Regenbogenfamilie Teil 83 – Neues Jahr mit neuen Problemen

Der Neujahrsmorgen begann hektisch, da Dennis verschlafen hatte und Thomas und ich bereits im Bad waren. Zehn Minuten vor halb zehn Uhr stürmte er ins Bad und meinte, er müsse in zehn Minuten seinen Dienst im Gesindehaus antreten. Er sprang sofort unter die Dusche, während wir uns gerade rasierten. Keine drei Minuten später war er mit duschen fertig und scheuchte uns vom Waschbecken weg, da er sich noch seine Zähne putzen wollte.

Da wir mit dem Rasieren inzwischen fertig waren, gingen wir direkt unter die Dusche. Wir hörten noch, wie er das Bad verließ und zu Felix meinte, du kannst ins Bad, Peter und Thomas sind bereits in der Dusche.

Fünf Minuten vor zehn Uhr gingen Thomas, Felix und ich gemütlich ins Gesindehaus, damit wir mit unseren Gästen brunchen konnten. Vorher hatte sich Felix noch bei uns entschuldigt, wegen der Hektik die Dennis verbreitet hatte. Thomas sagte: „Kann doch jedem mal passieren, dass er verschläft, haben Peter und ich doch auch schon geschafft.“

Bis kurz nach halb zwölf Uhr futterten wir uns durch das umfangreiche Büfett, das Sebastian und seine Küchenmannschaft extra aufgefahren hatte, wobei ich klarstellen sollte, es waren nur Thomas und ich, Felix hatte sich längst wieder abgeseilt und flirtete mit seinem Dennis.

Sebastian trat aus der Kaffeeküche heraus und näherte sich unserem Tisch und fragte mich, wie mir der Brunch, den sie vorbereitet haben, geschmeckt hat. Ich sagte: „Thomas und ich haben uns mit vielen kleinen Portionen durch das Büfett durchprobiert. Ich habe nichts gefunden was mir nicht geschmeckt hat oder zu beanstanden wäre.

Du hast doch angekündigt, dass du im nächsten Jahr einmal im Monat ein Sonntagsbrunch veranstalten willst. Mit dem Angebot kannst du mit Sicherheit auch bei deinen Restaurant-Kunden punkten.

Sebastian grinste und erklärte: „Genau das wollte ich von euch hören, dass es euch geschmeckt hat und dass wir mit diesen und ähnlichen Gerichten im diesem Jahr den Pilotversuch Sonntagsbrunch starten können. Für die Kids und die Auszubildenden habe ich einen Fragebogen ausgearbeitet, den sie ausfüllen sollen und sagen was ihnen gut oder gar nicht gefallen hat.

Ich hoffe auf viele brauchbare Reaktionen von ihnen, damit ich besser abschätzen kann, wie ein Angebot für die Kinder und Jugendlichen beim Brunch aussehen sollte. Mit den drei Betreuern der Kids habe ich schon alles abgeklärt wegen der Fragebögen. Du solltest vielleicht noch mit den Auszubildenden reden wegen den Zetteln.

Da ich bisher noch keine Ahnung hatte, was alles am Nachmittag auf mich zukommen könnte, ich hatte nur einen Termin, der feststand. Um sechzehn Uhr wollte Mario Brunnmeier mit seinen Eltern vorbeikommen, um zum einen seinen Bruder Peter abzuholen, zum anderen wollten wir das entscheidende Gespräch mit seinen Eltern führen.

Wir wollten ihnen die Ausbildung von Peter zum Gärtnerei-Bürokaufmann in der Gärtnerei Winter schmackhaft machen, weil die Jungs beschlossen hätten, die Gärtnerei später gemeinsam zu führen. Peter würde sich vorwiegend auf den kaufmännischen Teil stürzen und Mario sollte den Gemüseanbau übernehmen.

Mario würde ihnen auch erklären, dass er eine Zusammenarbeit mit unserer Gärtnerei anstreben würde, um sich auf weniger Produkte zu konzentrieren und Manuel würde dafür diese Produktpalette an Mario vollständig abgeben und umgekehrt. Ein weiterer Punkt der Zusammenarbeit würde den gemeinsamen Vertrieb der Gartenbauprodukte betreffen.

Florian hatte gestern Mittag einen Zettel ans schwarze Brett gehängt, in dem sich diejenigen eintragen konnten, die noch ein persönliches Gespräch mit mir führen wollten. Als ich kurz vor dreizehn Uhr den Zettel vom Schwarzen Brett holte, war nur bei einem der sechs angebotenen Termine ein Name eingetragen. Ich las den Namen Sebastian Heilmann, der sich für halb drei Uhr eingetragen hatte und überlegte, was er mit mir noch besprechen will.

Ich ging zurück zu Thomas in den Saal und setzte mich zu ihm. Ich sagte: „So wie es aussieht habe ich heute nur zwei Termine am Nachmittag. Den großen Termin um sechzehn Uhr mit Familie Brunnmeier und eineinhalb Stunden vorher einen Termin mit Sebastian Heilmann.

Thomas grinste und meinte: „Du hast gleich noch einen Termin, in deinem Rücken schleicht sich Severin an und so wie es aussieht will er zu dir“

Ich drehte mich um und als er neben mir stand fragte er: „Kann man in der näheren Umgebung irgendwo rodeln? Wir haben extra die Snow-Glider mitgebracht und die sind bisher noch nicht zum Einsatz gekommen. Nachdem es seit heute Morgen wieder schneit und der Schnee derzeit gut liegen bleibt, könnten wir heute Nachmittag mit unseren Kids die Gelegenheit nutzen.“

Ich erklärte ihm: „Wenn ihr die Zufahrtstraße bis zur Hauptstraße benutzt und euch dort links orientiert, findet ihr in etwa einem Kilometer einen Hügel, der für kurze Abfahrten geeignet ist. Ich denke ihr werde nicht die einzigen sein, die heute dort beim Rodeln oder Skifahren sein werden.“

Severin antwortete: „Okay, dann werde ich meine Kids davon informieren, dass wir heute Nachmittag zum Rodeln gehen, der kleine Fußmarsch bis dorthin dürfte für sie kein allzu großes Problem sein“ meinte Severin, drehte sich um und ging in die Hotelhalle.

 

Thomas schaute mich an und meinte: „Ein kleiner Spaziergang dürfte uns auch nicht schaden. Ich denke wir könnten die Kids bis zum Rodelhügel begleiten, wir sollten nur darauf achten, dass wir rechtzeitig zu deinem Termin wieder zurück sind.“

 

Wir standen auf, gingen ebenfalls in die Lobby und Thomas meinte zu Severin: „Wir begleiten euch bis zum Rodelhügel und müssen nur darauf achten, dass wir gegen vierzehnuhrdreissig wieder zurück sind zu Peters Termin. Wir gehen kurz in unsere Wohnung, ziehen uns warme Winterjacken an und dazu vernünftiges Schuhwerk.“

 

Kurz vor dreizehn Uhr waren wir mit Severin, Konstantin und den Kids unterwegs zum Rodelhügel, den wir nach knapp zwanzig Minuten erreichten. Schon beim Näherkommen konnte man erkennen, dass es um diese Zeit noch ruhig zuging auf der kurzen Piste. Severin meinte, dass die Münchner Rodelhügel auch nicht größer, sondern eher etwas kleiner seien.

 

Er erklärte den Kids, dass sie bitte wie alle anderen am Rand der Piste nach oben steigen sollten und im mittleren Teil herunter rodeln sollten, so wie es die anderen Kinder auch handhaben. Damit entließ er sie in ihr Rodelvergnügen.

 

Wir schauten den Rodlern eine gute halbe Stunde zu bis mich Thomas daran erinnerte, dass wir beide so langsam den Rückweg antreten sollten, um rechtzeitig zu meinem Termin wieder im Gesindehaus zu sein. Wir stapften durch den Schnee, nicht entlang der Straße, sondern über einen Feldweg zurück zum Gutshof.

 

Thomas fragte mich, warum wir nicht den Weg nehmen, über den wir gekommen sind, so dass ich ihm erklärte, dass wir den Weg gehen würden, den wir als Kinder immer benutzt haben. Außerdem sei dieser Weg kürzer als der Umweg entlang der Staatstraße.

 

Wir waren wieder sehr früh zurück im Gutshof, so dass ich vor meinen Termin mit Sebastian Heilmann noch problemlos nach oben in unsere Wohnung gehen konnte und mich von der dicken Winterjacke und den Stiefeln befreien konnte.

 

Pünktlich für den Termin mit Bastian Hellmann stand ich im Gesindehaus. In der Lobby des Jugendhotels wurde ich bereits von unserem zukünftigen Auszubildenden erwartet. Wir gingen zusammen in eines der kleinen Besprechungszimmer setzen uns an den Tisch.

 

Ich fragte ihn, warum er mit mir einen weiteren Termin haben will, ich sei der Meinung gewesen, wir hätten bereits alles gesprochen. Sebastian antwortete mir: „Was meine Ausbildung anbetrifft, ist alles besprochen und geklärt. Mein Vater hat mir mitgeteilt, dass er den Ausbildungsvertrag unterschreiben wird, wenn er mich am dritten Januar abholt.

 

Offen ist aus meiner Sicht noch der Mietvertrag, den meine Eltern unterschreiben müssen, da ich am ersten September dieses Jahres, bei Ausbildungsbeginn noch nicht volljährig bin. Mich würde interessieren, wie es danach weitergeht, kann ich zum Beispiel vom Jugendamt Rosenheim betreut werden bis zu meinem achtzehnten Geburtstag.“

 

Ich musste erst einmal meine grauen Gehirnzellen bemühen, zu seiner Frage einer möglichen Vormundschaft. Ich versuchte ihm zu erklären: „So einfach wie du dir das vorstellst ist es leider nicht. Grundsätzlich sind deine Eltern für dich als Sorgeberechtigten zuständig, bis du die Volljährigkeit erreichst.

 

Nur wenn deine Eltern nicht mehr in der Lage sind, dieses Amt auszufüllen, wird vom Familiengericht ein Vormund bestellt. Das wäre der Fall, wenn deine Eltern versterben oder körperlich und geistig nicht mehr dazu in der Lage sind.

 

Es gibt eine Ausnahme, wenn deine Eltern erklären, dass sie das Sorgerecht nicht mehr ordnungsgemäß ausüben können, weil du eine weiter entfernte Ausbildungsstelle antrittst, können sie ihr Sorgerecht an das zuständige Jugendamt abgeben. Da dein Vater Anwalt ist, sollte er diese Möglichkeiten kennen.

 

Auf der anderen Seite, du bist jetzt bereits sechzehn und bei Ausbildungsbeginn hast du deinen siebzehnten Geburtstag schon hinter dir. Die wenigen Monate, die dir noch bis zur Volljährigkeit fehlen, sollten doch kein Problem für dich darstellen.“

 

Er blickte mich an und meinte: „Aus deiner Sicht betrachtet, gebe ich dir Recht, dass das für mich kein Problem darstellen sollte. Wenn meine Eltern den Mietvertrag nicht unterschreiben wollen, kann ich meine Ausbildung bei euch nicht antreten.“

 

Ich lachte und sagte: „Vor wenigen Tagen hast du mir erzählt, dass dein Vater nicht von deiner Berufswahl begeistert ist, er würde dich lieber als Nachfolger in seiner Kanzlei sehen und dass deswegen euer Verhältnis zueinander etwas gestört ist. Gibt es einen Grund, warum er die Unterschrift unter dem Mietvertrag nicht leisten sollte, vor allem, nachdem du mir erklärt hast, dass er deinen Ausbildungsvertrag übermorgen unterschreiben wird.“

„Möglicherweise ja“ meinte Sebastian und sprach weiter, „ich weiß seit etwa einem Jahr, dass ich bisexuell bin und inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich nicht doch schwul bin. Ich habe keine Ahnung wie meine Eltern reagieren, wenn ich mich bei ihnen als schwuler oder bisexueller Sohn oute. In letzter Zeit wünsche ich mir sogar, ich wäre als Mädchen auf die Welt gekommen. Dann wäre mein Vater nie auf die Idee gekommen, dass ich in seine Kanzlei einsteigen soll.“

 

Das waren Argumente, die ich nicht mehr so leicht entkräften konnte. Ich überlegte lange, wie ich auf seine Aussage reagieren könne und ließ mir dabei so einiges durch den Kopf gehen. Nach einer doch längeren Überlegungsphase versuchte ich ihm zu erklären.

 

„Mit deiner Aussage, du seiest bisexuell und möglicherweise sogar schwul, bringst du komplett neue Fakten in unsere Diskussion. Hinzu kommt, dass du dir nicht sicher bist, wie deine Eltern auf dein mögliches Outing reagieren. Wenn sie dich so akzeptieren, wie du bist, ändert sich für dich und deine Situation nichts.

 

Sollten sie deine Neigung auf Jungs abzufahren nicht anerkennen, stehen wir einer veränderten Ausgangslage gegenüber. Damit wissen wir immer noch nicht wie genau sie darauf reagieren. Werfen sie dich direkt aus dem Haus oder sind sie nur froh darüber dich in wenigen Monaten loszuwerden, weil du deine Ausbildung weit entfernt von zu Hause antrittst.

 

Rechtlich betrachtet sind deine Eltern trotzdem immer noch verpflichtet, für deinen Lebensunterhalt zu sorgen, bis du deine erste Ausbildung abgeschlossen hast. Was mir mehr Sorgen bereitet, wäre die Tatsache, dass du so kurz vor dem Abschluss die Schule wechseln müsstest, wenn deine Eltern so reagieren würden, wie du es angedeutet hast. Die einzige reelle Chance für dich sehe ich, wenn du in diesem Fall im Kinderheim in Gera vorübergehend unterkommen könntest.“

 

Sebastian lachte und meinte: „Sehr witzig, dann hätte Florian sogar richtig vermutet, dass ich aus dem Kinderheim in Gera zu euch als Auszubildender komme.“

 

Über diese Aussage musste selbst ich lachen. Trotz alledem, wir konnten heute keine endgültige Lösung für seine Besorgnisse finden. Das vernünftigste wird sein, in zwei Tagen mit seinen Eltern sprechen und alle Karten auf den Tisch zu legen, was ich ihm so auch erklärte. Erst danach sollten wir uns überlegen, wie es mit ihm bis zum Ausbildungsbeginn weitergehen wird.

 

Sebastian bedankte sich bei mir dafür, dass ich mir seine Sorgen und Nöte angehört habe und mit ihm übermorgen alles weitere mit seinen Eltern abklären werde. Wir verließen gemeinsam das Besprechungszimmer, da mein nächster Termin mit Familie Brunnmeier und den beiden Söhnen erst in etwa fünfundvierzig Minuten stattfinden sollte.

 

Thomas, der in der Lobby auf mich gewartet hatte, wollte wissen um was es in dem Gespräch mit Sebastian gegangen sei. Gleichzeitig schleppte er mich ins Untergeschoß, wo die zukünftigen Auszubildenden bereits ihr Turnier an den Konsolen gestartet hatten.

