Der Reiterhof – Teil 3

Wir hörten Geräusche und nach der nächsten Biegung kamen wir auf eine Lichtung, wo gerade die Gruppe vor uns in die andere Seite des Waldes verschwand. Zurück blieb Alexander, auf den wir nun zu ritten. Weiterlesen

Jan und der Fehlerteufel

Jan saß am Nachmittag vor seinem Textverarbeitungsprogramm, um endlich den Aufsatz für die Berufsschule zu beenden, der eigentlich schon kein Thema mehr sein sollte, weil bereits seit Tagen überfällig. Aber, wie so oft, fiel ihm so gar nichts mehr ein, den Text betreffend. Nur, was er bei dem Sonnenschein da draußen besser hätte tun können, diese Gedanken schoben sich ständig in den Vordergrund. Weiterlesen

Kochgeschichten – Teil 8

Zwischenspiel:

Michael Berg kümmert sich um Mirko. Er bringt ihn in dessen Zimmer. Die Spritze des Arztes beginnt bereits zu wirken. Mirko ist schon ruhiger, wird jetzt allerdings auch schon schläfrig.

Michael hilft Mirko beim Ausziehen. Und da Mirko in der Regel nackt schläft, zieht er sich eben auch nackt aus! Weiterlesen

Der dämonische Pianist

Hallo Ihr Lieben. Ich weiß, ich habe lange nichts von mir hören lassen, aber die meisten wissen ja auch warum. Die AGA ist endlich überstanden und zur Feier gibt’s hier eine kleine neue Story von mir, bestehend aus zwei Teilen. Hoffentlich gefällt sie Euch, da es sonst nicht meine Art ist, reine Liebesgeschichten zu schreiben. Aber irgendwie ist es einfach so passiert. ^^ Für Feedback jeglicher Art bin ich wie immer offen. Und nun viel Spaß bei meiner Story. Liebe Grüße… Hyen Weiterlesen

Kochgeschichten – Teil 7

Die Tage verlaufen ruhig, ohne irgendwelche Besonderheiten. Alexander erwacht mit einer Mola (Morgenlatte)! Und was für einer! Schon fast schmerzhaft. Er hat ja grundsätzlich morgens eine. Darauf ist er ja auch mächtig stolz. Das er allerdings nie freiwillig zugeben würde.

Heute allerdings lässt er Mola, Mola sein. Morgen hat er seinen freien Tag für diese Woche. Und auf seinen freien Tag freut er sich immer besonders. Da sieht er auch seine Mutter wieder. Seinen Vater? Nein, der ist wieder mal unterwegs. Ist immer auf Reisen. Geschäftsreisen, wie sein Dad sie nennt. Weiterlesen

Eine Träne für dich

Der Zug bremste und ich lief durch den wackelnden Flur Richtung Ausgang. Livington. Hier war ich geboren. Häuser, die ich nicht kannte, wanderten an meinem Blickfeld vorbei. Der Zug kam nun endlich zum Stehen.

Der Polizist brachte mich zum Zug… freundlich winkte er mir zu und wünschte mir Glück.

Ich griff nach meiner Kette und spielte mit dem Anhänger. Das Amulett meiner Mutter. Ein Bediensteter öffnete von außen die Tür. Weiterlesen

Kochgeschichten – Teil 6

Klick! Klick! Klick! Klick! Klick! Klick! Pause! Klick! Klick! Klick! Klick! Klick! Klick! Die Digitalkamera macht zweimal hintereinander 6 Aufnahmen!

***

Matthias versteift sich zusehends!

Obwohl er sich erst vor ein paar Minuten massiv über Meli verströmt hat, ist er immer noch so aufgeputscht, dass seine Erregung anhält. Weiterlesen

So fern wieder ganz nah

„Schönen guten Morgen, Herr Cervi. Es ist bereits Null Sechs Uhr durch. Ich wiederhole: Null Sechs Uhr. Wir haben Montag, den 31. Januar 2011. Sie wollten von mir geweckt werden. Es folgt die von Ihnen bestellte Morgenmusik.“ Weiterlesen

Kochgeschichten – Teil 5

Alexander beginnt zu grinsen.

„Das ging jetzt aber schnell. Na dann krieg ich ihn hier wenigstens nicht mehr zu sehen!“

Das zweite Bett in Alexanders Zimmer ist bereits abgezogen. Und auch eine Schranktür steht sperrangelweit offen.

„Du könntest doch jetzt hier reinziehen, oder Mirko?“ Weiterlesen

Von Wellensittichen und ihren Menschen

Hi, Ihr. Ich bin Felix. Man erkennt mich an meinem glänzenden, gelb-grünen Gefieder und der einmaligen Schnabelkrümmung. Bin ja selbst hin und weg, wenn ich mich so im Spiegel betrachte – meine erste Lieblingsbeschäftigung den ganzen Tag. Meine zweite Lieblingsbeschäftigung ist die Unterhaltung mit den vielen anderen Vögeln hier an diesem Ort, wo es viel Natur gibt. Und was man da alles erfahren kann! Die schönste Nachrichtenzeit ist, wenn die Zugvögel über uns hinweg ziehen. Wir sind über alle Vorgänge in der Welt bestens informiert. Weiterlesen

Kochgeschichten – Teil 4

„Was klebt denn hier so?“ Alexander wacht schon um 6.30 Uhr sonntagmorgens auf. „Was ist denn da so nass?“ Er schlägt seine Bettdecke zurück. Ein nasser Fleck auf seinen Shorts. Langsam dämmert ihm, was passiert ist!

/Ich habe doch von diesem Jungen, wie war?, Meli?, ja Meli, glaube ich, heißt er. Hat Herr Obermeier auch gesagt, der Sohn von diesem Doktor. – Hab ich doch glatt von diesem Meli geträumt! Und obendrein auch noch nass! Ist mir doch schon ewig nicht mehr passiert, dass ich von selber abspritze! Weiterlesen

Kochgeschichten – Teil 3

/Oder haben das die Chefs so an sich, dass sie immer mehr als andere wissen? Unserer wohl ja. Der weiß immer mehr!/ geht Alexander noch so durch den Kopf, als er schon im Bett in seinem Zimmer liegt. Es ist ein hektischer Samstag gewesen heute, aus diesem Grund ist er schon früher als gewöhnlich zu Bett gegangen. Weiterlesen

Erinnerungen

Einleitung:

Etwas unernst hier mein Versuch, sich mit einem sehr ernsten Thema zu befassen.

Im Ernst zum Inhalt: Ich hatte eine ganze Weile mit einem Rollifahrer zu tun (krebskrank) und das alles wird mich auch noch eine Weile innerlich beschäftigen. Und diesen Berry gibt es in der Bekanntschaft wirklich. Weiterlesen

It's what they have inside…

Ich befinde mich in einem warmen licht, ein strahlendes licht.
Ich sehe und sehe doch nicht mit meinen Augen.
Ich fühle, doch fühle nicht mit meinem Körper.
Ich schwebe, doch fühle ich festen Grund unter meinen Füßen.
Ein lächeln ziert meine Lippen und doch bewege ich sie nicht.
Es ist so richtig, mein wesen erfüllt eine tiefe liebe.
Liebe zu mir selbst, liebe zu dem all um mich herum.
Mit Freude schließe ich meine Augen und fühle mein Dasein. Ich werde da sein.
Ja, ich werde da sein.
Da, um zu heilen.
Da, um zu lieben.
Da, um zu helfen. Weiterlesen

Kochgeschichten – Teil 2

Hinweggerafft von einer verdorbenen Seezunge. Wäre doch eine hervorragende Schlagzeile für die neueste Ausgabe der Izi-Zeitung.

***

Helle Aufregung im Hotel König!

Durch zwei kleine verglaste Fenster kann man von der Küche einen oder auch mehrere Blicke in den Gastraum werfen. Etwas abgedeckt durch den Getränkeausschank ist aber die Küche vor den Blicken der Gäste geschützt. Es ist schon spät. Der Küchenbetrieb ruht mittlerweile fast vollständig. Die Essen sind raus. Nur noch die Desserts. Und die machen Rupert und Heinz. Weiterlesen

Ohne Worte – Eine unheilvolle Begegnung

„Piep!“ „Pie…“ Weiter kommt der nervige Weckton nicht, denn ich bin schon wach. Die Sonne steht deutlich über dem Horizont und schickt ihre Strahlen durch das Fenster meiner Einraumwohnung in Rostock-Dierkow, kitzelt mir direkt ins Gesicht. Ich habe drei Tage frei und will mich nun endlich mal ernsthaft mit der Renovierung des Wohnzimmers befassen. Der Vorsatz steht schon lange, doch der Wille fehlte bisher, Tapezierarbeiten sind nicht so mein Spezialgebiet. Schnell die Morgentoilette erledigen und dann Frühstück. Eben die Hose runter, schon klingelt das Handy – hätte ich es nur gestern ausgeschalten. Na ja, vielleicht ist es ja wichtig. Das Teil liegt gleich hinter der Tür auf der Flurgarderobe, also einmal den Arm lang gemacht und schön wieder hingesetzt, dann kann es weiter gehen. Weiterlesen

Kochgeschichten – Teil 1

Vorwort

Es war einmal…, und wird immer sein. Es kann aber auch ganz anders sein. Und es ist anders.

Märchen! Ist euch schon mal aufgefallen, wie grausam und brutal Märchen geschrieben sind? Voller Gewalt! Bei einem wird der Bauch aufgeschnitten (Der böse Wolf und die sieben Geißlein)!, bei einem anderen wird die Hexe verbrannt (Hänsel und Gretel)! Aber erst, nachdem Hänsel ausgiebig im Käfig gefoltert wurde! Weiterlesen

Pinienwald und Olivenhaine

Mike

Ich gähnte herzhaft und streckte mich. Die erste Nacht hatte ich mehr als unruhig verbracht, musste aber irgendwann doch eingeschlafen sein. Draußen schien noch alles ruhig zu sein. Ich schaute auf meine Uhr. Sieben.

Recht früh, aber jetzt war ich schon mal wach, dann konnte ich auch aufstehen. Leise zog ich den Reisverschluss meines Zeltes nach oben. Kühle Luft kam mir entgegen. Irgendwo in der Nachbarschaft hörte ich einen Hund bellen. Weiterlesen

Der Penner

„Seht mal diesen Penner da! Der sieht doch echt abartig aus.“

„Lasst den doch, der ist bestimmt total besoffen.“

Stimmen dringen in mein Ohr, kaum kann ich den Sinn erfassen, denn mein Bewusstsein ist noch wie gelähmt. Der Alk war wirklich gut.

„Dem verpassen wir eine tüchtige Abreibung!“ Weiterlesen

Drachenblut – 7. Buch – Asche

Sugolgorn

Chrysalis

Flora PLUS, der ultimative Blumendünger mit der Kraft der Helden!

Flora PLUS – Gewonnen aus der Erde ruhmreicher Schlachtfelder! Getränkt mit dem Saft des Lebens!

Werbetext der Firma Flor-O-San

Stille…

Noch nie in seinem Leben hatte Uskav eine derartige Stille verspürt. Lärm, Geschrei, Gebrüll, Flehen, Kreischen, Wimmern. Es gab wohl keinen Laut, kein Geräusch, welches Uskav in den Jahren als General des Königs während einer Schlacht noch nicht vernommen hatte. Er hatte sogar eine private Theorie entwickelt, nach der jedes Gefecht, jedes Scharmützel, jede Schlacht ihren eigenen, unverkennbaren Klang besaß. Weiterlesen

Wünsche werden manchmal wahr

Diese Geschichte ist frei erfunden und eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Personen sind nicht gewollt und rein zufällig. Weitere Veröffentlichungen bedürfen meiner ausdrücklichen Genehmigung.

Brrr. Kalt. Zitternd schloss ich die Wohnungstür. Winter…einfach nicht meine Jahreszeit. Überall die hektischen Menschen in der Stadt, die panisch versuchen, ihre Weihnachtseinkäufe zu erledigen. …und habe ich den Schnee und die Kälte erwähnt? Es war der 23.12., also quasi fünf vor zwölf …. im Weihnachtseinkaufs- und Weiterlesen

Eiskalter Engel

Ein eisiger Wind fegte über den Friedhof. An einem Grab standen zwei Jungen und hielten jeweils eine rote Rose in den Händen. Beide sahen auf das Grab hinunter. Ein Grabstein in Form eines Engels stand auf diesem. Der Engel hatte seine Hände wie zu einem Gebet gefaltet. Unten auf dem Sockel, auf dem der Engel stand, waren folgende Worte eingraviert:

Hier ruht Kahne lange vermisst,
aber er hat endlich heimgefunden.
Schlaf gut mein Bruder den ich nie
Kennen lernen konnte

Die Jungen legten die Rosen langsam auf das Grab und gingen danach schweigend davon. Der eine Junge nahm die Hand des anderen und sie sahen sich dann lächelnd an. Dem einen Jungen liefen Tränen durch das Gesicht, die der andere mit der freien Hand versuchte wegzuwischen. Es fing an zu regnen und sie verschwanden in der anbrechenden Dunkelheit.

Bevor ihr die Geschichte lest, möchte ich noch etwas loswerden. Bei Pitstorie bin ich als Autor etwa ein gutes Jahr. Ich habe hier viele nette Menschen kennen lernen dürfen und ich möchte diese nicht mehr missen. Sie bilden gemeinsam eine Gemeinschaft die auf Respekt und Freundschaft aufgebaut ist. Ich möchte diesen Menschen danken und mein ganz besonderer Dank gilt Pit. Er hat diese Seite ins Leben gerufen und gab anderen die Möglichkeit hier ihre Geschichten zu veröffentlichen und neue Freunde kennen zu lernen. Ich für meinen Teil habe hier Freunde gefunden und dafür sage ich:

DANKE PIT dass es Dich gibt!!

*-*-*

Hallo mein Name ist Daniel und ich möchte euch erzählen wie ich und Tobias, Khane fanden. Es ist eine traurige Geschichte und für meine und Tobias seine Familie nicht einfach zu verarbeiten. Also ich fange einfach am Anfang an. Meine Familie lebt in einem kleinen Haus am Rande einer kleinen Stadt. Die Stadt heißt Stetten.

Unsere Familie ist nicht reich und wir wissen manchmal nicht, woher wir das Geld für die Rechnungen nehmen sollen. Zu meiner Familie gehören natürlich mein Vater, meine Mutter, meine Schwester Luisa und ich. In der Schule war ich nicht der Beste und träumte vielmehr von aufregenden Schlachten gegen Trolle und dergleichen. Meine Schwester Luisa, sie ist 18 Jahre alt und macht bald ihr Abitur, lacht immer über meine Geschichten die ich ihr erzähle.

Mein zweit liebstes Hobby ist malen und ich habe ein Buch in dem ich alle meine Gedanken reinzeichne. Freunde hatte ich keine in der Schule. Mit so einem Träumer wie mir wollte keiner zusammen sein.

Nun das wurde aber anders, als ein neuer Junge in der Schule erschien. Sein Name war Tobias. Er war ganz anders als die anderen Jungs in meiner Schule. Schon am ersten Tag setzte er sich in der Schule neben mich, dass war für mich schon ein seltsames Gefühl. Sonst ausgegrenzt und immer alleine, hatte ich bald einen ständigen Begleiter, Tobias.

Es war wie immer, meine Mutter weckte mich am Morgen und ich dampfte ab ins Bad. Danach wieder ab in mein Zimmer und Sachen angezogen und runter in die Küche. Dort wartete schon eine dampfende Tasse Kakao.

„Na und was steht heute auf dem Lehrplan?“ fragte meine Mutter.

„Upps gut das du fragst wir haben ja heute zeichnen und ich hätte beinahe meine Hausarbeit vergessen.“

Na wieder hoch in mein Zimmer und die Zeichnung einpacken die auf meinem Schreibtisch lag.

Tja wozu hat man Mütter! Dann musste ich auch schon los, da ich im Sommer immer gerne laufe und nicht mit dem Bus zur Schule fuhr.

„He warte doch mal.“

Nach der Stimme zu urteilen, konnte das nur der neue, Tobias sein. Ich drehte mich in die Richtung aus der die Stimme kam.

„He Tobias wo kommst du denn her?“

„Ich wohne doch hier!“ dabei zeigte er auf ein einzelnes Haus.

„Ach dann seid ihr das die dort eingezogen sind!“

„Richtig. Was machst du denn heute nach der Schule noch?“

„Lass mich überlegen, erst mal meiner Mutter im Haushalt helfen und danach meine Hausarbeiten machen!“

„Klasse, wir können ja danach was zusammen machen!“

„Warum nicht!“

Als die Schule in Sichtweite kam, sah ich zwei Gestalten vor dem Schultor stehen. Na super, dachte ich, als ich die beiden Gestalten erkannte. Vor der Schule erwarteten mich meine beiden größten Fans, Jan und Marco.

Die beiden gingen in meine Klasse und sie hatten irgendwie Freude daran gefunden, meine Person als VENTIL zu nutzen für ihren schulischen Frust. Jetzt standen, jedenfalls die beiden vor dem Eingang zur Schule und grinsten mir entgegen.

„Sag mal DANIEL, warum sehen die beiden dich so an?“

Bevor ich Tobias antworten konnte, kamen die beiden auf uns zu.

„Äh Tobias mit der Flachzange würde ich mich aber nicht in der Schule zeigen.“

Dabei traten sie neben mich und eh ich mich versah, hatten sie meine gesamte Schulmappe auf den Boden ausgeschüttet. Ich stand einfach nur da und konnte in dem Augenblick nichts sagen.

„Eh seid ihr nicht ganz dicht? Das räumt ihr sofort wieder ein und entschuldigt euch bei ihm!“

Die Stimme die das gerade gesagt hatte, hörte sich ganz nach Tobias seiner an.

„Was dann?“ kam es drohend von Jan.

„Das wirst du dann schon sehen!“

„Tobias lass es, die sind es nicht wert!“, kam es von mir und ich bückte mich nach unten und fing die Sachen in die Schulmappe einzuräumen.

„Nee das wirst du nicht! Das machen die beiden!“

Wie bitte? Wollte etwa Tobias auch auf der Liste von den Schwachmaten stehen?

„So ich würde empfehlen das ihr gleich anfängt, denn die Schule geht genau in zehn Minuten los.“

„Man halt das Maul. Marco komm wir gehen!“

Jan drehte sich um, um zu gehen. Aber was war das, ich konnte das gar nicht fassen. Tobias packte kurz Jan und dieser lag plötzlich auf dem Boden.

„Ich würde empfehlen gleich anzufangen, ansonsten kann ich gerne das noch einmal wiederholen.“

Oh shit wenn die mich alleine treffen, dann bin ich geliefert. Aber so wie Tobias aussah, hätte es keinen Sinn gehabt, an mein Überleben zu appellieren.

Jan fing an, meine Sachen in die Schultasche zu stopfen. Nachdem er fertig war, zischte er zu mir nur, ich wäre so was von geliefert. Au Backe, aber Tobias musste das wohl mitbekommen haben.

„Sollte dir einfallen, meinen Freund mal alleine abzufangen, unterhalten wir uns weiter! Hast Du mich verstanden?“ zischte Tobias Jan an.

Der nickte nur und rannte mit Marco los, in die Schule.

„So komm wir müssen, die Stunde fängt gleich an!“ dabei sah er mich an.

„He was ist denn das?“, dabei bückte er sich und nahm meinen Zeichenblock in die Hand, der noch auf dem Boden lag.

„Hast du das gezeichnet?“, fragte er mich, nachdem er den Zeichenblock aufgeblättert hatte.

„Ja! Warum?“

„Man kannst du gut zeichnen, der Kobold ist dir echt gelungen!“

Ich nickte und nahm ihm meinen Zeichenblock aus den Händen. Als ich den Zeichenblock auch verstaut hatte, rannten wir in die Schule und in unsere Klasse. Kaum saßen wir, fing auch schon der Unterricht an. Na gut, dadurch das Tobias immer an meiner Seite war, hatte ich auch vor Jan und Marco ruhe und so verlief der Schultag relativ ruhig.

Nach der Schule gingen wir gemeinsam nach Hause.

„Wann soll ich dich abholen?“ fragte Tobias mich.

„Es ist besser ich hole dich ab. Weiß noch nicht was ich zu Hause noch helfen muss.“

„OK ich warte dann auf dich!“

So trennten wir uns bei Tobias vorm Haus und ich lief noch ein Stück weiter zu uns nach Hause. Kaum hatte ich unser Haus betreten, kam meine Mutter auf mich zu.

„Junge du musst im Gewächshaus, die Pflanzen gießen. Danach hast du Freizeit!“

Ich brachte meine Schulmappe in mein Zimmer und ging wieder runter um die Pflanzen zu gießen. Nach getaner Arbeit machte ich mich auf den Weg zu Tobias. Als ob er schon auf mich gewartet hatte, saß er vor der Haustür auf der Veranda und grinste mich an.

„Na los, wir gehen in den Wald!“

„Nee da komm ich nicht mit!“

„Warum?“

„Er ist mir unheimlich, da ist mal ein Kind verschwunden. Jedenfalls erzählen die Leute das!“

„Gruselgeschichte stimmts?“

„So ähnlich, da gehen nicht mal die Erwachsenen rein, Pilze suchen oder so!“

„Na sind wir eben die ersten, die da wieder mal spazieren gehen!“

Tobias trabte los in Richtung Wald. Ich folgte ihm zögernd. Der Wald begann kurz hinter unseren Häusern. Meine Eltern hatten mir verboten dort zu spielen und jetzt lief ich Tobias hinterher, ohne ein Wort davon zu sagen.

Wir kamen dem Wald immer näher und mir war gar nicht so wohl dabei, diesen Wald zu betreten. Kurz darauf standen wir bei der ersten Baumgruppe und Tobias wartete dort auf mich. Als ich auf gleicher Höhe mit Tobias war, sah er mich an und grinste.

„Na der Wald sieht aus wie jeder andere, oder siehst du hier irgendwelche Gespenster?“

Ich schüttelte den Kopf, aber unheimlich war der Wald mir doch. Tobias ging am Waldrand entlang und suchte etwas.

„Was suchst du denn?“

„Einen Stock, damit wir das Gestrüpp zur Seite hauen können.“

Er bückte sich und hielt dann einen Ast in den Händen.

„Der müsste erstmal reichen! Na dann wackerer Ritter auf geht’s in den Wald, das Ungeheuer besiegen!“

Tobias lief los und ich hinterher. Kaum waren wir in den Wald eingedrungen, wurde es dämmrig. Die Bäume standen ziemlich dicht und ließen fast keinen Sonnenstrahl durch. Leise gingen wir immer weiter hinein. Seltsam außer dem knarren der Bäume war kein Laut zu hören.

„Tobias komm wir gehen wieder raus. Das ist mir hier zu unheimlich.“

„Nun hab dich nicht so. Wau sieh mal da vorne wird es heller!“

Er rannte plötzlich los.

Was sollte ich machen, also rannte ich ihm hinterher. Es wurde tatsächlich wieder heller und kurz darauf stürmten wir auf eine Wiese.

Tobias und ich blieben am Rand der Wiese stehen und sahen uns um. Mitten auf der Wiese stand eine riesige Eiche. Die musste mindestens zweihundert Jahre alt sein so dick wie der Stamm war.

„Das hier ist einfach wunderbar.“ sagte Tobias leise.

Irgendwie musste ich ihm zustimmen. Überall auf der Wiese blühten Blumen. Es sah einfach toll aus mit dieser riesigen Eiche in der Mitte. Tobias und ich gingen langsam auf die Eiche zu.

