Welcome to Australia – Teil 07

„Was wollt ihr hier“, schrie sie, „habt ihr meinem Sohn nicht schon genug angetan?“

Sofort kam noch eine Schwester hinzu, anscheinend von dem Lärm angelockt.

„Verschwindet und lasst euch hier nie wieder blicken… bleibt fern von meinem Sohn!“

„Mrs. Stefferson, können Sie bitte etwas leiser werden?“, fragte die Schwester.

„Tom, komm wir gehen“, meinte Berry leise und zog mich an der Hand aus dem Zimmer.

*-*-*

„Was habt ihr?“, rief Molly verwundert.

„Wir waren bei Timothy im Krankenhaus…“, meinte Berry und ließ sich neben seinem Bruder im Pausenhof nieder.

„Aber warum? Reicht der Streit nicht schon?“, fragte sie ärgerlich weiter.

„Wer ist Timothy eigentlich“, warf Leng Sin ein.

„Einer aus unserer Klasse, der sich mit Tom angelegt hat und mit einem gebrochenen Arm im Krankenhaus liegt“, antwortete Lesley.

Entsetzt sah Ling Sin zu mir.

„Ich habe nichts gemacht… ich bin nur ausgewichen, als er auf mich losgehen wollte und dabei hat er sich den Arm gebrochen. Ich bin kein Schlägertyp!“

Leng Sin atmete scheinbar erleichtert durch und ich wandte mich zu Molly.

„Molly ich wollte nur etwas klar stellen…“, begann ich.

„Was? Dass er dich in Zukunft in Ruhe lassen soll?“, fiel sie mir sofort ins Wort.

Berry

Ich schaute zwischen Tom und Molly hin und her.

„Nun kommt mal wieder runter. Ich glaube, es hat wegen Timothy schon genug Zoff gegeben.“

Molly warf mir einen bösen Blick zu.

Sie mochte es nicht besonders, wenn sie unrecht hatte. Und auch, wenn es vielleicht nicht klug gewesen war, ins Krankenhaus zu fahren, konnte ich Tom gut verstehen, denn ich konnte mir ebenso keinen Reim auf Timothys Verhalten machen.

„Molly, findest du es nicht auch komisch, wenn Timothy auf Tom und mir rumhackt, nur weil wir schwul sind und auf der anderen Seite könnte man aber annehmen, dass er selbst schwul ist?“

Leng Sin sah uns verwundert an und fragte leise: „Ihr seid schwul?“

Tom und ich grinsten uns an. Dann nahm ich Tom in den Arm und gab ihm einen Kuss.

„Wir hoffen es stört dich nicht?“

Unser Neuling bedachte uns noch immer mit einem verwunderten Blick und erwiderte: „Nein, das stört mich nicht, auch wenn es für mich etwas ungewohnt ist.“

Nachdem das geklärt war, erzählte ich von dem Vorfall mit Timothy und von Toms unfreiwilligem Outing. Und auch die Sache mit Jason und Eddy ließ ich nicht aus.

„Und ich hatte schon gedacht, hier wäre nichts los…“, kicherte Leng Sin.

„Ihr müsst wissen, wir haben vorher in Sydney gewohnt, da ist alles ein wenig hektischer. Und als wir in den Sommerferien hierher gezogen sind, dachte ich, Griffith ist ein verschlafenes Nest.“

Molly wollte sich gerade schon wieder aufplustern, als er noch ergänzte:

„… ich meine nur im Vergleich zu Sydney.“

„Na, dann wollen wir dir das verschlafene Nest mal zeigen. Hast du Lust am Wochenende mit uns Surfen zu gehen?“, fragte ich.

„Man kann hier surfen?“

Sofort finden Leng Sins Augen an zu leuchten.

„Dann sollten wir aber auch Nath Bescheid geben, wir wollten uns ja eh noch mit ihm zum Surfen treffen.“

Tom war ganz begeistert von meiner Idee und auch Molly fand den Vorschlag gut.

Tom

Ich saß am Küchentisch bei einem leckeren Stück von Darleens Brombeerkuchen, als mir Abby einen Briefumschlag vor die Nase hielt.

„Ein Brief aus Amerika… von einer Kanzlei“, murmelte ich nachdenklich, als ich den Absender gelesen hatte.

Ich ging an die Schublade bei der Spüle und zog ein Messer heraus. Fein säuberlich schnitt ich den Umschlag auf und legte das Messer danach wieder an seinen Platz zurück. Während ich mehrere Blätter aus dem Umschlag nahm, setzte ich mich wieder an den Küchentisch.