 

Auf dem Weg nach unten erzählte ich Thomas in Kurzform, was Sebastian und ich besprochen hatten. Er erklärte, dass er genauso erstaunt sei wie ich, mit welchen Gedanken sich der junge Mann beschäftigt. Meine Absprache mit Sebastian, in zwei Tagen mit seinen Eltern alles zu besprechen und danach eine Entscheidung zu treffen, wie es mit ihm weitergehen soll, fand er die vernünftigste Lösung.

 

Florian, Felix und Richard hatten das Turnier organisiert. Anfangs hatten sie die gegnerischen Paarungen ausgelost und danach sollte jeweils der Sieger eine Runde weiterkommen. Man hatte sich für eine Rennsimulation entschieden, so dass in jeder Runde eine andere Rennstrecke gefahren wurde. Damit war gewährleistet, dass für alle Fahrer immer annähernd gleiche Verhältnisse herrschten.

 

Man arbeitete mit einem Tableau ähnlich wie beim Tennis, bei zweiunddreißig Startern blieben nach der ersten Runde sechzehn Sieger übrig. Nach der zweiten Runde sollten nur noch acht Starter übrigbleiben. Im Halbfinale gab es noch vier Konkurrenten, die um den Einzug ins Finale kämpften. Danach folgte das Rennen um den dritten Platz und anschließend sollte das Finale ausgetragen werden.

 

Vom Plan her sollte das gesamte Turnier rund drei Stunden dauern, bis der Sieger ermittelt war. Um fünfzehn Uhr erfolgte die Auslosung und inzwischen waren die ersten Rennen der ersten Runde gestartet. Felix erklärte mir, dass bis jetzt alles nach Plan verlaufe und sie rechtzeitig zum Abendessen fertig sein würden. Ich könne im Anschluss an das Abendessen die Preisverteilung vornehmen.

 

Ich hatte im Vorfeld mit Florian die Preise für die drei Erstplatzierten besprochen und er hatte die Kuverts mit den Preisen vorbereitet. Wir hatten vereinbart, dass wir bis zur Siegerehrung nicht verraten würden, welche Preise es zu gewinnen gab.

 

Zehn Minuten vor meinem nächsten Termin ging ich zusammen mit Peter Brunnmeier nach oben in die Lobby, um seine Eltern und seinen Bruder zu erwarten. Unterwegs erklärte er mir, dass er sein Rennen, wegen seiner Nervosität, brutal vergeigt hatte und nicht in die zweite Runde gekommen ist. Ich meinte dazu, dass das doch nicht so tragisch sei und er sich ab sofort nur noch auf das wichtige Gespräch konzentrieren könne.

 

Er grinste und meinte. „Stimmt auch wieder, wäre schön blöd gewesen, wenn er während des Gesprächs sein nächstes Rennen hätte absolvieren müssen.“

 

In der Lobby erwartete uns bereits Mario, der Bruder von Peter und meinte, seine Eltern seien unterwegs und würden in den nächsten Minuten eintreffen. Damit sie nicht sofort mitbekommen, dass er ebenfalls an dem Gespräch teilnehmen wird, würde er am liebsten aus der Lobby verschwinden. Ich meinte, er solle doch bereits in den Gruppenraum am Ende des Flurs vorausgehen, wir würden mit seinen Eltern dorthin nachkommen.

 

Peter Brunnmeier erklärte, ich flitze kurz noch hoch in mein Zimmer und hole die Unterlagen, die wir meinen Eltern zum Unterschreiben vorlegen wollen.

 

Etwa drei Minuten später betrat ein Ehepaar, beide so etwa um die Fünfzig das Gesindehaus. Sie hatte braune lange Haare und war sehr elegant gekleidet. Ihr Mann hatte schon schütteres, etwas angegrautes kurzes Haar und war im Gegensatz zu seiner Frau eher bieder gekleidet.

 

Ich ging auf die beiden zu und stellte mich als Peter Maurer, Chef der Gutshof-Gruppe vor. Ich erklärte, dass ihr Sohn Peter noch kurz in sein Zimmer sei, um seine Vertragsunterlagen zu holen.

 

Gleichzeitig wurde es etwas lauter in der Hotellobby, da ein erster Teil der Kids, die beim Rodeln waren von ihrem Freizeitvergnügen zurückkehrten. Frau Brunnmeier fragte mich sofort, ob das auch Bewerber für einen Ausbildungsplatz wären. Ich lachte und erklärte, dass es sich um eine Gruppe von Heimkindern aus einem Münchner Kinderheim handelt, die hier ihre Winterferien verbringen und von ihrem nachmittäglichen Rodelausflug ins Haus zurückkehrten.

 

Ich schob noch hinterher, dass sie noch keine Bewerber seien, ich das aber nicht ausschließen könne, dass einige von ihnen sich möglichweise in der Zukunft bei uns bewerben könnten. Alle Bewerber um einen Ausbildungsplatz sind derzeit im Untergeschoß, wo sie ein Turnier an den Konsolen veranstalten, das vor einer Stunde gestartet wurde.

 

Unbemerkt hatte sich in unserem Rücken Peter mit seinen Unterlagen angeschlichen und begrüßte herzlich seine Eltern. Seine Mutter wollte sofort wissen, wie es ihm ergangen sei in den letzten Tagen, da er sich nur einmal zu Hause gemeldet hatte und warum er nicht bei den anderen beim Zocken sei.

 

Peter grinste seine Mutter an und erklärte: „Ich bin leider bereits in der ersten Runde rausgeflogen, da ich mich nicht auf das Autorennen konzentrieren konnte. Warum ich mich so wenig gemeldet habe, ist schnell erklärt, hier war immer etwas los. Einen Nachmittag waren wir in der Therme in Aibling, einmal bei einer Brauereibesichtigung.

 

Ansonsten hatten wir vormittags Vorträge und Bewerbungsgespräche. Gestern Abend die große Silvesterfeier, zusammen mit den Kids vom Münchner Kinderheim und den aktuellen Auszubildenden der Gutshof-Gruppe. Der Höhepunkt war nach Mitternacht das Riesen-Feuerwerk, dass am Gutshof veranstaltet wurde.“

 

Peters Eltern sahen mich fragend an und so erklärte ich: „Das Feuerwerk ist nicht von uns in Auftrag gegeben worden, es war der Höhepunkt für die Gäste der Silvestergala und wurde vom Caterer Herrn Baumann veranstaltet.“

 

Ich meinte, wir sollten uns für unser Gespräch in einen der Gruppenräume zurück­ziehen, denn wenn die restlichen Kids vom Rodeln zurückkommen, wird es sicher noch etwas lauter in der Lobby werden. Wir gingen über den kurzen Flur zu dem Gruppenraum, der in der Silvesternacht als Chill-Out-Bereich genutzt wurde.

 

Beim Eintritt blieben Peters Eltern abrupt stehen und wollten wissen, wieso ihr Sohn Mario hier sei. Ich meinte, sie sollten sich doch erst einmal setzen, dann könnten ihnen ihre beiden Söhne in aller Ruhe erklären, warum die gesamte Familie hier in unserem Gesindehaus zu diesem Termin zusammengekommen ist. Mutter Brunnmeier schaute fragend zwischen ihren beiden Söhnen hin und her, bevor sie sich entschloss, sich zu setzen.

 

Vater Brunnmeier blieb unschlüssig stehen und man konnte ihm ansehen, dass er nicht sonderlich begeistert war, seinen ältesten Sohn Mario hier anzutreffen. Erst als seine Frau ihn unmissverständlich aufforderte sich endlich zu setzen, setzte er sich neben seine Gattin.

 

Bevor die Eltern etwas sagen konnten, erklärte ich: „Wir sind hier zusammenge­kommen, weil ihnen ihre Söhne einen Vorschlag unterbreiten wollen, der für die Zukunft der Gärtnerei von großer Bedeutung sein könnte. Sie haben mich gebeten, bei diesem Gespräch als Mediator aufzutreten, so wie ich es bereits bei einem Gespräch mit ihren beiden Jungs getan hatte.

 

Ich denke, als erster sollte ihr Sohn Peter zu Wort kommen, denn er ist derjenige, der sich bei uns als Auszubildender in der Gärtnerei Winter, auf ihren Druck hin beworben hat. Das Vorstellungsgespräch ihres Sohnes war aus meiner Sicht eine gekonnte schau­spielerische Leistung, wie ein Einstellungsgespräch mit einer Absage beendet wird. Was er dabei nicht bedacht hatte, wurde ihm in diesem Fall zum Verhängnis.

 

Mir kam sein Verhalten sehr eigenartig vor, so dass ich ihn am Abend zu einem Vier-Augen-Gespräch gebeten habe. Dort konfrontierte ich ihn mit meinen Erkenntnissen und wollte von ihm wissen, warum er sich so verhalten hat. Es dauerte, bis er sich mir anvertraute und mit der vollen Wahrheit herausrückte. Wie es weiterging, sollen euch jetzt eure beiden Söhne erklären. Peter, du bist jetzt dran.“

 

Peter, der sich neben seinen Bruder Mario gesetzt hatte, ergriff dessen Hand und erzählte: „Ich habe Peter, meinem obersten Chef, erzählt, dass ich eigentlich einen kaufmännischen Beruf ergreifen will, aber von meinem Vater dazu gezwungen wurde, eine Ausbildung in einer Gärtnerei zu absolvieren, da ich anstelle meines Bruders, der bereits die gärtnerische Laufbahn eingeschlagen hatte, die Gärtnerei übernehmen sollte. Als Grund nannte ich Vaters Aussage, mein Bruder sei nach seinem schweren Unfall nicht mehr in der Lage, die Gärtnerei zu führen.

 

Ich war so sauer auf dich, weil du nie bemerkt hast, wie sehr sich Mario darum bemühte, dir zu beweisen, dass er trotz seines Handicaps, sehr wohl in der Lage sei die Gärtnerei zu leiten. Dass unser gemeinsamer Plan, in die Hose gegangen ist, lag daran, dass Peter ein aufmerksamer Zuhörer ist und anscheinend die richtigen Schlüsse daraus gezogen hat.

 

Noch am selben Abend trafen wir uns zu einem ersten Gespräch, bei dem Mario, Peter, Manuel und ich zusammengesessen sind und nach einer Lösung suchten. Da Manuel und Mario sich aus ihrer gemeinsamen Berufsschulzeit kannten, und er sehr gut verstand, wie es Mario dabei ging, von dir abgeschoben zu werden, wollte er uns helfen, eine vernünftige Lösung zu finden.“

 

Peter legte eine kurze Pause ein, die sein Vater sofort dazu nutzte, um zu kommen­tieren, dass er wüsste, warum Manuel sich in Marios Lage versetzen konnte. Er wurde von seinem Vater genauso kaltgestellt, wie ich es bei Mario gemacht habe, nur war bei ihm der Auslöser kein Unfall, sondern sein Outing bei seinen Eltern.

 

Danach durfte Peter weitersprechen: „Nachdem wir Peter, meinem zukünftigen Chef, erklärt hatten, dass wir schon darüber gesprochen haben, die Gärtnerei eventuell gemeinsam zu bewirtschaften, meinte er, wir sollten doch genau diesen Plan umsetzen. Ich sollte mich schwerpunktmäßig um den kaufmännischen Bereich kümmern und Mario für den Ablauf und die Arbeiten im Anbaubereich.

 

Peter schlug Manuel vor, dass ich doch eine Ausbildung zum Bürokaufmann in der Gärtnerei Winter absolvieren könne, damit würde er seinem aktuellen Auszubildenden Richard die Chance geben, sich auf die gärtnerischen Tätigkeiten zu konzentrieren und ich hätte die Möglichkeit alle kaufmännischen Belange einer Gärtnerei, bis hin zur hauseigenen Buchhaltung zu erlernen.

 

Da jetzt für Mario und mich die Voraussetzungen geschaffen waren, später gemeinsam den elterlichen Gartenbaubetrieb gemeinsam zu führen, mussten wir nur noch einen Weg finden, wie wir euch diese Lösung schmackhaft machen können. Alles weitere wird euch jetzt Mario erklären.“

 

Mario schaute zuerst seinen jüngeren Bruder an und sagte danach: „Dass der Weg euch das zu erklären unser heutiges Gespräch ist, dürfte inzwischen bei euch angekommen sein. Wir haben sogar weitergehende Pläne, aber bevor ich euch die erkläre, wollen wir von dir Mama und dir Papa wissen, wie ihr zu unserem bisherigen Vorschlag steht.“

 

Vater Brunnmeier erklärte: „Wenn ich das lächelnde Gesicht meiner Frau betrachte, kann ich erkennen, dass ihr euer Vorschlag zur Lösung der Nachfolge im Gemüseanbau­betrieb weitaus besser gefällt als meine Vorstellungen, wie es langfristig weitergehen soll. Ich habe nur zusätzlich die Befürchtung, dass der Gemüseanbau auf Dauer nicht zwei Familien und die Mitarbeiter ernähren kann.

 

Vor allem, wenn ich mir die Geschäftsentwickelung der letzten beiden Jahre betrachte, fällt es mir immer schwerer, mir das vorzustellen. Mengenmäßig haben wir den Ertrag steigern können, während die Erlöse dafür stagniert sind. Finanztechnisch ist unser Umsatz wie vor zwei Jahren, trotz höherer Ernteerträge. Wenn ich bei meiner Vorstellung bleibe und dir deinen jüngeren Bruder vor die Nase setzen will, wie würdest du darauf reagieren?“

 

Mario schaute ihn an, bevor er etwas sagen konnte, antwortete Pit: „Dann wirst du uns beide verlieren, in diesem Fall würden ich die Nachfolge nicht antreten und bei der Gärtnerei Winter nach meiner Ausbildung bleiben. Mario wird in diesem Fall ebenfalls zur Gärtnerei Winter wechseln und dort werden in den nächsten Jahren die Anbauflächen ausgeweitet mit freiwerdenden Pachtflächen, die der Gutshofstiftung gehören.

 

Manuel schafft es heute kaum noch die Mengen anzubauen, die er an seine Abnehmer verkaufen könnte, selbst wenn in der Gutshofküche vorwiegend das Gemüse verarbeitet wird, dass der Handel nicht abnimmt. Im Übrigen hat uns Peter bereits die Zusage gegeben, dass wir in diesem Fall in der Gutshof-Gruppe beschäftigt werden.“

 

Peter schaute wieder zu Mario und der erklärte: „Ja Papa so seht die Sache aus, entweder wir beide oder keinen von uns. Damit hätte sich dann auch der Punkt, dass wir dir unser Konzept für die Zukunft vorstellen wollen, von selbst erledigt. Mit diesem Konzept würden wir genau den Spagat machen, damit zwei Familien dauerhaft davon leben können.