„Sieh mal da hängt ein Seil an einem Ast!“

Dabei zeigte ich auf dieses.

„Na da war wohl jemand vor uns schon hier! Komm das sehen wir uns vom nahen an.“

So schritten wir weiter und standen dann vor dem Seil. Ich sah nach oben und konnte einige Bretter erkennen, die auf ein paar Äste befestigt waren. Mit dem Seil konnte man wahrscheinlich dort hinaufklettern. Tobias hatte wohl den gleichen Gedanken wie ich, denn er hing schon an dem Seil und kletterte nach oben.

Ich sah ängstlich Tobias dabei zu.

„Sag mal ist das nicht gefährlich? Wenn nun das Seil reißt?“

„Scheint zu halten!“, kam es kurze Zeit später von oben und Tobias sah runter auf mich.

Tobias kletterte immer höher und dann verschwand er kurz zwischen den Ästen.

„Los komm rauf das musst du gesehen haben. Ist das irre. Komm schon.“

Nee danke, dachte ich aber wenn schon Tobias sich das traute da hoch zu klettern, dann müsste ich es ja auch schaffen. Also begann ich auch am Seil hochzuklettern. Kurze Zeit später war ich auch oben und sah mich nach Tobias um.

Tobias stand auf den Brettern und wie ich jetzt sah, hatte irgendjemand mit den Brettern eine richtige Plattform gebaut. Tobias reichte mir seine Hand und half mir auf diese rauf.

„Wau ist das stark.“

Ich konnte es nicht glauben, von hier oben hatte man einen tollen Blick über den Wald.

„Hier bauen wir uns ein Baumhaus und das ist unser Schloss!“ lachte Tobias.

„Ja ist eine Superidee, aber woher nehmen wir die Bretter?“

„Mein Vater hat hinterm Haus einen Riesenstapel Bretter zu liegen. Da können wir uns bestimmt welche von nehmen“, kam es von Tobias.

„Klasse und wann fangen wir an?“

„Morgen würde ich sagen, gleich nach der Schule!“

Tobias und ich sahen uns danach erstmal um. Derjenige der das hier gebaut hatte, hatte wirklich gute Arbeit geleistet. Die Bretter waren alle in Ordnung und dabei entdeckten wir auch ein Versteck in dem ein altes Buch versteckt war. Vorsichtig nahm ich es in die Hand und öffnete es.

Leider konnte ich kaum etwas entziffern, von dem was in diesem geschrieben worden war. Dafür waren wunderschöne Zeichnungen auf den Seiten vorhanden. Einige zeigten seltsame Wesen, die zum Teil wie Kobolde aussahen.

„Komm lass uns erst mal hier oben etwas Ordnung machen.“

Wir sammelten die trockenen Äste auf, die überall Rumlagen. Nachdem wir fertig waren, sahen wir der untergehenden Sonne zu, wie sie hinter den Bäumen langsam verschwand. Tobias sah mich an und meinte, dass es der schönste Ort auf der ganzen Welt wäre. Wir kletterten hinunter und verließen unser KÖNIGREICH.

Am nächsten Tag, nach der Schule machten wir uns mit Brettern bewaffnet auf, in den Wald. Wir hämmerten wie die verrückten und langsam nahm unser Baumhaus Formen an. Tobias lachte immer wieder über meine Tollpatschigkeit. Tja er hatte ja Recht, handwerklich hatte ich nicht so viel drauf wie er.

Irgendwann fragte er mich, ob ich mir das Buch schon genauer angesehen hätte.

„Ja gestern Abend habe ich mir es noch im Bett angesehen. Das einzige Wort was ich entziffern konnte war Warangeria.“

„Warangeria genial. Wir werden unser Königreich so nennen.“

Tobias sah mich strahlend an. Dieses leuchten in seinen Augen, hatte mich schon am ersten Tag fasziniert. Es zog mich magisch an und ich hatte dabei seltsame Gefühle im Bauch.

„He du sollst nicht träumen sondern mir sagen wie du den Namen findest!“

„Ja den finde ich toll!“

„Daniel du bist echt ein Tagträumer, aber das mag ich an dir.“

Erstaunt sah ich zu Tobias hoch.

„Wie meinst du das?“

„Na wie ich es gesagt habe. Ich mag dich!“

„Tobias ich mag dich auch.“

Wir bauten daraufhin schweigend weiter, jeder in seinen eigenen Gedanken gefangen. Ich mochte Tobias, er war der erste der sich für mich interessierte und mein Freund sein wollte. Der Einzelgänger Daniel war nicht mehr alleine. Ich musste über meine Gedanken schmunzeln, als mich plötzlich etwas traf.

„Autsch…“

„Was hast du Daniel?“

„Ich weiß nicht irgendetwas hat mich an der Wange getroffen!“

Kaum hatte ich den Satz zu Ende gesprochen, als mich wieder etwas traf. Aber auch Tobias musste es so ergangen sein, denn auch er gab kurz einen Schmerzenslaut von sich. Ich sah nach unten auf den Boden, um das Ding zu finden das mich an der Wange getroffen hatte. Tatsächlich, da lagen zwei Eicheln auf dem Boden.

Kaum hatte ich die Eicheln entdeckt, wurde ich auch schon wieder von mehreren Eicheln getroffen, die vor mir auf den Boden fielen. Plötzlich fing Tobias an zu lachen. Ich sah vorsichtig zu ihm nach oben.

„Warum lachst Du?“

„Weißt Du woher die Eicheln kamen?“

Dabei schwenkte er mit etwas in seinen Händen.

„Woher denn?“

„Es ist ein Vorratsnest von einem Eichhörnchen, muss bei dem Gehämmer sich gelockert haben und runtergefallen sein.“

„Und ich dachte schon, wir würden von irgendjemanden beschmissen.“

Tobias grinste mich von oben an und ich grinste zurück. Plötzlich wurde sein Blick ernst und er starrte etwas hinter mir an.

„Was ist nun schon wieder?“

„Du Daniel, da hinter dir ist ein Erdhaufen. Der sieht aus wie ein Grab!“

Ich drehte mich um und sah in die Richtung in die Tobias sah. Tatsächlich, jetzt sah ich den Erdhügel auch. Ich ging langsam darauf zu. Ich hörte hinter mir Tobias schnaufen, der wohl vom Baumhaus kletterte.

„Warte Daniel!“

Ich blieb stehen und sah mich nach Tobias um. Gerade kam er unten an und lief auch gleich auf mich zu. Nachdem er neben mir stand, gingen wir gemeinsam weiter. Als wir davor standen, hockte ich mich hin und besah mir den Erdhaufen genauer.

Dann sah ich es. Am anderen Ende des kleinen Hügels, stand ein kleines Kreuz. Ich stand langsam auf und ging um den kleinen Hügel herum.

Tatsächlich, das war ein kleines Kreuz, dass aus zwei Ästen zusammengefügt war. Auf dem Kreuz war etwas eingeritzt. Es musste schon länger dort stehen, denn die Buchstaben sahen alt und verwittert aus. Ich bückte mich, um es besser lesen zu können.

KHANE entzifferte ich.

„Tobias da steht ein Name! KHANE!“

Mir wurde es unheimlich und ich dachte an das Kind das hier vor Jahren verschwunden sein sollte. Ich sah zu Tobias, ihm musste es genauso gehen, denn er sah verschreckt aus.

„Sag mal Daniel, das Kind, war es ein Junge oder ein Mädchen.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht. Es wurde immer nur von einem Kind gesprochen!“

„Komm lass uns gehen.“

Ich nickte und wir gingen zu unserem Baumhaus.

„Meinst du da liegt das Kind?“ fragend sah ich zu Tobias.

„Ich weiß es nicht, aber wir werden es herausbekommen.“

Wir packten das Werkzeug ein und verließen den Ort. Plötzlich war er dunkel und düster, als ob ein großes Geheimnis auf diesem Ort liegen würde. Bedrückt schlichen wir durch den Wald. Nachdem wir bei Tobias waren, brachten wir das Werkzeug in die Garage.

„Komm wir gehen zu mir rauf und sehen mal im Internet nach. Vielleicht finden wir dort antworten.“

Wir gingen nach oben in Tobias sein Zimmer. Als wir in sein Zimmer traten, staunte ich Bauklötzer. Da stand doch tatsächlich ein Mac, auf seinem Schreibtisch. Der Schreibtisch stand vor einem Fenster und dann der Rest seines Zimmers.

Die Wände waren mit Postern von allen möglichen Musikgruppen beklebt. Ein Bett stand an der einen Wand und eine Schrankwand auf der gegenüberliegenden Seite. In dieser standen ein Fernseher und eine Musikanlage.

„Wau dein Zimmer ist echt der Hammer.“

„Danke nun komm her Daniel, wir wollen doch im Internet suchen.“

Ich ging zu seinem Schreibtisch, an dem Tobias saß und schon dabei war irgendetwas einzutippen. Er klickte mit der Maus mehrmals, irgendwelche Links an.

„Ich glaube ich habe etwas gefunden.“

„Na los schieß los, was hast Du gefunden…“

„Hier steht im Jahr Neunzehnhundertdreiundsechzig ist hier ein Junge verschwunden. Sein Name war Khane. Man hatte ihn mit einem anderen Jungen zuletzt zusammen gesehen, bevor er verschwand. Man hat ihn nie gefunden. Seitdem meidet jeder den Wald. Hier steht, der Wald soll verflucht sein. Hier sind auch Fotos von Khane.“

Ich ging näher um sie mir anzusehen. Als erstes sah ich auf einen der Bilder einen Jungen. Ich starrte auf das Bild.

„Der Junge sieht ja fast wie ich aus!“

Erst jetzt musste Tobias auch die Ähnlichkeit aufgefallen sein, denn er sah mich entsetzt an.

„DDDU… hast Recht.“

„Wie war der Nachname von dem Jungen.“

„Warte hier steht es. Mit vollem Namen hieß er Khane Winsten. So heißt du doch auch mit Nachnamen.“

Ich nickte. Aber das konnte nicht sein. Mein Vater hatte mir nie erzählt, dass er einen Bruder hatte. Aber dann die Ähnlichkeit mit mir und dem Foto von Khane.

„Warte hier steht noch mehr. Die Familie Winsten hat, nachdem man Khane nicht gefunden hatte, den Ort verlassen.“

„Mein Vater ist Neunzehnhundertfünfundsechzig geboren worden. Also war mein Vater noch gar nicht auf der Welt, als das passierte. Das Haus in dem wir wohnen, haben seine Eltern ihm vererbt. Sie sind beide kurz hintereinander gestorben. Ich war damals Fünf Jahre alt.“

„Sieh mal hier ist auch ein Klassenfoto. Da steht Khane und das kann doch nicht sein…“

„Was kann nicht sein?“

„Das da ist mein Onkel, der neben Khane steht.“

Tobias Finger zeigte auf einen Jungen. Auf dem Foto sah der Junge zu Khane und nicht in die Kamera. Irgendetwas stimmte nicht. Der Blick des Jungen zeigte nach unten und dann sah ich es, er hielt Khane seine Hand.

„Was hat das alles zu bedeuten?“

„Daniel ich weiß es nicht. Mein Vater hat mir nie erzählt, dass unsere Familie hier mal gelebt hatte.“

„Kannst Du das ausdrucken?“

„Klar warte.“

Kurz darauf spuckte der Drucker die Seite aus und ich nahm sie in die Hand.

„Warte ich drucke das Bild von Khane und das Klassenfoto noch aus.“

Als das Bild von Khane ausgedruckt war, sahen wir uns beide es noch einmal an. Er war mir wie aus dem Gesicht geschnitten.

„Darf ich das mitnehmen? Ich will es meinem Vater zeigen.“

„Klar ich speichere die Seiten noch ab. Ich werde meinen Vater auch mal ansprechen.“

„Wie alt war Khane eigentlich, als er verschwand?“

„Hier steht Fünfzehn Jahre!“

„Das kann stimmen denn meine Großeltern waren als sie starben weit über Achtzig Jahre alt.“

„Mein Onkel ist jetzt 58 Jahre alt. Ich werde meinen Vater heute Abend auch fragen.“

„Woher weißt du eigentlich, das dass dein Onkel auf dem Bild ist?“

„Wir haben ein Fotoalbum, da sind auch Fotos drin von meinem Onkel, als er noch jünger war.“

„Ach so, na dann Tobias ich gehe dann mal.“

„Warte ich bringe dich noch zur Tür.“

Unten an der Haustür sah mich Tobias traurig an.

„Ich hoffe nicht, das dort Khane liegt unter diesem Erdhügel!“

„Ich hoffe es auch nicht! Aber wenn doch, wer hat ihn dort begraben?“

Ich hielt die Blätter in meiner Hand als ich in die Küche kam, wo der Rest meiner Familie mich schon erwartete.

„Wo kommst du jetzt her?“

„Paps entschuldige, aber ich war noch bei Tobias. Ich habe etwas für dich.“

Ich legte das Foto von Khane auf den Tisch. Alle starrten es an.

„Das bist doch Du Daniel.“ sagte meine Schwester als erstes.

„Nein das bin ich nicht! Der Junge auf diesem Foto heißt Khane Winsten.“

Mein Vater starrte, nachdem ich den Namen genannt hatte, mich fassungslos an.

„Das kann nicht sein. Ich hatte nie einen Bruder.“

Stumm legte ich meinem Vater das nächste Blatt hin. Er nahm es in die Hände und begann zu lesen. Seine Hände begannen zu zittern und dann sah er mich an.

„Ich hatte einen Bruder…“

„So wie es aussieht, hattest du einen Bruder“, antwortete ich meinem Dad leise.

„Was?“, fragten meine Mutter und meine Schwester gleichzeitig.

Ich begann die ganze Geschichte zu erzählen, vom Baumhaus bis zu dem kleinen Erdhügel auf dem ein Kreuz stand mit dem Namen von Khane. Mein Vater wollte gleich los um sich den Erdhügel anzusehen.

„Dad es ist schon dunkel, wir können morgen auch noch dorthin!“

„Du hast Recht, wir werden morgen hingehen. Ich werde die Polizei informieren. Aber sag mal, wir hatten dir doch verboten, dort zu spielen.“

„Ja ich weiß, aber ich und Tobias wollten uns den Wald ansehen und dann haben wir das Baumhaus entdeckt. Entschuldigt bitte.“

Betreten schaute ich zu Boden.

„Na es ist ja nichts passiert. Ich rufe vorsichtshalber die Polizei an. Die sollen sich das mit uns gemeinsam ansehen.“

Mein Vater verschwand aus der Küche und ich hörte, dass er kurz darauf telefonierte und mit jemanden sprach. Meine Mutter sah mich ernst an.

„Nacht Ma ich bin müde.“

„Nacht mein Schatz.“

Als ich etwas später im Bett lag, kam mein Vater nochmals in mein Zimmer.

„Daniel ich wusste nichts von Khane. Meine Eltern haben mir nie irgendetwas über ihn erzählt.“

„Dad bist du mir böse?“

„Nein! Ich bin nur traurig, dass du trotzdem wir es Dir verboten haben, in diesen Wald gegangen bist. Zum anderen bin ich froh, dass du uns gleich davon erzählt hast, was ihr dort gefunden habt. Die Polizei holt uns morgen früh ab. Tobias kommt mit, ich habe seinen Vater angerufen. Er sagte mir, dass sein Bruder in die gleiche Klasse ging wie mein Bruder. Er hat ihn wohl schon angerufen. Er wird morgen auch da sein.“

Ich nickte.

„Nun versuch zu schlafen. Ich habe dich lieb.“

Kurz darauf schlief ich ein

Ich wurde mitten in der Nacht wach. Mir war entsetzlich kalt und ich machte langsam meine Augen auf. Das Fenster stand offen und der Mond schien in mein Zimmer. Ich stand auf und ging zum Fenster, um es zu schließen. Der Wind hatte die Gardine zur Seite geweht. Ich wollte gerade das Fenster schließen, als eine Stimme meinen Namen aussprach.

„Daniel…“

Es klang wie ein flüstern im Wind. Ich sah aus dem Fenster, aber konnte niemanden entdecken. Ich machte das Fenster zu, in dem Augenblick wo ich es geschlossen hatte, spiegelte sich in der Scheibe eine weiße Gestalt wieder. Ich wirbelte herum und stand der Gestalt gegenüber. Es schien als leuchtete die Gestalt von innen.

„Wer bist Du?“

„Sieh in mein Gesicht, dann weißt du es!“

Langsam hob ich meinen Blick und dann sah ich in sein Gesicht.

„Kh…ane?“

„Ja der bin ich. Ich möchte nach Hause, bitte hilf mir!“

„Wiiee ssssoll….ich das machen?“

„Du hast mich schon gefunden! Der Hügel!“

„Du liegst dort wirklich?“

„Ja! All die Jahre habe ich gehofft, dass irgendjemand mein Grab findet.“

„Was ist dort passiert?“

„ Ich kann mich nicht erinnern. Wenn ich es versuche, fühle ich nur Schmerz. Walter kann aber vielleicht sagen, was passiert ist.“

„Wer ist Walter?“

„Mein Freund…“ die Stimme flüsterte.

„Er hat mich allein gelassen… Er ist einfach weggerannt.“

Khane sah mich verzweifelt an. Von ihm ging eine nie gefühlte Traurigkeit aus, so intensiv als ob ich sie selbst in mir tragen würde.

„Er sagte er liebt mich und ich vertraute ihm…“

Als ich die Worte verstand, stahlen sich Tränen in meine Augen. Wenn Geister weinen konnten, dann tat das gerade Khane. Denn ich sah in seinem Gesicht Tränen die seine Wange hinunter liefen.

„Ich möchte nur wissen, warum er nicht da war…“

„Ich werde ihn fragen? Khane das verspreche ich dir!“

„Danke. Sag bitte Walter das ich ihn über alles Liebe und ihn nie vergessen habe.“

„Ich sag es ihm…“

„Ich muss gehen…“

Langsam löste sich die Gestalt auf und ich stand kurz darauf alleine in meinem Zimmer. Ich setzte mich auf mein Bett und sah zum Fenster. Was hatte Khane gesagt? Ich soll Walter sagen, dass er ihn liebt und ihn nie vergessen hat. Seltsam……

Ich musste dann eingeschlafen sein, denn mein Vater weckte mich.

„Junge komm frühstücken.“

„Ich komme gleich.“

Mein Vater verließ mein Zimmer und ich stand langsam auf. Nachdem ich aus dem Bad wieder zurück in mein Zimmer kam, zog ich mich an. Ich dachte kurz an Khane und an heute Nacht. War das doch nur ein Traum gewesen? Nein er war da gewesen, denn ich konnte mich noch genau erinnern, wie er aussah und was er gesagt hatte.

Langsam ging ich, nachdem ich angezogen war, hinunter in die Küche. Meine Eltern saßen am Küchentisch und tranken Kaffee.

„Die Polizei ist gleich da. Tobias und sein Vater kommen auch gleich.“

Ich nickte und füllte mir eine Tasse mit Milch und verrührte etwas Kakao darin, Danach setzte ich mich zu meinen Eltern und trank meinen Kakao. Keiner sprach ein Wort. Eine unheimliche Stille lag über uns.

Ich hatte das Gefühl das keiner von uns diese Stille, mit seiner Stimme unterbrechen wollte. Meine Mutter streichelte die Hand meines Vaters und sah ihn traurig an. Plötzlich wurde die Stille, durch das läuten unserer Haustürklingel unterbrochen. Mein Vater stand langsam auf und ging. Kurz darauf stürmte Tobias in die Küche.

„Daniel wie geht es dir?“

Er kam auf mich zu und kniete sich neben mich. Ich sah ihn an und sah die Sorgen in seinen Augen und noch etwas das ich nicht greifen konnte. Aber da lag etwas in seinen Augen, dass mein Herz berührte.

„Daniel…….. er war gestern bei mir!“

Ich fing an zu schluchzen.

„Wer war bei Dir?“

„Khane…“

„Aber Khane ist wahrscheinlich Tod.“

„Ich weiß und ich weiß auch, dass er dort unter dem Hügel liegt. Er hat gesagt ich soll einem Walter sagen das er ihn liebt und ihn nie vergessen hat.“

„Walter? So heißt mein Onkel. Den Namen habe ich dir gestern gar nicht gesagt.“

Nachdenklich runzelte er die Stirn.

„Komm wir müssen! Sie warten auf uns.“

Ich stand langsam auf und Tränen rannen mein Gesicht herunter. Daniel der ebenfalls wieder aufgestanden war, wischte sie mit einer seiner Hände vorsichtig aus meinem Gesicht.

„Komm ich helfe Dir. Wir stehen das gemeinsam durch.“

Ich wusste nicht woher ich plötzlich die Kraft nahm, aber ich machte mich mit Daniel Hand in Hand auf den Weg nach draußen, zu den anderen. Ich hatte heute Nacht Khane etwas versprochen und das wollte ich einhalten. Sie warteten alle auf uns, vor der Haustür.

Wir gingen schweigend in den Wald zu der Lichtung und dem kleinen Hügel. Dorthin wo Khane`s Grab war. Es war still im Wald kein Vogel war zu hören. Als wir vor dem Hügel standen, begann die Polizei alles abzusperren und die Kriminalbeamten, fingen an Spuren zu suchen.

Erst wurde das Holzkreuz vorsichtig aus dem Boden gezogen und dann begannen zwei Polizisten den Boden abzutragen. Ich konnte nicht hinsehen und ging mit Daniel einige Schritte weiter. Wir hörten in der Stille jeden Spatenstich, aber keiner sprach ein Wort dabei. Daniels Hände umfassten mich tröstend und für mich war es ein wunderbares Gefühle, so gehalten zu werden.

`Danke Daniel…` sagte ich in Gedanken zu ihm. Als ob er es gehört hatte drückte er mich noch etwas mehr. Es war auf einmal merkwürdig ruhig geworden. Jetzt erst realisierte ich das keine Spaten mehr zu hören waren, die sich in den Boden gruben. Ganz leise hörte ich jemanden weinen.

Ich drehte mich langsam um und sah zu meinem Vater, der immer noch vor dem jetzt nicht mehr vorhandenen Hügel stand. Mein Vater hielt seine Hände vor seinem Gesicht. Daniel nahm seine Hände von mir und nahm eine meiner Hände in seine und zog mich dorthin. Langsam wie in Zeitlupe gingen wir auf das Grab zu und dann als wir nah genug waren sah ich in dem jetzt entstandenen Loch, wo vorher der Hügel war, ein Skelett liegen.

Das Skelett lag in einer Art Embryohaltung, sein Schädel war an einer Stelle zertrümmert. Ich ließ Daniels Hand los und ging zu meinem Vater. Als ich vor ihm stand, schaute er mich an und nahm mich in den Arm.

Es fing an zu regnen, als ob der Himmel weinte.

STILLE……

Irgendwann ließ mein Vater mich wieder los.

„Wir gehen nach Hause Daniel.“

Mein Vater drehte sich zu Tobias seinem Vater: „ Komm wir gehen zu mir, dort hat meine Frau bestimmt schon heißen Kaffee gemacht.“

Tobias Vater nickte und folgte meinem Vater. Ich und Tobias gingen hinter den beiden hinterher.

„Daniel denkst du er ist umgebracht worden?“

„Wer ist umgebracht worden?“

„Na Khane! „

„Ich weiß es nicht! Er konnte sich daran nicht erinnern, was passiert ist.“

Den Rest des Weges zu meinem Elternhaus, schwiegen wir. Mein Vater unterhielt sich leise mit Tobias seinem Vater, ich verstand kein Wort von dem was sie besprachen. Als mein Elternhaus zu sehen war, sah ich schon weitem zwei Personen davor stehen.