„Hallo ihr, na wann gibt es was zu Essen?“, kam es von Bob, der gerade in die Küche kam.

„Gleich Bob, bin fast fertig“, meinte Abby.

„Gut…, Tom was hast du denn da?“

„Ich…, ich weiß es selbst noch nicht so genau… Papiere aus Amerika, von einer Kanzlei.“

„Hört sich interessant an“, meinte Bob und setzte sich zu mir.

„Hm…, sagt dir der Name William Harry Miller etwas?“

„Nicht dass ich wüsste…, aber warte mal“, Bob überlegte einen Moment, griff dann zum Telefon und tippte eine Nummer ein.

„Hallo Kathleen, hier ist Bob… nein mit Tom ist alles in Ordnung… ja…“

Eine kurze Pause entstand, in der Mum ihm anscheinend etwas erzählte und Bob still zuhörte.

„Ja, das ist kein Problem… ja genau… du, weshalb ich dich anrufe, sagt dir der Name William Harry Miller was?“

Wieder trat eine Pause ein, in der Bob nichts sagte. Mittlerweile war Abby an den Tisch getreten und warte genauso wie ich auf weitere Gesprächsfetzen von Bob.

„Genau, mir kam der Name gleich bekannt vor…, oh ja, da wird sich Tom sicher freuen… gut bis nachher. Bye!“

Bob drückte das Gespräch weg und legte das Telefon auf den Tisch.

„Das ist der Cousin deines Großvaters“, meinte er und lehnte sich zurück.

„Grandpa Louis?“

„Ja.“

„Davon höre ich das erste Mal.“

„Deine Mum kommt vorbei, sie kann dir sicher mehr erzählen.“

„Sie kommt her? Bringt sie die Kleinen mit?“

„Weiß ich nicht, das hat sie nicht gesagt.“

An meinen zwei Geschwistern hatte ich mittlerweile einen Narren gefressen und sie hatten ihren großen Bruder sehr tief ins Herz geschlossen. Ich legte den Brief beiseite und widmete mich den anderen Unterlagen.

„Und was steht da noch drin?“, fragte Bob neugierig.

„Der ist leider schon ein paar Jahre tot, hat aber noch weitere Verwandte. Das hat mir Dad nie erzählt.“

„Er hat grundsätzlich nicht viel über seine Familie erzählt“, hörte ich eine mir bekannte Stimme.

Ich drehte meinen Kopf und sah Mum in die Küche laufen.

„Hallo Tom“, meinte sie und wuschelte mir durchs Haar.

„Hallo Mum.“

„Du hast Post aus Amerika bekommen, hat mir Bob erzählt.“

„Ja von einer Kanzlei aus New York. Ich verstehe den Sinn dieses Schreibens noch nicht ganz.“

„Wenn es um einen Verwandten geht, vielleicht hast du etwas geerbt“, meinte Mum, während sie sich zu uns an den Tisch setzte. Sofort und ohne zu fragen bekam sie von Abby eine Tasse Kaffee.

„Ist das Darleens berühmter Brombeerkuchen?“, fragte sie mich sogleich und auf mein Nicken hin meinte sie: „Da kann ich nicht widerstehen, kann ich auch ein Stück haben?“

Abby zog einen Teller aus dem Schrank, bestückte es mit Kuchen und setzte sich ebenso zu uns an den Tisch. Bob hatte mir mittlerweile einen Teil der Unterlagen abgenommen. Plötzlich pfiff er.

„Was ist?“, fragten Abby und Mum gleichzeitig.

„Hm…, wenn ich das richtig verstehe, bekommt unser Tom hier 30.000 US-Dollar im Jahr für die Schule.“

„Wie für die Schule?“, fragte ich.

„Tom, deine Schule kostet Geld und hier in Australien ist das nicht zu knapp“, erklärte Mum.

„Das ist dann so etwas wie ein Stipendium“, ergänzte Abby.

„Und was ist mit Molly? Sie ist doch meine Cousine, warum bekommt sie so etwas nicht?“, fragte ich.

„Die bekommt so etwas auch, denke ich“, meinte Abby und winkte mit einem weiteren Umschlag.

„Ist das auch ein Brief von der Kanzlei?“

„… und adressiert an Molly, ja!“

„Das ist der Hammer“, kam es von Bob.

„Was denn?“, fragte ich und Bob ließ die Papiere sinken.

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