 

Ein weiterer Punkt, der für Peter spricht, er bietet für Firmenmitarbeiter vergünstigte Betriebswohnungen an, die wir dann in Anspruch nehmen können. Du kannst die Gärtnerei an Peter verkaufen, er wird dann nur das verwirklichen, was wir uns zusammen mit ihm und Manuel überlegt haben. Du kannst im Grunde genommen nur zwischen zwei Szenarien auswählen, entweder zusammen mit uns und der Gärtnerei Winter oder ohne uns und einem weiter so wie bisher.“

 

Ihr Vater schaute mich an, und meinte zu mir: „Herr Maurer, ich kann einfach nicht glauben, was mir meine beiden Söhne eben erklärt haben. Sie können mir doch nicht einfach meine beiden Söhne wegnehmen und ich soll dem auch noch tatenlos zusehen.“

 

Als er das gesagt hatte, grinste seine Frau und erklärte: „Ferdinand, Herr Maurer braucht dir deine Söhne gar nicht erst wegnehmen, denn mit deiner Verbohrtheit, treibst du sie ihm direkt in seine Arme. Du denkst immer noch, dass alle nach deiner Pfeife tanzen müssen. Wir haben unsere Kinder nicht umsonst zu mündigen mitdenkenden Menschen erzogen, die für sich selbst Entscheidungen treffen können. Die beiden haben für ihre gemeinsame Zukunft eine Entscheidung getroffen, entweder du akzeptierst sie oder eben nicht.

 

Du solltest dir vorher aber noch ihr Konzept und ihre Vorstellungen für die Zukunft anhören, bevor du diese Entscheidung triffst und sie für immer verlierst. Wenn ich mir so betrachte, was sich hier am Gutshof in den letzten zweieinhalb Jahren so alles verändert hat, muss Herr Maurer ein sehr glückliches Händchen bei seinen Entscheidungen gehabt haben.“

 

Ich meinte: „Jetzt übertreiben sie bitte nicht Frau Brunnmeier, die Entscheidungen habe ich nicht immer allein getroffen, meine jungen Mitarbeiter haben mit ihren guten Ideen einen großen Teil zum Erfolg mit beigetragen. Ich lenke nur alles in die richtigen Bahnen, das ist mein persönlicher Verdienst dabei.

 

Sie dürfen mich im Übrigen gerne Peter nennen, ihr Sohn hat zur besseren Unter­scheidung inzwischen den Spitznamen Pit erhalten, damit wir nicht immer beide reagieren, wenn nach einen Peter gerufen wird. Außerdem halte ich es in allen Unternehmen so, dass ich immer mit meinem Vornamen angesprochen werden will.

 

Ich denke es ist an der Zeit eurem Vater eure Vorstellung und unser Konzept zu erklären, vielleicht sieht er es am Ende doch als die bessere Lösung an, wie die Gärtnerei erfolgreich in die Zukunft geführt werden kann. Wenn nicht werden wir den Weg ohne ihn beschreiten.“

 

Mario meinte dazu: „Peter bevor wir in unsere persönlichen Vorstellungen einsteigen, solltest du unseren Eltern, das von deiner Tochter und dir entwickelte Konzept der Erzeuger­gemeinschaft Bio-Bauern und ihre Hofläden erklären, den letztendlich wird es eine ähnliche Zusammenarbeit sein.“

 

Ich erklärte: „Meine Tochter war der Meinung, dass sie mit Produkten von anderen Biobauern aus dem Landkreis Rosenheim ihren Hofladen noch interessanter für ihre Kunden machen könne. Anfangs wurden im Hofladen nur die Produkte verkauft, die im Gutshof und der Gärtnerei hergestellt wurden. Vor etwa eineinhalb Jahren haben wir deshalb alle Biolandwirte aus dem Landkreis angeschrieben und zu einer Info-Veranstaltung am Gutshof eingeladen.

 

Wir haben dort unser Konzept vorgestellt und wurden von einigen sogar belächelt. Einige Landwirte konnten sich doch dafür erwärmen und wir starteten das Projekt. Fast alle die sich von Anfang an angeschlossen haben ihre Produkte mit eingebracht.

 

Da der Lieferwagen der Gärtnerei in seiner täglichen Runde nicht nur seine Produkte transportierte und verteilte, sondern bei den Betrieben auch Waren aufgenommen und weiter verteilt werden, konnten alle mit einem erheblich erweiterten Sortiment aufwarten.

 

Schon nach der ersten Woche erklärte mir meine Tochter, dass wir, obwohl wir einige Kunden beim Direkteinkauf verloren hätten, das erweiterte Sortiment den Verlust mehr als nur ausgeglichen hat. Das hat sich in den kommenden Wochen auch bei allen beteiligten Landwirten eingestellt.

 

Eine unserer Kundinnen bedankte sich dafür, dass wir ihr mit diesem Konzept viele längere Fahrten zu den anderen Hofläden ersparen würden. Die Kollegen, die uns anfangs noch belächelt hatten, entschieden sich nach und nach der Erzeugergemeinschaft beizutreten. Ausschlaggebend war ein Gespräch mit einem der Landwirte, der sich bei mir beschwerte, dass wir ihm den Umsatz weggenommen hätten.

 

Ich erklärte ihm damals, dass er seine Rückgänge selbst zu vertreten habe, die Kunden, die in einem der Läden der Erzeugergemeinschaft ein gleichwertiges Produkt finden, werden sich kaum die Mühe machen, wegen einem Kilo Mehl extra zwanzig oder dreißig Kilometer durch die Gegend zu fahren, um bei ihm einzukaufen.

 

Inzwischen haben wir in der Erzeugergemeinschaft einen Aufnahmestopp verhängt, derzeit werden nur noch Produzenten neu aufgenommen, die Produkte anbieten, die es bisher in den Läden nicht zu kaufen gibt. Inzwischen stehen wir sogar mit einer kleinen Brauerei in Verhandlungen, die einige Bio-Biersorten und Bio-Limonaden anbietet.“

 

Frau Brunnmeier erklärte dazu: „Ihr sei das bei ihren Einkäufen schon aufgefallen, dass das Sortiment nach und nach größer wurde und ihr einige Fahrten deswegen erspart geblieben sind. Ach Peter, du darfst ruhig Gertraud zu mir sagen, ich finde das persönlicher als Frau Brunnmeier.

 

Gut finde ich auch die Neuerung beim Fleischverkauf. Mit eurer Internet-Plattform, wo ich Fleisch und Wurstwaren direkt beim Erzeuger bestellen kann und im Hofladen meiner Wahl abholen, bleiben mir weitere zusätzliche Fahrten erspart.“

 

Ich bat Mario uns jetzt das Konzept für den Gemüse- und Früchteanbau näher zu erläutern, damit sein Vater erkennen kann, was wir uns dafür hatten einfallen lassen.

 

Mario fing an seinem Vater zu erklären: „Die Erzeugergemeinschaft Bio-Bauern wird um zusätzliche Gartenbaubetriebe erweitert, die Bioprodukte anbieten. Manuel und ich haben bereits vereinbart, dass wir unsere gesamte Gemüsepalette aufteilen wollen und jeder nur noch ein Teilsortiment für die Erzeugergemeinschaft produziert.

 

Unser bisheriger Gemüse-Laden wird dabei in einen innerstädtischen Hofladen umgewandelt, der zukünftig die gesamte Bandbreite der Bioprodukte der Erzeugerge­meinschaft anbieten wird. Allein damit können wir unseren Umsatz um einiges steigern. Peters und Manuels Problem, allein nicht genügend Ware produzieren zu können, das bei ihnen inzwischen nachgefragt wird, können wir mit unserer Gärtnerei lösen.

 

Bei weiter steigendem Bedarf werden wir zusammen noch verpachtete Flächen übernehmen und damit die Produktion ausweiten, was zusätzliche Arbeitsplätze schaffen würde. Wir haben aber auch kein Problem damit, wenn sich weitere Gartenbaubetriebe anschließen und wir gemeinsam die wachsende Nachfrage nach Bioprodukten abdecken können.

 

Hinzu kommt, dass wir uns einen größeren Pool von Erntehelfern zulegen können, der sowohl bei der Gärtnerei Winter als auch bei uns oder anderen Gärtnern eingesetzt werden kann. Das hätte sogar den Vorteil, dass wir einige Erntehelfer durchgehend das ganze Jahr beschäftigen können, da ja nicht immer alle Produkte zur gleichen Zeit Saison haben oder geerntet werden können.“

 

Herr Brunnmeier hatte sich das bis dahin angehört und erklärte: „Das heißt, ihr wollt die Gärtnerei auf Bioprodukte umstellen und eure Produkte in der Erzeugergemeinschaft vertreiben. Was wird aus unseren Abnehmern, die nur konventionell angebaute Produkte ihren Kunden anbieten wollen. Werden die einfach vor die Tür gesetzt.“

 

Mario lachte und erklärte seinem Vater: „Wir werden keinen Abnehmer vor die Tür setzen. Wir werden nicht auf einen Schlag auf Bioanbau umstellen können, sondern nur dass, was wir für die Erzeugergemeinschaft brauchen. Wir haben dabei mit eingeplant, dass wir einige Produkte als konventionelle Ware abgeben, obwohl sie Bio produziert wurde.

 

Papa, im Gespräch mit Peter und Manuel haben wir festgestellt, dass wir einige Kunden verloren haben, die inzwischen auf den Verkauf von Bioprodukten umgestiegen sind und bei der Gärtnerei Winter einkaufen. Wir haben eindeutig verschlafen unseren Anbau an die geänderten Kundenanforderungen anzupassen.

 

Nur mit der langsamen Umstellung auf Bioprodukte haben wir langfristig noch reell eine Chance zu überleben. Du hast vorher selbst gesagt, der Umsatz stagniert, vor allem weil unsere Produkte weniger nachgefragt werden. Sollen wir weitermachen wie bisher und abwarten bis der Umsatz noch weiter einbricht und wir unser Gemüse überhaupt nicht mehr verkaufen können.

 

Zu den Kunden, die wir verloren haben, gehört zum Beispiel, der Caterer Baumann, der seinen Bedarf inzwischen bei Manuel eindeckt. Teilweise sogar mit Ware, die bei uns auf dem Kompost landet, weil sie nicht der Handelsnorm entspricht. Er kauft hochwertige Ware, die er zum Preis von konventioneller Ware bekommt, halt nur mit Schönheitsfehlern.

 

Die Gärtnerei Winter konnte ihren Ausschuss auf diese Weise um rund fünfzig Prozent reduzieren, weitere zwanzig bis dreißig Prozent übergeben sie an die Rosenheimer Tafel. Der Rest und sämtliche Bioabfälle vom Restaurant oder den Bewohnern werden ab nächstem Jahr in einer eigenen Anlage kompostiert und als Dünger eingesetzt.

 

Vor allem, Manuel hat Anfragen von kleineren Händlern, die seine Produkte verkaufen wollen, die er aber bisher nur mit seinen Überschüssen bei der Produktion beliefern kann, zumindest bis er in ein oder zwei Jahren seine Produktion ausweiten kann. Das Wichtigste ist jedoch, er hat Supermarktgruppen, die ihm vertraglich garantierte Mengen abnehmen. Damit kann er jetzt bereits planen, was er nächstes Jahr anbauen kann.

 

Papa du kannst dir sicher sein, dass uns weder Peter noch Manuel über den Tisch ziehen wollen. Bis jetzt haben alle, die sich an der Erzeugergemeinschaft beteiligt haben, nur Vorteile daraus gezogen. Peter hat uns erzählt, dass bisher nur ein Erzeuger sich zurück­gezogen hat und inzwischen bedauert, nicht mehr in die Erzeugergemeinschaft aufgenommen zu werden wegen des verhängten Aufnahmestopps. Es liegt allein an dir wie es bei uns weitergehen wird.“

 

Herr Brunnmeier blickte zwischen seinen beiden Söhnen hin und her und bevor er etwas sagen konnte, ließ ich meine Bombe platzen, indem ich erklärte: „Herr Brunnmeier, ich würde ihnen sogar die Gärtnerei Huber GmbH abkaufen, damit ihre beiden Söhne ihre Träume verwirklichen können und einer Zusammenarbeit mit der Erzeugergemeinschaft nichts mehr im Weg steht.“

 

Pit und Mario schauten mich überrascht an, da das zwischen uns nicht so besprochen war. Pit schaute seine Eltern an und meinte; „Peter, über einen Verkauf der Gärtnerei an dich haben wir nicht gesprochen, aber wenn das der einzige Weg sein soll, dass wir, Mario und ich, unseren Plan umsetzen können, dann würde ich zustimmen. Mario ich hoffe, du siehst das genauso wie ich.“

 

Mario grinst und antwortete: „Klar sehe ich das genauso wie du. Wenn ich das richtig einordne, haben meine Eltern jetzt folgende Möglichkeiten. Erstens, weiter so wie bisher, aber ohne uns beide. Zweitens, weiter mit uns beiden und der Umstellung auf Bioanbau und Verkauf über die Erzeugergemeinschaft mit Hofladen. Drittens, Verkauf der Gärtnerei an die Gutshof-Gruppe, ebenfalls mit Hofladen und wir als Angestellte oder leitende Mitarbeiter der Gärtnerei Huber GmbH.“

 

Gertraud, die Mutter der beiden Jungs meinte „Wenn ihr von mir eine ehrliche Antwort haben wollt, ich würde mich für den zweiten Weg entscheiden. Die Gärtnerei verbleibt im Familienbesitz und kann von unseren Jungs weitervererbt werden. Ich kann mir sehr gut vorstellen, zukünftig unseren Laden als Hofladen zu führen, in dem wir nicht nur unsere Produkte verkaufen, sondern auch die sonstigen Bioprodukte aus der Erzeugergemeinschaft unseren Kunden anbieten können.

 

Sicher werden uns nicht vom ersten Tag an die Kunden überrennen, aber wenn es sich einmal herumgesprochen hat, dass wir ein erweitertes Angebot an biologisch erzeugten Produkten anbieten und vorbestelltes Fleisch bei uns abgeholt werden kann, kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir höhere Umsätze durch den Direktverkauf erzielen.“

 

Als sie geendet hatte kehrte Ruhe in die Runde ein. Alle drei schauten ihren Vater, beziehungsweise ihren Gatten an und warteten auf eine Reaktion von ihm. Zumindest hatte Gertraud mit ihrer Aussage ihre Meinung kundgetan, die sich mit der Aussage ihrer beiden Söhne deckte.

 

Dass die Entscheidung für Herrn Brunnmeier nicht einfacher geworden ist durch mein Angebot, die Gärtnerei Huber zu übernehmen, war für mich offensichtlich. Aber wie sahen die anderen drei die Situation. Gut, die beiden Jungs hatten gemeint, wenn es nicht anders ginge, würden sie meinem Vorschlag zustimmen.

 

Ich wollte schon ansetzten und weitere Erläuterungen zu meinem Angebot abgeben, als Herr Brunnmeier sagte: „Mit einem Verkauf der Gärtnerei an den Gutshof habe ich so meine Probleme, noch bin ich nicht im rentenfähigen Alter und ich möchte schon noch die nächsten zwanzig Jahre weiterarbeiten. Also fällt diese Lösung für mich aus den angebotenen Möglichkeiten heraus.

 

Ohne mit einem oder sogar beiden Söhnen weiterzuarbeiten, ergibt für mich langfristig betrachtet auch keinen Sinn, denn wenn ich eines Tages aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht mehr arbeitsfähig sein sollte, muss ich entweder verkaufen oder die Gärtnerei stilllegen.

 

Ich kann ich mir derzeit immer noch nicht vorstellen, dass beide Söhne langfristig ihren Lebensunterhalt mit der Gärtnerei erwirtschaften können. Das kann unter Umständen gut gehen, wenn die Produktionsflächen ausgeweitet werden, was aber wiederum bedeutet, dass weitere Anbauflächen gekauft oder gepachtet werden müssen.

