No one else – 14.Türchen

„Lass uns gehen Placido, hier gibt es nichts für dich“, meinte ich und zog ihn am Ärmel Richtung Tür.

„Jetzt warte doch einmal, ich habe mir doch noch gar nicht alles angesehen.“

„Glaube mir bitte, hier wirst du nicht fündig werden.“

„Bist du sicher?“

„Ja“, meinte ich, nickte dem verärgert schauenden Verkäufer zu und zog Placido aus dem Laden.

*-*-*

Nach gut einer Stunde kamen wir endlich an der Kathedrale. Hätte ich Placido nicht abgehalten, hätten wir schon einen Lastenträger bestellen müssen. Es waren so viele Dinge, die er sah und kaufen wollte.

„Wow, herrlich“, kam es von Placido.

Das hatte ich in der letzten Stunde mehrfach gehört.

„Ich habe dir doch versprochen, wir besuchen zuerst die Kathedrale, dann habe ich da noch einen kleinen Antiquitätenladen, der dir sicher gefallen wird.“

So liefen wir vorbei an dem Weihnachtsmarkt, direkt zu der Santa Maria del Fiore. Ich hatte nicht gedacht, dass zu dieser Jahreszeit so viel Umtrieb in der Stadt herrschen würde, in der Kathedrale dagegen, war es eher ruhig.

Ehrfürchtig blieb Placido stehen und schaute sich um, bevor er tiefer in den Innenraum eintauchte. Vor dem Fresko mit den Reitern blieb er stehen. Er starrte auf eine Stelle und ging nicht mehr weiter.

„Was ist?“, flüsterte ich.

„Ähm…, siehst du den Reiter da?“

„Welchen meinst du?“

Ich sah viele, da war ein ganzes Heer.

„Der rechts…?“

„Ja, was ist mit dem.“

„Das Bild stimmt nicht, die Perspektive zu den anderen Figuren ist komplett falsch, sie hätten viel schräger gemalt werden müssen.“

Ich musste lächeln. So stellte ich mich dicht an ihn heran und begann leise zu erklären.

„Der Maler Paolo Uccello hat den Reiter auch ursprünglich so gemalt.“

„Und was hat ihn dann veranlasst, es zu ändern? Das passt vorne und hinten nicht.“

„Die Florentiner! Es gefiel ihnen schlichtweg nicht, da übermalte er es einfach.“

„Haben sie nicht bemerkt, dass das zum Rest des Bildes total schräg da steht?“

„Das war denen egal, sie wollten eine Original Ansicht vom diesem Kommandeur, egal ob es passte oder nicht.“

Placido schüttelte ungläubig den Kopf.

„Dieser Uccello war seiner Zeit wohl sehr voraus.“

„Wahrscheinlich“, kam es von mir.

Wir liefen weiter un blieben direkt unter der Kuppel stehen.

„Wusstest du, dass Santa Maria, die viert größte Kathedrale in Europa ist? Sie wird nur noch vom Vatikan, die St. Paulskirche in London und dem Mailänder Dom übertroffen.“

„Wahnsinn, wen ich überlege, wie lange ich für ein kleines Bild brauche und wie riesig dieses Fresken in der Kuppel sind.“

Ich nickte.

*-*-*

„Placido…,

Er reagierte nicht.

Placido“, flüsterte ich, „wo willst du denn mit den Sachen überall hin?“

Den Antiquitätenladen zu betreten, war doch keine so gute Idee gewesen. Placido kaufte. Er kaufte nach meiner Ansicht den Laden leer.

„Ich habe eine große Wohnung einzurichten. Danke für den Tipp, hier gibt es wirklich alles, was das Herz begehrt.“

Er drückte mir einen Kuss auf die Wange.

„Ich liebe dich“, flüsterte er mir wieder ins Ohr, bevor der Händler wieder aus den hinteren Räumen erschein.

„Sie haben Glück Signore Romero, zu diesem Esstisch besitzen wir wirklich noch die vier passende Stühle“, meinte der Verkäufer freundlich und hielt ihm die Fotografie hin.

„Danke, bitte wenden sie sich an meinen Butler im St. Regis, Gasparo ist sein Name“, Placido reichte ihm eine Karte, „er wird alles nötig veranlassen.“

„Gasparo?“, fragte ich leise.

Placido drehte sich wieder zu mir, während der Verkäufer in einem kleinen Raum verschwand.

„Ja, Gasparo hat den Auftrag sich um alles nötige zu kümmern. Letizia hat ihm eine Adresse von einem hiesigen Architektenbüro gegeben, Archea Assocoti glaube ich, die regeln alles für mich.“

Das ging aber schnell.

„Und die haben schon alle Genehmigungen bekommen?“

„Für die Wohnung brauchen wir keine Genehmigung, die gehört meiner Familie und ich zieh dort ein, es wird ja nichts groß baulich geändert.“

Wir. Er sprach tatsächlich immer von uns, als ginge er davon aus, ich würde automatisch zu ihm ziehen. Bisher hatte ich noch keinen Entschluss getroffen, wie mein Leben weiterhin aussehen sollte.

Klar gefiel es mir mit Placido, seine Gesellschaft tat mir gut. Sämtlichen dunklen Gedanken der vergangenen Monate waren vertrieben. Der finstere Schatten, der über mein Gemüt gewacht hatte, war vertrieben.

Doch gab es immer noch Zweifel, angetrieben von meinem Verstand, der das Herz regelmäßig überrumpelt hatte. Die größte Frage war, warum ich mich nicht einfach auf dieses Abenteuer einließ, die Risiken waren nicht allzu groß.

