, „geht das denn, hat da Großvater nichts dagegen.“
„Der soll sich mal beschweren, dann bekommt er Ärger mit mir!“, sagte Großmutter und wir begangen zu lachen.
„Kinder, ich übernehme einen Teil vom Nachtisch“, meinte Großmutter dann, „ich weiß wie gerne Lucas von meinem Gepäck ist.“
„Danke Großmutter, wird dir das auch nicht zu viel?“
„Ach was, mein Junge, das mache ich doch gerne.“
„Und was für eine Suppe nehmen wir vorne weg?“, fragte Jae-Joongs Mutter Hyo-Joo.
„Eine Suppe, wird das nicht zu viel?“, fragte ich.
„Suppe ist ein Muss bei uns in Korea, Lucas“, antwortete mir Hyo-Joo.
„Wie wäre es mit Kimchi Jjigae oder Deonjeng Jjigae?“, fragte Großmutter.
„Beides gut“, sagte Hyo-Joo, die anderen nickten.
Was ist das?“, fragte ich verlegen, weil ich mich mal wieder nicht auskannte.
„Das erste ist eine Scharfe Nudelsuppe mit Kimchi und Tofu“, erklärte Großmutter.
„Deonjeng Jjigae ist eine Sojabohnensuppe mit Fleisch Gemüse und auch Tofu“, kam es von Tante Min-Ri.
„Das glaube, habe ich schon mal gegessen. Aber da waren Anchovis und Garnelen dabei.“
„Es gibt je nach Region verschiedene Rezepte für Deonjeng Jjigae“, sagte nun Tante Min-Sun.
„Ach so, auf alle Fälle war die sehr lecker“, lächelte ich.
„Dann also eine Deonjeng Jjigae Suppe, das übernehme ich“, meinte Hyo-Joo und notierte etwas für ihren Zettel.
„Wegen mir jetzt?“, fragte ich erstaunt.
„Klar, du hattest ja auch die Idee zur Weihnachtsfeier!“, meldete sich Großmutter zu Wort.
„Das Gemüse nehme ich natürlich von hier“, sagte sie grinsend.
„Danke!“, sagte Min-Sun, „Lucas, hat dir meine Schwester eigentlich das Kochen beigebracht?“
Verlegen schaute ich die Damenrunde an.
„Nein…, ich denke da ist sie noch etwas altmodisch… die Frau muss kochen können, nicht der Mann.“
„Du hast keine Frau“, sagte Juen neben mir, was die anderen zum Lachen brachte.
„Ich weiß nur, wie man Bauernfrühstück macht, das ist das Lieblingsessen von meinem Vater.“
„Bauernfrühstück, was ist das?“, fragte Großmutter.
„Kartoffeln gekocht, in Scheiben geschnitten und angebraten… Speck dazu und Ei darüber!“
„Hört sich interessant.“
Ich lächelte Großmutter an.
„Möchte jemand einen heißen Tee?“, hörte ich plötzlich Sung-Jas Stimme hinter mir.
Alle drehten sich in seine Richtung und er stellte ein Tablett voll Tassen auf den Tisch.
„Mann, wenn du hier bist, wer steht dann im Laden?“, fragte Min-Sun.
„Du würdest staunen, kein anderer als Hong Sik.“
„Hong-Sik?“, riefen die Damen im Chor.
„Das will ich sehen“, meinte Tante Min-Ri und sprang auf.
Im Nu saßen Juen und ich alleine am Tisch.
„Wer ist Hong-Sik?“, flüsterte Juen mir ins Ohr.
„Mein Cousin“, antwortete ich in normaler Lautstärke..
„Dein Cousin, also ein weiterer Neffe meines Kollegen Min-Chul?“
„Genau, er hat drei Neffen und mit meiner Schwester sogar zwei Nichten.“
„Du hast eine Schwester? Entschuldige, dass wusste ich nicht.“
„Hast du dass nicht mitbekommen?“
„Ich kann dir es nicht sagen, dein Onkel hat mir so viel erzählt, ich blick da nicht mehr ganz durch. Ich bin auch nicht ganz auf der Höhe. Wirklich Entschuldigung!“
„Juen, du brauchst dich doch nicht entschuldigen! Wenn das jemand versteht, dann wohl ich. Wie du gerade Mitbekommen hat vielleicht, meine Tante Min-Ri ist die Mutter von Hong-Sik. Onkel Sung-Ja und Tante Min-Sun haben einen Sohn Tae-Young und eine Tochter Un-Sook.“
„Die habe ich hier noch nie gesehen.“
„Die sind in meinem Alter und studieren alle.“
„Ach so.“
„Und dann gibt es noch meine Mutter Min-Ja mit mir und meiner Schwester Mia, sie ist sechzehn und geht noch zur Schule.“
„Min-Ri, Min-Sun und Min-Ja… leicht zu merken.“
Mir war nicht entgangen, dass Juen glasige Augen hatte.
„Was ist los, Juen? Weil ich hier von der Familie Rede?“
Er schaute zu Boden und schüttelte den Kopf.