 

Im Grunde genommen sind wir immer noch keinen Schritt weiter. Könnte nicht Mario als Mitarbeiter der Gärtnerei Winter beschäftigt werden und Peter, so wie ich es mir vorgestellt habe, die Gärtnerei Huber langfristig betrachtet übernehmen. Damit hätten beide ihr Auskommen und wenn Peter später mit euch zusammenarbeiten will, kann er das immer noch machen, wenn er allein das Sagen hat.“

 

Ich erkannte, dass es aktuell keinen Sinn ergeben würde, weiter über das Thema mit ihm zu diskutieren, deshalb unterbreitete ich folgenden Vorschlag: „Ich denke wir sollten an dieser Stelle unser Gespräch abbrechen und weiter überlegen, ob es noch andere Lösungsmöglichkeiten gibt, die euer Vater möglicherweise akzeptieren kann. Sollte in den nächsten Monaten keine Einigung möglich sein, müsst ihr beide, Pit und Mario, für euch eine Entscheidung treffen, wie ihr euer zukünftiges Leben gestalten wollt.

 

Ich kann euch von meiner Seite nur anbieten, dass ihr in der Gärtnerei Winter immer willkommen seid, da wir ohne die Gärtnerei Huber GmbH langfristig unsere eigenen Produktionsflächen gewaltig erweitern müssen. Im schlimmsten Fall auch über den Ankauf einer anderen Gärtnerei, die keinen eigenen Nachfolger hat.

 

Manuel werde ich darauf ansetzen, dass er sich umschaut, eine Gärtnerei zu finden, die mit ihm eine Produktionsgemeinschaft bilden will. Mario, du kannst dich bei deinen Gärtnerkollegen umsehen, ob in absehbarer Zeit, eine Gärtnerei zum Verkauf ansteht.“

 

Ich sah noch, dass Mario zu grinsen anfing und mir war in dem Moment klar, dass bei ihm bereits eine Entscheidung gefallen war. jetzt musste ich nur noch abwarten, bis er mir seine Vorstellungen unterbreitet.

 

Er sagte zu seinem Bruder: „Du kannst direkt mit Mama und Papa nach Hause fahren, ich würde gerne mit Peter noch ein Gespräch unter vier Augen führen.“

 

An seine Eltern gerichtet erklärte er. „Unterschreibt ihr jetzt den Ausbildungsvertrag eures Sohnes Peter oder hat sich seine Bewerbung bei der Gärtnerei Winter mit diesem Gespräch von selbst erledigt?“

 

Herr Brunnmeier stand auf und meinte nur, dass er draußen am Auto auf seine Frau und Peter warten würde. Gertraud rief ihm noch hinterher: „Du kannst sofort nach Hause fahren, ich komme später mit Mario und Peter nach.“

 

Nachdem die Tür wieder ins Schloss gefallen war, meinte Mario: „Wie gesagt, ich möchte mit Peter ein Vier-Augen-Gespräch führen, würdet ihr beide bitte draußen in der Lobby auf mich warten, wenn ihr schon nicht mit Papa zurückfahren möchtet.“

 

Gertraud meinte: „Ich habe Vater extra weggeschickt, weil ich sauer auf ihn bin. Er benimmt sich wie ein kleines Kind, dem man nicht erlaubt, mit seinem Dickkopf, seine Wünsche durchzusetzen. Mario ich habe dein Grinsen sehr wohl bemerkt, als Peter vorher vom Ankauf einer Gärtnerei gesprochen hat. Ich denke du hast einen Plan und kennst eine Gärtnerei, die zum Verkauf steht. Ich denke, dein Bruder und ich sollten sehr wohl bei dem Gespräch mit dabei sein. Ich stehe zumindest hinter euren Plänen für die Zusammenarbeit und gemeinsamer Fortführung der Gärtnerei Huber.“

 

Bevor Mario etwas sagen konnte, erklärte ich: „Dass du einen Plan zu haben scheinst, habe selbst ich bemerkt, dass es sich dabei um eine Gärtnerei handeln könnte, war mir nicht von Anfang bewusst. Die Aussage deiner Mutter, dass du möglicherweise eine zum Verkauf stehende Gärtnerei kennst, ist deshalb nicht von der Hand zu weisen. Warum sollen die beiden deswegen nicht beim Gespräch dabei sein?“

 

Mario erklärte: „Gut, ich gestehe ein, dass ich dir vorschlagen wollte mit mir gemeinsam eine Gärtnerei anzuschauen, die möglicherweise noch zum Verkauf steht. Mutter wollte ich nicht dabeihaben, weil sie meine Pläne nicht vor meinem Vater verschweigen kann. Pit hätte ich gern dabeigehabt, aus Rücksicht auf seine unglückliche Situation, wollte ich ihn vorerst aus dem Ganzen heraushalten, da ich nicht sicher bin, ob die Gärtnerei noch zum Verkauf steht.

 

Wenn sich die Idee positiv entwickelt, hätte ich meinen kleinen Bruder sofort mit ins Boot geholt. Soll Vater doch mit seiner Gärtnerei machen, was er will. Wenn er mich erfolgreich aus der Gärtnerei hinausbefördert hat, werde ich mit Hilfe von Peter meinen eigenen Weg gehen. Ob mit Pit oder ohne ihn, dass kann er am Ende selbst entscheiden.“

 

Gertraud erklärte: „Wenn euer Vater so weitermacht, werde ich nicht mehr lange bei ihm bleiben, vor allem nicht, wenn er seine beiden Söhne aus dem Haus vergrault. Ich war von Anfang an dagegen, dass Peter eine Gärtnerausbildung machen soll, um später die Gärtnerei zu übernehmen. Deshalb habe mir eure Pläne gefallen, die Gärtnerei zukünftig gemeinsam zu führen.

 

Was mir noch etwas Kopfzerbrechen bereitet ist eure Absicht der Erzeugerge­meinschaft beizutreten oder eine Produktionsgemeinschaft zu bilden. Aus meiner Sicht bringt euch weder das eine noch das andere irgendwelche Vorteile.“

 

Diesmal antwortete ihr Pit: „Mama, das siehst du völlig falsch, klar bringt es Vorteile. Grundsätzlich ist es so geregelt, dass in der Gärtnerei nur noch produziert wird. Alle geernteten Waren werde bei der Produktionsgemeinschaft angeliefert, dort verpackt und an die Händler ausgeliefert. Gleiches gilt für die bestellten Waren der Erzeugergemeinschaft.

 

Wie Mario vorher schon erklärt hat, hat Manuel mit seinen Abnehmer Vereinbarungen getroffen, wann sie ihm wieviel von den einzelnen Produkten abnehmen. Bisher kann er die Verträge noch im vollen Umfang erfüllen, da er aber Anfragen für höhere Liefermengen hat, möchte er, dass wir diese für ihn produzieren.“

 

Ich erklärte: „Es macht keinen Sinn hier noch lange zu diskutieren, wir beenden jetzt das Treffen. Ich will bis spätestens Mitte Januar den unterschriebenen Ausbildungsvertrag in meinen Händen halten, ansonsten hat sich für mich die Angelegenheit erledigt.“

 

Ich stand auf und setzte zum Gehen an, als Pits Mutter sagte: „Kommt Jungs, Peter ist angesäuert. Er hat Recht, weiter über die Angelegenheit zu diskutieren bringt nichts, lass uns nach Hause fahren.“

 

Ich verabschiedete mich in der Hotellobby vom Rest der Familie Brunnmeier und flüsterte Mario ins Ohr, dass er sich später telefonisch bei mir melden solle. Er nickte nur und verließ mit seinem jüngeren Bruder und seiner Mutter das Gesindehaus.

 

Mein nächster Weg führte mich ins Untergeschoss, wo ich bei unseren Auszubildenden nachschaute, wie der aktuelle Stand bei den Autorennen ist. Florian informierte mich, dass in kürze, die vier Rennen im Viertelfinale starten und sie immer noch im Zeitplan liegen. Die Zuschauer waren weniger geworden, was aber auffiel, dass viele der Jugendlichen aus den Kinderheimen ihre im Rennen verbliebenen Mitbewohner anfeuerten.

 

Thomas fragte mich, wie der Termin mit Familie Brunnmeier gelaufen sei. Ich erklärte ihm, dass wir bei der Klärung der Probleme keinen Schritt weitergekommen sind, weil sich der Senior nicht von seinem Entschluss abbringen lassen will, dass Peter zukünftig die Gärtnerei allein übernehmen soll. Das Ganze ist sogar so eskaliert, dass Peter seinem Vater erklärt hat, wenn er Mario keine Chance gebe, wird er die Nachfolge ebenfalls nicht antreten.

 

Mario ruft mich später an, um mit mir zu besprechen, wie wir weiter vorgehen wollen. Nachdem ich Herrn Brunnmeier angeboten habe seine Gärtnerei an uns zu verkaufen, damit ich den Traum der beiden Jungs verwirklichen kann, hat Mario angedeutet, dass er eventuell eine Gärtnerei in der Nähe wüsste, die zum Verkauf steht.

 

Ich werde mich jetzt langsam auf das Abendessen und auf die anschließende Preisverleihung vorbereiten. Ich hole mir kurz bei Florian die vorbereiten Kuverts und dann gehen wir zwei nach oben und schauen, was unsere Kids so treiben. Florian meinte, die Kuverts liegen noch in seinem Büro, er wollte sie nach dem Finale dort holen und sie mir übergeben. Ich sagte ihm, dass ich kurz ins Gutshaus gehe und sie aus seinem Büro holen werde.

 

Thomas und ich gingen nach oben und inzwischen waren wieder alle Kids vom Rodelausflug zurück und die meisten waren im Spielezimmer unserem gestrigen Zocker Paradies.

 

Als Severin uns entdeckte kam er näher und meinte: „Alle sind heil vom Rodeln zurück, es gab keine größeren Karambolagen auf der Rodelpiste. Es waren nur alle tropfnass bis auf die Haut und er hat alle vorsichtshalber nach oben geschickt, damit sie sich unter der heißen Dusche wieder aufwärmen und anschließend trockene Sachen anziehen. Einige von unseren Kids haben gefragt, ob sie nach unten dürfen und sich die Kämpfe an den Konsolen ansehen dürfen. Ich habe sie bisher noch zurückhalten können.“

 

Ich meinte: „Lass sie doch, im Moment laufen die letzten Halbfinale Läufe und danach geht es eh nur noch um die Plätze eins bis drei. Die Kandidaten werden sich sicher freuen, wenn noch mehr Fans zum Anfeuern kommen.“

 

Ich ging mit Thomas ins Gutshaus und wir holten die Kuverts aus Florians Büro. Auf dem Rückweg frage mich Thomas, welche Preise wir uns, denn für die Jungs ausgedacht hätten. Ich erklärte ihm die Preise und er meinte, wir hätten damit die Preise für die Kids in leicht abgewandelter Form kopiert.

 

Zurück vom Gesindehaus sperrte ich die Urkunden und die die Kuverts mit den Preisen in Alexandras Büro ein. Ich stand noch im Büro, als mein Smartphone sich bemerkbar machte. Ich blickte auf das Display und nachdem ich dort Mario lesen konnte, nahm ich das Gespräch sofort entgegen.

 

Er begrüßte mich und fragte sofort, ob wir zwei asylsuchende junge Männer irgendwo unterbringen könnten.

 

Ich lachte und meinte, dass er versuche mich auf den Arm zu nehmen. Er erklärte: „Nein Peter, das ist durchaus ernst gemeint. Unsere Eltern streiten sich seitdem wir zu Hause angekommen sind und Pit und ich halten das einfach nicht mehr aus.

 

Wir haben uns kurz abgesprochen und sind der Meinung, dass die beiden einen Denkzettel verdient haben. Deshalb wollten wir gemeinsam von zu Hause verschwinden. Ich habe versprochen dich anzurufen und zu fragen ob du uns für ein paar Tage Asyl gewähren könntest.“

 

Ich überlegte kurz und meinte: „Okay, packt eure Sachen und kommt zu uns auf den Gutshof. Einen Schlafplatz für die nächsten Tage werden wir sicher für euch finden. Wundere dich aber nicht, ich werde wegen deinem kleinen Bruder das Jugendamt informieren, dass ihr beide, du und dein kleiner Bruder bei uns seid, nachdem ihr bei mir um Asyl angefragt habt. Ich werde damit die Angelegenheit sowohl für euch als auch für mich rechtlich absichern. Ich erkläre dir später, warum ich das mache.“

 

Als erstes rief ich Barbara an, erklärte ihr kurz den Sachverhalt und dass wir den beiden Brüdern vorübergehend Asyl gewähren, da es sich um einen Notfall handle. Barbara meinte, dass sie Ärger mit ihrer Familie bekomme, wenn sie jetzt noch zu einem Notfall verschwinde. Ich meinte, dann bring doch deine Familie mit, die beiden Jungs gibst du einfach im Gesindehaus ab und du kommst mit deinem Mann zu uns in die Wohnung.

 

Es reicht, wenn ihr gegen zwanzig Uhr hier seid, außerdem können eure Jungs morgen ja ausschlafen, immerhin sind noch Ferien. Barbara lachte und erklärte mir, dass ich doch ein ausgebuffter Fuchs sei. Sie meinte, sie wird gegen zwanzig Uhr mit ihrer Familie hier sein.

 

Ich ging in die Lobby, schnappte mir Thomas und erklärte ihm, was mich von einer schnellen Rückkehr abgehalten hat. Ich meinte, wir sollten unseren beiden Jungs grünes Licht geben, dass sie bereits heute wieder zurückkehren dürfen, damit wir notfalls die beiden Brunnmeier-Jungs im Gesindehaus unterbringen können.

 

Ich selbst werde kurz mit Philipp und Marcus sprechen, ob wir die Jungs bei ihnen unterbringen können, gegebenenfalls werde ich mit den Bewohnern des Verwalterhauses sprechen. Schon der Anruf bei Philipp war erfolgreich, er meinte, dass es kein Problem sei, die Jungs in ihren Gästezimmern zu beherbergen.

 

Als Thomas mit unseren beiden Jungs auftauchte, fragte Tobias sofort, ob es sich bei dem minderjährigen asylsuchenden Jungen wirklich um Peter Brunnmeier, ihren Klassenkameraden, handelt. Als ich die Aussage bestätigte meinte David sofort: „Tobias und ich gewähren Pit jederzeit Asyl in unserem Zimmer, wenn sich sonst keine andere Möglichkeit findet.“

 

Ich lachte kurz und meinte dazu: „Nett von euch beiden, aber die Unterbringung von Pit und Mario ist bereits geklärt. Ihr braucht auch nicht sofort umziehen, wenn ihr die letzte Nacht noch im Gesindehaus verbringen wollt. Übrigens, gegen zwanzig Uhr kommt Barbara mit ihrem Mann und ihren Söhnen vorbei. Wir treffen uns in unserer Wohnung und dabei geht es um die beiden Jungs und vor allem, wie es mit Pit weitergeht.“

 

Die beiden grinsten mich an und Tobias erklärte: „Wir sind oben und packen sofort unsere Sachen, du glaubst doch nicht, dass wir eine Nacht länger als nötig im Gesindehaus schlafen werden. Außerdem freuen wir uns schon darauf Barbara wiederzusehen.“

 

Die beiden waren so schnell nach oben verschwunden, dass weder Thomas noch ich eine Chance hatten, etwas zu ihnen zu sagen. Thomas grinste und meinte: „Unsere beiden Jungs haben es aber verdammt eilig, wieder unter unserer Aufsicht zu stehen. Ich an ihrer Stelle hätte sicher meine letzten Stunden in absoluter Freiheit genossen.“

 

Inzwischen war es doch schon kurz nach achtzehn Uhr und ich hörte, dass im Saal bereits das Büffet für das Abendessen aufgebaut wurde. Wenn ich richtig vermute, sollte in der Zwischenzeit der Sieger bei unserem Zockerturnier für die zukünftigen Auszubildenden feststehen und die Meute so langsam aus dem Untergeschoss nach oben kommen.