„Wer ist der Mann der da bei meiner Mutter steht?“

„Das ist mein Onkel!“

Unsere beiden Väter gingen etwas schneller zum Haus. Da wir auch nichts versäumen wollten, liefen wir so schnell wie möglich hinterher. Mittlerweile war mein Vater bei Tobias Onkel und meiner Mutter angekommen und gab gerade diesem die Hand, danach gingen sie in unser Haus. Meine Mutter war die einzige die noch auf uns vor dem Haus wartete.

Nachdem wir das Haus erreicht hatten, nahm sie mich in den Arm.

„War es schlimm?“ fragte sie dann leise.

Ich nickte, zu mehr war ich nicht in der Lage. Wir gingen gemeinsam hinein. Ich hörte Stimmen aus dem Wohnzimmer, die sich sehr erregt unterhielten.

„Komm Daniel wir gehen da rein. Du hast ja schließlich noch etwas meinem Onkel zu sagen.“

Ich nickte. Meine Mutter war verschwunden und die Geräusche aus der Küche verrieten auch wohin. Wir traten gemeinsam in das Wohnzimmer wo sich unsere Väter und Walter ziemlich heftig unterhielten.

„Wussten Sie, dass mein Bruder dort lag?“ kam es gerade von meinem Vater.

Es wurde sehr still bevor Tobias Onkel mit gebrochener Stimme antwortete.

„Ja ich wusste es. Ich habe ihn dort begraben.“

„Warum und was ist geschehen, damals?“

Mein Vater war aufgestanden und wanderte ruhelos durch das Zimmer.

„Es war ein Unfall. Wir waren auf dem Baum und hatten gerade die letzten Bretter befestigt. Als wir damit fertig waren, strahlten .. wir uns an. Und dann…“

Walter saß zusammengekauert auf dem Sofa und fing an zu weinen.

„All die Jahre… Ich habe das ganze versucht zu vergessen. Aber ich ..ich kann es nicht. Ich sehe ihn immer noch vor mir…“

Der letzte Satz war kaum zu verstehen und dann sah ich Khane. Er stand plötzlich mitten im Zimmer und sah auf Walter.

„Tobias Khane ist hier im Zimmer.“ flüsterte ich.

„Wo ich sehe ihn nicht?“ kam es genauso leise von ihm zurück.

„Er steht bei deinem Onkel.“

„Ich kann ihn aber nicht sehen, Daniel.“

„Aber ich sehe ihn!“

Khane sah auf und dann sah er mir direkt in die Augen. Es war etwas Flehendes in seinem Blick. Ich ging langsam auf Walter und Khane zu. Als ich bei ihnen war, schaute Walter auf und sah mich an.

Er erstarrte kurz: „Du… siehst aus…wie Khane! Wie aus dem Gesicht geschnitten.“

„Ich weiß, ich habe die Fotos von Khane gesehen.“

„Khane! Ich hatte ihn so lieb, aber… ich… war damals noch nicht bereit.“

„Ich weiß!“

Langsam setzte ich mich neben Walter auf die Couch.

„Er hat es mir versucht zu sagen!“

Jetzt wurde für mich klar was Khane gestern sagen wollte. Khane hatte Walter geliebt, so einfach war die Wahrheit.

„Wie er hat es versucht zu sagen?“

Mein Vater hatte die Frage an mich gestellt.

„Ich bin heute Nacht wach geworden, weil es kalt in meinem Zimmer war und da stand Khane vor mir. Erst war ich ziemlich erschrocken. Aber dann fing Khane an zu mir zu sprechen und bat mich ihm zu helfen. Er sagte er könne sich nicht erinnern, als ich ihn fragte was passiert sei. Er sagte nur das sein Körper dort liegt.“

Ich legte eine kurze Pause ein und sprach dann weiter. Keiner unterbrach mich, alle lauschten meinen Worten.

„Ich soll Ihnen was von Khane sagen. Es war ihm sehr wichtig!“, sagte ich dann zu Walter gewandt.

„Ich soll ihnen sagen, dass er sie liebt und immer geliebt hat.“

Walter fing an zu weinen.

„Er hat mich damals auf dem Baum geküsst und ich habe ihn von mir gestoßen. Er ist nach unten gefallen und mit dem Kopf auf einen Stein aufgeschlagen. Ich wollte das nicht. Ich hatte mich nur so erschrocken und dachte nur daran was die in der Kirche sagen.

Das es abartig ist, dass ein Junge einen Jungen küsst. Oder ein Mädchen ein Mädchen… Ich habe ihn angehimmelt. Ich Liebe ihn noch immer… Oh wie habe ich dafür gebetet das er mir verzeiht….Wie oft gewünscht das es nie passiert wäre und ich aus diesen Alptraum aufwache…“

Walters Schultern zuckten. Neben mir saß ein gebrochener Mann. Seine eigene große Liebe war durch seine Hände umgekommen. Ich konnte förmlich seinen Schmerz und die Last seiner Schuld fühlen und spüren.

Ich hatte verstanden. Khane starb weil er den Mut hatte zu seinen Gefühlen zu stehen. Walter aber hatte Angst vor dem was die anderen sagen würden und anstatt die Liebe zu erwidern, hatte er Khane von sich gestoßen. Es war ein Unfall, aber Khane starb dabei.

Ich sah auf und sah Khane an. Er bückte sich langsam runter und streichelte zaghaft Walters Haar, dann sah er mich an und lächelte.

„Danke jetzt kann ich gehen. Daniel bevor ich gehe, möchte ich Dich um etwas bitten!“

Ich nickte und sah ihn weiterhin an.

„Tobias braucht dich und er liebt Dich!“

Ich sah Khane sprachlos an.

„Stoss ihn nicht zur Seite sondern stehe auch zu Deinen Gefühlen!“

Kaum war das letzte Wort von Khane ausgesprochen, löste er sich auf. Es war still im Zimmer. Die Stille wurde nur vom leisen Weinen Walters unterbrochen.

„Sie haben ihn dort begraben und meine Eltern im ungewissen gelassen. Sie haben ihn eiskalt getötet. Wie ein eiskalter Engel haben sie ihn da liegen gelassen.“

Mein Vater sah dabei anklagend auf Walter. Ich sah zu meinem Vater auf, solch eine Kälte in seinen Augen hatte ich noch nie gesehen. Walter weinte immer noch und ich stand langsam auf. Ich dachte an die letzten Worte von Khane und sah zu Tobias der immer noch an der Tür stand.

Langsam ging ich auf ihn zu und Tobias sah mich an.

„Komm Tobias wir gehen rauf in mein Zimmer. Ich habe dir noch etwas zu sagen und dich auch etwas zu fragen.“

Die Worte schwirrten mir immer noch im Kopf rum. Steh zu deinen Gefühlen, hatte er gesagt.

Aber was empfand ich für Tobias? Nachdem wir in meinem Zimmer waren, setzten wir uns auf mein Bett. Tobias sah mich vorsichtig von der Seite an.

„Mein Onkel tut mir leid. Er leidet….“

„MMHH… Khane hat ihm verziehen… Tobias ich muss dich etwas fragen…“

„Ja was denn?“

„Khane sagte noch etwas zu mir, bevor er verschwand.“

Ich schluckte und überlegte wie ich es sagen sollte und sah zu Tobias. Er sah mir direkt in die Augen. Seine Augen konnten nicht lügen, aus ihnen strahlte mir soviel Wärme entgegen. Khane hatte also Recht.

„Er sagte zu mir das du mich liebst…“

Danach war es still. Tobias der neben mir saß, gab keinen Ton von sich und es schien als ob er kurz den Atem angehalten hatte. Wir schwiegen eine ganze Weile und ich starrte dabei auf meine Füße.

„Daniel?“

„Ja“

„Er hat Recht! Ich liebe dich!“

Wau so etwas hatte mir bisher noch niemand gesagt und dann kamen in mir Bilder hoch. Tobias und ich wie wir in den Wald gingen. Tobias wie er mich anlachte. Tobias wie er meine Hand hielt. Mir wurde plötzlich etwas bewusst, ich liebte diesen Kerl genauso. Khane hatte Recht, Tobias war nicht nur mein Freund geworden. Er war für mich viel mehr in dieser kurzen Zeit geworden, als nur ein Freund.

„Daniel?“

„Ja?“

„Soll ich gehen?“

„Nein! Ich habe dir auch etwas zu sagen!“

„Ich glaube, das will ich nicht hören. Ich denke ich gehe besser….“

„Nein du gehst nirgendwo hin! Ich liebe Dich genauso“, unterbrach ich ihn, bevor er noch was dummes sagen konnte.

Das hatte gesessen. Denn Tobias der bereits aufgestanden war, fiel zurück auf mein Bett.

„Ist das wahr?“

„Ja Tobi es ist wahr!“

Langsam drehte ich meinen Kopf zu ihm und ich blickte in Tobias leuchtende Augen. Ich sah in zwei blaue Seen und dann kamen sie immer näher und plötzlich spürte ich Tobias Lippen auf meine. Es war der wunderbarste Moment in meinem bisherigen Leben.

Der Kuss von Tobias war zärtlich und zugleich fordernd. Seine Zunge spielte an meiner Lippe und langsam öffnete ich sie. Nach einer langen Zeit lösten wir uns und sahen uns in die Augen.

„Daniel vom ersten Moment an, wollte ich dich.“

Ich lächelte ihn an und nahm seine Hand.

„Was wird aus deinem Onkel?“

„Ich weiß es nicht! Ich glaube ihm, dass es ein Unfall war. Nur das er so lange geschwiegen hat, dass kann ich nicht verstehen.“

Ich nickte und stand auf. Langsam ging ich auf das Fenster zu und sah nach draußen. Unten vor dem Haus stand ein Polizeiwagen und ich sah wie Tobias Onkel in diesem einstieg.

5 Wochen später

Walter wurde freigelassen, da er als die Sache passierte, erst 15 Jahre alt war und die ganze Geschichte schon viel zu lange her war. Die Schuld für Khane`s Tod, hatte er ein Leben lang zu tragen und diese sah man ihn an. Er war ein gebrochener Mann.

Mein Vater hatte Walter verziehen.

Ich selber hatte ein paar Tage später, Tobias Onkel das Buch das wir auf der Eiche gefunden hatten, gegeben. Er sagte mir, dass es Khane`s Buch war. Ich hatte ihn dann nach diesem Wort Warangeria gefragt, dass einzige Wort was ich in diesem Buch entziffern konnte. Er hatte daraufhin traurig gelacht und mir gesagt, dass Khane ihr kleines Reich so nannte.

In Gedanken hörte ich seine Worte.

„Khane hatte soviel Fantasie und zeichnen konnte er erst. Daniel nachdem ich dich gesehen hatte, dachte ich erst Khane wär wieder zurück. Du hast soviel Ähnlichkeit mit ihm. Wenn du lachst oder mit Tobias sprichst, sehe ich Khane vor mir. Er war ein wunderbarer Mensch.“

Unsere Väter halfen uns, unser Baumhaus zu Ende zu bauen. Von meinem und Tobias Gefühlen für einander hatten wir dann unseren Eltern erzählt. Sie sagten kein einziges Wort, sondern schlossen uns nur in ihre Arme.

Es war ein regnerischer Tag, an dem Khane auf dem Friedhof seine letzte Ruhestätte fand. Er lag jetzt neben seinen Eltern und mein Vater hatte einen Grabstein anfertigen lassen. Der Grabstein war ein betender Engel der auf einem Sockel stand. Auf diesen hatte mein Vater folgendes eingravieren lassen:

Hier ruht Kahne lange vermisst,
aber er hat endlich heimgefunden.
Schlaf gut mein Bruder den ich nie
kennen lernen konnte

Ich hielt Tobias Hand in meinen Händen, nie wieder wollte ich diese loslassen. Ich sah zu dem Sarg von Khane, der langsam herangetragen wurde und dann sah ich Khane. Khane stand nicht weit von seinem Grab entfernt, unter einem Baum und sah lächelnd zu uns.

Er war nicht alleine zwei andere Gestalten standen hinter ihm und ich erkannte meinen Opa und meine Oma. Alle drei winkten mir zu und dann erschien hinter ihnen ein helles weißes Licht. Alle drei drehten sich zu dem Licht und begannen in dieses hineinzugehen. Erst verschwanden meine Großeltern und bevor Khane in diesem weißen Licht verschwand drehte er sich nochmals zu mir um.

„Tobias ich wünsch euch alles gute und sag Walter das ich auf ihn warte!“

Eine Träne lief langsam mein Gesichter herunter als ich in seine Richtung stumm blickte.

Lebe wohl Khane! Khane drehte sich langsam um und verschwand in diesem Licht.

Verbindungen

Vorwort:

Meinem Onkel gewidmet, der mir immer wie ein guter Freund und Vater war, der wie ich in Bützow zur Schule ging. Und meiner alten Heimatstadt.

„Tack“, macht mein neuer Gehstock auf dem Bürgersteig bei jedem zweiten Schritt. Ich bin auf meiner täglichen abendlichen Runde durch Bützow, meiner Heimatstadt seit nunmehr 75 Jahren.

Es ist kurz nach halb Zehn und ich bleibe wie immer an derselben Stelle stehen. Um mich zu erinnern, aber auch um zu verschnaufen. Hier, in diesem grauen Gebäude in der Nähe vom Marktplatz, bin ich mal zur Schule gegangen, habe später lange dort gearbeitet. Weiterlesen

Das Haus am See von Pit

Nicht eine einzige Welle konnte ich auf dem See ausmachen. Er lag ganz ruhig und friedlich da. Sanft wiegten sich die Weiden im Wind, die den See fast komplett umschlossen. Was heraus stach, war das Häuschen.

Trotz seiner kleinen Maße, prangte es mächtig zwischen zwei alten Weiden. Ich zog den Schlüssel ab und verließ den Rover. Der Wind blies mir sacht durchs Haar, schon etwas kühl  für meinen Geschmack.

Mein Blick wanderte abermals über den See. Wie lange ich hier schon nicht mehr war. Ich konnte mich noch sehr gut an die ausgelassenen Sommer erinnern, die ich mit Nick meinem Bruder hier verbracht hatte.

Wie oft waren wir mit Großvater am See gesessen, um stundenlang zu angeln. Oder die endlosen Wanderungen mit Großmutter. Aber das war schon sehr lange her. Meine Großeltern waren gestorben und Nick war in England.

Als Großvater vor drei Jahren starb, vermachte er mir und Nick das Haus. Nick hatte kein Interesse daran und es mir überlassen. Er hatte auch an sonst nichts Interesse, was die Familie betraf.

Ich atmete tief durch und stapfte zum Haus. Viel Arbeit hatte ich vor mir, das wusste ich jetzt schon. Es war nach dem Tod von Großvater nicht mehr viel gemacht worden. Weit und breit kein anderes Haus und somit sehr einsam.

Weit weg von allem, was mich an Gabriela hätte erinnern können. Nichts mehr war so gelaufen, wie es sollte. Seit ihrem Tod vor einem halben Jahr, war nichts mehr so gelaufen wie ich wollte.

Ich hatte die Leitung der Firma meinem Stellvertreter übergeben, nachdem ich sie wieder aus der Flaute heraus gezogen hatte. Alle glaubten, ich wäre verrückt, die Firma noch einmal mit soviel Geld aufzumöbeln.

Doch der Erfolg hatte mir Recht gegeben. Mittlerweile gehörte die Brauerei zu den erfolgreichsten in ganz Irland. Auch das Exportgeschäft war ernorm am Boomen. Aber das alles bedeutete mir nichts mehr, seit es Gabriela nicht mehr gab.

Etwas müde zog ich die Schüssel der Haustür aus meiner Jacke und schloss auf. Eine moderhafte Luft strömte mir entgegen und ich beschloss, erstmal ein paar Fenster zu öffnen, bevor ich mit dem Ausladen des Wagens begann.

Mein erster Weg führte mich nach rechts ins Wohnzimmer. Alle Möbel waren mit weißen Leintüchern abgedeckt. Ich griff nach dem Lichtschalter, aber nichts passierte. Hatte ich nicht angegeben, dass ich das Haus heute wieder beziehe und der Strom wieder angestellt werden sollte?

Ich ging zurück in den Flur, lief ein weiteres Stück nach hinten, bis ich vor der Kellertür stand. Ich öffnete sie und fand auch gleich den Sicherungskasten. Konnte ja sein, das nach so langer Zeit die Sicherung kaputt waren.

Natürlich war auch hier alles dunkel. So suchte ich in meinen Jackentaschen nach einem Feuerzeug, wo ich natürlich, jetzt wo ich eins brauchte, keines fand. So beschloss ich zum Wagen zu gehen, dort musste ich doch eine Taschenlampe haben.

Eine viertel Stunde und ein paar weitere Fluchausbrüche später, lehnte ich entnervt an meinen Wagen. Mit einer Zigarette in der Hand wartete ich, dass die Maklerin, die über das Haus wachte, endlich an ihr Telefon ging.

„Mac Gwyer.“

„Hallo Mrs. Mac Gwyer, hier ist Dominic MacLeann.”

“Hallo Mr. MacLeann, sind Sie schon in Galway angekommen?“

„Ich bin schon eine Stunde hier am Haus, aber ich musste feststellen, dass ich keinen Strom habe“, erklärte ich.

„Oh, Mr. Mac Gregor hat mir extra versprochen ihn anzuschalten.“

„Anscheinend hat er das vergessen“, meinte ich ärgerlich.

„Ich werde gleich bei ihm anrufen, damit er sich darum kümmert.“

„Danke“, sagte ich, obwohl ich das nicht wirklich meinte.

Ich verstaute das Handy wieder in die Innenseite meiner Jacke und zog kräftig an meiner Zigarette. Irgendwie schmeckte sie mir nicht. Ich warf sie zu Boden und trat sie aus. Mein Blick fiel wieder zum See.

Der kleine Steg stand immer noch, wo ich viele Sommer in der Sonne darauf verbracht hatte. Ein kurzer Blick auf meine Uhr – ein Schulterzucken – und schon war ich auf dem Weg zum See hinunter.

Die Erinnerungen kamen wieder, wie ich hier mit Nick spielte. Schritt für Schritt näherte ich mich dem Steg. Von irgendwo her konnte ich ein Brummen hören, aber klar definieren konnte ich es nicht.

Das Knarren unter meinen Schuhen brachte mich wieder in die Realität zurück. Das gute Stück hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Langsam bewegte ich mich weiter Richtung Wasser.

Ich drehte meinen Kopf nach hinten, denn das Brummen wurde stärker und ich konnte es als Auto einordnen. Jetzt konnte ich den dazugehörigen Pickup sehen, der auf der Privatstraße zum Haus unterwegs war.

Ich lief langsam rückwärts weiter und verfolgte den roten Pickup, bis er das Haus erreicht hatte. Ein Mann in meinem Alter stieg aus und als ich gerade rufen wollte, hörte ich ein Krachen unter mir.

Mit einem Schrei fiel ich nach hinten und anstatt wie gedacht, kam ich nicht auf den Brettern des Steges auf, sondern fühlte plötzlich viel kaltes Nass um mich herum. Ich ruderte wie wild mit meinen Armen, denn meine voll gesogenen Klamotten zogen mich nach unten.

„Geben Sie mir ihre Hand“, hörte ich jemanden rufen.

Plötzlich und ohne Vorwarnung tauchte dieses Gesicht vor mir auf. Ich versuchte nach der Hand zu greifen, was sich aber schwieriger als gedacht erwies. Mittlerweile hatte ich das Gewicht einer Bleiente.

Mein Gegenüber streckte sich noch etwas nach vorne und bekam mich dann letztendlich zu greifen.

„Luka zieh fester!“, hörte ich ihn sagen.

Mit wem redete er? Ich spürte seine kräftige Hand in meiner und den Ruck, mit dem er mich herauszog. Da ich mich nicht sonderlich bewegen konnte oder woanders hin hätte greifen können, landete ich direkt auf ihm.

Plötzlich vernahm ich ein herzhaftes Kinderlachen. Ich drehte kurz meinen Kopf und schaute in ein strahlendes Gesicht.

„Der Onkel ist aber ganz schön nass geworden, Papa.“

„Luka!“

„Ach lassen Sie, er hat ja Recht.“

„Ist Ihnen auch nichts passiert?“

„Nein, geht schon. Vielleicht etwas das Ego angekratzt.“

Mir wurde hoch geholfen und endlich konnte ich auch mein gegenüber genau sehen. Die gleichen blauen Augen wie der Sohn, auch das Lächeln war das Gleiche. Ich wusste nicht warum, aber ich verharrte bei den Augen, die mich so anstrahlten.

„Mein Name ist Jarrett Mac Gregor. Ich soll hier nach dem Strom schauen.“

Ich reichte ihm noch mal die nasse Hand.

„Dominic MacLeann“, erwiderte ich.

„Sie ziehen in das alte Haus ein?“

„Ja, es gehört mir.“

„Dachte immer, das Haus gehörte den alten Mac Gomereys.“

„Meine Großeltern.“

„Dann bist du… ähm Sie… Dominic?“

Er schaute mich fassungslos an.

„Kenn wir uns?“, fragte ich jetzt selber grübelnd.

Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit.

„Vielleicht erinnerst du dich noch an den dicken Jungen, der oft bei deinen Großeltern zu Besuch war.“

Mein Hirn arbeitete auf Hochtouren, Stimmt ich konnte mich sehr gut an den dicken Jungen erinnern, ich hatte einiges mit ihm erlebt. Mein Blick wanderte über Jarrett. Er hob die Arme und drehte sich einmal um sich selbst.

„Du bist Jarrett?“, fragte ich erstaunt.

Noch einmal schaute ich Jarrett von Kopf bis Fuß an. Irgendwie konnte ich das jetzt nicht fassen. Vor mir stand ein muskulöser Mann, in Latzhose gekleidet und da war kein Gramm zuviel.

Jarrett nickt mir bejahend zu. Der kleine Luka stellte sich dicht neben ihn und griff um sein Bein.

„Du bist so… so dünn. Wie hast du das gemacht? Ich meine, du hast wirklich viele, viele Pfunde zuviel drauf gehabt“, meinte ich.

„Ich musste hauptsächlich aus gesundheitlichen Gründen abnehmen, na ja ein paar private Motive waren auch dabei. Meine Eltern haben mich damals in ein Internat geschickt.“

„Ach deswegen warst du plötzlich nicht mehr da.“

„Ja.“

In mir stieg eine Kälte auf und ich begann zu zittern. Die nassen Sachen klebten an meinem Körper.

„Dominic du frierst ja, komm du musst aus den nassen Klamotten. Hast du zufällig was zum wechseln dabei?

„Du vergisst wohl, dass ich hier einziehe!“

Wenn die Situation nicht schon traurig genug gewesen wäre, hätte ich schallend angefangen zu lachen, als ich Jarretts betretenes Gesicht war.

„Komm gehen wir rein… weißt du in welchem Koffer du was zum wechseln hast?“, meinte Jarrett und schob mich langsam vor sich her.

„Luka, könntest du Papas kleinen Werkzeugkoffer aus dem Auto holen?“, fragte er.

„Oki, doki“, meinte Luka und düste los.

„Er ist goldig dein Kleiner“, sagte ich während ich triefend und frierend neben ihm her lief.

„Ja, er ist mein ganzer Stolz!“

„Und seine Mama? Kenn ich sie?“

Jarretts Gesicht verfinsterte sich ein wenig.

„Sorry, ich wollte dir nicht zu Nahe treten.“

„Tust du nicht. Mandy starb bei der Geburt unseres Sohnes…“

Jarrett sah dem kleinen Wirbelwind nach und ich ebenso.

