No one else – 6.Türchen

„… oh, entschuldige Letizia… ich habe…“

„Es ist nichts passiert! Aber könntest du uns wieder alleine lassen, wir haben Wichtiges zu bereden!“

„… ja, selbstverständlich…“

Er verbeugte sich kurz, lief rückwärts wieder hinaus, ohne aber nicht zu vergessen, mich mit einem vernichteten Blick zu versehen. Die Tür schloss sich hinter ihm. Placido begann zu lachen.

„Was war das denn?“

„Vasco, unser Sportredakteur“, antwortete Letizia genervt.

„… und seit Jahren in Letizia verknallt“, hängte ich an.

„Deswegen dieser tödliche Blick, der galt dir?“, wollte Placido wissen.

„So ähnlich“, kam es von Letizia, „aber zum einen weiß hier im Büro keiner, dass unser Davide sein Bett mit Männern teilt und zum anderen keiner kann hier Davide das Wasser reichen.“

„Man spricht nur in den höchsten Tönen von dir…“, merkte Placido lächelnd an.

„Ja, ab und zu muss ich ihn auch loben, er ist schließlich der beste Mann hier, dass andere sind mit wenigen Ausnahmen alles Arschkriecher.“

„Letizia, so harte Worte aus deinem zarten Mund?“, fragte ich grinsend.

„Ach stimmt doch“, meinte sie weiter genervt und lehnte sich zurück, „habt ihr noch Zeit, oder müsst ihr schon los, was steht heute an?“

Placido schaute kurz auf seine Uhr.

„Eigentlich müssten wir schon unterwegs sein.“

„Schade…, aber gut…, eins noch Davide. Ich habe das Thema deiner Geschichte ein klein wenig abgeändert… mit Placido Romano in der Vorweihnachtszeit. Den Bericht bringen wir dann kurz nach den Feiertagen.“

„Öhm… okay“, gab ich erstaunt von mir.

„Ich melde mich bei dir, du wolltest mir doch die vielen geheimen Tipps zeigen, wo man gut essen gehen kann“, meinte Placido und verabschiedete sich wieder von Leticia.

„Das will ich doch hoffen. Ich bin sauer, wenn ihr mich total vergesst.“

„Dies würde wir doch nie tun!“, beschwichtigte ich sie total übertrieben.

„Raus mit euch, ich habe zu arbeiten, eine Zeitung macht sich nicht von selbst.“

„Komm Placido, gehen wir lieber, bevor wir noch für irgendwelche Sklavendienste eingestellt werden.“

„Tschüss ihr zwei…“

*-*-*

Eigentlich konnte ich es immer noch nicht fassen. Ich saß neben dem Mann, nach dem ich mich ein halbes Jahr verzehrt hatte und Letizia so manche schlechte Laune von mir hatte über sich ergehen lassen.

Ich schaute zu ihm hinüber, er strahlte über das ganze Gesicht. Nein, das war untertrieben, sein ganzer Körper strahlte irgendwie Fröhlichkeit aus. Im selben Augenblick drehte er seinen Kopf zu mir und sein Lächeln wurde breiter.

„Alles klar mit dir?“, fragte er und griff nach meiner Hand.

Ich nickte.

„Du… Davide…, es tut mir echt leid, dass ich dich ein halbes Jahr hab so hängen lassen. Ich war mir wirklich nicht sicher, ob du überhaupt noch etwas von mir wissen willst.“

„Man verliebt sich nicht eben mal in einen kleinen Reporter…, oder?“

„Warum betonst du das klein so, mach dich nicht kleiner, als du bist.“

„Es ist irgendwie komisch, du bist eine Berühmtheit, deine Bilder sind auf der ganzen Welt beliebt.“

„Meine Bilder… ja, die sind beliebt, aber ich…“

„Komm jetzt tu nicht eins auf Mädchen, die mag keiner und so.“

„So ein Leben kann ganz schön einsam machen…“

Als er das sagte, tat es mir schon wieder leid, was ich von mir gelassen hatte.