 

Thomas der mir gegenüber stand richtete seine Augen in Richtung des Eingangs und meinte zu mir: „Dreh dich doch einmal um, die beiden asylsuchenden Jungs sind bereits im Anmarsch, aber noch ohne Gepäck.“

 

Bevor ich mich umdrehen konnte, hört ich schon in meinem Rücken: „Hallo Peter, hallo Thomas, wir sind da. Ich hoffe ihr konntet in der Zwischenzeit das Problem mit unserer Unterbringung klären. Wir haben unsere Koffer noch im Auto gelassen, damit wir sie nicht unnötig durch die Gegend schleppen müssen.“

 

Während Mario das sagte, hatte ich mich zu ihnen umgedreht und erklärte: „Wo ihr beide schlafen könnt, ist bereits geklärt, zum Frühstück und zum Essen kommt ihr zu uns in die Wohnung, geschlafen wird eine Etage höher im Gästezimmer von meinem Sohn Philipp und seinem Ehepartner Marcus.

 

Gut, dass ihr euer Gepäck im Auto gelassen habt, wir werden gleich mit allen anderen zu Abend essen und spätestens nach der Siegerehrung geht es ins Gutshaus. Um zwanzig Uhr kommt Barbara vom Jugendamt zu uns, damit wir mit ihr besprechen können, wie es mit euch beiden weitergehen kann.

 

Vielleicht könnt ihr auch schon nach dem Abendessen mit Thomas und unseren beiden Jungs rübergehen und bei Philipp und Marcus euer Gepäck im Gästezimmer abstellen. Warum ich das Jugendamt eingeschaltet habe, erklären euch Barbara und ich während unseres Gesprächs.“

 

Wie gerufen standen David und Tobias plötzlich neben uns und Tobias meinte: „Da wir nicht zu den glücklichen Gewinnern gehören, ist unsere Anwesenheit bei der Siegerehrung nicht notwendig, wir gehen mit den beiden Brüdern Mario und Peter ins Gutshaus und werden sie direkt bei unserem großen Bruder abliefern, Thomas kann gern bei dir bleiben.“

 

Mario schaute mich an und meinte, ob er mich nur ganz kurz unter vier Augen sprechen könne, bevor wir gleich essen. Ich bat ihn mir ins Büro von Alexandra zu folgen, wo er mir erklärte, dass er sich zwischenzeitlich wegen der Gärtnerei informiert hat und sie wirklich zum Verkauf steht. Ich habe kurz mit dem Eigentümer gesprochen und er hat mir erklärt, dass er nur an einen Interessenten verkaufen will, der die Gärtnerei unter dem bisherigen Namen weiterführen wird. Deswegen hätte er bisher auch keinen Nachfolger gefunden, an den er verkaufen hätte können.

 

Ich habe ihm erklärt, dass wir, also ich und mein Geldgeber kein Interesse hätten, die Gärtnerei umzubenennen oder in eine andere Gärtnerei zu integrieren, wir würden sie gern mit dem bisherigen Namen weiterführen. Er meinte, in diesem Fall würde er uns gern kurzfristig kennenlernen und ich sollte mich morgen Vormittag wegen eines Termins bei ihm melden, wenn ich mit dem Geldgeber alles geklärt hätte.

 

Ich blickte in Marios Augen und mir fiel auf, dass er leicht nervös wirkte. Nach kurzer Überlegung sagte ich: „Mario du brauchst nicht nervös werden. Du hast angedeutet, dass du eventuell eine zum Verkauf stehende Gärtnerei wüsstest. Das du dich zwischenzeitlich informiert hast ist in Ordnung, wir reden später über dieses Thema, wenn mit Barbara alles wegen deines kleinen Bruders geklärt ist.

 

Das hat auf alle Fälle Vorrang vor allen anderen Dingen, die wir gemeinsam anpacken wollen. Mit meiner Ansage an deinen Vater habe ich ihm angeboten an uns zu verkaufen, da er nicht will, ist es legitim, dass wir uns anderweitig umschauen. Jetzt lass uns erst einmal zum Essen gehen und später den Termin mit Barbara hinter uns bringen.“

 

Wir gingen zurück in die Lobby und mit den anderen stellten wir uns im Speisesaal am Büffet an. Mit gefüllten Tellern gingen wir zu einem Tisch für sechs Personen, wo wir in aller Ruhe unser Abendessen genossen. Kurz vor neunzehn Uhr stand ich auf und holte aus Sebastians Büro die Urkunden und unsere Gutscheine für die Siegerehrung. Anschließend holte ich mir bei Florian die Liste der drei bestplatzierten Zocker.

 

Ich schaltete die Soundanlage ein und schnappte mir das Mikrofon. Da inzwischen fast alle ihr Abendessen beendet hatten sagte ich: „Bevor hier wieder alle verschwinden, würde ich gern die Siegerehrung des heutigen Zockernachmittags unserer angehenden Auszubildenden durchführen.

 

Bevor ich jedoch loslege, noch ein kleiner Hinweis für unsere Bewerber. Florian und ich stehen euch morgen Vormittag zur Verfügung, für Gespräche mit euren Eltern und für die Abgabe der unterschriebenen Ausbildungsverträge. Ansonsten bitten wir euch kurzfristig die Unterlagen unterschreiben zu lassen und uns zurückzusenden.

 

Da wir von euch die Mailadressen haben, können wir euch alle notwendigen Informa­tionen zum Ausbildungsbeginn übermitteln. Bei den Jugendlichen, die aus Kinderheimen kommen, werden wir das Jugendamt Rosenheim informieren, wenn die unterschriebenen Verträge vorliegen, damit sie mit der Planung eures Umzugs beginnen können.

 

So jetzt kommen wir aber zur Siegerehrung, ich darf die drei Sieger zu mir bitten, damit wir mit der Übergabe der Urkunden beginnen können.“

 

Ich schaute in die Runde und stellte fest, dass zumindest alle drei aufgestanden waren und sich mir näherten. Als alle drei vor mir standen, erklärte ich: „Als Erstes übergebe ich euch eure Urkunden entsprechend eurer Platzierung. Fangen wir mit Joshua Dick aus dem Kinderheim in Suhl an und der bei uns eine Ausbildung zum Bürokaufmann bei den Handwerkern absolvieren wird und der den dritten Platz erreicht hat. Joshua, ich gratuliere dir zu deinem guten Ergebnis bei unserem heutigen Turnier, hier ist schon einmal deine Urkunde.“

 

Die Anwesenden applaudierten dem Drittplatzierten und vor allem bei den Jugendlichen aus den Kinderheimen konnte man erkennen, dass sie sich für Joshua freuten, da er so gut abgeschlossen hatte. Als es wieder etwas ruhiger wurde meinte ich: „Den zweiten Platz belegte ebenfalls eines der Heimkinder, er kommt aus Kassel und wird bei uns eine Ausbildung zum Hotelkaufmann machen. Andreas Schwerdtfeger ist nur ganz knapp am ersten Platz vorbeigeschrammt, ihm fehlte am Ende nur eineinhalb Sekunden zum Sieg.“

 

Ich überreichte ihm seine Urkunde und wieder gab es kräftigen Applaus für die erfolgreiche Teilnahme am Turnier. Erst als wieder etwas Ruhe eingekehrt war widmete ich mich dem Sieger des Turniers und sagte: „Als knapper Sieger hat sich Robert Wörmann aus Rosenheim herausgestellt, der ab Herbst dieses Jahres bei uns als Maler und Lackierer eine Ausbildung, ebenfalls bei den Handwerkern, beginnen wird.

 

Auch ihm überreichte ich seine Siegerurkunde und es gab auch für ihn lautstarken Applaus für seine hervorragende Leistung. Wieder wartete ich bis sich die Meute wieder etwas beruhigt hatte und kündigte die Übergabe der Kuverts mit den Preisen für die drei Bestplatzierten an.

 

Ich erklärte: „Wir haben lange überlegt, mit was und wie wir die drei Besten überraschen wollen. Florian meinte, wir sollten uns an den Gewinnen für die Kids aus dem Münchner Kinderheim orientieren. Nach langer Diskussion haben wir uns darauf verständigt, dass der Ferienaufenthalt für alle drei aus einem vierzehntägigen Urlaub während der Osterferien im zukünftigen Jugendhotel an der Ostsee bestehen wird, also noch bevor es zum Jugendhotel umgebaut wird.

 

Die Sieger fahren gemeinsam mit jeweils einer Partnerin oder einen Partner während der Osterferien an die Ostsee, da das Hotel in diesem Zeitraum noch normal geöffnet hat, bevor im Juni oder Juli die Umbauarbeiten beginnen, was auch noch einmal von unseren Architekten bestätigt wurde. Der einzige Unterschied ist die Höhe des Taschengeldes, mit dem die einzelnen Pärchen ihren Urlaub antreten werden.“

 

Ich übergab den drei Jungs ihr jeweiliges Kuvert und Joshua meinte, ob ich ihm das Mikrofon geben könne, da er noch ein paar Worte an die Anwesenden richten will. Bevor ich ihm das Mikrofon übergab, meinte ich: „Ich wünsche euch allen noch einen schönen Abend und wenn die Jungs wissen, mit wem sie den zweiwöchigen Urlaub verbringen wollen, sollten sie das bitte Florian umgehend mitteilen.“

 

Ich drückte Joshua das Mikrofon in die Hand und trat etwas zur Seite. Joshua schaute kurz in die Runde und verkündete: „Ich habe bereits eine Entscheidung getroffen, wer mit mir den Urlaub antreten darf. Ich werde Magnus mitnehmen, der sich im Kinderheim das Zimmer mit mir teilt.

 

Peter, erst mal einen herzlichen Dank an dich und deine Mitarbeiter für den supertollen Gewinn, aber viel wichtiger ist für mich die Tatsache, dass ich einen festen Ausbildungsplatz bei euch erhalten habe. Wenn ich richtig informiert bin, habt ihr für alle Bewerber aus dem Kinderheim in Suhl einen Ausbildungsplatz vergeben können.

 

Ich möchte mich aber auch für die Mühen bedanken, die ihr euch gemacht habt, rund um den Aufenthalt beim Bewerbungsevent. Hervorheben will ich auf alle Fälle unseren Ausflug in die Brauerei, mit der Führung durch die Brauerei, das war für mich mit eines der großen Highlights in den letzten Tagen.

 

Was mir zu meinem absoluten Glück noch fehlt, wäre ein Grundriss des Appartements, in das ich zum Ausbildungsbeginn einziehen darf. Ich denke, ich spreche da sicher im Namen aller, die ab nächsten Herbst hier am Gutshof leben werden. Vielleicht kann uns Heimkindern von Florian noch ein Musterbeispiel eines Appartements per Mail nachgereicht werden, den wir dann im Kinderheim vorzeigen können.“

 

Florian stand auf und erklärte: „Ich habe die nackten Grundrisse schon gesehen, aber noch fehlt der Möblierungsplan. Wenn ich den vom Möbelbauer erhalte, kann ich euch gern den Plan eines Appartements zusenden. Die fehlenden Pläne wurden für Mitte Januar angekündigt, weil zu diesem Zeitpunkt, nach Aussage von Peter, auch die Aufträge für die Inneneinrichtung der Appartements vergeben werden.“

 

Joshua bedankte sich kurz für diese Auskunft und übergab das Mikrofon an Andreas, der erst einmal abwarten musste, bis der Beifall wieder weniger wurde: „Ich möchte mich zuerst für den zweiwöchigen Urlaub an der Ostsee bedanken, zu dem ich mit höchster Wahrscheinlichkeit ebenfalls jemanden aus dem Kinderheim mitnehmen möchte. Bis wann muss ich eine endgültige Entscheidung treffen, wer mit mir den Urlaub genießen darf?

 

Ich war überrascht, dass ihr alle Bewerber, egal ob aus Thüringen, Hessen oder aus dem Raum Rosenheim zu diesem Bewerbungsevent eingeladen habt. Ich dachte immer, dass nur die Heimkinder dazu eingeladen wurden. Ich konnte immerhin bereits erste Freundschaften knüpfen mit den Jungs und Mädchen aus Rosenheim, die mir den Weggang aus Kassel sicher einfacher gestalten werden. Dazu gehört auch Dimitri, der gestern Abend als Discjockey dabei war.

 

Ich hoffe ich bekomme die Gelegenheit als Auszubildender zum Hotelkaufmann, während meines Urlaubs an der Ostsee einen Blick hinter die Kulissen eines Hotels zu werfen. Ein großes Lob muss ich den Kids aus dem Münchner Kinderheim aussprechen. Mir ist gestern Abend in der Zocker Arena aufgefallen, dass ihr bei der Auswahl eurer Mitspieler diejenigen gewählt habt, die dasselbe Spiel spielen wollten. Ich wünsche euch noch ein paar schöne Tage, bis euer Urlaub am sechsten Januar zu Ende geht.“

 

Damit drückte er das Mikrofon Robert in die Hand, der jedoch durch erneuten lautstarken Applaus, erst abwarten musste, bis er reden durfte: „Peter, ich war anfangs sehr skeptisch, als ich von euch die Einladung zu dem mehrtägigen Bewerbungsevent erhalten habe. Ich hatte mir schon überlegt deswegen meine Bewerbung zurückzuziehen.

 

Meine Eltern haben mir lang und breit erklärt, dass ich doch nichts dabei verliere, wenn ich in den Weihnachtsferien an diesem Event teilnehme. Aus heutiger Sicht kann ich nur sagen, es wäre mein größter Fehler gewesen, den ich im Zuge der Suche nach einem Ausbildungsplatz gemacht hätte, wenn ich nicht dabei gewesen wäre. Die Tage waren von euch hervorragend organisiert, mit Informationen, Bewerbungsgesprächen, den Ausflügen und dem heutigen Turnier an den Konsolen.

 

Die Silvesterfeier, die ihr gestern auf die Beine gestellt habt, war mein persönliches Highlight. Hinzu kommt, ich habe einen festen Ausbildungsplatz bei der Firma Obermeier GmbH und durfte bereits alle Auszubildenden kennenlernen, die mit mir im September eine Ausbildung in einem der Unternehmen der Gutshof-Gruppe beginnen. Dazu gestern bei der Silvesterfeier einen großen Teil der aktuellen Auszubildenden im Unternehmen.