„Komm, du musst rein, du holst dir hier draußen den Tod“, meinte Jarrett und schob mich Richtung Haus.

Käme mir gerade Recht, aber diesen Gedanken verwarf ich schnell wieder.

„Papa, ich habe ihn gefunden“, rief Luka uns entgegen.

Fast gleichzeitig betraten wir das alte Haus und Jarrett schloss hinter uns die Tür.

„Papa, hier ist es aber dunkel.“

Ich musste grinsen, als Luka das anmerkte und Jarrett rollte mit seinen Augen. Er lief an mir vorbei und öffnete die Tür zum Keller. Luka stellte den kleinen Koffer neben ihm auf den Boden und öffnete die Klappe.

„Danke Luka“, meinte Jarrett und wuschelte ihm durch die Haare. Luka quittierte das mit einem stolzen Lächeln. Ich schaute mich um und griff nach einem weißen Leintuch, das über einem Möbelstück hing.

Ich legte es um mich, was aber nicht wirklich etwas brachte. Das Zittern und Frieren blieb. Plötzlich ging im Flur das Licht an.

„Die Hauptsicherung war durch“, hörte ich Jarrett rufen.

Ich sah wie er seinem Sohn etwas gab und der es fein säuberlich wieder in das Köfferchen tat. Danach schloss Luka wieder die Klappe. Der Kleine war goldig, ich musste grinsen.

„So und jetzt… was soll ich dir reinbringen?“

Ich verstand erst nicht, was er meinte, bis das Zittern mich wieder in die Realität zurück brachte.

„Der schwarze Koffer auf der rechten Seite.“

„Okay, ich schaue, ob unten alle Ventile offen sind, dann kannst du ins Bad und duschen gehen.“

„Duschen?“, fragte ich.

„Du bist ins kalte Wasser gefallen, hast blaue Lippen, du brauchst etwas Wärmendes.“

„Ach so. Aber die Heizung braucht doch eine Weile bis das Wasser heiß ist.“

„Du hast wohl nicht mitbekommen, dass deine Großeltern an Fernwärme angeschlossen wurden.“

„Nein habe ich nicht.“

„Okay. Ich bringe dir dann deine Sache nach oben.“

Er schien oft noch hier gewesen zu sein, er kannte sich gut aus.

„Ähm… okay…“

„Luka, bringst du den Koffer wieder in den Wagen?“

„Ja Papa.“

Luka griff sich den kleinen Koffer und verschwand.

„Hm…, ich überlege grad, ob du heute nicht vielleicht bei mir schlafen solltest, Platz hätte ich ja“, riss mich Jarrett aus meinen Gedanken.

„Also wenn die Dusche so funktioniert, wie du gesagt hast, kann ich ruhig hier bleiben. Zudem, falls sich Mrs. Mac Gwyer an alles gehalten hat, müsste mein Schlafzimmer schon aufgestellt sein.”

„Okay, ich hole deinen Koffer.“

„Gut und ich werde nach oben gehen.“

So verschwand Jarrett durch die Haustür und ich schaltete erst einmal das Flurlicht wieder aus. Hier war es ja einigermaßen hell. Ich stieg die Treppe nach oben und blieb oben angekommen erst mal kurz stehen.

Vor meinen Augen konnte ich mich mit Nick kurz spielen sehen, wie wir früher hier über den Flur tobten. Zielsicher steuerte ich mein Zimmer an. Ich öffnete es und war doch erstaunt, dass es tatsächlich eingerichtet worden war.

Ich machte das Licht an und lief zu dem Fenster. Schnell waren die Vorhänge zurückgezogen und das Tageslicht hielt Einzug. Ich warf das mittlerweile nasse Leintuch auf den Boden und begann mich auszuziehen.

Als ich die triefende Jacke über den Stuhl hing, fiel mir mein Handy ein. Shit, dass war natürlich auch im Wasser gelegen. Ich griff in die Tasche und tatsächlich, auch das Handy tropfte.

Oh man, jetzt musste ich mir noch ein neues Handy zulegen. Nach und nach fielen meine Klamotten zu Boden, bis ich nur noch in Shorts da stand.

„Dominic, bist du hier irgendwo?“, hörte ich Jarretts Stimme auf dem Flur.

„Ja, hier!“

Die Tür öffnete sich. Aber als erstes spazierte Luka herein, dich gefolgt von seinem Vater und meinem Koffer. Er beäugte mich kurz. Sah sicher komisch aus, so tropfnass nur in Boxershorts dazustehen.

„Du kannst immer noch mitkommen, wenn du möchtest“, sagte Jarrett.

„Nein, aber danke, ich möchte meinen Wagen heute noch ausräumen.“

„Ich habe nachher Zeit und Luka geht dann eh zu seiner Großmutter. Ich könnte dir also helfen.“

Ich war angetan von seiner Hilfsbereitschaft.

„Da möchte ich nicht nein sagen und nehme gerne deine Hilfe in Anspruch. Wer weiß, was hier noch alles kaputt ist“, lächelte ich.

„Gut, dann bin ich in einer Stunde zurück“, meinte Jarrett und lächelte ebenfalls.

„Ich will zur Oma, Papa“, drängelte Luka.

Er stand zwischen uns und versuchte seinen Vater aus dem Zimmer zu drücken. Natürlich erfolglos. Der stand wie ein Stein da und schaute mich noch immer lächelnd an.

„Dann werde ich wohl duschen gehen…“, sagte ich.

Wir schauten uns immer noch in die Augen.

„Ähm… ja. Dann bis in einer Stunde“, meinte Jarrett und zog Luka hinter sich aus meinen Zimmer.

Was war das jetzt? Ich kratze meine nassen Haare und schaute auf den Haufen nasser Klamotten. Eine Gänsehaut überkam mich und ich dachte wieder an die Dusche. Ich lief zum Koffer und warf ihn aufs Bett. Schnell war er geöffnet.

Ich entschied mich für meinen Jogginganzug, der eh eine Nummer zu groß war. Schnell war eine neue Boxer gefunden und auch Socken. So lief ich ins Bad. Ich öffnete die Holztür und sie gab mit einem Knarren nach.

Was mir als erstes ins Auge fiel, war die weiße gusseiserne Wanne, die mitten im Raum stand. Ein kurzer Blick zur Dusche und mir war klar, dass ich mich da jetzt rein legen wollte. Ich legte meine Sachen auf einen Stuhl neben das Waschbecken.

Dann lief ich zur Wanne und drehte den Heißwasserhahn auf. Ein kurzes Gurgeln in der Leitung und plötzlich schwappte der erste Schwall Wasser aus dem breiten Hahn. Am Anfang noch etwas braun, wurde das Wasser aber schnell klar.

Ich griff in den Strahl und wunderte mich, wie heiß es doch war. So drückte ich erst den Stöpsel ins Loch in der Mitte der Wanne und das Wasser begann zu steigen. Ich drehte noch etwas den Kaltwasserhahn auf.

Durch das heiße Wasser bildete sich Dampf im Bad, der sich gleichmäßig verteilte. Als die Wanne bereits halb voll gelaufen war, testete ich nochmals die Temperatur. Ich schaute mich um, ob ich irgendwelche Sachen für das Wasser finden konnte.

In einem Schränkchen wurde ich fündig. Hier standen noch alle Badeöle, die ich von Oma kannte. Ich nahm eines nach dem anderen heraus und lass die Aufschrift. Hm… Apfel, hörte sich gut an.

Ich stellte die restlichen Flaschen zurück und ging zurück an die Wanne. Schnell hatte ich mich auch noch der nassen Boxer entledigt. Ich schraubte die Flasche auf und ließ langsam etwas von dem Öl ins Wasser laufen.

Schon jetzt machte sich ein leichter Geruch von Apfel bemerkbar. Langsam hob ich den Fuß über den Wannenrand und berührte mit dem großen Zeh das Wasser. Richtige Temperatur, dachte ich und ließ den Fuß eintauchen.

Wenige Sekunden später hatte ich mich völlig in der Wanne niedergelassen und drehte das Wasser ab. Etwas müde lehnte ich mich zurück und legte den Kopf an den Wannenrand. Ich schloss die Augen und genoss die Wärme.

Ich spürte, wie sich mein Körper langsam entspannte und wieder Leben in ihn zurückkam. Aber gleichzeitig merkte ich auch, wie meine Gedanken immer träger wurden und mich die Müdigkeit immer mehr überkam.

„Wir sehen uns heute Abend, Schatz.“ Sie gab mir einen Kuss und öffnete die Wagentür. „Ich hasse dieses Wetter, es könnte endlich mal aufhören zu regen“, sagte sie und lächelte mir noch einmal zu. Sie stieg aus und warf hinter sich die Tür zu. Ein quietschendes Geräusch ließ mich nach hinten schauen und ich sah nur noch, wie der Wagen auf uns zu rutschte. Ich konnte durch die geschlossene Tür Gabriellas Schrei hören. Ich hörte meinen Schrei…

„Dominic… ist mit dir alles in Ordnung?“

Ich schreckte auf und sah in Jarretts besorgtes Gesicht. Ein paar Sekunden später wusste ich auch wieder, dass ich noch in der Wanne saß. Jarrett kniete sich neben mich.

„Alles klar?“, fragte er.

„Sorry… ich muss eingeschlafen sein“, antwortete ich.

„Habe ich gemerkt, du hast mich nicht mal kommen hören.“

Mir wurde mit einem Schlag bewusst, ich lag noch in der Wanne und war deshalb auch nackt. Jarrett kniete vor der Wanne, so war ich also voll in seinem Visier. Ein Gefühl von Scham überkam mich.

Doch Jarretts Augen wanderten nicht einmal in die unteren Regionen, sondern sahen mir in die Augen. Ich rieb mir übers Gesicht.

„Hatte einen scheiß Traum…“, flüsterte ich.

Jarrett ließ sich neben mir auf den Boden nieder.

„Willst du mir davon erzählen?“, fragte er.

Irgendwie war die Situation komisch. Ich hatte Jarrett mindestens fünfzehn Jahre nicht mehr gesehen und jetzt saß er neben mir und war mir vertraut wie nie zuvor. Ich wusste nicht warum, aber ich fühlte mich wohl bei ihm.

Dieses Gefühl hatte ich nicht mehr, seit ich Gabriella verloren hatte. Plötzlich merkte ich, wie sich langsam Tränen lösten.

„Dominic, wenn du mir nichts erzählen willst, ist es okay!“

„Nein… das ist es nicht. In mir herrscht nur gerade ein Chaos.“

Ich drehte den Kopf leicht und schaute wieder in seine Augen.

„Vor einem halben Jahr habe ich meine Frau verloren. Bei Regen hatte ein Fahrer die Kontrolle über seinen Wagen verloren. Gabriella war gerade ausgestiegen…“

Jarrett verzog sein Gesicht. Ich schaute wieder aufs Wasser.

„Sie war sofort tot…“

„Das tut mir Leid, Dominic…“

Ich spürte den Drang zu weinen und gab ihm nach. Ungehindert floss nun das Nass über meine Wangen. Ich spürte Jarretts Hand an meiner Schulter.

„Ich krieg diese Bilder nicht aus dem Kopf… wie sie zwischen den Wagen…“

„Schhht… tu dir das nicht an Dominic…“

Ich lag nackt in der Wanne, heulte und hatte einen Mann neben mir sitzen. Trotzdem war hier irgendwie eine Vertrautheit, die ich schon lange nicht mehr gespürt hatte.

„Komm, das Wasser wird schon kalt sein. Wo hast du ein Handtuch?“

Ich atmete tief durch und wischte die Tränen aus meinem Gesicht.

„Noch in meinem Koffer… das habe ich vergessen.“

„Okay.“

Jarrett erhob sich und verließ das Badezimmer. Ich richtete mich auf und saß nun wieder. Wenige Minuten später kam Jarrett zurück und hielt mir ein Handtuch hin. Ich dachte nicht weiter nach und stand auf. Jarrett reichte mir das Handtuch, als man es unten klingeln hörte.

„Ich geh runter und schau nach“, sagte Jarrett und verschwand wieder.

Ich stieg vollends aus dem Wasser und trocknete mich fertig ab. Schnell war ich in meine Klamotten gestiegen und folgte Jarrett.

„Du musst dich noch einen Augenblick gedulden, Herr MacLeann ist noch oben“, hörte ich Jarretts Stimme.

Ich ging schnell in mein Zimmer, zog die Turnschuhe aus dem Koffer und schlüpfte hinein. Schnell war ich die Treppe hinunter gelaufen, wo ich Jarrett mit einem jungen Mann vorfand.

„Das ist Corbinian Mac Lan, er wird sich um deinen Steg kümmern. Er ist Schreiner. Hab mir erlaubt ihn gleich anzurufen“, erklärte Jarrett.

„Oh, danke, das ist auch nötig… also der Steg…“, oh man, warum begann ich jetzt zu stottern, „Dominic MacLeann ist mein Name.“

„Corbinian reicht…“, sagte der junge Mann und streckte mir seine Hand entgegen.

Ich schüttelte seine Hand.

„Okay, Dominic“, meinte ich und versuchte zu lächeln.

„Wo ist denn das gute Stück?“, fragte Corbinian.

„Gleich hinter dem Haus“, meinte Jarrett und wies auf die Eingangstür.

„Dann schau ich mir das mal an.“

Ich folgte den beiden hinaus. Jarrett erzählte irgendwas von Materialien und anderen Dingen, die ich nicht verstand. Wenig später waren wir am Steg angekommen.

„Oh, der muss wirklich gerichtet werden. Sieht so aus, als wäre hier jemand eingebrochen“, sagte Corbinian.

Jarrett grinste mich an und mir war das plötzlich sehr peinlich.

„Ich werde alles ausmessen und Ihnen dann Bescheid geben was es kostet, Dominic.“

„Okay, danke.“

*-*-*

Mittlerweile war auch der letzte Karton aus meinem Rover geräumt. Alles stapelte sich nun im Flur. Jarrett hatte alle Vorhänge zurückgezogen und auch die Leintücher entfernt, mit denen die Möbel abgedeckt wurden.

Er schaute auf die Kartons und dann auf mich.

„Da steht noch eine ganze Menge Arbeit an“, stellte Jarrett fest.

„He, du hast schon genug gemacht, willst du nicht zu Luka?“, fragte ich und lehnte mich erschöpft an die Haustür.

„Luka schläft bei seiner Oma heute Nacht. Für mich ist das hier mal eine Abwechslung.“

„Abwechslung? Du hast doch sicher viele Freunde hier.“

Jarrett schüttelt seinen Kopf.

„Bekannte vielleicht, aber keine Freunde. Ich lebe mit Luka recht zurückgezogen.“

Ich lehnte immer noch an der Haustür und starrte Jarrett verwundert an.

„Was?“, fragte er.

„Ich hätte echt nicht gedacht, dass du… na ja ein Einzelgänger bist.“

„So kann man es auch nicht nennen. Ich bin schon viel unterwegs, alleine durch meine Arbeit. Seit Kathleens Tod habe ich mich etwas aus dem gesellschaftlichen Leben zurückgezogen, sie war es, die Freunde hier hatte.“

„Aha… und was machst du dann sonst so, wenn du nicht bei der Arbeit bist und mit Luka beschäftigt bist?“

„Na ja, vielleicht findest du das jetzt lächerlich… oder kindisch. Ich habe eine große Modellbahn auf dem Speicher an der ich oft bastele.“

„Wieso sollte ich das kindisch finden. Wenn ich mal Zeit habe… öhm ich habe alle Zeit der Welt… eigentlich.“

Jarrett schaute mich fragend an.

„Mist, ich habe nicht mal etwas zum Trinken im Haus, sonst könnte ich dir etwas anbieten“, meinte ich.

Jetzt grinste Jarrett.

„Weißt du was“, begann er zureden, „lass uns die Karton auf ihre Plätze räumen, dann habe ich eine kleine Überraschung für dich.

Nun war ich es, der Jarrett wieder fragend anschaute. Er schnappte sich den ersten Karton.

„Soll ich die Kartons mit der Aufschrift… auch dort hinstellen?“

Ich nickte und nahm einen weiteren Karton auf und folgte ihm nach oben. Er begab sich in mein Zimmer und ich ins Bad. Nach ungefähr einer halben Stunde war alles verteilt, der Flur wieder leer.

„Einen Moment bitte“, sagte Jarrett und verschwand durch die Haustür.

Verdutzt schaute ich ihm nach, dann ging ich die Küche. Ich drehte den Wasserhahn auf und wusch mir meine Hände.

„Dominic?“

Jarrett war wohl schon wieder da.

„Hier in der Küche“, rief ich und suchte verzweifelt etwas zum Hände abtrocknen.

Jarrett betrat die Küche mit einem Korb. Er griff hinein und zog ein Geschirrtuch heraus.

„Suchst du das hier?“, fragte er und warf mir das Tuch zu.

„Danke! Sag mal, was hast du alles in dem Korb da?“

„Alles was dein Herz begehren könnte.“

Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu, während Jarrett den Korb ausräumte. Da kamen lauter Köstlichkeiten zum Vorschein.

„Hast du den hiesigen Laden leer gekauft?“, wollte ich wissen.

„Ein guter Koch hat so etwas zu Hause.“

„Du kannst kochen?“, fragte ich verwundert.

„Du nicht?“, bekam ich als Gegenfrage.

Jetzt mussten wir beide lachen. Als Letztes zog Jarrett eine Flasche Wein mit zwei Gläsern heraus.

„Hast du etwas Größeres vor?“, fragte ich, nachdem ich all die Sachen auf dem Tisch nochmals angeschaut hatte.

„Ich dachte, es wär ein kleiner Grund zu feiern, dass wir uns nach all den Jahren endlich mal wieder sehen.“

„Da hast du allerdings Recht. Hast du auch an Teller gedacht? Ich meine, irgendwo muss doch alles, was du da kochen willst, drauf.“

„Oh schei… Daran hab ich nicht gedacht. Wo war ich nur mit meinen Gedanken.“

„Das würde mich auch interessieren“, grinste ich.

Jarrett wurde tief rot im Gesicht.

„Ich schau mal die Schränke durch. Irgendetwas muss ja noch von Grandma Anns Geschirr da sein“, meinte ich.

„Vermisst du nicht die Zeit, also früher, als wir noch Kinder waren?“, fragte Jarrett, der sich am Herd zu schaffen machte.

Ich atmete tief durch.

„Klar, erinnere ich mich gerne an früher. Alles war so unbeschwert… Kindsein eben.“

„Verstehe… man wird erwachsen und das Kind in dir verschwindet.“

„Ist doch normal, oder?“

Endlich wurde ich fündig. In einem der alten Schränke fand ich ein komplettes Service.

„Nein ich finde, man sollte sich etwas Kindliches behalten.“

„Deswegen die Eisenbahn?“, fragte ich neckisch.

Jarrett rollte mit den Augen und wandte sich wieder seinen Sachen zu. Er zog eine Pfanne und einen Topf heraus. Er begann das Gemüse zu schälen und zu schneiden. Ich hörte ein Handy klingeln, es war auf jeden Fall nicht meins.

Schnell wurde der Eigentümer hektisch und zerrte an seiner Hose herum.

„Ja?“, kam es von Jarrett, „ ja, ich hab dich auch lieb… ja schlaf gut… du auch…“

Ich hörte noch ein Kussgeräusch und Jarrett ließ das Handy wieder verschwinden.

„War Luka, er hat mir noch gute Nacht gewünscht.“

„Er telefoniert mit fünf?“, fragte ich erstaunt.

„Luka ist ein helles Köpfchen und drei- oder viermal in der Woche schläft er bei seiner Grandma, da ist es zur Gewohnheit geworden, dass er anruft.“

„Süß“, gab ich nur von mir.

Ich dachte wieder an Gabriella, wie sehr sie sich Kinder gewünscht hatte. Doch ich ihr den nicht erfüllen konnte. Im Bett war ich eine absolute Niete gewesen, womit das Thema gegessen war.

„Einen Cent für deine Gedanken“, meinte Jarrett und stand mit zwei gefüllten Rotweingläsern vor mir.

Ich zuckte etwas zusammen.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“

„Hast du nicht, ich hab nur an etwas in der Vergangenheit gedacht.“

„Willst du darüber reden?“

„Wolltest du nicht kochen?“

„Steht schon lange in der Röhre, wir haben also Zeit.“

Jarrett grinste mich an.

„Hier in der Küche?“, fragte ich und schaute mich um.

„Wo immer du willst“, kam es von Jarrett.

„Wohnzimmer?“

Jarrett nickte. So lief ich ins voraus ins Wohnzimmer und Jarrett folgte mir. Als wir das Zimmer betraten, kam es mir etwas kühl vor.

„Soll ich den Kamin anzünden?“, fragte Jarrett.

Konnte er Gedanken lesen?

„Nein, das geht auch so.“

„Ist aber wirklich kein Problem. Du solltest nach deinem unfreiwilligen Bad im Warmen sein.“

Er ließ mich erst gar nichts dagegen einwenden und verschwand schon wieder aus meinem Blickfeld. Ein paar Minuten später tauchte er mit einem Arm vol Holz auf.

„Wo hast du das denn so schnell her, hast du das auch mitgebracht?“

Jarrett lachte.

„Nein, aber ich kenn mich hier immer noch gut aus. Draußen hinter dem Haus stapelt eine Menge Holz.“

Jarrett kniete sich vor den Kamin und belud ihn. Wenig später entzündete er Papier. Wo er das her hatte, wusste ich auch nicht. Etwa zehn Minuten später brannte das Feuer und Jarrett ließ sich in einer der Ohrensessel fallen.

Ich folgte seinem Beispiel und setzte mich in den anderen Sessel. Er prostete mir zu und nippte an seinem Weinglas. Mein Blick fiel zurück ins Feuer, welches mehr und mehr das Holz einnahm.

„Du bist so ruhig…“, hörte ich Jarrett sagen.

„Ja, ich bin nachdenklich… es ist einfach zuviel passiert.“

„Was hast du eigentlich die ganze Zeit gemacht? Wann bist du fort gegangen, wie lange ist das jetzt her?“

„Lass mich nachrechnen, mit sechzehn bin ich ins Trinity College in Dublin gekommen… fünfzehn Jahre bin ich jetzt weg gewesen. Dort bin ich auch geblieben. Dir sagt Kilkenny was?“

„Ja klar, mein Lieblingsbier.“

„Dann habe ich an dir verdient.“

„Bitte?“

Das verwunderte Gesicht Jarretts amüsierte mich.

„Du weißt, dass ich nicht gerade minderbemittelt bin.“

„Ja, man hat von einigen Millionen Pfund geredet, was dein alter Herr dir hinterlassen hat.“

„Du vergisst das Geld meiner Großeltern. Aber egal. Ich habe mich in die Firma eingekauft und den Laden modernisiert. Ich konnte alle Arbeitsplätze retten und das Geschäft wirft sogar wieder einiges ab.“

„Wow, habe ich also einen Bierspezialisten vor mir sitzen und ich speise dich mit einem Rotwein ab“, sagte Jarrett und nippte an seinem Glas.

„Kein Problem, ich trinke auch Rotwein gerne. Der hier ist sehr gut, aber ich muss zugeben, er hat es in sich, ich merke schon etwas.“

„Dann lass uns etwas essen, müsste auch schon fertig sein.“

Zwei Stunden später und zwei Rotweinflaschen leerer, saßen wir wieder in den Ohrensessel und schwelgten in Erinnerungen. Trotz des guten Essens, Jarrett hatte Irish Stew gekocht, was ich auch schon lange nicht mehr gegessen hatte, merkte ich die Flasche Rotwein, die ich intus hatte.