„Was ist es dann?“
„Ich dachte gerade an meinen Bruder, den ich seit acht Jahren nicht mehr gesehen habe.“
„Du hast einen Bruder?“
*-*-*
Onkel Sung-Ja hatte uns netterweise zu So-Wois Firma gebracht und war über deren Äußeres angenehm angetan. Er scherzte sogar, sich vielleicht auch einmal einen Anzug Maßschneidern zu lassen.
Juen lief dieses Mal mit mir die Treppe hinauf, verzichtete auf den Fahrstuhl. Als wir den Vorraum betraten, saßen alle an ihrem Platz und waren fleißig am Arbeiten. Keiner nahm mich so richtig war.
„Entschuldigung“, sagte ich, „ist Hyun-Woo beschäftigt?“
Der junge Mann auf Hyun-Woos Seite schaute zuerst auf.
„Hyun-Woo führt gerade eine Telefongespräch, aber ich denke, sie können ruhig hinein gehen Mr. Dremmler.“
Hoppla, was war das? Auf einmal kam ich mir unheimlich alt vor. Jetzt wurde ich schon mit Nachnamen angeredet.
„Lukas ist mein Name! So nennen mich alle.“
Mein Gegenüber wurde leicht verlegen.
„Ich weiß nicht, ob unserem Chef das recht ist, wenn wir Lucas sagen.“
„Ihr dürft und wenn er etwas dagegen sagt, dann schickt ihn zu mir!“
Der junge Mann und seine Kollegin daneben lächelten mich beide an. Ich nickte ihnen beiden noch einmal zu und schob dann Hyun-Woos Bürotür auf. Natürlich zog ich die Aufmerksamkeit meines Schatzes auf mich, als ich ins Büro trat.
„Ich melde mich dann in den nächsten Tagen! Danke!“
Er legte auf und verließ seinen Stuhl.
„Hallo Lucas!“, meinte er strahlend und umarmte mich.
Juen schob hinter sich die Tür wieder zu.
„Ich weiß nicht, ob das jemand mitbekommen darf“, meinte er verschüchtert.
Hyun-Woo entließ mich aus meinem angenehmen Gefängnis und wandte sich an Juen.
„Das ist kein Geheimnis!“
Erst jetzt fiel mir die große Fotografie hinter seinem Schreibtisch. Das waren wir von hinten im Sonnenuntergang. Arm in Arm.
„WOW, wo hast du das denn her? Wo wurde das gemacht?“, fragte ich verwundert.
„Von So-Woi. Erinnerst du dich an die Insel? So-Woi hat Bilder gemacht und das war, als wir dem Sonnenuntergang zu schauten.“
„Ich erinnere mich, aber ich wusste nicht, dass So-Woi Bilder geschossen hatte.“
„Die hat er mir auch erst vor kurzen gezeigt. Es gefällt dir?“
„Klar! Warum haben wir so etwas nicht in der Wohnung hängen?“
Hyun-Woo lächelte mich an.
„Was habt ihr den Tag über getrieben, ward ihr wieder einkaufen?“
„Getrieben haben wir es nicht, du weißt Juen steht auf Mädchen!“
Ups, das war mir jetzt so herausgerutscht. Hyun-Woo fing an zu lachen und Juen wurde feuerrot im Gesicht.
„Aber wenn du es genau wissen willst. Juen und ich waren heute sehr produktiv.“
„So? Was habt ihr denn gemacht?“
„Lucas plant eine große Weihnachtsfeier“, erzählte Juen.
„Das weiß ich, aber was meint Juen mit groß?“
„Ein mit der ganzen Familie und Freunden.“
„Freunden?“
„Ja, klar So-Woi und seine Großmutter und natürlich Jack, Jae-Joong mit seiner Schwester und Mutter…, Juen… und deine Mutter und Großmutter.“
Hyun-Woo hob seine Hand.
„Stop, das wird doch viel zu viel!“, meinte er besorgt.
„Ich habe viel Hilfe, ich mach nichts alleine.“
„Bist du sicher?“
Juen kicherte, was Hyun-Woos Aufmerksamkeit auf ihn zog.
„Er hat vier Damen um den Finger gewickelt, die jetzt alles für ihn machen.“
Hyun-Woo schaute mich mit großen Augen an.
„Gleich vier?“
Zu einer Antwort kam ich nicht mehr, denn Hyun-Woos Tür wurde aufgezogen und So-Woi kam herein.
Er lief an mir vorbei und bemächtigte sich der Fernbedienung. Wenige Sekunden später flammte der Fernseher auf. Dort kamen wohl gerade Nachrichten. Ich konnte gerade noch das Wort Übernahme lesen.
Ich schaute zu So-Woi und Hyun-Woo.
„Was stand da gerade?“, fragte ich besorgt, als ich deren Gesichter sah.
So-Woi schaute zu mir.
„Hallo Lucas…, mein Vater hat öffentlich gemacht, dass er meine Firma übernehmen wird.“
*-*-*
1 Kommentar
Ahnte ich es doch, dass da noch mal so richtig Spannung hinein kommt. Tolle Folge und Neugier auf die nächste