 

Der Informationsaustausch mit ihnen hat mir deutlich gezeigt, dass ich mich in einem Unternehmen beworben habe, das sehr viel Wert darauflegt, auch die Meinung der jüngeren Mitarbeiter in alle Entscheidungen einfließen zu lassen.

 

Ich wusste bis zur Anreisevor fünf Tagen nicht, dass fast die Hälfte aller Bewerber aus einem Kinderheim stammt. Mein Vorurteil, dass in einem Kinderheim nur Jugendliche leben, die eine kriminelle Vergangenheit haben oder von ihren Eltern abgeschoben wurden kann ich inzwischen gepflegt in die Tonne treten. Bei den Gesprächen mit den Kids oder den Jugendlichen, die ich führen konnte, stellte ich fest, dass sehr viele dort sind, weil ihre Eltern nicht mehr leben und Verwandte sie nicht aufnehmen wollten oder konnten.

 

Florian hat mir seine traurige Geschichte erzählt und freut sich, dass er hier am Gutshof eine Pflegefamilie gefunden hat, die ihn sogar adoptieren will. Dass er dabei zwei schwule Väter als Eltern bekommt, stört ihn dabei überhaupt nicht. Er ist froh darüber, dass er zukünftig wieder in einer Familie leben darf.

 

Weil ich gerade von schwulen Vätern gesprochen habe, auch hier muss ich ein Vorurteil in die Tonne treten, ich habe immer geglaubt, dass man Männern sofort ansieht, wenn sie schwul sind. Wenn ich Peter und Thomas oder Felix und Dennis zum Beispiel betrachte, würde ich nie auf die Idee kommen, dass sie schwul sein könnten. Auch bei den drei Pärchen, die hier im Dachgeschoß wohnen wäre ich nie auf die Idee gekommen. dass sie schwul sind.

 

Schade, dass bei euch inzwischen alle Ausbildungsplätze vergeben sind, ich würde heute meinen besten Freunden empfehlen sich bei der Gutshofgruppe um einen Ausbildungsplatz zu bemühen. So ich habe euch jetzt lange genug die Ohren vollgequasselt, obwohl es noch mehr Punkte gibt, die ich euch aufzählen könnte.

 

Er übergab mir das Mikrofon und erneut wurde es laut im Speisesaal, weil auch seine Ansprache bei allen positiv angekommen war. Ich wartete ab, bis es wieder etwas ruhiger wurde und erklärte: „Leute, ich bedanke mich bei euch dafür, dass ihr trotz der unterschiedlichen Lebensumstände gut miteinander ausgekommen seid und bei dem einen oder anderen in den letzten Tagen scheinbar gewisse Vorurteile beseitigt wurden.

 

Für uns war dieser Bewerbungsevent Neuland, das wir betreten haben. Sicher hätte man einige Sachen anders ausgestalten können, trotzdem finde ich, dass wir das in der Zukunft beibehalten können. Im nächsten Jahr gehört ihr zu den Auszubildenden, die mit den Bewerber Silvester feiern werden.

 

Leider habe ich heute Abend noch einen wichtigen Termin, deshalb wünsche ich euch noch einen schönen Abend. Wir sehen uns dann morgen, wenn ihr von euren Eltern abgeholt oder zur Bahn gebracht werdet.“

 

Ich ging zur Soundanlage und schaltete sie aus und legte das Mikrofon wieder in die Schublade. Zusammen mit Thomas wollte ich ins Gutshaus gehen, immerhin war es inzwischen doch schon kurz vor zwanzig Uhr. In der Lobby trafen wir auf Familie Wegmann und Barbara meinte: „Ich wollte nur meine Jungs kurz bei Severin abliefern, mein Mann und ich wären danach zu euch ins Gutshaus gekommen.“

 

Zu viert gingen wir ins Gutshaus, nachdem Barbara ihre beiden Jungs bei Severin abgeliefert hatte. In unserer Wohnung angekommen hörten wir schon, dass sich die Jungs bereits im Wohnzimmer versammelt hatten und laut diskutierten.

 

Als wir ins Wohnzimmer eintraten verstummte sofort die hitzige Diskussion. Ich stellte fest, dass auch Philipp und Marcus anwesend waren. Barbara grinste und meinte: „Ich hätte jetzt nicht erwartet, dass mich eine so große Truppe empfangen würde, um mit mir über ein Sorgenkind zu reden.“

 

Ich stellte beruhigt fest, dass die Jungs bereits Gläser und Getränke bereitgestellt hatten, um unseren Gästen etwas anzubieten. Wir setzten uns zu den Jungs und wurden sofort nach unseren Getränkewünschen befragt. Nachdem alle mit einem Getränk versorgt waren, bat ich Pit, Barbara zu erzählen, warum wir hier zusammengekommen sind.

 

Die nächsten gut fünfzehn Minuten erklärte Peter, alias Pit, warum es zu meinem Anruf bei Barbara gekommen ist. Als letzten Satz sagte er: „Mir ist immer noch nicht klar, warum Peter das Jugendamt eingeschaltet hat. Frau Wegmann, können sie mir das bitte erklären, warum dieser Schritt notwendig ist?“

 

Barbara meinte: „So wie du mir den Vorgang geschildert hast, blieb Peter keine andere Wahl als das Jugendamt einzuschalten. Er hat dir, wie du erklärt hast Asyl gewährt, weil du mit deinen Eltern nicht mehr klarkommst. Ohne die Einschaltung des Jugendamtes hätten deine Eltern behaupten können, du wärest von Peter dazu angestiftet worden, aus deinem Elternhaus zu verschwinden.

 

Du und dein großer Bruder haben nach deinen Worten und aus eigenem Antrieb diesen Schritt vollzogen. Auch deinen Bruder hätten sie beschuldigen können, dass er dich aus deinem Elternhaus entführt hätte, um seine oder eure Forderungen durchzusetzen.

 

Da Peter sofort das Jugendamt informiert hat, dass du in deinem Zuhause Schwierigkeiten mit deinen Eltern hast und vorerst bei ihm Unterschlupf gesucht hast, hat er sich rechtlich abgesichert, dass du vorübergehend bleiben kannst. Was mich noch dringend interessiert, was überhaupt zu dieser Situation geführt hat?“

 

Mario erklärte: „Die Probleme haben nach meinem schweren Verkehrsunfall angefangen, als mein Vater die Meinung vertrat, ich wäre unfähig in Zukunft die Gärtnerei zu leiten. Pit wurde von unseren Eltern genötigt eine Ausbildung zum Gärtner zu absolvieren, obwohl er einen kaufmännischen Beruf erlernen wollte. Er hat Pit gezwungen sich bei der Gärtnerei Winter als Auszubildender zu bewerben.

 

Peter merkte beim Bewerbungsgespräch sehr schnell, dass Pit alles unternahm, um nicht als Auszubildender angenommen zu werden. Er hat in einem weiteren Gespräch aus Pit herausgekitzelt, warum er sich so desinteressiert zeigte. Mit mir zusammen haben wir mit Peter ein Gespräch geführt, in dem er Pit anbot in der Gärtnerei Winter eine Ausbildung als Bürokaufmann zu absolvieren und später mit mir gemeinsam die Gärtnerei zu führen.

 

Als wir heute unserem Vater den Vorschlag unterbreiteten, stellt er sich stur und bestand darauf, dass Pit die Gärtnerei übernehmen muss. Peter bot an, ihm die Gärtnerei abzukaufen, damit er seine beiden Söhne ihren Traum verwirklichen könne.

 

Zuhause haben unsere Eltern nur noch gestritten, sich gegenseitig angebrüllt, bis Pit mir erklärte, er hält das nicht mehr aus, er will einfach nur noch weg. Ich habe Peter angerufen, ob er uns Asyl gewähren könne, da es zuhause nicht mehr zum Aushalten ist. Ich habe mich ihm angeschlossen, weil ich nicht ihr Prellbock sein wollte, wenn sie feststellen, dass Pit verschwunden ist.

 

Ergänzend möchte ich noch erklären, dass ich mich nach einer Gärtnerei umgeschaut habe, die aktuell zum Verkauf steht, da ich Peters Angebot so verstanden habe, dass er eine Gärtnerei kaufen will, damit wir beide unseren Traum verwirklichen können. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, mit Peter darüber zu sprechen, da ich eine Gärtnerei im Raum Rosenheim gefunden habe.“

 

Barbara schaute Mario an und sagte: „Verstehe ich das jetzt richtig, Peter kauft extra eine weitere Gärtnerei, die ihr beide später führen sollt. Schafft er sich damit nicht selbst Konkurrenz.“

 

Ich mischte mich ein und erklärte Barbara: „Ich befürchte, Mario hat da einen entscheidenden Punkt vergessen zu erklären, wir haben uns darauf verständigt, dass er und sein Bruder ab sofort mit uns zusammenarbeiten, da wir auf unseren eigenen Anbauflächen nicht mehr die Nachfrage nach biologisch angebautem Gemüse produzieren können. Entweder liefern beide Betriebe ihre Produkte an ein zwischengeschaltetes Unternehmen, oder eines der Unternehmen kauft auf und verkauft im eigenen Namen weiter.“

 

Nach meiner Erklärung meinte Barbara: „Okay, damit ist klar, warum ihr zusammenarbeiten wollt. Gut das hängt jetzt nicht direkt mit dem Problem von Pit zusammen, können wir damit vernachlässigen. Pit, deine Schwierigkeiten mit deinen Eltern sind Grund genug, dass das Jugendamt eingeschaltet wird, um entweder zu vermitteln oder dich im ungünstigsten Fall, deinen Eltern vorübergehend wegzunehmen.

 

Ich werde gleich die Polizei in Rosenheim informieren, dass sie bei einer Vermisstenanzeige für Peter Brunnmeier, die Eltern davon in Kenntnis setzen, dass sie sich in dieser Angelegenheit mit dem Jugendamt in Verbindung setzen sollen.“

 

Sie holte ihr Smartphone aus der Tasche und wählte die Rufnummer der Polizei­dienststelle in Rosenheim. Als sich jemand meldete, bat sie darum, mit dem diensthabenden Chef verbunden zu werden. Es dauerte einige Sekunden, bis sie den Chef am Telefon hatte. Sie erklärte ihm, dass bei einer Vermisstenanzeige für einen Peter Brunnmeier, sie den Eltern die Nachricht übermitteln sollen, dass sie sich in dieser Angelegenheit mit dem Jugendamt in Verbindung setzen sollen, da er sich an das Jugendamt gewandt hat.

 

Danach lauschte sie einige Zeit, dem, was ihr von dem Polizeibeamten erzählt wurde. Zwischendurch lächelte sie bei seiner Erklärung, bis sie sich nach einigen Minuten von ihm verabschiedete. Sie schaute uns an und fing jetzt richtig zu lachen an.

 

Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, erzählte sie uns: „Eure Eltern scheinen bisher nicht bemerkt zu haben, dass ihr das Haus verlassen habt. Vor knapp einer halben Stunde waren zwei Polizisten bei euch zu Hause und haben eure Eltern aufgefordert, ihre Meinungsverschiedenheiten in einer angemessenen Lautstärke zu diskutieren, inzwischen hätten sich einige Nachbarn bereits beschwert wegen der Ruhestörung, dass dabei auch einiges an Geschirr zu Bruch gegangen sein muss, konnten sie bereits vom Eingang aus feststellen.

 

Der Polizist hat euren Eltern angedroht, wenn er ein weiters Mal wegen der Ruhestörung vorbeikomme, werde er eure Eltern, für den Rest der Nacht in einer Ausnüchterungszelle einsperren. Das war auch der Grund, warum ich lachen musste. Peter, wo sind die beiden Jungs jetzt untergebracht, diese Information brauche ich noch von euch und von den Jungs die Mobilrufnummern, wo ich sie für Rückfragen erreichen kann, vor allem von Pit.“

 

Philipp sagte: „Die beiden Jungs sind derzeit bei uns in den beiden Gästezimmern untergebracht. Sie wollten ursprünglich eines der Gästezimmer gemeinsam belegen, aber Marcus und ich haben uns durchgesetzt. Frühstücken und Abendessen werden die beiden bei Peter, Mittag habe ich noch keine Ahnung wie das ablaufen wird. Pit wird nach den Ferien vermutlich mittags in der Kantine essen, wie alle schulpflichtigen Kinder, die im Gutshofgelände wohnen.“

 

Mario schob Barbara eine Visitenkarte mit seiner Mobilfunknummer und der von Pit zu. Barbara wollte von den Jungs wissen, wie sie damit umgehen würden, wenn ihr Vater doch noch einlenken werde und sie ihre Pläne verwirklichen könnten. Ich war jetzt auch neugierig welche Aussage sie treffen würden.

 

Mario blickte erst zu Pit und antwortete: „Ich für meinen Teil, habe nach dem heutigen Tag eine Entscheidung getroffen. Wenn Peter eine Gärtnerei kauft, werde ich dort die Pläne, die ich gemeinsam mit Manuel entwickelt habe, umsetzen. Ob das jetzt Vaters oder eine sonstige Gärtnerei ist, ist dabei unerheblich. Mit meinem Vater werde ich auf keinen Fall mehr zusammenarbeiten können, dazu ist das Vertrauensverhältnis von ihm zu massiv im Laufe des letzten Jahres zerstört worden.

 

Ich hoffe, dass wir kurzfristig einen Besichtigungs- und Verhandlungstermin zustande bringen können, damit ich mich kurzfristig wieder in die Arbeit stürzen kann. Bei meinem Telefonat habe ich erfahren, dass der vorhandene Wohnbereich bereits geräumt wurde, so dass ich kurzfristig dort einziehen könnte.“

 

Mario blickte wieder zu Pit und meinte, er solle doch seine Vorstellungen erklären. Pit überlegte eine Weile, bevor er uns erklärte: „Am liebsten würde ich nie wieder zu meinen Eltern zurückkehren, das ist aber nur möglich, wenn ich im Sommer nächsten Jahres in eines der Appartements für die Jugendlichen einziehen kann. Ich würde sogar in Kauf nehmen, dass ich bis dahin in einem Kinderheim leben muss.

