Welcome to Australia – Teil 10

Ich fuhr zusammen, als ich fühlte, wie eine Hand sanft durch mein Haar strich, traute mich aber nicht, mich aufzurichten.

Berry

Zwei wunderschöne braune Augen schauten mich an. Liebevoll strich ich mit meinen Fingern über seine feuchten Wangen, um die Tränen abzuwischen.

„Was ist denn los mein Schatz?“

Tom schaute mich erst eine ganze Weile an, bevor er anfing zu reden.

„Als ich zurück am Tisch war, warst du auf einmal verschwunden. Ich habe dich in der ganzen Schule gesucht und als du auch nicht mehr zum Unterricht gekommen bist, habe ich mir wahnsinnige Sorgen gemacht.“

Die Erzählung wurde durch ein Schluchzen von Tom unterbrochen, dann jedoch sprach er weiter: „Nach der letzten Stunde bin ich dann wie ein Wahnsinniger zu dir nach Hause gefahren, aber da warst du auch nicht. Danach sind Molly und ich hierher. Und den Rest kennst du ja.“

Vorsichtig legte ich eine Hand an seinen Nacken und zog ihn langsam zu mir. Einen Moment lang schaute ich tief in seine Augen, die so dunkel waren, dass ich das Gefühl hatte, in seine Seele gucken zu können. Als sich unsere Lippen berührten, öffnete ich sie und mich durchzog ein wunderbar erregendes Gefühl.

Wie in Zeitlupe ließ ich mich neben ihn auf das Bett nieder und Tom presste sofort seinen Körper fest an den meinen.

Wir begonnen, uns leidenschaftlich zu küssen und ich konnte Toms Erregung deutlich an meinem Unterleib spüren. Meine Hände wanderten über seinen ganzen Körper, während wir unsere Leiber aneinander rieben.

Plötzlich wurde die Zimmertür ohne Vorwarnung aufgestoßen und Molly stand im Zimmer.

Erschrocken fuhren wir sofort auseinander.

„Molly! Ich habe dir schon tausend Mal gesagt, dass du anklopfen sollst.“

Molly machte ein schuldbewusstes Gesicht, drehte sich um und wollte gerade wieder rausgehen.

„Warte, bitte. Ich wollte dich nicht so anfahren.“

Wir setzten uns beide auf Toms Bett.

„Entschuldigt … ich wollte euch nicht stören … es wird nicht wieder vorkommen … es tut mir Leid“, stotterte Molly vor sich hin.

Leise ging sie hinaus und schloss die Tür hinter sich.

„Es tut mir auch leid, mein Schatz. Ich wollte dir keine Sorgen machen. Aber als du, ohne was zu sagen, aufgestanden bist und dich zu Timothy gesetzt hast, bin ich irgendwie durchgedreht.“

Ich erzählte ihm die Geschichte und auch den Vorfall mit dem Auto ließ ich nicht aus.

„Nun weiß ich auch, wen die Frau gemeint hat.“

Wir mussten beide lachen.

„Sag mal, kannst du dir denken, mit wem deine Mutter weggegangen ist?“

„Nein, ich hab keine Ahnung. Mein Bruder hat auch keine Idee.“

„Und wäre das okay für dich, wenn sie wieder einen Mann mit nach Hause bringt?“

Ich überlegte.

„So genau habe ich mir diese Frage noch gar nicht gestellt. Auf der einen Seite bin ich froh, so wie wir leben. Ich kannte mein Vater ja kaum und so waren wir eigentlich auch immer nur zu dritt.“

„Kannst du dich an die Zeit mit deinem Dad erinnern?“

„Nur sehr wenig und bruchstückhaft. Ich war ja noch klein damals.“

Tom nahm mich in den Arm.

„Auf der anderen Seite sehe ich schon, wie meine Mum sich einen Partner wünscht. Jahrelang hat sie sich nur um uns gekümmert. Ich bin mir nur unsicher, wie das dann sein wird. Habe Angst davor, dass sich was ändern wird. Vielleicht mag ich ihn ja auch nicht.“

„Das kann ich verstehen, mir ging es auch nicht anders, als ich hier nach Australien kam. Aber das wird schon werden, ich denke, deine Mum wird auch darauf achten, dass es euch dabei gut geht.“

Ich gab Tom einen Kuss.

Plötzlich klopfte es leise.

„Boah, muss sie uns immer beim Küssen stören.“

Tom grinste und rief, „Herein, wenn es keine Molly ist.“

Vorsichtig öffnete sich die Tür und Mollys Gesicht kam langsam zum Vorschein.

„Darf ich reinkommen?“

„Klar, setz dich ruhig zu uns.“

Instinktiv klopfte ich mit meiner Hand auf das Bett neben mir.

Molly lächelte dankbar und setzte sich neben mich.

„Sagt mal, habt ihr heute schon etwas vor?“

Tom und ich schauten und an.

„Jein!“, sagten wir im Chor, was bei uns allen dreien für ein Lachen sorgte.

„Also, wir wollen eigentlich gleich zu mir nach Hause fahren. Ich hoffe, meine Mum ist noch nicht zurück und vielleicht können wir sehen, mit wem sie weg war.“

„Das wird bestimmt spannend. Kann ich mitkommen?“

Ich schaute Tom an und er Molly, dann grinste er.

