No one else – 9.Türchen

Ich bekam meinen Ausweis gereicht und folgte dann Placido. Der Bereich der Rezeption war sehr edel gehalten. Bis auf die Wände die in einem hellen Beige leuchteten, war der Rest eher dunkel. So umrundeten wir ein paar dunkle schwere Ledersessel und verließen den Eingangsbereich.

Placido steuerte direkt auf die Bar zu und mir wurde in diesem Augenblick bewusst, dass dies eigentlich nicht meine Welt war. Klar träumte jeder von Reichtum und Luxus, aber hier fühlte ich mich definitiv nicht wohl und hatte das Gefühl, mich würde jeder anstarren.

„Setzten wir uns hier hin?“, riss mich Placido aus den Gedanken.

Ich nickte einfach und ließ mich auf einer diesen Barocken Sesseln nieder.

„Was möchtest du trinken?“

„Ich lass dich wählen…“, meinte ich und versuchte zu lächeln.

Placido schaute mich lange an.

„Du fühlst dich nicht wohl, oder?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Ich weiß, meine Welt ist eine andere, wie die, die du kennst, oder gewohnt bist…, aber ich möchte, dass du sie ebenso kennen lernst. Ich lebe zwar in ihr, aber so gesehen ist auch sie meine Welt, vielleicht nur ein Teil von ihr.“

Ein Mann in schwarz trat an den Tisch und fragte, was wir trinken wollten. Ich schaute zu Placido, der mich anlächelte.

„Zwei Negroni bitte“, antwortete Placido.

„Kommst sofort!“, meinte der Herr und verschwand wieder zur Bar.

„Eine gute Wahl“, lächelte ich.

Ein Klassiker unter den Aperitifs. Gin, Campari und roter Wermut. Er wurde sogar hier in Florenz erfunden, nicht wie viele fälschlicherweise meinten, in Amerika. Eine exzellente Mischung, der durch seinen Kontrast zwischen süß und bitter den Appetit anregte. Ich hatte ihn schon sehr lange nicht mehr getrunken.

„Was geht in deinem Köpfchen vor?“, wollte Placido wissen.

„Ich habe daran gedacht, dass ich schon sehr lange kein Negroni mehr getrunken habe.“

„Und sonst?“

„Was sonst? Was möchtest du hören?“

„Wie findest du das hier alles?“

„Hm…, ich habe noch nicht all so viel gesehen, aber für mich ist das reiner Luxus. Du hast sogar einen Butler. Was soll ich dazu noch groß sagen.“

„Der Butler ist im Preis der Suite inbegriffen und zudem bin ich ganz froh, ihn zu haben. Wie du vielleicht noch aus dem Urlaub weißt, bin ich nicht gerade eine Zierde, was Ordentlichkeit anbelangt.“

„Er räumt dir also hinterher…“

„So könnte man es grob sagen…, er hält die Suite sauber, ist aber auch ein Multitalent, wenn es ums organisieren von Dingen geht.“

„Und, möchtest du ihn abwerben?“, fragte ich leicht amüsiert.

„Bitte?“

„Ob du Gasparo für später privat abwerben willst?“

„Wie kommst du da drauf.“

Ich antwortete nicht sofort, denn unsere Drinks wurden serviert. So nahm ich mein Glas und prostete ihm zu.

„Salute!“

„Salute.“

Ich nippte an meinem Negroni und schmeckte sofort, den bitter süßen Geschmack auf meiner Zunge.

Danach stellte ich das Glas auf dem kleinen Tisch ab.

„Ich dachte, dass du auch in Zukunft jemand brauchst, der dir hinterher räumt, denn ich werde das sicherlich nicht machen.“

Frech, mit funkelnden Augen, grinste ich ihn an.

„Nicht? Dann muss ich mir wirklich jemand anderen suchen“, konterte er ebenso frech.

Er stellte ebenso sein Glas ab.

„Hör mal, wollen wir vor dem Essen kurz auf mein Zimmer gehen, ich würde mir gerne etwas anderes anziehen, für einen langen Sparziergang, sind mit die Sachen zu kalt.“

„Kein Problem, aber lass und erst noch unseren Negroni genießen.“

*-*-*

Wie nicht anders erwartet, war auch die Suite feudal eingerichtet. Die weißen Wände zierten Fresken, die das Leben in Florenz zeigten, auch sonst erinnerte mich die Suite, mit ihren hohen Decken, an die Medicis, die berühmte Patrizierfamilie, die Florenz so sehr prägte.

Placido verschwand durch eine Tür, während es hinter mir klopfte. Ich schaute zur Tür, dann wieder in Richtung dem Zimmer, wo sich Placido befand.

„Herein…“, meinte ich und die Tür öffnete sich.

Ein gutaussehender junger Mann kam herein und verneigte sich leicht.

„Sie müssen Signore de Luca sein…“, begann er, „… darf ich mich vorstellen, Gasparo, ihr Butler.

Erst wusste ich nicht, was ich tun sollte, so ging ich auf ihn zu und hielt ihm die Hand entgegen, um seine zu schütteln.

„Freut mich sie kennen zu lernen“, meinte er und verneigte sich noch einmal leicht, „haben sie oder Signore Romano noch einen Wunsch vor dem Essen?“

„Mit wem redest du, Davide?“, hörte ich Placido rufen.

„Mit Gasparo…“, rief ich zurück.

Seine Tür ging auf und Placido kam nur in Jeans und festem Schuhwerk zurück, in seiner Hand trug er einen Wollpullover.