 

Alternativ könnte ich mir noch vorstellen, dass ich am Gutshof bei einer Pflegefamilie aufgenommen werde. Wobei Peter und Thomas ausfallen, da in ihrer Wohnung kein Platz für die Aufnahme eines weiteren Kindes vorhanden ist, außer es würde egal sein, wo ich im Gutshaus untergebracht bin.“

 

Barbara meinte: „Das waren eindeutige Ansagen von den beiden Jungs, für Pit werde ich auf alle Fälle das Sorgerecht beantragen, Mario ist volljährig und kann allein entscheiden. Peter, da Thomas und du bei uns als Pflegeeltern eingetragen seid, hat das Jugendamt in Form meiner Person entschieden, dass ihr beide bis auf weiteres Pit als Pflegekind zugewiesen bekommt. Ob er bei euch oder bei deinem Sohn in der Wohnung schläft, spielt dabei keine Rolle, da er von euch versorgt und betreut wird.“

 

Pit hatte Barbara staunend zugehört und fragte sie: „Soll das bedeuten, dass ich ab sofort als Pflegekind hierbleiben und bei den beiden Jungs im Gästezimmer schlafen kann. Ich muss nicht zu meinen Eltern zurück oder in ein Kinderheim?“

 

Mario meinte dazu: „Du hast doch gehört, was Barbara eben erklärt hat, sie hat dir von Amts wegen Peter und Thomas als deine vorläufigen Pflegeeltern zugewiesen. Was Besseres hätte dir in dieser Situation nicht passieren können. Scheint doch nicht so blöde gewesen zu sein, die Idee von Peter, das Jugendamt sofort einzubinden, damit für dich Sicherheit geschaffen wird.“

 

Tobias grinst und sagte zu David: „Du kannst dich schon einmal daran gewöhnen, dass du vorläufig einen weiteren Bruder hast, der bei deinem großen Bruder wohnen wird.“

 

David lachte und meinte: „Stimmt so nicht, ich habe gehört, dass wir vorübergehend einen weiteren Pflegebruder, mit dem Namen Florian bekommen, der im Verwalterhaus wohnen wird, bis sein Adoptivverfahren für Manuel und Daniel abgeschlossen ist.“

 

Barbara schaute ihn verwundert an und sagte: „Peter, ich habe verschwitzt dir diese Information weiterzugeben. Wir haben beschlossen, dass Florian vorerst offiziell euch als Pflegekind zugewiesen wird, bis das Adoptivverfahren durchgezogen ist. Die Zusage, dass die beiden die Pflegschaft übernehmen können, dauert doch etwas länger wegen der Feiertage und wir wollten kein Durcheinander in das gesamte Verfahren bringen.

 

Von dir David würde ich schon gern wissen, wie du an diese Informationen gekommen bist. Ich kann mir höchstens vorstellen, dass du ein Gespräch zwischen den Betreuern des Kinderheimes mitbekommen hast. Soweit ich informiert bin, hat noch keiner mit Florian direkt besprochen, wie das in wenigen Tagen ablaufen wird.“

 

David grinste und erklärte, dass er in der Lobby das Gespräch zufällig mitbekommen habe. Wenn Tobi nicht so laut herumgetönt hätte, hätte keiner erfahren, dass ich Zeuge des Gesprächs gewesen bin.

 

Barbara lachte und erklärte: „David, kein Problem, ich bin eigentlich selbst schuld. Hätte ich Peter wie geplant von dem Vorgang informiert, bräuchten wir jetzt nicht darüber zu reden. Meine Kollegin in München hat mich informiert, dass der Vorgang bereits positiv beschieden ist. Ihr könnt planmäßig am siebten Januar Florian aus dem Kinderheim in München abholen. Das Kinderheim erhält morgen oder übermorgen die Mitteilung, dass Florian am siebten Januar von seinen zukünftigen Pflegeeltern aus dem Kinderheim abgeholt wird.“

 

Da Barbara aufstand und scheinbar nach Hause fahren wollte, stoppte sie ihr Ehemann Dieter und sagte: „Mach mal langsam, meine Liebe, wenn du mich und die Jungs schon am Feiertag zu einem Notfall mitschleppst, hätte ich doch ein paar Fragen an Mario, der ja nicht von dir betreut werden muss.“

 

Barbara setzte sich wieder und Dieter fragte Mario: „Ich habe vorher mitbekommen, dass du eine Gärtnerei leiten willst, die von Peter aufgekauft werden soll. Wie sieht es dabei mit Mitarbeitern aus. Würdest du dort neue Mitarbeiter einstellen oder willst du auf vor­handenes Personal zurückgreifen.“

 

Mario überlegte, bevor er ihm antwortete: „Es kommt bei dieser Frage darauf an, was du einkaufst. Wäre es die Gärtnerei meines Vaters, dann ist Personal vorhanden, dass höchstens aufgestockt werden muss. Beim Ankauf der derzeit stillgelegten Gärtnerei würde ich auf alle Fälle versuchen, die ehemaligen Mitarbeiter wieder ins Unternehmen zurück­zuholen. Wenn das nicht im vollen Umfang gelingen sollte, müsste ich kurzfristig neues Personal einstellen.“

 

Dieter grinste und sagte: „Freut mich, diese Antwort von dir zu hören. Ich werde dir auch gleich erklären warum. Vorher aber hätte ich dazu eine Frage an Peter. Könntest du dir vorstellen die hinzugekaufte Gärtnerei über die Stiftung anzukaufen und dort junge Erwachsene beschäftigen, die physisch und psychisch leicht labil sind. Immerhin würde es der Satzung der Stiftung entsprechen, jungen Menschen, die benachteiligt sind, zu helfen.“

 

Ich schaute Dieter an, nur verstand ich nicht, warum er diese Frage stellte. Deshalb antwortete ich: „Ich hatte geplant, den Ankauf über die Stiftung vorzunehmen, da wir mit dieser Investition, die Einnahmen bei der Stiftung steigern wollten, um mehr benachteiligten Kinder und Jugendlichen helfen zu können. Ich verstehe nur deine Frage nicht, ob wir dort junge physisch und psychisch junge Menschen beschäftigen könnten. Ich sehe keinen Grund, warum dies, bei entsprechender Eignung, ausgeschlossen sein soll.“

 

Dieter schaute mich und Mario an und erklärte: „Dann werde ich jetzt meine Karten offen auf Tisch legen. Mario du sprichst vermutlich von der Gärtnerei Grubmüller, die Mitte Dezember ihren Betrieb eingestellt hat, weil der bisherigen Eigentümer keinen Nachfolger gefunden hat.“

 

Bevor er weitersprechen konnte, meinte ich: „Mario kannst du bestätigen, dass es sich dabei um die Gärtnerei Grubmüller handelt, die ich einkaufen soll.“

 

Da Mario nur nickte, sagte ich zu Dieter: „Jetzt solltest du wirklich alle Karten auf den Tisch legen. Woher hast du die Informationen, dass die Gärtnerei zum Verkauf steht.“

 

Barbara lachte und meinte zu ihrem Mann: „Tja, Dieter jetzt musst du alle Karten auf den Tisch legen. Ich hätte nie gedacht, dass der heutige Abend mit meinem Notfall so einen Verlauf nehmen würde. Ich frage mich eher, hatte Peter bereits eine Vorahnung, als er gemeint hatte, ich solle meinen Mann und meine beiden Kinder mitbringen.“

 

Dieter erklärte uns: „Peter, ich arbeite in einer Einrichtung mit betreutem Wohnen für benachteiligte junge Erwachsene, aber ich vermute, die Information ist nicht neu für dich. Sie sind im Haus Bogner in Rosenheim untergebracht. Fünf meiner Schützlinge haben für die Gärtnerei Grubmüller gearbeitet. Seit Wochen bin ich auf der Suche nach neuen Arbeitsplätzen für die drei Jungs und zwei Mädchen.

 

Meine Frau hat heute, mich und die Jungs zu ihrem Notfall mitgenommen, ich glaube nicht an Zufälle, aber an Vorbestimmung. Hier höre ich eher zufällig, dass Peter zusammen mit Mario eine Gärtnerei kaufen will, um die Produktionsengpässe der Gärtnerei Winter zu beseitigen. Dass es sich dabei nur um die Gärtnerei Grubmüller handelt, wurde mir sehr schnell klar.

 

Deshalb fragte ich Mario, wie er sich den Betrieb seiner Gärtnerei vorstelle und er auf einen Mitarbeiterbestand zugreifen könne. Als er mir erklärte, dass er ehemalige Mitarbeiter übernehmen würde, hatte ich zumindest eine kleine Hoffnung, dass meine Schützlinge zukünftig wieder dort arbeiten könnten. Mit Peters Aussage, dass er keinen Grund sieht, warum er diese Menschen nicht beschäftigen sollte, war ich mir sicher, dass meine Schützlinge wieder eine Arbeit haben, der sie nachgehen können.“

 

Mario lachte und erklärte dann: „Zumindest verstehe ich jetzt deine Frage, Dieter. Da ich nach meinem schweren Unfall ebenfalls in die Kategorie physisch gehandicapte junge Menschen gehöre, habe ich kein Problem mit ihnen zusammenzuarbeiten. Peter, ich behaupte fest, damit ist mein Vater endgültig aus dem Rennen.

 

Wir sollten schnellstens die Gärtnerei Grubmüller kaufen und ihm damit beweisen, dass auch gehandicapte Menschen in einer Gärtnerei erfolgreich arbeiten können. Mit dem Wissen, dass wir die Mitarbeiter vom Grubmüller übernehmen und dass die Gärtnerei von der Stiftung für benachteiligte Kinder und Jugendliche übernommen wird, dürfte einem Verkauf nichts mehr im Wege stehen.“

 

Pit, der die ganze Zeit nur stumm zugehört hatte, sagte: „Auch wenn mir die Idee einer eigenen Gärtnerei vielleicht besser gefallen hätte, bin ich voll mit dabei, vielleicht kann ich ja meine Ausbildung direkt in der Gärtnerei Grubmüller absolvieren. Vielleicht können wir dort auch das Konzept eines Hofladens verwirklichen.“

 

Dieter hakte sofort nach und wollte von Pit wissen, wieso sie dort einen neuen Hofladen einrichten wollen, da es dort doch schon eine kleine Verkaufsstelle für das angebaute Gemüse gäbe.

 

Pit versuchte Dieter zu erklären: „Peter hat mit seiner Tochter und verschiedenen Bio-Betrieben eine Rosenheimer Erzeugergemeinschaft für biologisch angebaute oder produzierte Produkte gegründet. Sie verkaufen gemeinsam in allen beteiligten Läden das komplette Sortiment, das von den Landwirten und Unternehmen produziert wird.

 

Die Gärtnerei Winter ist ebenfalls beteiligt und verkauft ihre Produkte nicht nur im Hofladen des Gutshofes, sondern in allen beteiligten Hofläden. Wenn du dir das Sortiment des Hofladens am Gutshof betrachtest, wird dir auffallen, dass dort nicht nur Produkte des Gutshofes angeboten werden, sondern viele weitere Produkte von anderen Bio-Produzenten.

 

Eine Besonderheit haben sie sich in Sachen Fleisch und Fleischprodukte einfallen lassen. Es gibt mehrere Landwirte, die in ihren Hofläden ihre eigenen Fleisch- und Wurstprodukte vermarkten. Um dem Kunden die gesamte Vielfalt anzubieten, können Kunden über das Internet bestellen und sie dann im Hofladen in der Nähe des Wohnortes abholen. Das ist ökologisch, weil ihnen die Fahrten zum jeweiligen Hofladen erspart bleiben.“

 

Da Pit mit seiner Erläuterung geendet hatte ergänzte ich: „Derzeit ist es so, dass die Gärtnerei Winter bei ihrer Liefertour, alle Waren bei den einzelnen Beteiligten mitnimmt und sie an den bestellenden Hofladen liefert. Wir überlegen derzeit mit allen beteiligten Unter­nehmen, zukünftig ein Zwischenlager einzurichten und von dort zentral die Weiterverteilung abzuwickeln.

 

Die Transporte werden trotzdem von der Lieferflotte der Gärtnerei Winter durchgeführt wie bisher, auch die Anlieferung läuft weiter auf diesem Weg. Der Vorteil liegt darin, dass der bestellende Laden die Ware bereits am gleichen Tag erhält und nicht erst einen Tag später. Es kommt noch einer Überlegung hinzu, dass wir zukünftig eventuell auch die Supermärkte mit einem Teil des Sortiments bestücken können, die bisher nur das Gemüsesortiment in ihrem Angebot haben.“

 

Während ich den letzten Satz von mir gab, läutete unsere Türklingel. David stand auf und meinte, er schaue nach wer vor der Türe stehen würde. Nach gut einer Minute tauchte er mit den beiden Jungs von Barbara und Dieter, gefolgt von Konstantin bei uns im Wohnzimmer auf. Konstantin erklärte: „Severin hat mich mit den beiden Jungs losgeschickt, ich soll sie im Gutshaus im ersten Stock bei Peter abgeben, da unsere Kids so langsam in ihre Betten kriechen sollen.“

 

Mein Blick zur Uhr hatte mir verraten, dass es inzwischen fast zweiundzwanzig Uhr wird und die Kids wirklich so langsam in ihren Betten verschwinden mussten.

 

Barbara bedankte sich bei Konstantin, dass er ihre Jungs wohlbehalten bei ihr abgeliefert hat und wollte von ihm noch wissen, ob sich ihre Jungs ordentlich benommen hätten.

 

Konstantin grinste und erklärte ihr, dass er zum einen keine Klagen gehört hätte, ihm die die beiden aber auch nicht unangenehm aufgefallen seien. Er verabschiedete sich und wurde von David wieder bis zur Wohnungstür begleitet.

 

Michael, der jüngere von Barbaras Söhnen pflaumt seine Mutter an: „Ich dachte du hast gesagt, dass du in spätestens einer Stunde mit deiner Arbeit fertig bist und wir auf dem Heimweg noch einen kurzen Spaziergang durch den nächtlichen Stadtpark machen.“

 

Barbara schaute ihn ernst an und sagte: „Ich war mit meiner Arbeit nach gut einer Stunde fertig und wollte euch schon abholen, als euer Vater meinte er hätte zu dem Vorgang noch einige Fragen an Mario und Peter zu stellen.“

 

Michael wandte sich an seinen Vater und sagte: „War das nötig, dass du dich auch noch in die Angelegenheit eingemischt hast? Ich habe schon fast befürchtet, ihr hättet uns vergessen mitzunehmen.“

 

Dieter schaute seinen Sohn treuherzig an und erklärte: „Dir ist schon bekannt, dass wir euch noch nie vergessen haben. Ja es musste sein, dass ich mich in die Angelegenheit eingemischt habe. Mario hatte erzählt, dass er mit Hilfe von Peter eine Gärtnerei kaufen will. Ich habe euch doch vor einigen Wochen erzählt, dass fünf meiner Schützlinge ihren Arbeitsplatz verloren haben, weil ihr Arbeitgeber den Betrieb der Gemüsegärtnerei aus Altersgründen aufgibt.

 

Peter und Mario wollen genau diese Gärtnerei kaufen und ich habe sie gefragt, ob sie meine Schützlinge weiter beschäftigen könnten. Im weiteren Gespräch habe ich herausgehört, welche Veränderungen sie planen und ich wollte Peter eben fragen, ob eventuell andere Sorgenkinder in dieser neuen Struktur arbeiten könnten, als ihr beide von dem Betreuer hier abgeliefert wurdet.

