Welcome to Australia – Teil 13

Er war wohl nicht gefasst, dass ich nach ihm griff. Auf alle Fälle wirbelte er mir entgegen. Doch zwischen uns, war ein Hinterrad eines Fahrrades im Weg, über das Lesley nun fiel und hart auf den Boden aufschlug.

„Was soll der Scheiß!“, herrschte mich Lesley an und stand wieder auf.

Ein kleiner Kratzer an der Stirn blutete.

„Das könnte ich dich fragen!“, schrie ich zurück, „du benimmst dich unter aller Sau!“

„Das geht dich einen Dreck an! Halt dich aus meiner Familie heraus. Verstehst du?“

„Weißt du, was du da für eine gequirlte Scheiße von dir gibst?“

„Tom!“, hörte ich Mollys mahnende Stimme.

„Was denn? Ich bin der Freund seines Bruders und Lesley ist mein bester Freund. Was soll ich denn nach eurer Meinung nach tun. Einfach nur zu sehen?“

Durch mein Geschrei angelockt hatte sich mittlerweile eine kleine Scharr Schüler um uns versammelt. Keiner sagte ein Wort. Alle starrten auf uns. Berry löste sich von Molly und ging auf seinen Bruder zu.

„Lesley…“, kam es Berry leise.

„WAS?“

Berry zuckte zusammen. Lesley stand immer noch vor mir, funkelte mich sauer an, als wolle er im nächsten Moment seine Faust in mein Gesicht versenken. Berry dagegen, jetzt direkt neben mir zitterte am ganzen Körper.

„Bitte hör auf…“

„Warum? Dieses Arsch mischt sich in Dinge ein, die ihn nichts angehen!“

Berry

Warum tat er das? Warum tat er mir so weh? Mir wurde dass zuviel und jetzt ging er auch noch auf Tom los. Wie mechanisch hob ich die Hand, holte aus und scheuerte sie meinem Bruder voll ins Gesicht.

Doch bevor Lesley überhaupt reagieren konnte, wurden wir von einer bekannten dunklen Stimme unterbrochen.

„Was ist denn hier los?“

Die Stimme von Mr. Steinhardt unserem Prinzipal drang an mein Ohr. Sofort wich die kleine Meute um uns auseinander.

„Ab in die Klassenzimmer“, rief er und schaute zu uns.

Molly nahm Berrys und ihren Rucksack und wollte schon loslaufen.

„Nein ihr bleibt!“, sagte Steinhardt streng.

Es dauerte eine Weile, bis  sich alle in die Schule verzogen hatten.

„Ich kriege hier fiel an der Schule mit und ich kenne so manche Raufbolde an der Schule, aber das ihr…! Mitkommen!“, meinte er und lief los.

Lesley, der immer noch dicht vor mir stand, rieb sich die Wange. Er hatte Tränen in den Augen. Wie zwei rauflustige Kampfhähne standen wir voreinander. Erst dieses Machtwort des Prinzipals ließ uns auseinander fahren.

*-*-*

Mr. Steinhardt öffnete eine Tür und wies uns an, den Raum zu betreten. Ich kannte dieses Zimmer der Schule nicht, war hier noch nie gewesen. Nur befand sich hinter dieser Tür nicht wie erwartet ein Raum, sondern ein kleiner Garten.

In der Decke waren mehrere Glasfenster eingelassen und tauchten diesen Garten in Sonnenlicht.

„Kommt nur herein“, sagte Mr. Steinhardt, um hinter uns die Tür zu schließen.

Sein Ton war wesentlich ruhiger als zuvor, als wäre nichts vorgefallen.

„Wo sind wir hier?“, fragte Molly.

„Ein Rückzugsgebiet für Lehrer und nur für Lehrer!“, beantwortete Mr. Steinhardt die Frage.

„Deswegen kenne ich diesen Garten nicht.“

„Nein, den kennen nur wenige Schüler und ich bitte euch, auch euren Mund zu halten.“

Er schloss die Tür hinter sich und lief weiter in das Grün hinein.

„Kommt mit nach hinten, da ist eine Sitzgelegenheit. Eure Rucksäcke könnt ihr bei der Tür stehen lassen. Für den ausfallenden Unterricht, werde ich euch entschuldigen…, aber kommt.“

Ich war an Toms Seite getreten und suchte seine Hand. Er umschloss sie fest und gemeinsam folgten wir Mr. Steinhardt. Molly und Lesley dagegen liefen getrennt neben einander her.