Man konnte sagen, ich hatte ordentlich einen sitzen. Ich war nur noch am Kichern. Fast gleichzeitig begannen Jarrett und ich zu gähnen.

„Ich werde dann mal langsam nach Hause fahren“, meinte er.

„Nichts wirst du, mit der Flasche Wein intus, fährst du kein Auto mehr.“

„Soll ich etwa das ganze Stück heim laufen?“

„Nein, du wirst hier schlafen. Als Kinder haben wir doch ständig zusammen geschlafen.“

„In deinem Bett?“, fragte Jarrett mit ernstem Gesichtsausdruck und kicherte dann plötzlich los.

„Ist für mich auch kein Problem, aber wenn du lieber hier auf der Couch schlafen willst?“

Wir blickten beide auf das viel zu kleine Teil und schüttelten beide gleichzeitig den Kopf.

„Wenn du wirklich noch einen kleinen Platz frei hast…, bleib ich gerne.“

„Okay… sollen wir noch zusammenräumen?“, fragte ich.

„Ja können wir. Möchte morgen nicht noch einmal anfangen müssen.“

Also erhob ich mich aus meinem Sessel und merkte wie ich leicht schwankte.

„Du bist wohl nichts gewöhnt“, meinte Jarrett hinter mir, der anfing, das Geschirr auf dem Esstisch abzuräumen.

„Kann sein, ich hab schon lange nichts mehr getrunken.“

„Muss ich dich jetzt ins Bett tragen?“, kicherte Jarrett.

„Nein, ins Bett werde ich es grad noch schaffen“, lächelte ich.

Jarrett stellte das komplette Geschirr in die Spüle und folgte mir in den Flur. Ich löschte alle Lichter und bewegte mich weiter schwankend auf die Treppe zu. Plötzlich spürte ich zwei Hände, die meine Hüften umfassten und mich die Treppe hinauf schoben.

Ich konnte nicht anders und begann zu kichern und verschüttete fast meinen Rotwein, den ich immer noch in meiner Hand hielt. Es war einfach so, dass ich unheimlich kitzlig war und Jarretts Hände sorgten dafür, dass ich einfach kichern musste.

„Was ist los, warum kicherst du so?“

„Das kitzelt!“, kicherte ich.

Da verschwanden die Hände und ich drohte fast nach hinten zu kippen. Diesmal spürte ich aber keine Hände, die mich auffingen, sondern ich lehnte plötzlich an Jarrett.

„Willst du wieder runter?“, fragte er und schaute mich lächelnd an.

Ich konnte nicht anders und begann wieder zu kichern. Der Rotwein war mir in den Kopf gestiegen und ich war voll. Langsam dirigierte mich Jarrett Richtung Schlafzimmer. Dass er auch nicht mehr fit war merkte ich daran, dass wir ein paar mal Haarscharf an der Wand entlang schlitterten.

Als wir an der Tür angekommen waren, blieb er abrupt stehen und ich lief auf.

„Ups… sorry, das wollte ich nicht“, meinte er.

„Macht nichts“, sagte ich und rieb mir über die Stirn.

Jarrett drückte die Türklinke hinunter und öffnete die Tür. Beim Hineingehen stellte ich mein Glas aus der Kommode ab. Durch die Lüftungsgitter, die mit dem offnen Kamin verbunden waren, strömte warme Luft ins Zimmer.

Eine mollige Wärme hatte sich breit gemacht und mir war vom Rotwein eh schon warm. Also begann ich mein Hemd aufzuknöpfen, was sich aber als schwierig heraus stellte, da meine Motorik nicht mehr das war, was es sein sollte.

So stand ich schwankend da und fummelte an meinem Hemd herum. Irgendwann hatte ich genug und zog es einfach über den Kopf. Es landete neben den Stuhl, denn zielen konnte ich auch nicht mehr.

Jarrett kicherte weiter, beobachtete den Kampf mit meiner Kleidung. Er hatte es leichter. Schnell war sein Shirt über den Kopf gestreift und die Hose ausgezogen. Zum ersten Mal sah ich ihn nur in Shorts.

Das Bild seiner Leibesfülle von früher kam mir in den Sinn und ich musste unweigerlich lächeln.

„Was ist?“, fragte Jarrett und hob mein Hemd auf.

„Du siehst wirklich gut aus“, sagte ich und nur wenig später wurde mir bewusst, ich hatte einem Mann wegen seines Aussehens ein Kompliment gemacht.

Sein Gesicht färbte sich leicht rot, was eine erneute Kicherattacke bei mir auslöste. Ich bückte mich und versuchte nun auch das letzte Hosenbein vom Fuß zu ziehen. Natürlich bekam ich Übergewicht und kippte nach vorne.

Ein kurzes Fluchen und ich lag auf Jarrett. Wir schauten uns kurz wortlos an und begannen laut zu lachen. Was mich aber etwas wunderte war, dass sich plötzlich ein Wohlbefinden in mir ausbreitete, als ich Jarrett unter mir spürte.

Unser Lachen verstummte und wir schauten uns in die Augen. Seine Pupillen verengten sich und das braun seiner Augen nahm ein seltsames Funkeln an. Plötzlich spürte ich seine Hand an meinem Nacken.

Langsam zog er mich zu sich. Keine Hemmungen, keinerlei Gewissensbisse begehrten in mir auf, ich ließ es einfach geschehen. Meinen Augen schlossen sich und wenige Sekunden später spürte ich Jarretts weiche Lippen auf den meinen.

Ich wußte nicht, wie mir geschah. Ein Gefühl, als würde Strom durch meinen Körper fließen, ließ meinen Körper erbeben. Nur dieser kleine Kuss setzte eine Gefühlswelt in mir frei, die ich bis dato noch nie erlebt hatte.

Unsere Lippen trennten sich wieder und ich öffnete die Augen. Aber nicht die funkelten Augen von Jarrett bekam ich zu sehen, nein, es war ängstlicher Blick.

„Was ist?“, fragte ich besorgt.

Jarrett drückte mich sanft von sich weg.

„Sorry, dass hätte ich nicht tun dürfen.“

„Was denn?“

„Dich küssen…“

Er wandte sich von mir ab.

„Jarrett, wenn ich es nicht gewollt hätte…“

„Vergessen wir es einfach, okay?“, fragte Jarrett, stand auf und nahm seine Kleidung.

„Was hast du vor?“, fragte ich, noch immer auf Boden sitzend.

„Ich werde nach Hause laufen…“

„Jarrett, ich ….“

„Lass es..“

Er lief schon zur Tür.

„Jarrett, bitte bleib…“

Ruckartig blieb er stehen, während ich aufgestanden war.

„Was für einen Sinn hätte das?“, fragte er mir zugewandt.

Ich lief zu ihm, legte meine Hand auf seine Schulter. Er zog die Schulter weg und meine Hand rutschte ab.

„Tut mir Leid Dominic, ich hab da einen riesen Fehler gemacht… es ist wirklich besser wenn ich jetzt gehe.“

Er griff nach dem Türknauf, aber so wollte ich ihn nicht gehen lassen. Ich griff diesmal nach seinem Arm und der Griff meiner Hand wurde stärker. Jarrett drehte den Kopf und schaute mich vorwurfsvoll an.

„Lass uns bitte reden… okay?“, fragte ich leise.

Jarrett atmete tief durch und es folgte ein Seufzer.

„Komm… bitte.“

Jarretts Widerstand war irgendwie gebrochen, denn plötzlich kam er mir klein und angreifbar vor. Ich zog etwas an seinem Arm und er setzte sich ohne Wehr  in Bewegung. Ich zog ihm seine Kleidung aus der Hand und warf sie auf den Stuhl.

Jarrett sagte kein Wort mehr, starrte nur stur auf den Boden. Mittlerweile war ich hinter ihm und schob ihn Richtung Bett. Dort angekommen drückte ich ihn nach unten, dirigierte ihn ins Bett und deckte ihn zu.

Danach lief ich um das Bett und ließ mich neben ihn fallen. Noch immer starrte er vor sich hin.

„So und jetzt Klartext, was ist los?“, begann ich.

„Was soll schon los sein. Ich habe dich geküsst, einen Mann…“, brummte Jarrett.

„Ja, das habe ich gemerkt, überdeutlich sogar.“

Sein starrer Blick löste sich, er setzte sich auf und wandte den Kopf zu mir.

„Verstehst du denn nicht…?“, begann er zu fragen.

Ich schüttelte den Kopf. Er rollte mit den Augen und ließ sich wieder in sein Kissen fallen.

„Tut mir Leid, wenn ich auf der Leitung stehe… ich muss sogar zugeben, dein Kuss hat mir gefallen…, solche Gefühle habe ich noch nie erlebt.“

„Wirklich?“

Ich musste über Jarretts verwunderten Gesichtausdruck lächeln.

„Ja…! Klar, ich bin noch nie von einem Mann geküsst worden, woher soll ich auch solche Gefühle kennen“, sprach ich weiter.

„Du… du warst verheiratet…“, gab Jarrett leise von sich.

Meine Gedanken wanderten zu Gabriella zurück und es war das erste Mal, dass es mir nicht gleich ein Stich in meine Brust versetzte, wenn ich an sie dachte.

„Ja war ich und Gabriella fehlt mir sehr.“

„Und dann gefällt dir, wenn dich ein Mann küsst?“

„Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“

„Du bist nicht schwul…“

„Bist du es?“, fragte ich Jarrett, dessen Blick mir plötzlich auswich.

„Jarrett, wir haben uns einmal ewige Freundschaft geschworen… gilt dies noch?“

„Das war ein Kinderschwur…“

„Für ein Kind warst du aber schon ganz schön bestückt…“

Ein leichtes Lächeln überzog Jarretts Gesicht. Nein ich hatte nicht vergessen, was wir bei den Weiden hinter den Felsen gemacht hatten. Er hob langsam den Kopf und sah mich an.

„Du hast es nicht vergessen?“, fragte Jarrett.

Ich schüttelte den Kopf.

„Wie kann man sein erstes Mal schon vergessen?“

Jarretts Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet“, meinte ich leise und sein Grinsen verschwand.

Jarrett sah mich lang an. Sein Atem war ruhig. Seine Augen funkelten im Schein der Nachtischlampe.

„Kathleen meinte immer, das wäre nur eine Phase bei mir, sie sagte, dass geht irgendwann vorüber.“

Nun senkte Jarrett seinen Blick.

„Doch tief in mir spürte ich etwas, was ich die ganzen Jahre verdrängt hatte. Ich spürte, dass all das falsch war, was um mich passierte, ich eigentlich ein anderes Leben führen sollte. Klar liebte ich Kathleen, aber dennoch quälten mich jeden Tag Selbstzweifel.“

„Warum dass denn?“

Jarrett hob den Kopf und sah mich wieder an.

„Wie würdest du dich fühlen, wenn du mit einer Frau verheiratet bist, tollen Sex hast, aber immer wieder an andere Männer denkst?“, fragte Jarrett.

„Hm…, ich weiß nicht… Gut ich gebe zu, diese Gedanken hatte ich auch ab und wann, aber belastet hat mich das nie.“

„Schön für dich!“

Ich hörte schon den leicht sarkastischen Unterton in Jarretts Stimme. Er verschränkte seine Arme über der nackten Brust und starrte in den Raum.

„Der Kuss eben hat Gefühle in mir ausgelöst, die ich nicht kenne… Aber es gefällt mir, was ich spüre“, sprach ich leise weiter.

„Und was fühlst du?“, fragte Jarrett, ohne mich anzuschauen.

„Schwer zu erklären… hm… Irgendwie fühlt es sich an, als würde Strom durch dich laufen, alles fängt an in dir zu vibrieren…“

„Wirst du jetzt zum Elektriker…, dass ist mein Job“, erwiderte Jarrett und ich musste lächeln.

Auch er musste lächeln und löste sich aus seiner Verspannung.

„Und was wird jetzt?“, fragte ich vorsichtig.

Jarrett atmete tief ein und blies die Luft wieder aus.

„Ich weiß es nicht…“, hörte ich Jarrett leise sagen.

Seine Augen waren leicht feucht und funkelten noch mehr im Schein der kleinen Lampe. Ich hob meine Hand, fasste Jarrett am den Nacken und zog ihn zu mir. Ohne Gegenwehr ließ Jarrett dies einfach mit sich tun.

Und erneut trafen sich unsere Lippen, aber diesmal zu einem innigeren Kuss als vorher.

*-*-*

So langsam wurde ich wach. Wie gewohnt wollte ich mich strecken, wenn ich morgens aufwachte, doch diesmal ging das nicht. Jarretts Kopf lag auf meiner Brust, sein Arm um meinen Bauch geschlungen.

Er sah so friedlich aus, wenn er schlief. Sein Kopf hob und senkte sich sanft zusammen mit meiner Brust. Ich strich ihm eine Strähne seines wilden braunen Haares aus dem Gesicht. Sollte wirklich etwas daran sein, dass ich auf Männer stehe?

War das der Grund, warum ich bei Gabriela im Bett immer versagte? Ich starrte an die Decke kramte in meinen Erinnerungen, ob irgendwelche unerklärlichen Dinge in der Vergangenheit sich mit diesem Punkt erklären ließen.

„Was grübelst du denn?“, hörte ich plötzlich Jarrett brummen.

Ich schaute zu im hinunter und lächelte.

„Guten Morgen Jarrett“, sagte ich.

„Morgen Dominic“, brummte er vor sich hin und begann sich zu strecken.

„Hast du gut geschlafen?“

Er blieb neben mir auf dem Rücken liegen.

„Ja!“, lächelte er, „…wie viel Uhr haben wir denn?“

Ich griff nach meiner Armbanduhr.

„Kurz nach sechs Uhr.“

„Also nichts mit liegen bleiben… Ich muss aufstehen.“

„Die Arbeit ruft wohl?“

„Ja und ich habe heute ein paar Aufträge abzuarbeiten.“

„… ich würd dir ja gern einen Kaffee kochen, aber ich habe leider nichts anzubieten.“

„Kein Problem, wir können uns ja nachher in der Stadt treffen und gemeinsam einen Kaffee trinken.“

„Das ist eine gute Idee, einkaufen werde ich sowieso noch müssen. Und wo treffen wir uns?“

„Lass mich mal überlegen, wo kann man den gut frühstücken…nach was steht dir denn der Sinn… etwas mit Fisch?“

„Ja, warum nicht.“

„Dann könnten wir uns bei McSwiggan’s Restaurant, am oberen Ende der Altstadt in der Nähe des Eyre Square gelegen, treffen.“

„Hört sich vornehm an.“

„Jarrett lächelte wieder und zog mich zu sich.“

„Aber ohne einen weiteren Kuss stehe ich nicht auf“, flüsterte er und schon spürte ich seine Lippen auf meinen.

Ich zerfloss regelrecht in seinen Armen und genoss seine Hand, die mir zärtlich über den Rücken streichelte, was mir eine Gänsehaut bescherte.

„So könnte für mich jeder Morgen beginnen“, meinte er und schlug die Decke zurück.

Ich lag nun auf dem Bauch und schaute ihn an.

„Wär das dein Wunsch?“, fragte ich leise.

Er saß nun am Bettrand mit dem Rücken zu mir. Ich strich sanft mit meiner Hand über seinen Rücken und fuhr die Konturen der Schulter nach.

„Ob das gut wäre?“, fragte er nun und atmete tief durch.

„Man soll nie eine Frage mit einer Gegenfrage beantworten.“

Er lehnte sich nach hinten, stützte sich mit der Hand auf dem Bett ab.

„Können wir da in Ruhe weiter drüber reden? Ich muss gleich los, ich will da nicht zwischen Tür und Angel drüber reden.“

„Noch bist du in meinem Bett…“

Er beugte sich hinunter und gab mir einen flüchtigen Kuss, dann stand er auf.

„Und wann treffen wir uns?“, fragte ich, während Jarrett in seine Hose schlüpfte.

„So gegen zehn?“

„Ja, bis dorthin bekomm ich einiges gearbeitet.“

Ich stand nun auch auf und zog mir nur mein Tshirt über. Gemeinsam gingen wir nach unten, wo Jarrett sein restliches Hab und Gut einsammelte. Dann begleitete ich ihn zur Tür.

„Okay, dann bis um zehn, ich freu mich schon darauf“, meinte Jarrett und öffnete die Haustür.

Frische Kühle zog herein und es fröstelte mich etwas. Jarrett zog mich noch einmal an sich und ein weiterer Kuss folgte.

„Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, wie süß du bist?“, fragte er.

Ich schüttelte den Kopf und er grinste.

„Also bis später…“

„Bis später“, sagte ich und schaute ihm nach, wie er zu seinem Wagen lief. Er stieg ein, startete den Motor und der Wagen setzte sich in Bewegung. Ein kurzes Winken seinerseits und ich sah nur noch die Rückfront seines Pickups.

Ich schloss die Haustür und lehnte mich gegen sie. Ich hatte eine Nacht mit einem Mann verbracht. Na gut… wir hatten nichts gemacht, nur nebeneinander geschlafen, aber trotzdem hat mir das gefallen.

Mein Blick wanderte über den Flur zu den offenen Türen. Ich seufzte. Was soll’s, ich hatte jede Menge Arbeit vor mir. Wenige Minuten später kam ich angezogen wieder herunter und suchte erstmal nach etwas Trinkbarem.

Jarrett hatte mir zwei Flaschen Mineralwasser da gelassen. So schenkte ich mir ein Glas voll ein und trank es in einem Zug leer. Wo sollte ich anfangen. So beschloss ich erstmal hier in der Küche anzufangen und das Geschirr von gestern Abend zu entsorgen.

Eine Spülmaschine musste her. Ich ging an meinen Aktenkoffer, der immer noch neben der Kommode im Flur stand, nahm ihn hoch und legte ihn auf die Kommode, wo ich ihn auch gleich öffnete.

Ein Bild von Gabriella aus glücklichen Tagen prangte mir entgegen. Ich seufzte kurz und nahm es heraus. Ich lief ins Wohnzimmer und stellte die Fotografie auf dem Kaminsims ab. Was wollte ich doch gleich?

Stimmt, ich wollte mir etwas zu schreiben holen. Also zurück in den Flur an meinen Aktenkoffer. Ich zog einen Block heraus mitsamt Kugelschreiber, notierte ‚Spülmaschine’ und nahm mir vor, nachher gleich Jarrett zu fragen, ob das bei mir möglich war.

Ich wollte sowieso einiges Bauliches im Haus ändern und Jarrett würde mir sicher mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ich legte den Block auf den Küchentisch und stand nun vor dem Berg Geschirr.

Eine halbe Stunde später und zehn verschrumpelte Finger mehr hatte ich die Küche wieder sauber, als ich draußen ein Motorgeräusch hörte. Ich lief in den Flur und öffnete die Haustür. Etwas enttäuscht stellte ich fest, dass es sich um den Schreiner handelte.

Ich ertappte mich, dass ich auf Jarrett gehofft hatte.

„Guten Morgen Dominic“, rief er mir entgegen.

„Morgen Corbinian“, rief ich zurück.

„Ist noch irgendetwas zu klären, oder kann ich gleich anfangen.“

Da fiel mir etwas ein.

„Wenn Sie so fragen, da fällt mir schon etwas ein.“

Corbinian stellte sein Werkzeugkoffer ab und lief zu mir.

„Wo drückt denn der Schuh?“, fragte er, als er bei mir ankam.

„Ich habe vor einiges in diesem Haus zu verändern und da wären sicherlich auch Holzarbeiten zu tätigen.“

„Und um was geht es da konkret?“

„Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen das gerne zeigen.“

„Ähm… Dominic…, Sie sind mit Jarrett befreundet und ich auch… Sie können also gerne du zu mir sagen.“

„Ja… ähm kein Problem.“

„Und um was geht es jetzt?“

„Moment ich zeige es Ihne… ähm …dir.“

Corbinian lächelte mich an. Dabei übersah ich natürlich nicht seine großen wachen und braunen Augen, die mich gerade anstrahlten. Sichtlich nervös lief ich vor ihm her zum hinteren Zimmer.

Auch hier hatte Jarrett alle Leinentücher entfernt und man konnte den herrlichen alten Schreibtisch sehen, der mitten im Raum stand.

„Hier würde ich gerne mein Arbeitszimmer einrichten“, erklärte ich.

„Ich nehme mal an, der Schreibtisch soll bleiben.“

„Richtig angenommen… aber ich brauche Abstellfläche… Regale.“

„Und sie sollten zum Schreibtisch passen.“

Ich nickte.

„Ich habe zu Hause ein paar Entwürfe von Möbeln, deren Stilrichtung hier fast passen würde. Wenn es dir Recht ist, bringe ich sie das nächste Mal mit.“

„Ja, klar, sicher würde mir das gefallen.“

„Okay. Noch etwas?“

„Ja, du siehst, hier ist es ziemlich dunkel und hinter dieser Wand befindet sich ja die Terrasse zum See. Wäre es möglich eine Tür nach draußen einzubauen?“

„Hm… wegen der Tür müsste ich mit einem befreundeten Glaser sprechen, aber ich denke, dass ist sicher kein Problem.“

„Gut, danke. Das wäre es erstmal.“

„Okay, dann mach ich mich mal an die Arbeit… bis später, Dominic.“

„Brauchst du mich noch für etwas?“

„Eigentlich nicht.“

„Gut, weil ich später in die Stadt möchte.“

„Kein Problem, ich habe alles dabei, was ich brauche.“

Ein paar Minuten später war ich wieder alleine. Ich beschloss im Wohnzimmer anzufangen, damit ich einen Raum hatte, wo ich Gäste empfangen konnte und sie nicht in irgendein Zimmer mit Kisten führen musste.

Ich hielt inne und lächelte. War ich doch vor kurzem zu dem Schluss hierher zu ziehen gekommen, um abzuspannen… Entfernung zur Vergangenheit zu bekommen, war ich jetzt schon wieder kräftig am Planen.

Dann sah ich wieder Jarrett vor mir und das Lächeln wurde stärker.

*-*-*

Unruhig lief ich vor dem Restaurant auf und ab. Es war schon fast halb elf und von Jarrett immer noch keine Spur. Blödsinnigerweise hatte ich natürlich keine Handynummer von ihm, aber er auch keine von mir.

Bei jedem roten Auto sah ich auf, aber es war kein Pickup. Wieder schaute ich auf die Uhr, als ich ein weiteres Auto vernahm und wieder aufschaute. Lächelnd nahm ich einen roten Pickup wahr. Jarretts Pickup.

Aber er war nicht alleine. Auf dem Beifahrersitz sah ich einen blonden Büschel Haare herausschauen. Recht rasant parkte Jarrett seinen Wagen in die Parklücke und der Motor erstarb.

Es ging nur seine Tür auf und wenige Sekunden später stand er dann vor mir.

„Hallo“, meinte ich mit einem Lächeln.

„Tut mir Leid Dominic, mir kam was dazwischen.“

Nun öffnete sich auch die zweite Tür und Luka kam aus dem Wagen geklettert. Jarrett sah mich wehleidig an und hob die Augenbraun.

„He, ist doch nicht schlimm. Euch gibt es eben nur im Doppelpack.“

Luka hatte uns mittlerweile erreicht und suchte die Hand seines Vaters. Jarrett sah zu ihm hinunter.

„Na!“, meinte er zu Luka.

„Guten Morgen“, sagte Luka und versteckte sich halbwegs hinter Jarretts Bein.

Ich ging in die Hocke, so dass ich auf Sichthöhe Luka’s war.

„Hallo kleiner Mann. Darf ich dir nachher ein Eis spendieren, du hast mich schließlich gerettet – aus dem Wasser gezogen.“

Das Lächeln dieses kleinen Mannes erwärmte mein Herz.