„Wenn sie schon ständig beim Küssen stört… vielleicht kann sie ja noch etwas von uns lernen.“

Tom grinste mich an und meinte dann an Molly gewandt: „Klar kannst du mitkommen!“

Tom

Detektivarbeit ist ja schon etwas Spannendes. Wie oft war ich schon vor dem Fernseher gelegen und hatte mitgefiebert, bis der Böse gefasst war. Na ja, hier lag der Fall etwas anders. Niemand war umgebracht worden, nicht mal einen Bösen gab es.

Wir standen bei Berry Zuhause im Wohnzimmer und ich wusste nicht mal, was wir hier wollten.

„Irgendwo muss doch etwas sein, was uns einen Hinweis geben könnte“, murmelte er und zog ein paar Schubläden auf. Man sah ihm an, dass er wohl auch nicht so recht wusste, wonach er schauen sollte.

„Du kannst doch nicht einfach die Sachen deiner Mutter durchwühlen“, meinte Molly.

„He, das ist der Familienwohnzimmerschrank, da wird Berry doch wohl noch Schubladen öffnen dürfen“, widersprach Lesley.

„Ich denke, er wird wohl kaum einen Liebesbrief finden…, also dass eure Mum so etwas offen herum liegen lässt, kann ich mir nicht vorstellen“, warf ich ein.

„Tom hat Recht, ihr findet bestimmt nichts.“

Berry ließ sich auf das Sofa fallen und zog eine Schmolllippe.

„Schatz jetzt übertreibst du aber. Ihr werdet sicher bald erfahren, wer es ist“, meinte ich.

Diesmal fing ich mir nur einen bösen Blick ein, der sich aber schnell in ein Lächeln wandelte, da ich meinen süßesten Dackelblick auflegte. Ich ließ mich neben Berry fallen und nahm ihn in den Arm.

„Tom hat zwar Recht, aber du weißt ja wie neugierig Jungs sein können“, meinte Molly und schaute zu Lesley, der ihr als Antwort die Zunge heraus streckte, was uns alle zum Lachen brachte.

*-*-*

 

Zurück auf dem Millergrundstück, saßen wir noch etwas auf meiner Veranda. Molly und Lesley hatten sich zurück gezogen und so waren wir alleine.

„Guck nicht so biestig“, meinte ich.

„Tu ich doch gar nicht!“

Ich musste grinsen, denn wenn Berry so schmollend und trotzig schaute, sah er eigentlich richtig süß aus.

„Beschäftigt dich das jetzt so sehr mit deiner Mutter… ich meine, es ist ihr Leben und klar, ich verstehe auch dich. Jeder hat irgendwie Rechte…, aber jeder sollte auch die Privatsphäre des anderen achten… meinst du nicht?“

„Doch…“

„Aber?“

Berry zuckte etwas mit den Schultern. Ich dachte, vielleicht täte uns ein kleiner Sparziergang gut. Mein Vorschlag wurde begrüßt und so machten wir uns auf den Weg.

„Denkst du ab und zu noch an deinen Vater?“, wollte Berry plötzlich wissen, nachdem er eine ganze Weile schweigend neben mir gelaufen war.

„Nicht sehr oft…“

„In letzter Zeit denke ich oft an meinen Vater. Was er über mich denken würde, wie er mit meinem Leben zufrieden wäre.“

„Dazu kann ich dir leider nichts sagen, Berry. Ich weiß nur von mir…, ich wollte meinen Vater nie enttäuschen… schon gar nicht, nachdem ich dachte, ich sei Schuld, dass Mum wegen mir weggelaufen war.“

„Jetzt weißt du es aber besser!“

„Ja, aber damals eben nicht und das war keine einfache Zeit für mich.“

„Glaube ich dir gerne.“

„Und dich beschäftigt jetzt, was dein Vater denkt… weil du schwul bist, einen Freund hast…?“

Berry nickte.

„Also ich vermute mal, dass er sicher stolz auf dich wäre. Schau, du bist fast Klassenbester, super in Sport und auch beliebt, was willst du mehr?“

„Die Liebe meines Vaters?“

Berry schaute mich traurig an. Ich verstand ihn, aber wirklich helfen konnte ich ihm nicht, also legte ich meinen Arm um seine Hüfte und zog ihn etwas an mich. Das nächste Stück setzten wir schweigend fort, bis ich plötzlich inne hielt.

„Was ist?“, fragte Berry überrascht.

„Weißt du noch…, dein Unfall?“, antwortete ich und zeigte auf die Stelle der Straße, an der ich ihn damals blutend gefunden hatte.

„Nein, leider immer noch nicht…, der Teil ist glaube ich auf ewig aus meinem Hirn gestrichen.“

„Da war es das erste Mal, dass ich dachte, ich verliere dich… und heute Mittag…“

„Ach Tom, hör auf! So schnell bist du mich nicht los. Mir ist klar, dass es auch mal Meinungsverschiedenheiten geben kann…, aber man kann ja reden… oder?“

„Klar tun wir auch…, entschuldige, wenn du dich übergangen gefühlt hast.“

„Angenommen und nu reden wir nicht mehr darüber!“

Ich nickte und drückte mich noch mehr an Berry. Ohne es zu merken, waren wir Richtung Berrys Zuhause gelaufen. Vor dem Haus standen ein PKW und zwei Personen. Plötzlich blieb Berry abrupt stehen.

„Das gibt es nicht…“, kam es von ihm.

„Was ist denn?“, fragte ich.

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