Lediglich ich opferte meine bisherige Freiheit und tauschte sie gegen einen goldenen Käfig ein. Jeder würde mich verrückt halten, dass ich auf so eine Gelegenheit nicht sofort ansprang, wann hatte man denn schon die Chance seinen Prinz Charming zu finden.

Aber war es eben das, was ich wollte?

„Was ist?“, fragte Placido.

„Hm?“

„Du hast wieder diesen Blick drauf, was stört dich.“

„Wann hast du das alles ausgemacht? Du hast mir erst gestern von deinen Plänen erzählt, die in der Nacht zuvor entstanden sind.“

„Beim Frühstück, bevor ich dich morgens abholte. Da habe ich mit Gasparo alles durchgesprochen. Ich vertraue ihm da voll und ganz.“

„Und du hast wirklich noch nicht darüber nachgedacht, ihn vom Hotel abzuwerben?“

„Nein. Würde ich jeden einstellen, der mir Gutes tut, müsste ich ein Schloss kaufen, um die alle unterzubringen.“

Ich musste lachen. Der Verkäufer kam zurück und reichte Placido einen größeren Umschlag.

„Könnten sie mir vielleicht noch ihre Auswahl an Betten zeigen?“, fragte er den Antiquitätenhändler.

Doch bevor dieser antworten konnte, zog ich Placido zur Seite.

„Antiquitäten in allen Ehren, aber bitte nicht beim Bett.“

„Wieso?“

„Das möchte ich dir lieber an einem anderen Ort sagen.“

Er schaute mich kurz an, dann wandte er sich wieder dem Verkäufer zu.

„Ich habe es mir anders entschieden, verbleiben wir so wie wir es ausgemacht haben, danke!“

Der Händler verbeugte sich leicht und schon waren wir draußen. Placido griff meine Hand und zog mich nach draußen.

„So, jetzt erklär mir mal, was du gegen so ein Bett hast.“

Ich grinste, wurde aber auch gleichzeitig rot. Verlegen malte ich kleine Kreise mit dem Schuh.

„…ähm…, naja… wie… soll ich das sagen.“

„Ohne zu stottern!“

Ich schaute nach links und rechts, ging dann ganz dicht an sein Ohr und flüsterte ihm den Grund zu. Er schaute mich kurz mit großen Augen an und fing dann laut an zu lachen. Es brauchte niemand zu wissen, wie ich mich im Bett benahm und ob das so ein Bett aushielt, daran zweifelte ich.

„Gut, Punkt für dich. Da bin ich mal gespannt!“, meinte Placido, zog mich zu sich heran und küsste mich innig.

Da hatte ich wohl ein Eigentor geschossen. Über Sex und ähnliches hatten wir bisher noch nicht viel geredet und außer den Küssen und Kuscheleinlagen war in die Richtung auch noch nichts passiert.

Aber dass es bald dazu kommen würde, da war ich mir sicher.

„Wo wollen wir jetzt hin?“, unterbrach Placido meine Gedankengänge.

„Cafe?“

„Gute Idee, ich habe schon fast Entzug.“

„Bist du süchtig?“, wollte ich wissen.

„In meinem früheren Leben war ich Kaffee!“

Ich konnte nicht anders und lachte. Ein kurzer Kuss und wir setzten uns in Bewegung, ohne dabei das Händchen halten zu vernachlässigen.

*-*-*

„Was hast du heute Abend geplant?“, fragte ich nach dem ersten Schluck Espresso.

„Du meinst nach dem Weihnachtsmarkt?“

Ich nickte.

„Nichts Konkretes. Essen werden wir ja nicht mehr gehen…, hast du schon Letizia angerufen und gefragt ob sie mit kommen will.“

„Nein, kann ich aber gleich machen. Aber auf meine Frage zurück zukommen, könnten wir uns nicht einfach einen gemütlichen Abend machen“, ich zuckte mit der Schulter, „vielleicht bei einem guten Glas Wein oder Ähnliches.“

„Im Hotel?“

„Ja…“

Ich spürte seinen Tatendrang, aber ich konnte es ja versuchen. Ich wollte einfach Placido besser kennen lernen und war besser, als einen romantischen Abend zu zweit, bei dem man viel reden kann.

„Warum nicht, ich denke, meine Füße werden es mir danken“, antwortete er.

Ich griff nach meinem Handy und wählte meine Chefin an.

„Hallo du Nichtsnutz, wo seid ihr gerade?“, begrüßte mich Letizia.

„Auch hallo. Der Nichtsnutz legt sofort wieder auf und vergisst dabei die Einladung von einem gewissen Placido auszurichten.“

„Untersteh dich!“

„Tja, wenn du mich so begrüßt.“

„Hallooooo? Das war ein Scherz, verstehst du keinen Spaß?“

Placido verfolgte amüsiert das Gespräch mit Letizia.

„Das hätte ich auch gesagt, du willst ja nur deinen schönen Kopf aus der Schlinge ziehen.“

„Das habe ich gar nicht nötig und wenn du so weiter machst, rufe ich deinen Schatz selbst an.“

„WAS? Du hast dich der Nummer meines Schatzes bemächtigt“, fragte ich gespielt empört.

Placido hielt sich die Hand vor den Mund, wahrscheinlich um keine Aufmerksamkeit zu erregen, was ich mit meinem Gespräch, mit der lauten Letizia schon erreicht hatte.

„Jetzt hab dich nicht so, wo treffen wir uns heute Abend?“

Ich grinste breit.

„Weihnachtsmarkt… bei der Kathedrale Santa Maria.“

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