„Muss ich zu dir Onkel sagen?“, fragte Luka.

„Nein, musst du nicht. Du darfst auch Dominic sagen.“

Wieder lächelte er von einem Ohrläppchen zum Anderen.

„Dann sag ich Domi“, meinte er, löste sich aus der Hand seines Dads und sprang Richtung Eingang des Restaurants.

Ich stellte mich wieder auf und sah zu Jarrett, der nun auch lächelte.

„Danke“, meinte er.

„Für was?“, fragte ich.

„Wegen Luka…“

„Nichts zu danken, ich mag den kleinen Mann.“

Jarrett seufzte.

„Was ist?“, fragte ich.

„Du bist der … erste, der Luka akzeptiert…“

„Wie meinst du das?

„Ich habe in den vergangenen Jahren ein paar Männer kennen gelernt. Aber jedes Mal, wenn die Sprache von Luka war, wurde ich plötzlich uninteressant.“

„Domiiiiiiii kommst du?“, rief Luka.

Jarretts trauriges Gesicht verwandelte sich in ein Strahlendes.

„Klar komm ich und ich krieg dich bevor du im Restaurant bist.“

Also jagte ich dem kleinen Wirbelwind hinterher, der das laut juchzend quittierte. Jarrett stand da und beobachtete uns schmunzelnd. Als ich ihn schließlich zu packen bekam, zog ich ihn hoch und kitzelte ihn durch.

Luka quiekte wie verrückt.

„Lass uns rein gehen, ich bekomme allmählich Hunger“, meinte Jarrett grinsend neben mir.

„Was? Ich soll den Kleinen einfach so davon kommen lassen“, sagte ich gespielt entrüstet.

Diesen kleinen unachtsamen Augenblick nutzte Luka und bohrte mir seinen kleinen Finger in die Seite.

„Aaaaaaaaaaaaaaaah… du kleiner Teufel, na warte.“

Luka gluckste fröhlich vor sich hin.

*-*-*

Ein traditionelles Frühstück war vor uns aufgebaut. Bacon-Röllchen und gebratene Blut- und Leberwurst. Dazu gab es dann noch Eier und Bratkartoffel und mit einer gedämpften Tomate serviert.

In einem Körbchen konnte man zwischen Toast oder dunklem Sodabrot wählen, die man wahlweise mit Butter, Honig oder Marmelade bestreichen konnte. Natürlich durfte Ahornsirup nicht fehlen.

Als Getränk gab es den typisch irischen Schwarztee, der etwas malzig schmeckte. Orangensaft stand auch noch da. Luka selbst hatte einen großen Eisberg vor sich, den er gerade vergnüglich verdrückte.

„Sieht ja alles sehr lecker aus“, meinte ich und griff nach einem Toast.

„Luka und ich gehen hier oft essen. Sie haben auch immer etwas kindergerechtes da für ihn“, entgegnete Jarrett.

„Ach so, hätte ich kein Eis bestellen sollen?“

„Doch, du hast es ihm ja schon versprochen…“

„Ich hab nicht so eine Übung im Umgang mit Kindern…“

„Dafür kannst du aber mit Luka sehr gut“, meinte Jarrett und nippte an seinem Tee.

„Papa, ist Domi jetzt dein neuer Freund?“, fragte Luka dazwischen.

Ich verschluckte mich fast am Orangensaft, bevor mir klar wurde, wie Luka das jetzt gemeint hatte.

„Luka, der Domi und ich kennen uns schon ganz lange. Da war der Papa noch in deinem Alter, als er den Domi kennen gelernt hat“, erklärte Jarrett seinen Sohn.

„So lange schon, dann ist es ein alter Freund.“

Ich konnte nicht anders und musste kichern. Luka fing an zu lachen und sein herzhaftes Kinderlachen, steckte das halbe Restaurant an.

*-*-*

Luka’s Kopf lag auf der Schulter seines Vaters und schlief.

„Hast du irgendetwas Verderbliches in deinem Wagen?“, fragte Jarrett mich.

Jarrett sah unheimlich süß aus mit Sohnemann Luka auf dem Arm. Ich lächelte ihn an, bevor ich antwortete.

„Es müsste schon einiges in den Kühlschrank. Aber warum fragst du?“

„Hättest du keine Lust mit zu uns zu kommen, ich muss Luka zu seinem Mittagschlaf hinlegen. Deine Sachen kannst du bei mir kühl stellen…“

„Das würde allerdings gehen. Das Angebot nehme ich natürlich gerne an.“

„Fährst du mit deinem Wagen hinterher?“

„Klar, ich weiß ja nicht wo du wohnst. Ich kenne mich hier zwar noch etwas aus, aber ich glaube, ich würde mich trotzdem verfahren.“

„Ich wohne immer noch in meinem Elternhaus. Aber nun müssen wir los. Wenn Luka vorher aufwacht, ist er den ganzen Abend am Quengeln.“

„Das wollen wir doch nicht riskieren oder?“, grinste ich Jarrett an.

Jarrett hob vorsichtig seinen Sohn auf die Beifahrerseite seines Pickups, während ich bereits mein Auto bestieg. Ich startete den Motor und das satte Brummen ließ den Wagen leicht vibrieren.

Langsam fuhr ich aus meiner Parklücke und wartete auf Jarrett, dass ich ihm folgen konnte. Er zog recht zügig an und so hatte ich am Anfang Mühe ihm zu folgen. Wir folgten der College Road, um über die Dublin Road die Headford Road zu erreichen.

Vage erinnerte ich mich an das Haus seiner Eltern und ich wusste noch, dass es nicht weit von dem meiner Großeltern sein konnte, denn Jarrett kam immer mit dem Fahrrad zu uns, wenn wir da waren.

Im Gewirr des Baltinfoile Park bog er in eine kleine Nebenstraße wo er vor einem kleinen Haus zum stehen kam. Groß prangte das Schild am Giebels Hauses. Jarrett Mac Gregor Elektronics.

Ich parkte meinen Wagen auf seinem Kundenparkplatz und stieg aus. Jarrett hob den noch schlafenden Luka aus dem Pickup. Der Weg bis zur Coolagh Road und dann noch bis zu mir – mit dem Fahrrad, war das doch ein ganzes Stück.

Sicher gab es auch irgendwelche Wege, wo man diese Strecke abkürzen konnte, aber dennoch beeindruckte mich schon, wie weit Jarrett damals geradelt war. Mit dem Wagen waren es gerade mal fünf Minuten.

Ich lief hinter Jarrett her und wir durchquerten den kleinen gepflegten Vorgarten, den das Haus zierte. Bevor Jarrett aber die Haustür aufschließen konnte, wurde sie bereits von innen geöffnet.

„Hallo Jarrett, na is der Kleine wieder eingeschlafen.“

„Ja, der Berg Eis, den er bekommen hatte, war wohl doch zu anstrengend für ihn.“

„Kommst du noch kurz ins Büro, wenn du den Kleinen hingelegt hast?“

„Ja, und das ist übrigens ein guter Freund von früher. Dominic MacLeann.“

Ich hob meine Hand zum Gruß und er schüttelte sie.

„Joshua Fadden mein Name. Buchhalter und Jarretts emsige Sekretärin“, stellte sich der junge Mann vor.

Ich hörte Jarretts Kichern und folgte den beiden ins Haus. Joshua verschwand durch eine Tür gleich neben dem Eingang, während Jarrett den kleinen Flur weiter lief und eine Tür mit Aufschrift >Privat< öffnete.

Ich folgte ihm durch diese Tür. An die Zimmereinteilung dieses Hauses konnte ich mich nun wirklich nicht mehr erinnern, so stapfte ich Jarrett einfach hinterher. Er stieg die kleine Treppe hinauf und betrat gleich das erste Zimmer neben der Treppe.

Dies schien wohl Luka’s Zimmer zu sein. Von der Decke hingen einige Modellflugzeuge und auch der Rest des Zimmers war in Richtung Flugzeuge gestaltet. Sogar das kleine Bett, in das Jarrett Luka legte, hatte kleine Tragflächen an der Seite und sogar richtige Räder darunter.

„Toll. Das Zimmer gefällt mir“, flüsterte ich.

„Habe ich mit Corbinian zusammen selbstgebaut“, flüsterte Jarrett zurück, der vorsichtig Luka’s Schuhe auszog.

„So. Luka ist versorgt, wir können wieder nach unten.“

„Und wie lange schläft er jetzt.“

„So gegen drei Uhr wacht er wieder von alleine auf.“

Ich schmunzelte und folgte Jarrett wieder nach draußen.

„Macht es dir was aus, wenn ich kurz ins Büro gehe. Muss kurz schauen, welche neuen Aufträge Joshua für mich hat.“

„Ein süßer Typ“, meinte ich.

„Ja, aber total hetero und glücklich verheiratet seit einem Jahr. Aber er ist einer der wenigen, der über mich Bescheid weiß.“

„Er weiß dass du …?“

„Schwul bin… ja. Aber wie gesagt, dass wissen nur wenige.“

Ich wunderte mich über mich selbst, dass ich so ruhig blieb. Jarrett hatte sich vor mir geoutet und ich selbst war schwer am Grübeln, ob ich nicht ebenso empfand wie Jarrett. Müsste ich jetzt nicht am verzweifeln sein, wie man es schon so oft hörte.

Aber nichts von all dem passierte. Ich fühlte mich wohl in Jarretts Gegenwart und die Erinnerung an den letzten Kuss, bescherte mir erneut eine Gänsehaut. Noch auf der Treppe verhaarte Jarrett plötzlich und drehte sich um.

Er zog mich an sich und wieder folgte ein Kuss. Noch schöner im Empfinden, wie der am Morgen.

„Das hat mir gefehlt“, meinte er und lief weiter die Treppe hinunter.

Ich konnte nicht anders und grinste über das ganze Gesicht. Wieder folgte ich einfach Jarrett bis wir ins Büro kamen, wo Joshua hinter einem großen Schreibtisch saß.

„Hast du etwas Neues für mich?“, fragte Jarrett, als wir eingetreten waren.

„Zwei Reparaturen und eine Angebotsanfrage für eine Gartenbeleuchtung“, antwortete Joshua und hielt ihm einige Schriftstücke unter die Nase.

Joshua sah zu mir.

„Sind sie Mr. MacLeann, dem das Haus am See gehört?“, fragte er und ich nickte als Zustimmung.

„Ich habe ihren Großvater noch gekannt. Er und mein Großvater waren gute Freunde“, sprach Joshua weiter.

„Das wusste ich nicht. Ich war in den zehn Jahren sehr selten hier.“

„Und nun haben sie vor, hier zu bleiben? Ihr Großvater erzählte damals etwas über eine hohe Position bei einer Brauerei.“

„Das wusstest du?“, fragte Jarrett erstaunt.

„Ja. Aber dafür wusste ich nicht, dass ihr zwei euch kennt“, kam es von Joshua.

„Okay… gut, die zwei Sachen kann ich morgen machen und das Verkaufsgespräch legst du bitte auf den Freitag… morgens… so gegen 11.00 Uhr.“

„Mach ich. Ich rufe gleich dort an.“

„Hast du schon die Sicherungen bestellt?“

„Schon erledigt.“

„Und wann kommen die?“

„Sollen mit der Donnerstagslieferung kommen.“

„Na gut… ein Tag später wird auch noch reichen. Okay, ich bin dann hinten, falls noch etwas wäre“, sagte Jarrett.

„Ich melde mich, falls dein Typ verlangt wird.“

Jarrett lächelte und wandte sich an mich.

„Wir müssen noch deine Sachen zum Kühlen herein holen.“

„Stimmt, die hätte ich beinahe vergessen.

*-*-*

Bei einer Tasse Tee saßen wir in seinem Wohnzimmer und schwelgten in Erinnerungen.

Du hattest doch noch eine Schwester, wenn ich mich nicht irre. Oder?“

„Ja Nelly. Sie ist verheiratet und lebt in Dublin. Sie hat auch Ma zu sich genommen, als ich sie nicht weiterpflegen konnte.“

„War sie ernstlich krank?“

„Nein und sie befindet sich immer noch bei bester Gesundheit.“

„Und dein Dad?“

„Der ist letztes Jahr gestorben…“

„…das tut mir Leid… ich…“

„Nicht schlimm Dominic. Wir hatten eh kein gutes Verhältnis.“

„Weswegen… wenn ich fragen darf.“

„Mein Vater hatte die Überzeugung, um einen Sohn großzuziehen bedarf es einer Frau. Männer können und machen so etwas nicht. Er verlangte von mir, dass ich wieder heirate.“

„Oha…“

„Ja du sagst es. Er verstand nicht, warum ich nicht wieder heiraten wollte und konnte.“

„Hat er den wahren Grund erfahren?“

„Nein, außer meiner Schwester weiß es keiner in der Familie.“

„Papa?“, rief es vom Flur.

„Ich bin hier im Wohnzimmer“, antwortete Jarrett.

Die Tür ging auf und ein total strubbliger Luka betrat das Wohnzimmer. Ich musste lächeln, weil er so süß aussah. Er schaute mich verwundert an, dann  seinen Dad. Dann lief er weiter und krabbelte auf meinen Schoss.

Jarrett schaut mich verwundert an, musste aber dann doch lächeln.

„Du Domi?“, sagte plötzlich Luka.

„Ja Luka?“

„Spielst du etwas mit mir?“

Jarrett wollte schon etwas einwenden, aber ich gab Handzeichen, er solle schweigen.

„Ja, was willst du den spielen?“

„Hast du mein Zimmer schon gesehen?“

„Ja, als dein Dad dich ins Bett brachte.“

„Spielen wir mit meinen Flugzeugen?“

„Ja können wir, fliegst du gerne?“

„Ich bin noch nie geflogen, aber Papa war schon einmal mit mir auf dem Flughafen. Da habe ich richtige große Flugzeuge gesehen und die sind gelandet und gestartet.“

Mir gefiel, mit welcher Inbrunst Luka über Flugzeuge erzählte.

„Mal sehn, vielleicht nehm ich dich mal mit, wenn ich wieder fliege“, meinte ich.

Luka’s Augen wurden groß.

„Du kannst fliegen?“

Ich musste lachen.

„Nein, ich muss aber oft geschäftlich mit dem Flugzeug unterwegs sein, so wie dein Dad oft mit dem Auto unterwegs ist.“

„Hast du ein eigenes Flugzeug?

„Einen Firmenjet, aber der gehört der Firma in der ich arbeite, nicht mir.“

„Und mit dem darf ich mal fliegen?“

„Luka!“, sagte Jarrett mahnend im scharfen Ton.

„Ach, lass ihn doch Jarrett“, meinte ich, „mal sehen, vielleicht ergibt sich einmal die Gelegenheit und er kann mitfliegen.“

Luka sprang von meinem Schoss und breitete die Arme aus. Plötzlich stürmte er los und versuchte Geräusche eines Flugzeugs nachzumachen.

„Ich kann fliegen“, rief er und rannte aus dem Zimmer.

„Verwöhn mir den Kleinen nicht so“, sagte Jarrett und nippte an seinem Tee.

„Neidisch?“, fragte ich und musste lächeln.

„Ja…, erwischt!“

*-*-*

Meine Einkäufe waren verstaut, das Feuer im Wohnzimmer brannte und ich ließ mir gerade ein Bad ein, als das Telefon klingelte.

„MacLeann.“

„Hallo Dominic, hier ist Jarrett.“

„Hallo Jarrett, hat dich die Sehnsucht gepackt?“, fragte ich und musste lächeln.

„Auch, aber ich habe einen anderen Grund warum ich anrufe.“

„Und der wäre?“

„Meine Schwiegermutter kann morgen Luka nicht nehmen und ich habe neben den Reparaturen noch ein Beratungsgespräch in Moycullen, das wird sicherlich länger gehen.“

„Soll ich ihn nehmen?“

„Mir fällt ein Stein vom Herzen, dass du selbst fragst.“

„Warum dass denn?“

„Ich weiß nicht… Luka kann schon sehr anstrengend sein und ihr zwei kennt euch ja auch noch nicht richtig.“

„Das beste Mittel um uns näher kennen zu lernen, findest du nicht?“

„Da hast du recht… öhm könnte ich ihn dir morgen früh vorbeibringen?“

„Geht er nicht in den Kindergarten?“

„Um ehrlich zu sein, ist mir dass zu teuer. Und bisher ging es auch so.“

„Wann willst du ihn vorbeibringen?“

„So gegen acht Uhr?“

„Kein Problem, wenn ich das weiß, stelle ich mich darauf ein.“

„Ich bin dir was schuldig!“

„Ach was…, wie kommst du da drauf?“, fragte ich erstaunt.

„He, du tust mir einen riesen Gefallen mit Luka, wo fremdes hätte ich keine ruhige Minute.“

„Du kennst mich aber erst seit gestern wieder…“, sagte ich und grinste.

Anscheinend wusste er darauf nichts zu sagen.

„Noch da?“, fragte ich.

„Ja… vermisse dich… das gestern Nacht… einfach bei dir zu sein, das hat richtig gut getan.“

„Kannst du sofort wieder haben.“

„Du vergisst Luka…“

„Warum… bring ihn gleich mit. Im kleinen Zimmer steht auch ein Bett, da könnte er schlafen.“

„Wird dir das nicht zuviel?“

„Ach was.“

Wieder war Funkstille am Telefon. Anscheinend dachte er gerade über meine Worte nach.

„Gib mir ne Stunde, dann sind wir bei dir“, hörte ich Jarrett plötzlich.

„Ja, lass dir Zeit. Ich wollte sowieso noch baden.“

„Öhm… ja… gut, dann bis nachher.“

„Bye Jarrett.“

„Bye… Dominic.“

Lächelnd aber auch grübelnd drückte ich das Gespräch weg. Gedankenverloren lief ich in mein Zimmer hoch und entledigte mich meiner Kleidung. Was war nur mit Jarrett los. Er sagte, er sei schwul, aber trotzdem legt er mir gegenüber eine Scheu an den Tag, die ich nicht verstehe.

Gut, ich bin mit meiner Situation auch nicht im Klaren, ich weiß nicht was ich will, was sein wird. Ich weiß nur, dass ich mich bei Jarrett so wohl wie schon lange nicht mehr fühle. Kurz denke ich zurück an Gabriella, die sich langsam in den Hintergrund drängt. Sollte ich wirklich wie Jarrett schwul sein?

Ich streckte den Fuß in die Wanne – und ließ einen gellenden Schrei los. Scheiße war das Wasser kalt. Hatte ich den falschen Hahn aufgedreht? Ich drehte den Warmwasserhahn auf und tatsächlich kam da heißes Wasser heraus.

Wo war ich nur mit meinen Gedanken? Ich griff in das kalte Wasser, was mir eine Gänsehaut bescherte und zog den Stöpsel. Also konnte ich mir das Baden aus dem Kopf schlagen. Bis die Wanne wieder voll war, kamen meine zwei Gäste.

Vielleicht später dachte ich, wenn Luka am schlafen war. Ohne Unterwäsche zog ich mir einfach die Jogginghose über und ein Tshirt. Barfuss lief ich die Treppe hinunter. Ob die zwei schon etwas gegessen hatten? Genug Sachen hatte ich ja da. Vielleicht sollte ich mal nach dem Zimmer schauen in dem Luka schlief.

Ich drehte auf der letzten Stufe um und lief wieder nach oben. Mit einem leisen Knarren öffnete ich die Tür zu unserem früheren Kinderzimmer. Jetzt stand nur noch ein Bett da, früher, als Nick und ich hier schliefen, stand hier noch ein Stockbett.

In dem Zimmer hatte sich ansonsten nichts geändert. Die Regale mit den vielen Spielen hingen immer noch. Da fiel mir plötzlich etwas ein. Ich lief zum Fenster und ging auf die Knie.

Ich tastete den Holzboden ab. Irgendwo hier muss es doch gewesen sein. An einer bestimmten Stelle gab die Diele nach und das Holz hob sich an. Das Versteck gab es also immer noch. Ich lächelte und entfernte das Brett.

Natürlich waren nach all den Jahren überall Spinnweben und Dreck. Hier hatte ich meine geheimsten Sachen vor Nick versteckt und er hatte es nie gefunden. Ich griff durch die dreckige Öffnung und bekam die Kiste zu greifen.

Es war eine alte Zigarrenkiste, die mir Grandpa mal geschenkt hatte. Ziemlich verstaubt und mit Spinnweben überzogen kam sie zum Vorschein. Ich drückte das Stück Holz  wieder in den Boden und es sah wieder so aus wie vorher.

Ich öffnete das Fenster und hielt die Kiste nach draußen. Ich blies kräftig darüber, so dass sich die dicke Staubschicht löste und wie eine dunkle Wolke nach unten sank. Mühsam versuchte ich die Spinnweben zu lösen, die nun mehr an meinen Finger, als an der Kiste hingen.

Etwas angeekelt schüttelte ich wie wild meine Hand, bis das Zeugs sich endlich löste. Ich schloss das Fenster wieder und ließ mich aufs Bett fallen, das knarrend Zeugnis gab, was für ein Gewicht ich hatte.

Vorsichtig öffnete ich die Kiste und sein Inhalt kam zum Vorschein. Als erstes fiel mein Blick auf einen weißen Stein, den ich sogleich entnahm. Trotz seiner Härte fühlte er sich irgendwie weich an.

Würde einen guten Anhänger abgeben, dachte ich für mich. Mit einem Auge bemerkte ich, dass unter den vielen Papieren, die da in der Box lagen, das Eck einer Fotografie herausschaute. Ich zog es an der Ecke heraus und hielt es gegen das Licht.

Ich wusste nicht mehr, dass dieses Bild überhaupt noch existierte. Ein Bild von Jarrett und mir am See. Arm in Arm und lachend. Jarrett, rund wie eine Kugel und ich, dürr wie eine Bohnenstange.

Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Wie schnell man doch solche Augenblicke von früher vergessen hat. Gut, nach dem Tod unserer Eltern hatte ich viel verdrängt. Die Sommer bei meinen Großeltern waren aber immer etwas Besonderes für mich.

Die Zeit im Internat hatte ich schon lange verdrängt. Ich hörte ein Auto. Schnell hatte ich die Fotografie in die Kiste gesteckt und verließ das Zimmer wieder. Die Treppe hinunter und zur Haustür.

Kaum hatte ich sie geöffnet, kam mir auch schon ein Wirbelwind entgegen.

„Dommmmmmmmmiiiii, ich darf heut Nacht bei dir schlafen“, rief er ganz laut.

Mit einem braunen Bärchen unter dem Arm erreichte er mich und fiel mir um den Hals. Ich war mittlerweile in die Hocke gegangen.

„Ich weiß Luka, ich habe auch extra ein Zimmer nur für dich.“

„Ich krieg ein eigenes Zimmer?“, jubelte Luka, „Papa hast du gehört, ich hab ein eigenes Zimmer.“

Jarrett kam mit einer großen Tasche beladen nun auch Richtung Haus gelaufen.

„Hallo Dominic, hier sind wir.“

„Willst du hier einziehen?“, meinte ich und zeigte auf die Tasche.

Jarrett lächelte. Luka war inzwischen an mir vorbeigeschlüpft und ins Haus gelaufen. Jarrett schaute ihm nach und dann wieder zu mir.

„Hallo“, meinte er und schaute mich lächelnd an.

„Hallo“, meinte ich ebenso und lächelte zurück.

„Und? War das Bad erholsam?“

Ich schaute verlegen.

„Was ist?“, fragte Jarrett.