„Es ist nicht so, dass ich jeden Abend brav in meinem Zimmer sitze, nein es gibt Empfänge, Partys und andere Dinge. Aber letztendlich liege ich doch abends alleine in meinem Bett und wach am nächsten Morgen auch alleine wieder auf.“

„Hast du in der Zwischenzeit niemanden kennen gelernt, der dich vielleicht beeindruckt hat?“

Er starrte auf die Kopfstütze vom Vordersitz.

„Beeindruck ist zu viel gesagt. Klar waren da Männer, die gut aussahen…, aber nie war einer dabei…, wie sagte Letizia vorhin, der dir das Wasser reichen könnte.“

„Jetzt übertreib mal nicht, du willst mich nur verschaukeln.“

„Nein, würde ich nie tun! Ehrlich! Mag sein, dass ich meine Ansprüche und Vorstellungen wie mein Freund oder Partner sein sollte, sehr hoch lege, aber du warst der erste Mensch, der mich so in den Bann gerissen hat.“

Mit großen Augen schaute ich ihn an und lauschte seinen Worten.

„Jeder muss sich für seinen eigenen Weg entscheiden, den er gehen will. Ich hab nur den Fehler gemacht, nicht darüber nach zudenken, ob sich unsere Wege und Vorstellungen auch kreuzen.“

Stimmt hat er nicht.

„Deshalb die Frage, ob du dein Leben mit mir verbringen wolltest…, dass du alles hinter dir lassen …, vielleicht sogar deine Träume aufgeben müsstest, daran habe ich nicht gedacht. Ich sah nur dich und ich wusste, den und keinen anderen.“

„Wenn du weiter machst, kann ich nicht garantieren, ob nicht gleich eine Heulsuse neben dir sitzt.“

Er grinste mich frech an.

„Placido, du verstehst es, mit Worten umzugehen und das rührt mich sehr. Eine solche Liebeserklärung bekommt man nicht alle Tage…, genaugenommen, habe ich noch nie eine bekommen.“

Sein Lächeln verschwand. Er ließ meine Hand los und streichelte mich sanft über die Wange. Ob der Fahrer im Rückspiegel das nicht sah? Mich wunderte auch schon die ganze Zeit, dass er überhaupt keinen Hehl daraus machte und alles so öffentlich machte.

Über sein Privatleben, sprich seiner Sexualleben war nie etwas zu lesen, jedenfalls nicht in den Berichten, die ich gelesen hatte. Seine Kunst war immer vorrangiges Thema.

„Ich bin also deine erste große Liebe…?“

„Wenn man es so nennen möchte… ja.“

„… und dann gleich so eine Enttäuschung.“

Nun war ich derjenige, der mit beiden Händen nach seiner Hand griff.

„Ich kann nicht sagen, ob es eine Enttäuschung war, es tat nur so schrecklich weh, als du den nächsten Tag verschwunden warst, für mich war das Thema Beziehung zu dem Zeitpunkt nicht abgeschlossen.“

„Entschuldige, ich hatte Panik bekommen. Ich wusste einfach nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich wusste nur ich liebe diesen Mann und er will mich nicht.“

„So hatte ich das nicht gesagt…“

„… ich weiß…, ich habe dir nicht zugehört. Meine Großmutter, Gott hab sie selig, hat immer gesagt, miteinander reden ist wichtig, dann entstehen nie Missverständnisse.“

„Deine Großmutter war eine kluge Frau.“

„Ja war sie. Sie hat mich zum größten Teil großgezogen. Meine Eltern hatten nur ihr Geld im Kopf, nicht ihren Sohn.“

Ich ließ seine Hand wieder los und schaute nach draußen, weil der Wagen seine Geschwindigkeit stark verringerte.

„Ja, Eltern können sehr grausam sein“, meinte ich verbittert.

„Was machen deine Eltern?“

„… ich weiß es nicht. Als ich nach unserem Urlaub im Sommer nach Hause kehrte, beschloss ich alles zu ändern. So auch meine Eltern darüber zu informieren, dass ich wohl nie eine Schwiegertochter mit nach Hause bringen würde.“

„Ich ahne nichts Gutes.“

Ich nickte.