„Hallo Gasparo.“

„Signore Romano…, haben sie vor dem Essen noch einen Wunsch?“

„Hm…, wenn ich recht überlege, kennen sie eine kleine Lokalität mit guten Essen für den Abend?“

Er zog sich den Pullover über und verdeckte den nackten Oberkörper, den ich bis dahin angestarrt hatte.

„Wie wäre es mit dem Santo Bevitore? Das Essen ist sehr gut und der Gastraum nicht all zu groß, außerdem bekannt für seine große Weinsammlung.“

„Gut, dann bestellen sie einen Tisch für drei…, so gegen acht, oder was meinst du Davide?“

„Drei?“

„Wir wollen doch nicht ohne Letizia gehen, oder?“

„Stimmt, an sie hatte ich nicht mehr gedacht. Die Zeit ist gut, denke ich.“

„Dann machen wir es so.“

Gasparo nickte wieder leicht.

„Darf ich fragen, wann das Gepäck des jungen Herrn eintrifft?“

Placido schaute mich fragend an. Ich überlegte kurz und hatte einen guten Einfall.

„Wäre es möglich, deinen Fahrer noch mal zu nutzen, um mich, vor unserer Stadtbesichtigung, in meine Wohnung zu bringen, damit ich ein paar Dinge packen und dann dem Fahrer mitgeben kann?“

„Eine gute Idee“, meinte Placido und griff nach seiner Lederjacke.

„Ich werde mich dann um alles kümmern“, warf Gasparo ein, „ein Tisch im Restaurant unten wartet auf sie.“

„Danke Gasparo! Dann auf zum Essen, ich habe Hunger“, meinte Placido.

„Das sagtest du schon“, erwiderte ich grinsend.

*-*-*

Ratlos stand ich vor meinem Schrank und wusste nicht, was ich mitnehmen sollte.

„Einen Anzug werde ich sicherlich brauchen, oder?“

Placido nickte, wurde dann aber von seinem Handy abgelenkt.  Zu meiner Schande verfügte ich nur über den einen Anzug. Es gab selten Anlässe, wo ich einen Anzug brauchte und dafür war dieser gut genug. Placidos Gesicht verfinsterte sich. Hatte ich ihn jetzt wegen meines Anzugs verärgert.

„Du hast versprochen, mir diesen Wunsch zu erfüllen und bis Ende des Monats alles vom Hals zu halten.“

Ich vermutete, dass er mit seinem Agenten redete. Dann war wenigstens ich nicht schuld an seiner schlechten Laune.

„Richard, hör mir zu! Ich tu dir den Gefallen und nehme an diesen Gesellschaften teil, aber es läuft nach meinen Regeln, ich brauche weder Begleitung, noch ein riesen Filmteam, die, die Stimmung zerstört…, nein Richard, entweder so, oder du kannst dir einen neuen Job suchen!“

Ich hielt in meiner Bewegung inne. Er schien richtig sauer zu sei.

„Gut Richard, schicke mir die Daten alle ins Hotel, um den Rest kümmere ich mich selbst!“

Er drückte das Gespräch weg und wählte kurz darauf eine Nummer.

„Placido Romano, wäre es möglich den Concierge zu sprechen?“

Er schaute mich an und schüttelte den Kopf. Leise hing ich das gute Stück zurück in den Schrank und zog andere Dinge heraus, die dringender waren.

„Hallo Alfredo, ich hätte da eine Frage, könnten sie mir einen guten Herrenausstatter in Nähe des Hotels empfehlen… ah… Ermenegildo Zegna, ja…, ist mir bekannt… und wo…? Danke Alfredo, sie haben mir sehr geholfen.“

Er steckte sein Handy wieder weg.

„Wir werden unsere Stadtbesichtigung wohl auf einen anderen Tag legen.“

„Wieso, was hast du vor?“

„Dich neu einkleiden.“

„Bitte?“

„Du sagtest, du willst, mir überall hin folgen, das heißt auch, dass du mit mir zu den Empfängen gehst, die mir von meinem lieben Agenten Richard vor Weihnachten noch aufgebrummt wurden.“

Aha, das hatte ihn also so verärgert.

„Ähm…, mein Geld sollte für zwei oder drei Anzüge reichen…“, meinte ich verlegen.

„Quatsch, die Kosten übernehme ich und Letizia nehmen wir auch überall hin mit.“

„Aber…“

Er stand auf und kam zu mir.

„Davide, sie es als Arbeitskleidung an. Klar bin ich auch eigennützig, denn ich möchte dass jeder sieht, wie verdammt gut mein Freund aussieht.“

Entmutig senkte ich meine Schultern.

„Das weiß ja schon jeder…“, sagte ich mehr zu mir selbst.

„Bitte?“

Ich ließ meine Unterwäsche in den kleinen Koffer fallen.

„Ähm…, ich meinte, ich denke jeder weiß schon, wie ich aussehe…, oder?“

„Wie meinst du das jetzt?“

„Ich sage nur Bild.“

„Bild?“

„Es gibt da ein Bild von mir, das mich fast nackt zeigt…“

„Ach das“, begann er zu lachen, „stimmt, ich habe dich wirklich gut getroffen, aber das Original sieht doch besser aus.“

Er hatte es wieder geschafft. Mein Gesicht wurde geflutet und ich machte bestimmt jeder roten Weihnachtskugel in Florenz Konkurrenz. Das verstärkte sich noch, als er seine Arme um mich legte und zu sich zog. Mein Körper bebte leicht und auch die Knie verloren ihre Funktion.

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