 

Da immer noch Schulferien sind, spricht nichts dagegen, wenn wir unseren geplanten Spaziergang mit zeitlicher Verspätung durchführen, alternativ können wir auch einen anderen Termin finden. Darf ich mein Gespräch mit den beiden noch zu Ende bringen oder wollt ihr beide sofort heim und ins Bett.“

 

Michael blickte zu seinem Bruder Manuel, der erklärte: „Was solls, jetzt ist es doch eh schon egal, wann wir hier loskommen. Ich bin mir sicher, unsere Betten werden schon nicht davonlaufen, wenn wir nicht zuhause sind. Vielleicht wird der Abend für uns noch interessant, wenn wir erfahren, was Peter für dich und deine Schützlinge machen soll.“

 

Dieter grinste und meinte: „Ich habe die Erlaubnis von meinen beiden Söhnen, mein Gespräch mit Peter und Mario fortzusetzen. Ich habe noch zwei Jungs, die ursprünglich eine Ausbildung zum Lageristen absolviert haben. Wenn ihr ein Lager für die Verteilung der Bioprodukte plant, bestünde die Möglichkeit einen oder beide dort unterzubringen. Bisher konnte ich sie nur bei einer Zeitarbeitsfirma unterbringen, die sie nur gelegentlich beschäftigen kann.“

 

Ich schaute Dieter an und erklärte: „Versprechen kann ich dir erst einmal nichts, wenn einer der beiden mit den Produkten für Handwerker am Bau umgehen kann, könnten wir einen Versuch bei der Obermeier GmbH wagen. Dort wird seit Wochen nach einer tatkräftigen Unterstützung für das Lager gesucht.“

 

Dieter schaute mich und Thomas an und sagte: „Ich wusste gar nicht, dass ihr die Firma Eduard Obermeier GmbH, Sanitär- und Elektroarbeiten übernommen habt. Seit wann gehört das Unternehmen zum Gutshof.“

 

Damit war ich gefragt, Dieters Frage zu beantworten: „Wir haben im späten Frühjahr festgestellt, dass wir jährlich mit allen Immobilien, den eigenen, die aus der Stiftung und die aus der Fremdverwaltung eine Menge Geld für Handwerker ausgeben, aber auch teilweise sehr lange auf die Ausführung warten müssen. Wir haben deshalb kurzerhand beschlossen, einen eigenen Handwerksbetrieb aufzubauen. Da Eddy aus Altersgründen aus seinem Unternehmen ausscheiden will, haben wir das Unternehmen übernommen und in den letzten Monaten, auch mit Hilfe von Eddy, um weitere Gewerke erweitert.

 

Wir haben inzwischen Maler und Lackierer, Bodenleger, Trockenbauer, Schreiner und Heizungsbauer integriert, die bereits in unserem Jugendhotel in Österreich mit eingesetzt wurden und in den nächsten Monaten den Innenausbau in unseren neuen Wohnungen und den Jugendwohnungen durchführen werden.

 

Im Lager gibt es einmal den Wareneingang, der ins System eingebucht wird, sehr vieles davon wird am nächsten Tag bereits wieder auf die Baustellen mitgenommen und muss kommissioniert werden. Der Rest wird vorübergehend eingelagert, und in den nächsten Wochen kommissioniert.“

 

Dieter schaute mich an und meinte: „Das ist völlig an mir vorbeigegangen und Barbara hat nie mit mir darüber gesprochen, sie wusste doch sicher davon, dass ihr euer Unternehmen vergrößert habt.“

 

Barbara schaute ihren Mann und sagte: „Natürlich habe ich mitbekommen, dass die Stiftung Sonneneck die Obermeier GmbH übernommen hat. Immerhin werden dort ab Herbst dieses Jahres einige der Heimkinder eine Ausbildung antreten, die damit in den Zuständigkeitsbereich des Rosenheimer Jugendamtes umgesiedelt werden. Du hast auch nie mit mir darüber gesprochen, dass du für deine Schützlinge auf der Suche nach Arbeitsplätzen bist. Woher sollte ich wissen, dass Peters Firmengruppe für dich als potenzieller Arbeitgeber in Frage kommen könnte.“

 

Ich schaute die beiden an und erklärte: „Bevor ihr hier weiter diskutiert, wer wem was nicht gesagt hat, solltet ihr darüber nachdenken, wie ihr euer derzeitiges Wissen im positiven Sinn nutzen könnt. Dieter wir werden dich informieren, wenn der Kaufvertrag mit der Gärtnerei Grubmüller zustande kommt und deine Leute wieder einsteigen können.

 

Wobei ich mir vorstellen kann, dass wir den Kaufvertrag so gestalten, dass keine neuen Arbeitsverträge erforderlich sind, sondern wir die vorhandene Belegschaft rückwirkend übernehmen. Eine Bitte hätte ich an dich Dieter, wenn jemand neu in eure Wohngruppen kommt und einen Job braucht, frage zukünftig als Erstes bei mir nach.

 

Wenn einer deiner beiden Jungs aus deiner Sicht für unser Lager als geeignet erscheint sollten wir uns kurzfristig zusammensetzen. Wir können gern einen Termin mit Axel und Dennis vereinbaren, die beiden sind seit heute die neuen Chefs, da Eddy ab sofort kürzertreten will und nur noch für Wissenstransfer zur Verfügung steht.“

 

Dieter sah mich an und meinte: „Ich brauche zwei Termine bei deinen Handwerkern, im ersten Schritt werde ich mir euren Handwerksbetrieb genauer anschauen und mit euch alles besprechen, der zweite Termin wäre dann mit dem Mitarbeiter für das Vorstellungs­gespräch.

 

Wir bekommen in den nächsten Tagen einen Neuzugang, für den ich einen Job in der IT suchen würde. Er hat Programmierer gelernt, ist ein sehr schlaues Köpfchen. Sein Handicap ist, dass er unter dem Asperger-Syndrom leidet, eine leichtere Form des Autismus. Ich fürchte nur, dass ihr für einen genialen Programmierer keine Verwendung habt.“

 

Bevor ich reagieren konnte, erklärte Philipp: „Dieter, da muss ich dich schwer enttäuschen, wir suchen sehr wohl Programmierer. Bernhard könnte für seinen Bereich einen gleichwertigen genialen Kopf brauchen, der ihn in seiner Arbeit unterstützt oder sie ihm sogar abnimmt. Wenn ich Peter richtig verstanden habe, soll er im Februar, nach Abschluss seiner Ausbildung die Leitung unseres Dokumenten- und Planmanagements als technischer Direktor übernehmen.

 

Wenn er so gut ist wie du eben sagtest, sollten wir einen Versuch wagen und ihm eine Chance geben, mit Bernhard die Weiterentwicklung in diesem Bereich voranzutreiben. Wichtig ist wahrscheinlich nur, dass er keine Probleme mit gleichgeschlechtlichen Menschen hat und wie die beiden menschlich miteinander auskommen.“

 

Ich grinste, blickte zu Philipp und sagte: „Ich hatte die gleiche Idee, aber wenn sie von dir angeboten wird, finde ich das umso besser. Du solltest aber vorher bitte mit Bernhard sprechen, oder soll ich das lieber übernehmen.“

 

Philipp grinste und meinte, er hätte eine bessere Idee, wir sollten das Gespräch mit Bernhard gemeinsam führen und ihn bei der Umsetzung unterstützen. Ich nickte nur und damit war das abgemacht.

 

Ich wandte mich an Dieter und sagte: „Das meinte ich damit, du solltest uns als erstes Fragen. Wie du siehst, können wir dir sogar in diesem Fall unsere Hilfe anbieten.“

 

Da Dieter nicht sofort reagierte frotzelte Barbara. „Das erste Mal nach ewig langer Zeit, dass ich Dieter wieder einmal sprachlos erlebe. Danke Philipp und Peter, für dieses außergewöhnliche Erlebnis.“

 

Dieter lachte und erklärte: „Ich war echt komplett überrascht als Philipp erklärte, dass ihr Programmierer beschäftigt und ihm eine Chance geben wollt. Das bedeutet ich brauche bei euch einen weiteren Termin zum Kennenlernen der IT und später einen für das Einstellungsgespräch. Wenn ich mir die großen Augen meiner beiden Jungs anblicke, haben die zwei heute mehr über meine Arbeit erfahren, als ich ihnen bisher beibringen konnte.“

 

Michael meinte: „Stimmt Papa, in der letzten guten halbe Stunde haben wir mehr kennengelernt von dem, was Peters Unternehmen alles anbieten und wie sie dich dabei in deiner Arbeit unterstützen können. Ich habe begriffen, dass ich bei Peter sogar eine Ausbildung in vielen verschiedenen Berufen machen könnte.“

 

Ich schaute in die Runde und erklärte: „Barbara, ich will nicht unhöflich erscheinen, aber so langsam solltest du deinen Mann an die lange Leine nehmen und mit ihm und den Kindern nach Hause fahren. Ich befürchte, sonst sitzen wir morgen früh noch hier und sprechen mit ihm über Arbeits- und Ausbildungsplätze für seine Schützlinge.“

 

Alle fingen laut zu lachen an und Dieter sagte: „Peter, so lustig hat mich noch keiner hinauskomplimentiert. Aber du vermutest völlig richtig, dass wir morgen Früh noch hier sitzen, wenn wir weiter über dieses Thema sprechen. Wir sollten die zwei Termine des Kennenlernens der Unternehmen auch dazu nutzen, über die weiteren Möglichkeiten zu sprechen. Kommt Kinder wir fahren jetzt los.“

 

Er stand auf, schnappte sich Barbara und seine Jungs und verlies unser Wohnzimmer, nachdem sie sich von allen Anwesenden verabschiedet hatte. Thomas und ich folgen ihnen und wir verabschiedeten uns extra von ihnen, wobei ich Barbara noch einmal für ihre schnelle Hilfe dankte.

 

Wieder im Wohnzimmer zurück diskutierten die Jungs über die Erkenntnisse des heutigen Abends. Ich bemerkte sehr schnell, dass Pit sich sehr zurückhaltend verhielt und nicht an der Kommunikation teilnahm. Ich verständigte mich mit Blickkontakt zu Thomas und forderte Pit auf mir zu folgen.

 

In der Küche setzten wir uns an den kleinen Tisch und ich fragte ihn direkt: „Pit, bist du mit dem Ergebnis des heutigen Abends unzufrieden oder gibt es einen anderen Grund, warum du so schweigsam bist.“

 

Er schaute mich an und erklärte: „Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden, mit einer einzigen Ausnahme, der Tatsache, dass mein Vater kaum mehr eine Chance hat, sich doch noch für seine beiden Söhne zu entscheiden. Du hast beschlossen die Gärtnerei Grubmüller zu kaufen, um dort für mich und Mario eine gemeinsame Zukunft zu ermöglichen und den ehemaligen Mitarbeitern ihren Arbeitsplatz zu sichern.“

 

Er stockte in seinen Ausführungen, so dass ich versuchte ihm zu erklären: „Es ist zwar richtig, dass ich die Gärtnerei erwerben will, aber wenn du und Mario eine Chance bei eurem Vater bekommen solltet, werde ich euch nicht im Weg stehen. Dann wird eben Daniel die Leitung der Gärtnerei Grubmüller übernehmen und gemeinsam mit Manuel den Anbau der Gemüsesorten planen und durchführen.

 

Für mich sind die ehemaligen Mitarbeiter genauso wichtig, wie die Tatsache, dass ich euch eurem Vater nicht wegnehmen will. Mach dir keine Gedanken, es findet sich für jedes Problem eine Lösung, aber erst einmal muss ein Problem vorhanden sein, das es gilt, gelöst zu werden.

 

Eines sollte dir zumindest bewusst sein, wenn dein Vater doch noch einsichtig wird, bleibt dir vermutlich nur die Möglichkeit allein zu ihm zurückzukehren. Mario wird sich weiterhin für unser gemeinsames Projekt entscheiden, bei ihm ist die Vertrauensbasis zu deinem Vater viel zu nachhaltig zerstört, vor allem nach dem heutigen Tag. Er hat sprichwörtlich den Strohhalm ergriffen, der ihn vor seinem Ertrinkungstod retten kann, und den wird er nicht wieder loslassen.“

 

Pit schaute mich an und antwortete: „So habe ich das bisher nicht betrachtet, ich befürchte nur dass du recht haben könntest mit deiner Vermutung. Deshalb müsste ich am Ende entscheiden, ob mit meinem Bruder oder mit meinem Vater gemeinsam, was dann bedeutet, dass ich irgendwann die Gärtnerei übernehmen muss, egal ob ich will oder nicht.“

 

Er schaute mich fragend an, da ihm keiner seine Entscheidung abnehmen konnte, versuchte ich folgendes: „Peter, diese Entscheidung kann dir keiner abnehmen, aber ich sehe sehr wohl in welcher Zwickmühle du dabei steckst.

 

Je eher du dich entscheidest, kannst du beiden Parteien erklären, wie du dir deine Zukunft vorstellst. Ich empfehle dir vorher ein Gespräch mit deinem Bruder zu suchen, damit du zumindest die Gewissheit hast, ob es für ihn überhaupt noch ein Zurück zur Familie geben kann und unter welchen Voraussetzungen.

 

Wenn ich dein Bruder wäre, würde ich dir erklären, ein Zurück zur Familie ist nur dann möglich, wenn Vater sofort seinen Betrieb an euch beide übergibt und er ab sofort in der Gärtnerei nichts mehr zu sagen hätte. Ich an Marios Stelle würde den rettenden Strohhalm nur dann loslassen, wenn ich eine einhundertprozentige Garantie habe, und die habe ich nur wenn er sich mit sofortiger Wirkung zurückzieht.“

 

Pit guckte mich an und sagte: „Ich kann mir beim besten Willen einfach nicht vorstellen, dass Vater auf diese Bedingung eingehen wird. Ich sollte kurzfristig dieses wichtige Gespräch mit meinem Bruder führen. Peter, ich möchte mich bei dir dafür bedanken, dass du mir immer wieder deine Hilfe anbietest, wenn ich wieder einmal in einer Sackgasse stecke. Ich hoffe ich kann auch zukünftig zu dir kommen, wenn ich einen Rat brauche.“

 

Ich lächelte und meinte: „Pit du kannst jederzeit zu mir kommen, und mich um Rat fragen, ob ich dir bei allem weiterhelfen kann, kann ich dir nicht versprechen. Wenn du mich zum Beispiel fragen würdest, ob ich dir bei Liebeskummer weiterhelfen kann, in diesem Fall müsste ich passen.“

 

Pit lacht und meinte: „Ich habe dich verstanden, bei Unsicherheiten, so wie heute, kannst du mich beraten oder mir Wege aufzeigen, wie ich mein Problem lösen kann. Dennoch wird es immer wieder Dinge geben, bei denen mir keiner einen Ratschlag oder eine Patentlösung anbieten kann. Wir sollten wieder zu den anderen gehen, für mich war der Tag doch stressiger als gedacht. Ich werde bald in mein Bett verschwinden.“

 

Wir gingen zurück ins Wohnzimmer und stellten fest, dass scheinbar keiner unsere Abwesenheit bemerkt hatte. Nur Thomas zwinkerte uns zu, er war der Einzige, der unseren Abgang mitbekommen hatte. Ich lauschte noch eine kurze Zeit der Diskussion und erklärte dann: „So, Leute, ich denke wir sollten die Diskussion für heute beenden, in den nächsten Tagen werdet ihr sicher die Gelegenheit bekommen, weiter darüber zu sprechen.“

 

Marcus, Philipp, Mario und Pit waren die ersten die aufstanden, sich verabschiedeten und eine Etage höher gingen. Unsere vier Jungs meinten, sie würden noch schnell im Wohnzimmer aufräumen und danach ebenfalls in ihre Zimmer verschwinden.

 

Thomas schaute mich an und meinte: „Dann sollten wir zwei die Gelegenheit nutzen und schnell ins Bad verschwinden, bevor die vier Jungs das Badezimmer belagern und wir warten müssen, bis sie endlich fertig sind.“

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