„Ich habe aus Versehen die Wanne mit kaltem Wasser gefüllt…“

Jarrett fing schallend laut an zu lachen. Ich lief nun ebenso ins Haus, weil mir so barfuss doch kalt wurde. Jarrett folgte mir und schloss hinter sich die Haustür.

„Luka?“, rief er.

„Jaha… hier bin ich.“

Wir folgten der Stimme und fanden Luka vor dem Kamin im Wohnzimmer. Er saß auf dem kleinen Flokati vor dem Feuer und schaute fasziniert hinein.

„Luka, aber nicht zu dicht dran gehen, du weißt bei heiß verbrennt man sich.“

„Ja Papa.“

„Gibst du mir die Tasche, ich bring sie gleich nach oben“, meinte ich.

„Du, das kann ich doch selbst machen, ich kenne mir hier ja aus.“

„Und Luka, willst du ihn auch bald ins Bett stecken?“

„Guck hin, lange ist er eh nicht mehr wach“, meinte Jarrett und zeigte auf Luka.

Es stimmte. Luka lag mittlerweile auf dem Teppich, mit seinem Bärchen im Arm und starrte aufs Feuer.

„Komm, dann gehen wir beide hoch und richten sein Bett, okay?“, fragte ich.

Jarrett nickte und gemeinsam liefen wir die Treppe hoch.

„Habt ihr schon etwas gegessen?“, fragte ich nun weiter.

„Ja, hatte Essen von meiner Schwiegermutter über.“

„Irgendwo müsste frische Bettwäsche sein. Ich müsste sie nur suchen“, meinte ich als wir die Treppe hinaufliefen.

„Brauchst du nicht, ich habe alles dabei, was Luka braucht.“

Er lächelte mich an, als würde noch irgendwas folgen, aber es kam nichts. So gingen wir in das Zimmer und richteten alles her. Er hatte wirklich an alles gedacht. In der großen Tasche waren Luka’s komplette Bettwäsche und auch ein paar andere nützliche Sachen.

Als wir endlich fertig waren, liefen wir wieder hinunter. Dabei kamen wir am Bad vorbei und mein Blick fiel auf meine Wanne.

„Willst du noch baden?“, frage Jarrett.

„Weiß nicht… dich alleine lassen…“

„Wir könnten ja zusammen…“, sagte er leise und blieb auf der Treppe stehen.

Ich lächelte ihn an.

„Warum nicht…, aber erstmal geht dein Sohnemann vor!“

„Ja, okay.“

Gemeinsam liefen wir wieder ins Wohnzimmer, wo nun Luka wirklich vor dem Kamin eingeschlafen war. Eng an sein Bärchen gekuschelt, hatte er ein Lächeln auf seinem Mund. Ich fand Luka einfach süß und musste lächeln.

Vorsichtig hob ihn Jarrett auf und trug ihn hinauf. Luka brummelte irgendetwas, was ich aber nicht verstand. Als Jarrett Luka versorgt hatte, steckte er noch eine kleine Lampe neben die Tür in die Steckdose.

Dann zog er die Tür zu bis auf einen Spalt.

„So geschafft. Wenn er mal fest schläft, dann hält das bis morgen.“

„Kann ich überhaupt das Wasser einlassen, ist das nicht zu laut?“, fragte ich.

Jarrett lächelte und ich fühlte mich irgendwie ertappt, weil ich nur das Baden mit ihm im Kopf hatte. Ohne weiteres Zutun färbte sich mein Gesicht ein und ich konnte bestimmt jeder Tomate Konkurrenz machen.

Er schüttelte den Kopf und gab mir einen Kuss auf die Nase. Also lief ich ins Bad, während er wieder runter ging. Ich steckte erneut den Stöpsel in die Wanne und drehte diesmal den Warmwasserhahn auf.

Ich hielt sogar meine Hand darunter, nur um sicher zu gehen, dass da auch wirklich das warme Wasser kam. Nachdem auch dies stimmte, zog ich mir mein Shirt über den Kopf und legte es über den Stuhl.

Nur noch in Jogginghose lief ich nach unten und suchte Jarrett. Ich fand ihn vor dem Feuer am gleichen Platz, wo Luka vorhin eingeschlafen war. Ich sagte kein Wort sondern kniete mich einfach hinter ihn und legte meine Arme um ihn.

Er zuckte leicht zusammen, also hatte er mich nicht kommen hören. Sein Blick starrte weiterhin ins Feuer und wir sagten auch nichts. Es bedurfte keine Worte. Wir wussten beide, was in uns vorging.

Er streichelte sanft über meinen Arm und sein Gewicht verlagerte sich nach hinten, gegen mich. Leise knisterte das Feuer vor sich hin.

„Ich muss nach dem Wasser sehen“, flüsterte ich und richtete mich langsam auf.

Er schaute mich an und ich sah, dass seine Augen feucht waren. Ich brachte nur ein gequältes Lächeln über die Lippen, mit dem ich ihn sicher nicht aufmuntern konnte. Sein Kopf wandte sich wieder zum Feuer.

Schnellen Schrittes nahm ich zwei Stufen auf einmal und schaute ins Bad. Noch nicht ganz voll. Aber nach unten gehen brauchte ich nun auch nicht mehr. So stand ich vor der Wanne und wartete bis sie zum richtigen Punkt vollgelaufen war.

Ich goss noch etwas Badeöl nach, was zur Folge hatte, dass die Schaumkrone auf dem Wasser noch größer wurde. Plötzlich spürte ich eine Hand auf dem Rücken und drehte mich um. Jarrett war mir gefolgt.

Er nahm mich einfach in den Arm und drückte mich.

„Jarrett…?“, begann ich leise, aber er legte seinen Finger auf meinen Mund und schüttelte den Kopf.

Also blieb ich ruhig. Ich drehte mich zu den Hähnen und stellte das Wasser ab. Nun war es wieder ruhig, nur den Wind, der draußen blies, war zu hören. Jarrett begann sich auszuziehen, während ich mich als erstes in Wasser begab.

Es war fast zu heiß, aber ich fand es wohltuend. Nun stand Jarrett nackt vor der Wanne und ich musste schlucken, weil Jarrett wirklich eine tolle Augenweite war. Vorsichtig setzte er seinen Fuß zwischen meine Beine und stieg ebenfalls in die Wanne.

Langsam setzte er sich vor mich und lehnte sich dann mit seinen Rücken an meine Vorderseite. Ein Lächeln überzog mein Gesicht und ich legte meine Arme um ihn. Sein Kopf kam auf meiner Schulter zur Ruhe.

Er hatte die Augen geschlossen, während ich ihn beobachten konnte.

„Was siehst du?“, fragte Jarrett plötzlich.

Ich musste grinsen.

„Sorry, ich kann immer noch nicht glauben, was für eine tolle Figur du hast.“

„Daran bist du nicht ganz unschuldig…“

„Ich?“

„Erinnerst du dich nicht mehr, wie du mich am Schluss, bevor du nach Dublin >dicker Schwabbel< nanntest?“

„Das hab ich gesagt?“

„Ja…“

„Öhm… tut mir Leid. Ich kann mich da wirklich nicht mehr daran erinnern. Bei was war das denn?

Auf Jarretts Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.

„Bei unserem letzten Mal…, kannst du dich da wenigstens noch daran erinnern?“

Klar hörte ich den leichten sarkastischen Ton in Jarretts Worten. Und natürlich erinnerte ich mich an das letzte Mal, als Jarrett und ich zusammen Sex hatten. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mit jemandem schlief.

„Nach deinem Gesichtsausdruck zu urteilen, erinnerst du dich wieder“, meinte Jarrett.

„Wie soll ich das je vergessen. Es war einfach nur geil.“

„Stimmt, du bist mächtig in mir gekommen. Noch lange habe ich mich nach dir gesehnt.“

Ich grinste, aber gleichzeitig kam die Frage auf, wann ich zu ihm dicker Schwabbel gesagt haben sollte.

„Um dich nicht dumm sterben zu lassen, Dominic… als wir beide kurz vor dem kommen waren, da hast du laut gestöhnt, du liebst es wenn es bei mir dick schwabbelt.“

„Wirklich? Daran kann ich mich wirklich nicht erinnert. Aber was hat das dann mit deinem Abnehmen zu tun?“

„Ganz einfach… ich habe dir das nie abgenommen, dass ich dir gefalle. Ich habe mir dann vorgenommen, wenn wir uns wieder sehen, dann habe ich einige Pfunde verloren.“

„Wie konntest du wissen, wann wir uns wieder sehen?“

„Damals habe ich nicht gewusst, dass du in Dublin bleiben wirst. Ich habe begonnen Sport zu treiben, bin viel Fahrrad gefahren, mehrfach um den See gejoggt.“

„Klar, da purzeln die Pfunde.“

„Stimmt. Es dauerte fast ein Jahr, bis ich diese Figur so hatte, wie sie bis heute geblieben ist.

„Joggst du immer noch?“

„Klar, denn ich esse auch immer noch so gerne wie früher.“

Ich gab ihm einen Kuss auf seine Nase und er drehte den Kopf wieder nach vorne.

„Bis ich begriffen hatte, dass du nicht mehr kommen wirst, verging einige Zeit. Mittlerweile war ich in der hiesigen Fußballmannschaft.“

„Du spielst Fußball?“

„Ja. Aber die gälische Version. Aber seit Luka auf der Welt ist, habe ich auch dort vorgezogen, es langsamer angehen zu lassen.“

„Gälisch heißt eine Mischung zwischen Fußball und Volleyball oder?“

„Ja, ganz grob ausgedrückt schon.“

„Kein Wunder, dass du so muskelbepackt bist…“

„Findest du? Gefällt es dir denn nicht?“

„Doch und wie…“, sagte ich und grinste.

„Dann ist ja gut“, meinte Jarrett und rutschte an meinem Bauch hinunter, bis sein Kopf unter Wasser war.

Natürlich bleib das in den unteren Regionen bei mir nicht unbemerkt und es begann sich da unten Leben zu sammeln. Jarrett tauchte wieder auf und lehnte seinen Kopf wieder an meine Schulter.

„Mittlerweile habe ich aber mehr Spass am Schwimmen“, redete Jarrett weiter, „seit Luka seinen Schwimmkurs macht, gehen wir regelmäßig zusammen ins Schwimmbad.“

„Dein Element war doch eh immer das Wasser“, erwiderte ich.

*-*-*

Mitten in der Nacht wurde ich wach. Irgendetwas drückte in mein Gesicht. Ich griff nach oben und hatte einen Fuß in der Hand, genau genommen ein Kinderfuß. Es dauerte eine Weile, bis ich realisierte, dass dies der Fuß von Luka sein musste, der sich zwischen mir und Jarrett breit gemacht hatte.

Zu dem war der Fuß eiskalt. Durch das schwache Licht des Mondes, konnte ich langsam die Konturen von Luka erkennen, er lag wirklich da, als hätte ihn jemand hingeschüttet. Vorsichtig drückte ich den Fuß nach unten, bis ich mich ohne Probleme wieder bewegen konnte.

Ich drehte mich langsam um und versuchte Luka in eine halbwegs normale Schlafstellung zu bringen, deckte ihn zu. Ich konnte ein leises Brummeln vernehmen, aber verstehen konnte ich nichts.

Nur dass durch dieses Gebrummel plötzlich Jarrett zusammenzuckte und aufrecht im Bett saß.

„He, ganz ruhig!“, flüsterte ich.

Im schwachen Schein des Mondes konnte ich erkennen, wie sich Jarrett die Augen rieb.

„Seit wann liegt er denn hier?“, flüsterte er zurück.

„Weiß nicht, bin selber eben erst aufgewacht.“

„Tut mir Leid…“

„He muss es nicht. Ich finde das süß!“

„Wirklich?“

„Ja und jetzt schlaf weiter… du musst bald raus.“

„Danke“, flüstere Jarrett und beugte sich herüber, um mir einen Kuss zu geben.

„Papa… mach dich nicht so breit…“

Erschrocken guckten wir beide nach unten, doch Luka hatte seine Augen geschlossen und atmete ruhig und gleichmäßig. Ich hielt mir die Hand vor den Mund um nicht loszukichern. Beide legten wir uns nun wieder hin.

Es dauerte auch nicht mehr lange, bis ich wieder einschlief.

*-*-*

Ein Geräusch ließ mich hochfahren. Mittlerweile war es draußen schon etwas hell. Auch stellte ich fest, dass neben Luka kein Jarrett mehr lag und ein Blick auf meine Uhr sagte mir, dass er wohl schon raus musste.

Luka lag eng an mich gekuschelt, so dass ich fast Schwierigkeiten hatte, aufzustehen. Langsam erhob ich mich und verließ leise das Zimmer. Ich hörte Geräusche aus dem Bad, so beschloss ich nach unten zu laufen.

Mit nur in Shorts eine fröstelnde Angelegenheit. So schlich ich mich zurück in mein Schlafzimmer und zog ein Shirt aus meinem Koffer, den ich immer noch nicht ausgepackt hatte.

Etwas mehr auf der Haut und versichert, dass Luka noch fest schlief, begab ich mich wieder in den Flur. Da Jarrett immer noch im Bad war, beschloss ich ihm einen Kaffee zu kochen. Also tapste ich müde die Treppe hinunter zur Küche.

Ein Blick auf den Kamin zeigte mir, dass da immer noch glühte. So ging ich erst ins Wohnzimmer und legte noch ein paar Holzstücke auf. Das sollte reichen. Wenig später stand ich in der Küche und hatte Wasser aufgesetzt… irgendwo mussten doch die Kaffeefilter sein, die ich gestern gekauft hatte.

Nach kurzer Suche fand ich sie schließlich in einem der Hängeschränke und gleich daneben den Kaffee. Ich nahm Filter und Filterpapier und setzte beides auf die kleine Porzelankanne. Ich war froh, dass ich das gestern alles gekauft hatte.

Das Wasser begann zu kochen und ich goss vorsichtig Wasser in den Filter. Der Geruch von frischem Kaffee machte sich in der Küche breit. Außer dem Knistern des frisch brennenden Feuers im Wohnzimmer konnte ich auch Schritte auf der Treppe hören.

Wenige Sekunden später tauchte auch schon Jarrett in der Küche auf.

„Du bist schon auf? … mmmh riecht es hier gut.“

Ich lächelte und Jarrett nahm mich von hinten in den Arm und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

„Daran könnte ich mich ehrlich gewöhnen“, meinte er anschließend.

„Was zum Essen habe ich leider noch nicht…“

„Ist nicht schlimm, ich trinke morgens meist eh nur einen Kaffee  und frühstücke später.“

„Gut und der ist auch gleich fertig.“

Jarrett strahlte und ließ mich wieder los. Er setzte sich auf einen Stuhl und zog sich seine mitgebrachten Schuhe an. Erneute Geräusche auf der Treppe ließen mich aufhorchen. Da wird doch nicht… ja wenige Sekunden später hatte ich Gewissheit.

Luka kam in die Küche gelaufen. Er sah so goldig aus in seinem zu großen Pyjama. Er tapste zu seinem Dad, krabbelte auf seinen Schoss und schmiegte sich ohne ein Wort zu sagen an.

i„He, warum bist du schon wach?“, hörte ich Jarrett leise sagen.

„Wollt… doch bye sagen“, murmelte Luka müde.

Mittlerweile war der Kaffee durch und ich hatte Jarrett eine Tasse voll eingeschenkt. Luka blinzelte mich mit einem Auge an und grinste.

„Morgen Domi…“

„Morgen Luka und hast du gut zwischen deinem Papa und mir geschlafen.“

„Ja…“, antwortete er und gähnte herzhaft.

„Kommst du zu mir, dass dein Dad seine Kaffee trinken kann?“

Er nickte und streckte seine kleinen Arme aus. So zog ich ihn von Jarretts Schoss und nahm ihn auf den Arm. Sein Kopf wanderte automatisch auf meine Schulter.

„Süß!“, flüsterte Jarrett.

„Was?“, fragte ich.

„Das steht dir, gefällt mir…“

Er zeigte auf Luka und mich und ich musste lächeln. Ich streichelte Luka sanft über den Rücken, was dieser mit einem Schnurren quittierte.

„Der schläft gleich wieder ein“, meinte Jarrett und nippte an seinem Kaffee.

„Wie lange brauchst du für deinen Auftrag?“, fragte ich und setzte mich auf den anderen freien Stuhl.

„Weiß ich noch nicht, ich rufe dich auf Fälle an.“

Kleine Schnarchgeräusche zeigten mir, dass Luka bereits wieder eingeschlafen war.

„Eigentlich ist er ganz pflegeleicht, auch wenn er schon mal sehr nervend sein kann“, sprach Jarrett leise weiter.

„Ich werde schon mit ihm klar kommen“, erwiderte ich.

Jarrett schaute auf seine Armbanduhr.

„Ich muss dann los und ich meld mich dann später. Okay?“

Ich nickte. Wir standen auf und ich begleite ihn an die Tür.

„Bye“, meinte er und küsste mich sanft auf die Lippen.

„Bye“, gab ich zum Besten und lächelte über das ganze Gesicht.

Dann schob sich Jarrett durch die Haustür hinaus. Ich sah ihm nach, bis er in den Wagen stieg und wegfuhr. Erst jetzt merkte ich, dass ich noch recht müde war und beschloss mich mit Luka noch etwas hinzulegen.

*-*-*

„Domi, spielst du mit mir?“

Irgendwo aus der Ferne hörte ich eine Kinderstimme und irgendetwas rüttelte wie wild an mir. Ich schlug meine Augen auf und sah einen riesigen Blondschopf direkt vor meinem Gesicht.

„Domi, spielst du mit mir?“, fragte Luka nun noch mal und setzte seinen unwiderstehlichsten Welpenblick auf, den er konnte.

„Darf ich erst mal wach werden?“, fragte ich.

„Aber dann spielen wir.“

„Und was?“

„Weiß nicht“, antwortete Luka und krabbelte auf meinen Bauch.

Sonst würde mir ja dieses Leichtgewicht nicht ausmachen, aber ich spürte, wie meine Blase drückte.

„Zuerst geh ich mal auf die Toilette“, meinte ich und machte Anstalten mich zu erheben.

„Au ja, da muss ich auch hin… sogar ganz dringend.“

Schon hüpfte er von mir runter und rannte halb stolpernd zur Tür.

„Kommst du mit?“, fragte er mit leuchtenden Kinderaugen.

„Ja“, meinte ich und arbeitete mich mühsam aus dem Bett.

Ich war tatsächlich noch einmal fest eingeschlafen. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich noch mal drei Stunden geschlafen hatte. Luka hatte bereits die Tür aufgezogen und war verschwunden.

Ich rieb mir durch mein strubbeliges Haar und folgte ihm. Als ich ins Bad kam, saß er bereits auf der Schüssel.

„Bin gleich fertig“, meinte er und bekam einen roten Kopf.

„Lass dir ruhig Zeit, bin gleich wieder da“, meinte ich und verließ das Bad wieder.

Ich ging in Luka’s Zimmer, wo er die Nacht geschlafen hatte. Ich schüttelte seine Decke auf und klopfte sein Kopfkissen zu Recht. Dann hob ich das Geschwader Kuscheltiere auf, das wohl in der Nacht aus dem Bett befördert wurde.

„Domi, ich bin feeeeeeeertig!“

Ich musste grinsen. Luka kannte mich doch erst ein paar Tage und doch hatte er mich anscheinend schon in sein Herz geschlossen.

„Domi…, wo bist du denn?“

„Hier, in deinem Zimmer…“, rief ich zurück.

Keine Sekunde später kam Luka herein gerannt. Seiner Hose entledigt, sprang er jetzt nur noch halb nackt mit dem Oberteil herum. Ganz unbekümmert warf er sich auf das gemachte Bett und krabbelte zu seinen Stofftieren.

„Dann können wir dich ja gleich mal anziehen junger Mann, wenn du fertig bist.“

„Och… ich will aber nicht. Du hast ja auch noch nichts an…“

Erwischt, kleiner Schlaumeier.

„Okay, erst ziehen wir dich an, dann zieh ich mich an“, sagte ich.

„Und was soll ich anziehen?“, fragte Luka.

„Da gucken wir mal, was dein Dad alles eingepackt hat.“

Ich stellte die Tasche auf den Tisch und zog den Reisverschluss auf. Als erstes fiel mein Blick auf die Unterhosen, von denen ich gleich eine rausfischte. Eine Jeans… noch einen Pulli mit einer Gans drauf und bunte Socken.

Alles zusammen nahm ich und setzte mich neben ihn aufs Bett. Er hatte sich derweil sein Bärchen geschnappt und drückte es fest an sich.

„Papa hat gesagt, den hat mir Mama gekauft. Weißt du, Mama ist nicht mehr da. Sie sitzt auf einer Wolke und ist ein Engel. Sie passt auf mich auf.“

Er sagte dass so mit Stolz… ich musste schlucken. Der kleine Mann war für sein Alter schon so reif. Ich atmete tief durch.

„Das habe ich nicht gewusst. Aber deine Mama wird bestimmt böse gucken, wenn du dich jetzt nicht anziehst.“

„Glaubst du?“, fragte Luka und riss mir die Unterhose aus der Hand.

Er stellte sich auf das Bett, zog umständlich seine Unterhose an und entledigte sich dem Pyjamaoberteil. Das flog im hohen Bogen auf den Boden. Ich zog meine Augenbrauen hoch und schaute ihn an.

Er grinste verlegen, sprang vom Bett und hob das Teil auf. Dann legte er es fein säuberlich über den Stuhl. Plötzlich hielt er inne, überlegte etwas. Er verließ das Zimmer und tauchte wenige Augenblicke später wieder mit der Hose auf und hänge sie dazu.

Stolz lächelnd kam er wieder zu mir aufs Bett. Ich konnte nicht anders und musste lächeln. Wie ein Großer zog er alles an und präsentierte sich in Siegerpose auf dem Bett.

„Gut, dann zieh ich mich an. Wie sieht es mit Zähneputzen aus?“, fragte ich.

„Oh, Papa hat die bestimmt zu Hause vergessen.“

„Das glaube ich nicht“, erwiderte ich und ging zurück an die Tasche.

In einem Seitenfach fand ich sämtliche Badutensilien die ich für Luka brauchte. Mit der Zahnbürste und der Tube bewaffnet, machte ich mich auf Richtung Tür.

„Komm Zähne putzen Luka.“

„Och menno…“, meinte er, kam mir aber nach.

Im Bad füllte ich den Becher mit Wasser, drückte etwas Zahncreme auf die Zahnbürste und gab sie einem trotzigen Luka. Das Telefon klingelte.

„Ich bin gleich wieder da und ich guck mir deine Zähne an, ob du das auch richtig gemacht hast.“

„Ich mach das richtig, ich bin doch schon groß!“

Ich lächelte und wuschelte ihm übers Haar, bevor ich das Bad verließ, um zum Telefon zu rennen. Auf dem Weg hinunter fiel mir auf, dass, seit ich mich mit Jarrett so gut verstand, nicht einmal der Gedanke an Gabriella aufkam… jedenfalls kein so schmerzhafter wie sonst.

Ich nahm den Hörer ab und meldete mich.

„Dominic MacLeann.“

„Hallo hier spricht Eillien O’Brown.“

„Und was kann ich für sie tun?“, fragte ich verwundert.

„Ich weiß, dass mein Enkel bei ihnen ist…“

„Ach sie sind Jarretts Schwiegermutter.“

„Ja.“

„Freut mich sie kennen zu lernen“, sagte ich, weil mir grad nichts Besseres einfiel.

„Danke… auch wenn der Grund für meinen Anruf nicht so gut ist.“

Ihre Stimme klang traurig und angespannt.

„Ist etwas geschehen?“, fragte ich nun besorgt.