„Ihr wundert euch sicher, warum ich eingegriffen habe“, hörte ich Steinhardt sagen, aber ich kann es nicht haben, wenn sich Geschwister derart in die Haare kriegen. Und besonders ihr!“

Nanu, was waren das für Töne. Bisher hatten wir mit Mr. Steinhardt auch nicht mehr zu tun, als mit den anderen Lehrern. Wieso dieses plötzliche Interesse? Eine kleine Sitzgruppe mit mehreren Stühlen und einen Tisch kam in Sicht. Er setzte sich und wir taten es ihm gleich. Ich bekam das Zittern nicht in den Griff. Trotz Toms Nähe fühlte ich mich sehr unwohl.

„Ich erzähle euch etwas, was ihr nicht wissen könnt. Lesley…, Berry… euer Vater war, als er noch lebte mein bester Freund.“

Erstaunt schaute ich den Prinzipal an. Er kannte unseren Vater?

„Was ich euch jetzt erzähle, bleibt auch bitte unter uns. Man sollte alte Sachen ruhen lassen. Auch wenn ich jetzt Gefahr laufe jemanden ins schlechte Licht zu rücken, dass ist nicht meine Art.“

Seine Art war es, ein Thema interessant zu machen, dachte ich.

„Ihr wisst, dass euer Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist…, das ist die offizielle Version.“

Offiziell? Nicht nur ich, sondern auch die anderen drei schauten ihn verwundet an.

„Inoffiziell ist euer Vater mit seiner Maschine abgestürzt.“

„Mein Vater hatte eine eigene Maschine?“, fragte Lesley die Frage, die mir ebenfalls gerade auf der Zunge gelegen hatte.

„Ja, Jim war begeisterter Hobbyflieger…, aber das wurde ihm zum Verhängnis. Untersuchungen ergaben, das jemand am Motor manipuliert hatte.“

Entsetzt sah ich meinen Rektor an.

„Wer es war und warum, wurde nie herausgefunden.“

Es war das erste Mal, dass mich Lesley wieder anschaute. Sein Blick war traurig und ich hatte das Bedürfnis ihn in den Arm zu nehmen. Doch mein Körper reagierte nicht. Ich war völlig starr.

„Um auf das zurück zukommen, dass ich vielleicht jemand im schlechten Licht erscheinen lassen könnte, muss ich weiter ausholen, dann werdet ihr auch einiges verstehen. Also Jim, euer Vater, ich, Riley und Harry…“

„Timothys Vater?“, fragte ich.

„Ja und Harry ist Joshuas Vater, der zurzeit in Amerika ist, wir waren sehr dicke Freunde.“

Waren? Davon hatte Mum uns nie etwas erzählt. Ich hatte zwar mal mitbekommen, dass sie Mr. Steinhardt näher kennt, mir aber nie darüber Gedanken gemacht.

„Als euer Vater damals verunglückte, taten wir uns zusammen, um zu überlegen, wie man Linda eurer Mutter am Besten helfen könnte. Sie war alleine mit euch Zwillingen und damit hatte sie schon genug Arbeit und ihr wart alles andere als pflegeleicht.“

Tom grinste mich an.

„Riley erklärte sich als bereit, Linda finanziell unter die Arme zu greifen und Harry wollte sich um das Geschäftliche bemühen. Euer Vater hatte damals einen kleinen Laden in der Nähe unsere Universität.“

Warum hatte Mum uns das alles nicht erzählt?

„Aber der Laden war nicht zu halten und musste geschlossen werden, damit eure Mutter das Haus nicht verkauft werden musst. Auch die Blockhütte, die euch damals gehörte wurde zur Rettung des Hauses verkauft.“

Ich schaute zu den anderen. Sie saßen wie gebannt da und lauschten Mr. Steinhardts Worten.

„Leider gab es auch Ärger mit Rileys Frau, Timothys Mutter. Sie ließ kein gutes Haar an eurer Familie und setzt dann das Gerücht in die Welt, Riley wäre schwul.“

„Gerücht? Warum?“, fragte Lesley.

„Ihre krankhafte Eifersucht. Sie hatte zu erst behauptet, Timothys Vater hätte ein Verhältnis mit eurer Mutter, was nicht stimmte und auch niemand darauf reagierte. So schmiss sie ihn hinaus, mit der Begründung, ihn mit einem Mann erwischt zu haben.“

„Und Timothys Vater ließ dass einfach über sich ergehen?“, fragte Molly verwirrt.

„Ja, denn die Ehe war schon zu der Zeit keine Ehe mehr. Wir haben dann noch erfahren, dass sie die Blockhütte kaufen wollte, da kam aber dein Vater Molly ihr zuvor, der dann gerade nach Griffith kam.“

„Warum hat das uns nie jemand erzählt?“, wollte ich nun wissen.

„Ich weiß es nicht, Berry. Ich denke, es ist einfach an der Zeit.“

„Unser Vater wurde also umgebracht?“, fragte Lesley und ich spürte deutlich, wie es in seinem Kopf arbeitete.

Mr. Steinhardt nickte uns zu.