„Am gleichen Abend stand ich mit meiner wenigen Habe auf der Straße und meine Eltern verleugneten, dass sie je einen jüngsten Sohn gehabt haben.“

„Sie haben den Kontakt abgebrochen?“, fragte Placido entsetzt.

„Ja und meinem Bruder und meiner Schwester verboten, jemals Kontakt mit mir aufzunehmen.“

„Ich fasse es nicht.“

Der Wagen hielt.

„Tut mir leid, wir sind da…, ich hätte mich jetzt gerne mehr, um dich gekümmert.“

Ich versuchte zu lächeln.

„Kein Problem, wir können das auf später verschieben, dein Job geht vor.“

„Danke…, komm man erwartet uns.“

„Uns?“

„Ja ich bin mit Begleitung angemeldet“, lächelte er mich an.

„Was immer das auch heißen mag“, sagte ich leise, eher zu mir.

Seine Tür wurde aufgezogen und er stieg aus. Ich rutsche hinterher und verließ ebenso den Wagen auf seiner Seite. Er sagte kurz etwas zu dem Fahrer und reichte ihm einen Zettel. Dieser nickte und stieg wieder ein.

„Dann auf in den Kampf. Mal gespannt, wie viel Honig mir dieses Mal ums Maul geschmiert wird.“

Er griff nach meiner Hand und zog mich zum Eingang.

*-*-*

Natürlich spürte ich sofort, die abwehrende Haltung des Galeriebesitzers. Erst als Placido mich als seinen Freund und Mitarbeiter der hiesigen Zeitung in Florenz La Nazione vorstellte, übergoss man mich regelrecht mit Honig.

Ich folgte den beiden schweigend und hatte meine eigene Meinung zu dieser Galerie. Sie war dunkel, anders konnte ich es nicht beschreiben. Die Bilder, die ich hängen sah, wurden von mickrigen Strahlern beleuchtet und verloren jegliche Ausstrahlung.

Auf das Mobiliar wurde da schon mehr Wert gelegt. Durchweg Antiquitäten, alle gut ins Bild gesetzt. Ich konnte auch keinerlei Staub entdecken. Dieser Laden erinnerte mich mehr an ein Möbelladen. Mit einer Galerie hatte das nichts zu tun. Ich näherte mich Placido und stubste ihn leicht an. Er sah zu mir.

„Wäre es möglich, dich kurz zu sprechen? Entschuldigung, wenn ich ihr Rundgang unterbreche.“

„Kein Problem“, meinte der Galeriebesitzer bittersüß.

Wir gingen etwas zur Seite und ich sprach sehr leise, damit niemand etwas hörte.

„Bist du sicher, hier deine Bilder ausstellen zu wollen?“

„Warum fragst du?“

„Das ist kein Ort für deine Bilder! Schau dich um, in dem Sammelsurium von Möbeln, gehen deine Bilder unter, so schlecht wie die ausgeleuchtet sind.“

„Das hast du also auch schon gemerkt und was meinst du, sollen wir machen?“

„Wir? Das ist alleine deine Entscheidung!“

„Ich habe nicht ohne Grund, „wir“ gesagt. Du sollst an meinem Leben teilhaben und so auch mit mir gemeinsam Entscheidungen treffen können.“

Der Besitzer räusperte sich, ließen wir ihn zu lange alleine?

„Was würdest du vorschlagen?“, fragte mich nun Placido etwas lauter, so dass es auch der Besitzer und sein Personal hören konnten.

„Verschwinden und nach etwas anderem Ausschau halten.“

„Sicher?

Ich nickte.

„Okay, dann vertrau ich dir mal voll und ganz!“

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1 Kommentar

  1. Hi Pit, macht unheimlich Spaß zu lesen, freu mich jeden Tag aufs nächste Türchen.

    Viele liebe Grüße aus Hahnstätten Andi

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