„Riley ist dann ausgezogen und war nicht mehr gesehen“, erzählte er weiter.

„Und Timothys Mutter hatte das ganze Geld…“, sagte Molly leise.

„Das ist so nicht ganz richtig. Sie erhielt nur ihren Pflichtteil, den Rest hat oder hatte Riley.“

Er beugte sich etwas vor und sah Lesley durch dringend an.

„Deine Mutter hat mich angerufen…“

Lesley wurde rot.

Tom

Lesleys Gesicht bekam eine heftig rote Farbe. Immer noch starrte der Prinzipal ihn an.

„Es hat mich sehr gefreut, dass deine Mutter und Riley zusammen gefunden haben. Dass aber du jetzt die so quer stellst, kann ich nicht verstehen. Hat deine Mutter nicht etwas Glück verdient?“

Lesley sagte überhaupt nichts, er sah nur Prinzipal Steinhardt an.

„Weißt du, deine Mutter hat sehr viel durch gemacht und wenn sie uns drei nicht zur Hilfe gehabt hätte, auch später Mollys Eltern, dann wäre eure Familie den Bach hinunter gegangen.“

„Ich…, ich…“, stotterte Lesley.

„Was ist so schlimm?“

Diese Frage interessiert wohl jeden im Raum. Ich sah zu Berry, der total starr neben mir saß. Lesley senkte den Kopf.

„Ich…, ich weiß es nicht… Ich habe den Namen Stefferson gehört…“

„… und dann ist bei dir eine Sicherung durchgebrannt.“

Lesley nickte. Steinhardts Blick schweifte durch unsere Runde.

„… unser Vater wurde umgebracht?“, hörte ich Berrys zittrige Stimme neben mir.

Ich drehte den Kopf zu ihm und sah wie ihm die Tränen über die Wangen liefen. Es tat weh ihn so zu sehen, so nahm ich ihn einfach in den Arm und hauchte ihn einen Kuss aufs Haar.

„Es tut mir Leid Jungs, dass ihr das so erfahren müsst.“

Dass es Mr. Steinhardt es mit seiner Aussage Ernst meinte, sah ich an seinen feuchten Augen. Ihn schien dass genauso mitzunehmen, wie uns auch.

„Ich möchte nicht neugierig erscheinen“, begann Molly plötzlich, aber warum wurde der Fall nicht publik gemacht oder aufgeklärt?“

Mr. Steinhardt atmete tief durch und fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht.

„Darüber… kann ich euch leider nichts sagen, aber ich bitte euch, darüber kein Wort zu verlieren. Es ist schon schlimm genug, dass mir da die Hände gebunden sind.“

„Ich glaub mir wird schlecht…“, sagte Berry neben mir.

Sein Gesicht war blass und er zitterte.

„Tom, kannst du Berry ins Krankenzimmer bringen und ich denke Molly du nimmst Lesley gleich mit. Ich werde eure Mutter informieren…“

*-*-*

Ich saß mit Molly vor dem Krankenzimmer als Bob, Abby und Linda im Laufschritt ankamen.

„Kinder, was ist geschehen?“, rief Abby.

Als Molly gerade etwas sagen wollte, ging die Tür auf und Mr. Steinhardt trat heraus.

„Scot…, was ist passiert?“, fragte Linda.

„Hallo Linda…, Abby…, Bob.“

Man umarmte sch zur Begrüßung. Mir war nicht bewusst, dass die vier sich so gut kannten, nie hatte einer darüber ein Wort verloren.

„Linda, es tut mir Leid, ich musste deinen Zwillingen sagen, was damals passiert ist. Ich sah irgendwie keine andere Lösung. Der Streit zwischen den zweien drohte zu eskalieren.“

Übertrieb er jetzt nicht „ein wenig“? Eskalieren…, dass hörte sich an, als wären die zwei aufeinander losgegangen.

„Eskaliert?“, fragte Bob.

„Ja, Berry hat Lesley eine herunter gehauen.“

„Mein Berry? So etwas hat Berry doch noch nie getan…“, kam es von Linda, „… sie wissen was mit… Jim passiert ist?“

Steinhardt nickte.

„Mit euch alles in Ordnung?“, sagte Abby leise.

Molly und ich nickten.

„Wo sind die zwei?“, fragte Linda.

„Bei Emilie hier im Krankenzimmer“, antwortete  Steinhardt.

„Emilie ist immer noch hier?“, fragte Bob erstaunt.

„Ja, sie ist nach wie vor unsere gute Seele im Haus.“

Linda stand vor der Tür.

„Soll ich mit dir hinein gehen?“, fragte Abby.

„Nein, da muss ich wohl jetzt alleine durch… ihr entschuldigt mich bitte…“

Linda griff zaghaft nach dem Türgriff und zog an ihm.

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