„Jarrett…“

„Was ist mit Jarrett“, fiel ich ihr ins Wort.

„Jarrett hatte einen Unfall auf der Baustelle. Man hat uns umgehend informiert. Er liegt im Krankenhaus.“

Ich musste trocken schlucken und spürte wie meine Beine weich wurden.

„Was… was ist denn passiert.“

„Er ist durch die Schuld eines anderen vom Gerüst gefallen.“

Sie klang sehr gefasst, obwohl ich mir vorstellen konnte, dass sie sehr besorgt war.

„Er liegt im Krankenhaus und ist immer noch ohne Bewusstsein.“

„Hat er sich etwas gebrochen… ist er verletzt?“, stotterte ich.

„Er hat keine inneren Verletzungen und das linke Bein ist gebrochen. Der Arzt meinte er hätte unwahrscheinliches Glück gehabt.“

Mir stiegen die Tränen in die Augen.

„… und seine Bewusstlosigkeit?“, fragte ich leise weiter.

„Das wissen die Ärzte noch nicht.“

Ich riss mich zusammen und wischte mir die Tränen aus den Augen.

„Soll ich Luka zu Ihnen bringen?“, fragte ich mit fester Stimme.

„Dominic… ich darf sie doch so nennen?“

„Ja, klar.“

„Ich hatte gestern Mittag ein langes Gespräch mit Jarrett. Unter anderem erzählte er mir auch von Ihnen. Ich habe meinen Schwiegersohn schon lange nicht mehr mit so leuchtenden Augen gesehen, außer wenn er mit Luka spielt.“

Ich wurde nervös, weil ich nicht wusste, was sie von mir wollte.

„Der Grund, warum ich Sie anrufe, ist, dass ich hier mit meinem Mann in Dublin bei einem Spezialisten bin und meinen Mann nicht alleine lassen kann. Deshalb würde ich Sie bitten nach Jarrett zu sehen.“

„Aber selbstverständlich Mrs. O’Brown.“

„Sagen Sie Eillien zu mir, denn ich denke, wir werden uns sicher noch näher kennen lernen.“

„Danke… und was mach ich jetzt mit Luka…?“, fragte ich.

Und wie aufs Kommando tigerte Luka in eine Küche, wo ich mich gerade befand.

„Frühstücken wir?“, fragte er.

„War das Luka?“, fragte Eillien

„Ja.“

„Können Sie ihn mir mal bitte geben?“

„Eillien, sagen Sie ruhig du zu mir, und Moment ich geb Ihnen Luka.“

Luka horchte auf, als er seinen Namen hörte.

„Luka, hier ist deine Oma, willst du mit ihr reden?“

Ohne einen Ton zu sagen hüpfte er vom Stuhl auf den gerade gekrabbelt war und riss mir förmlich den Hörer aus der Hand.

„Hallo Omimi, ich bin hier bei Domi“, hörte ich ihn sagen, während ich mich auf den freigewordenen Stuhl setzte.

„Ja, ich bin lieb… wirklich.“

Ich musste grinsen.

„Warum ist der Papa krank… heute Morgen hatte er noch nichts.“

Oje, ich hoffte nur, dass er jetzt nicht anfing zu weinen.

„Papa sagt immer, ich soll gut aufpassen, wenn ich wo hochklettere. Und wann kommst du dann?“

Bis jetzt machte er noch einen guten Eindruck, denn er drehte sich zu mir und lächelte mich an.

„Oh toll, dann darf ich noch eine Nacht bei Domi schlafen?“

Sein Lächeln zog sich nun über sein ganzes Gesicht und beide Augen strahlten um die Wette.

„Ja Omimi, ich bin brav…“ sagte er und lief zu mir, „da, Omimi will noch etwas zu dir sagen.“

Er gab mir den Hörer und krabbelte auf meine Beine.

„Ja? Hier ist Dominic.“

„Ich wollte mich nur noch einmal bedanken, dass Si.. du dich so um meinen Enkel kümmerst.“

„Dafür nicht, Eillien.“

„Doch, du bist der Erste, der sich auch für Luka interessiert…“

Sie schien doch mehr zu wissen, als ich ahnte.

„…falls du Luka mitnehmen möchtest, also ich meine ins Krankenhaus, dann gibt das sicher keine Probleme. Ich hoffe ich konnte ihm dass mit Jarrett erklären.“

„Er macht zumindest keinen traurigen Eindruck“, log ich, denn er schmiegte sich eng an mich.

„Gut! Mein Mann und ich werden morgen um die Mittagszeit in wieder in Galway sein.“

„Soll ich ihn dann vorbeibringen?“

„Falls du nicht gerade im Krankenhaus bist, gerne.“

„Das weiß ich noch nicht, Moment meine Handynummer, dann bin ich erreichbar“, meinte ich.

Natürlich hatte ich jetzt den Kopf voller Gedanken und meine Nummer nicht parat.

„Luka, könntest du kurz mal runter gehen, ich muss mein Handy holen.“

„Du hast doch ein Telefon.“

„Ich muss da was nachschauen…“

„Wo liegt es denn?“

Ich hörte ein leichtes Lachen am Telefon.

„Auf der Kommode im Flur“, meinte ich und schon war er in den Flur gesprungen.

Wenige Sekunden später kam er mit meinem Handy zu mir und reichte es mir.

„Danke!“, meinte ich und Luka strahlte über sein ganzes Gesicht.

Während ich die nötigen Tasten drückte um meine Nummer zu finden, kroch Luka wieder auf meinen Schoss. Ich gab Eillien noch meine Nummer und beendete das Gespräch.

„Fahren wir jetzt zu Papa?“, fragte Luka plötzlich.

Ich schaute ihn durchdringend an und nun war nichts mehr von dem Strahlemann zu sehen.

„Ich sollte mich aber erst anziehen und was essen müssen wir auch.“

„Ich habe aber keinen Hunger…“, meinte er trotzig.

„Luka…“, meinte ich mahnend.

„Aber dann fahren wir zu Papa.“

Ich nickte und er lächelte ein wenig. Draußen hörte ich eine Säge anlaufen und erhob mich mit Luka im Arm. Nun standen wir gemeinsam am Fenster und schauten nach draußen.

„Du Domi, das ist Onkel Cori… darf ich zu ihm?“, fragte Luka.

„Na meinetwegen, aber du musst dir noch eine Jacke anziehen.“

„Ich hol sie schnell… lass mich runter…“, meinte Luka und rannte aus der Küche.

Ich folgte ihm, denn ich sollte mich wirklich langsam anziehen und nicht im Shirt und Shorts herumlaufen. Als ich mein Zimmer betreten wollte stürmte er schon wieder aus seinem Zimmer.

Jarrett schien auch Gummistiefel eingepackt zu haben, denn die hatte Luka auch an.

„Aber Luka, den Onkel Cori nicht nerven und auch nicht zu nah ans Wasser gehen“, mahnte ich.

„Oki doki“, rief Luka und rannte die Treppe runter.

Ich wollte noch sagen, dass er langsamer machen sollte, aber da war er schon unten. Ich seufzte. Jarrett lag ohne Bewusstsein im Krankenhaus und jetzt wo ich alleine war, wurde mir bewusst was eigentlich geschehen war.

Mein Kopf realisierte jetzt erst richtig was mit Jarrett geschehen war. Ich begann zu zittern, Tränen liefen mir über die Wangen.

„Nicht noch einmal… dass überstehe ich nicht…“, sagte ich leise und stützte mich am Stuhl ab.

Draußen hörte ich Luka’s vertrautes Lachen. Ich ging zum Fenster und schaute hinaus. Dort sah ich Luka, wie er bei Cori stand und ihm half. Die Tränen versiegten nicht und irgendwie stürmten plötzlich tausend Gedanken auf mich ein.

Jarrett und ich zusammen – ein Sohn – neue Verantwortung – der Job – Jarretts Job- die Umgebung – warum ich hier war – was ich hier überhaupt wollte… Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf.

Fast mechanisch nahm ich frische Klamotten und zog mich an. Ich ging ins Bad und versuchte mich relativ ansehnlich zu machen. Nach dem ich meine Papiere und mein Geld aus dem Zimmer geholt und mir andere Schuhe für Luka geschnappt hatte, verließ ich das obere Stockwerk.

Ich zog mir meine leichte Jacke über, holte das Handy aus der Küche. Frühstücken würden wir irgendwo unterwegs. Ich wollte nicht alleine mit Luka in der Küche sitzen und eventuell seinen Fragen ausgesetzt sein.

Im Augenblick wusste ich eh nicht, was ich antworten sollte, wenn er nach seinem Papa fragen sollte. Ich verließ das Haus und schloss die Haustür ab. Als ich Cori und Luka erreichte, sah ich, dass er auf einem Stein hockte und genüsslich ein Brot aß.

„Wo hast du das denn jetzt her?“, fragte ich.

„Von mir… Morgen Dominic.“

„Morgen Cori…“

„Ich weiß… was geschehen ist… Luka hat mir schon alles erzählt.“

Ich konnte nicht anders und blickte Cori traurig an.

„He nicht Kopf hängen lassen…, das wird schon“, meinte Cori und lächelte mich dabei an.

Warum lächelte er so, was wusste er? Ich nickte ihm zu.

„Ich möchte dann fahren, Luka“, sprach ich mit fester Stimme weiter.

„Kann ich…schmatz…bei Onkel Cori bleiben?“, fragte Luka mit vollem Mund.

„Willst du denn nicht zu deinem Papa?“, fragte ich verwundert.

„Doch schon, aber Omimi hat am Telefon gesagt, das Papa heute nur schläft und wenn man schläft, wird man gesund und Papa soll schnell gesund werden… und ich bleib hier… weil er doch immer wegen mir wach wird.“

Cori konnte nicht anders und fing zu lachen an. Auf meinem Gesicht zeichnete sich auch ein Lächeln ab.

„Ich weiß nicht, ob du bei Cori bleiben kannst, er muss doch arbeiten.“

„Dominic, das macht mir nichts aus. Luka war schon oft bei mir mit auf der Baustelle.“

„Es macht dir wirklich nichts aus?“

„Nein, ganz bestimmt nicht, aber könntest du mich anrufen, wenn du weißt wie es Jarrett geht?“

„Öhm, könntest du mir deine Nummer geben?“, fragte ich.

„Klar, dann kann ich auch gleich deine abspeichern…“

Wir tauschten unsere Handys aus und gaben unsere Nummern ein, während Luka weiter an seinem Brot kaute. Cori gab mir mein Handy zurück, ich ihm seins.

„Luka du bist brav und hörst auf das was Cori sagt und bleib vom Wasser weg!“

„Ja Papa“, kicherte Luka.

„Hä?“

Bitte was war jetzt das?

„Papa redet immer genauso wie du“, sagte Luka und kicherte weiter.

Ich schüttelte den Kopf und Cori grinste breit.

„Also ich bin dann weg und meld mich dann, sobald ich mehr weiß.“

„Okay, lieb von dir“, entgegnete Cori.

Luka sprang auf und klammerte sich kurz um mein Bein.

„Tschühüsss“, sagte er etwas laut und kicherte wieder.

Ich wuschelte ihn über den Kopf und lächelte. Danach lief ich zurück zum Haus, wo mein Rover stand. Per Knopfdruck öffneten sich die Schlösser und ich steig ein. Ich drehte das Zündschloss und der satte Sound ließ den Wagen leicht erzittern.

Ich wendete und fuhr den kleinen Weg am See entlang hinauf zur Road, bog Richtung Stadt ein und gab etwas Gas. Ohne Schwierigkeiten zog der Rover los und beschleunigte schnell.

Auf der Coolagh Road erreichte ich schnell das Stadtzentrum. Oh ich Idiot. Ich fuhr zum Krankenhaus, aber zu welchem? Ich schüttelte den Kopf, zog den Rover nach links auf eine Parkbucht und stoppte.

Ich zog mein Handy heraus und wählte Coris neu erworbene Handynummer. Ich erklärte ihm kurz, warum ich anrief und wurde mit einem schallenden Lachen belohnt. Gut, das war verdient.

Er erklärte mir kurz, wie ich fahren musste und auch wo ich meinen Wagen parken konnte. Ich bedanke mich artig und verabschiedete mich. Ich schaute, ob ich freie Fahrt hatte und zog mit dem Rover wieder auf die Straße hinaus.

Quer durch die Stadt musste ich also. Cori meinte, wenn ich die Sandy Road fahren würde, wäre es eine große Abkürzung. Er hatte mir aber nicht gesagt, dass diese eine Nebenstrasse war.

Laufend musste ich halten und andere Autos auszuweichen oder vorbei zulassen. An der nächsten großen Kreuzung konnte ich endlich Dublin Road lesen. Ich überquerte die Bothermoore und fuhr das Stück die Sean Mulvoy Road hinunter, bevor ich auf die Dublin Road fahren konnte.

Von hier aus konnte ich auf den Lough Atalia sehen ein weiterer See in Galway. An der nächsten Kreuzung konnte ich schon das Schild Bo Secours Hospital lesen. Bald kam der Bau in Sicht und ich begann nach einem Parkplatz zu suchen.

Ich hatte Glück. Ein älterer Herr verließ mit seinem alten Vauxhall Cestra eine Parklücke. Als er umständlich die Lücke verlassen hatte preschte ich mit einem Hüpfer hinein. Ich ließ den Motor ersterben und stieg aus.

Was machte ich, wenn sie mich nicht zu ihm ließen, ich war schließlich kein Verwandter. Ich betrat das Haus durch die große Glastür und lief direkt an den Schalter.

„Guten Morgen, wie kann ich ihnen helfen?“, fragte eine junge Frau hinter dem Tresen.

„Ich möchte gerne zu Jarrett Mac Gregor, er ist heut Morgen nach einem Unfall eingeliefert worden.“

Sie schaute in ihren Hefter, den sie vor sich liegen hatte.

 

„Wie ist ihr Name?“, fragte sie und dies wunderte mich schon etwas.

„Ähm… Dominic MacLeann.“

„Zimmer Nr 213… die Treppe rauf zweiter Stock, rechter Gang.“

Ungläubig sah ich die Frau an.

„Die Schwiegermutter des Verunglückten hat vorhin hier angerufen und uns mitgeteilt, dass sie kommen werden“, erklärte mir die Dame, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

„Danke“, meinte ich und machte mich auf den Weg in den zweiten Stock.

Auf den Aufzug wollte ich nicht warten, deshalb rannte ich die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend.

Im zweiten Stock angekommen, suchte ich den Flur nach den Zimmernummern ab und wurde auch fündig. Rechter Gang stimmt. Eine Schwester kam mir kurz vor Jarretts Zimmer entgegen.

„Entschuldigen sie bitte, muss ich irgendwelche Besonderheiten beachten, wenn ich Mr. Mac Gregors Zimmer betrete.“

Die Schwester schaute mich kurz an.

„Nein, gehen sie ruhig rein. Der Patient ist immer noch nicht aufgewacht.“

„Danke.“

Schweren Herzens ging ich zur Tür und wollte anklopfen. Dummer Gedanke, er kann es ja nicht hören und so hielt ich in der Bewegung inne. Ich drückte langsam die Türklinke hinunter und öffnete die Tür.

Als ich Jarrett so im Bett so liegen sah, blieb ich erst einmal geschockt stehen. Mein Blick fiel als erstes auf dessen Kopfverband. Ich atmete tief durch und schloss hinter mir die Tür. Außer den Geräuschen der Maschinen, die neben dem Bett standen, war es hier im Zimmer völlig ruhig.

Jarrett lag da, als würde er friedlich schlafen. Ich nahm einen Stuhl und setzte mich leise neben ihn. Lange sah ich ihn an, wie sich sein Brustkorb langsam hob und wieder senkte. Sein Herzschlag schlug gleichmäßig, die Atmung war ruhig.

Es sammelten sich Tränen in meinen Augen, ihn so da liegen zu sehen. Ich griff nach seiner Hand und streichelte sie sanft.

„Jarrett, du musst aufwachen…“, flüstere ich leise unter Tränen.

„Ich verkrafte es nicht… noch jemanden zu verlieren, der mir etwas bedeutet.“

Immer noch strich ich sanft mit dem Daumen über seinen Handrücken. Ob er mich hörte?

*-*-*

Irgendetwas rüttelte mich – ich fuhr nach oben.

„Entschuldigen sie bitte, ich wollte sie nicht erschrecken.“

Ich schaute zur Seite, wo ein junger Mann stand.

„Sie scheinen eingeschlafen zu sein“, redete er weiter.

Noch immer etwas verwirrt schaute ich zu Jarrett, der immer noch so friedlich dalag.

„Könnten sie kurz dass Zimmer verlassen bitte, ich müsste mich kurz um den Patienten kümmern.“

Ich atmete tief durch und nickte. Noch einen Blick auf Jarrett, dann verließ ich das Zimmer. Nun stand ich auf dem Flur und kam mir so verlassen vor. Einsam und alleine. Ich schaute zur Tür, durch die ich gerade gegangen war.

Eine Kinderstimme ließ mich aufhorchen. Ich schaute den Flur hinunter und konnte am Ende des Ganges Cori mit Luka an der Hand entdecken. Luka schien mich auch erkannt zu haben, denn er riss sich los und rannte auf mich zu.

Ich breitete die Arme aus und fing ihn auf, als er mich erreichte. Die Wucht mit der Luka auf mich prallte, schmiss mich fast um.

„Warst du bei Papa?“, fragt Luka leise und lächelte.

Ich nickte.

„Tun dir die Augen weh, oder warum sind die so rot?“, fragte Luka leise weiter.

Stimmt, ich hatte geweint, daran hatte ich nicht gedacht, ich wusste auch nicht wie ich gerade aussah. Cori hatte uns mittlerweile erreicht.

„Hallo Dominic, schon etwas erfahren?“

„Nein…“

In dem Augenblick gingen über der Tür alle drei Lichter an. Von allen Seiten kamen Schwestern gesprungen und liefen in Jarretts Zimmer.

„Domi, was machen die Leute denn?“, fragte Luka, „Onkel Cori hat gesagt, hier muss man ganz leise sein.“

„Ich weiß es nicht, Luka“, antwortete und versuchte ängstlich einen Blick ins Zimmer zu erhaschen.

Die Tür wurde geschlossen. Ich schaute ängstlich zu Cori, der aber nur mit der Schulter zuckte. Was war nur passiert? Dann wurde wieder die Tür aufgerissen und eine Schwester kam heraus.

„Entschuldigen Sie, können Sie…“, fragte Cori.

„Moment bitte“, meinte die Schwester und ließ uns einfach stehen.

*-*-*

Nun saß ich schon drei Stunden im Wartezimmer. Luka lag auf mir und schlief. Cori war bei mir geblieben. Er hatte alle seine Aufträge für den Tag abgesagt, weil er mir eine Stütze sein wollte.

Jarrett lag auf dem OP-Tisch. Es wurde ein Blutgerinnsel im Kopf festgestellt und seit zwei Stunden wurde operiert. Jedenfalls hatten wir noch nichts Gegenteiliges gehört. Weinen konnte ich nicht und durfte ich auch nicht.

Ich wollte Luka nicht noch weiter beunruhigen. Er hatte mitbekommen, wie Sie seinen Dad aus dem Zimmer geschoben hatten. Er hatte begonnen zu weinen, wollte zu ihm. Jetzt hatte er sich in den Schlaf geweint.

„Jarrett ist für mich irgendwie so etwas wie ein großer Bruder… weißt du?“, begann Cori plötzlich neben mir zu sprechen, nachdem wir uns ewig angeschwiegen hatten.

„Seit…“, ich räusperte mich, mein Hals war zu trocken zum Sprechen, „seit wann kennt ihr euch?“

Cori stand auf und schenkte uns zwei Tee ein. Er reichte mir eine Tasse und setzte sich wieder neben mich.

„Ich habe Jarrett damals auf dem Internat kennen gelernt. Er war der einzige, der sich für mich interessierte und auch zu mir hielt.“

„Wieso zu dir hielt.“

„Ach Dominic, so friedlich ich heute bin, war ich früher nicht. Keiner Schlägerei bin ich aus dem Weg gegangen, kein Besäufnis versäumt. Jarrett hat es geschafft mich davon abzubringen.“

„Das spricht irgendwie für Jarrett.“

„Als wir mit dem Internat fertig waren, trennten sich unsere Wege. Er kehrte nach Galway zurück und ich begann eine Schreinerlehre in Dublin.“

Ich nippte an meinem Tee und spürte wie die Wohltat langsam den Hals wieder befeuchtete.

„Und wie seid ihr dann wieder zusammen gekommen?“, fragte ich.

„Sind wir so gesehen gar nicht. Zwei Jahre später stand Jarrett plötzlich vor meiner Tür. Ich weiß bis heute noch nicht, ob es Zufall war, oder irgendeine Fügung… jedenfalls kam er genau richtig.“

„Wieso, was ist denn passiert?“

„Wie im Internat war ich wieder dem Alkohol verfallen… hatte meine Lehrstelle verloren und na ja… geprügelt habe ich mich auch wieder.“

Ich musterte Cori kurz etwas genauer und befand, dass ich froh war, bisher nie eine Faust von ihm zu spüren bekommen zu haben.

„Er holte mich aus diesem Sumpf und nahm mich mit nach Galway. Er suchte mit mir zusammen eine neue Lehrstelle, bewegte mich dazu, eine Abendschule zu besuchen, um einfach mehr Möglichkeiten später zu haben.“

„Jarrett hatte schon damals ein großes Herz. Wenn es irgendwie Streit zwischen mir und meinem Bruder gab, war er immer da und schlichtete.“

„Du hast noch einen Bruder?“

„Ja, aber der ist in London… unser Kontakt ist sehr spärlich.“

„Ein Bruder hat mir immer gefehlt. Aber seit ich Jarrett habe…“

Er brach mitten im Satz ab und ich schaute zu ihm. Corbinian hatte Tränen in den Augen. Ich stellte meine Tasse neben mir auf dem Stuhl und tätschelte ihm auf den Rücken.

„Es wir schon werden…“

„…Dich muss das doch viel mehr mitnehmen… jetzt wo ihr gerade…“

„Was?“, fragte ich.

„Also… ich geh doch recht in der Annahme… dass du und Jarrett zusammen seid… oder?“

Meine  Gesichtsfarbe färbte sich augenblicklich tomatenmäßig rot, was Cori ein Lächeln entlockte.

„Ja… ich… ich weiß auch nicht so recht… sind wir zusammen oder nicht…“, stammelte ich verlegen.

„Also, so glücklich wie in den letzten Tagen habe ich Jarrett noch nie erlebt, seit ich ihn kenne. Na ja, vielleicht als Luka auf die Welt kam.“

Luka rieb sich die Nase, brummte irgendetwas, schlief aber weiter, als sein Name fiel.

„Du weißt über Jarrett Bescheid?“, fragte ich verwundert.

Cori lachte leise.

„Ich wusste es noch vor ihm!“

„Bitte? … bist du auch… schwul?“

„Nein, bin ich nicht. Aber wie gesagt Jarrett und ich sind wie Brüder. Und ich habe das schon geahnt, bevor er diese Kathleen heiraten musste.“

„Wieso musste er sie heiraten… wegen Luka?“

„Nein, die beiden waren ja schon zwei Jahre verheiratet, als Luka zur Welt kam.“

„Und warum musste er sie dann heiraten?“

„Frag mich nicht… da wurde etwas von Abmachungen zwischen den Vätern erzählt, ich habe das nie verstanden.“

„Wie bitte? Ich dachte, wir haben das Mittelalter hinter uns…“

„Tja, mehr kann ich auch nicht dazu sagen. Ich weiß nur, dass nach Kathleens Tod sich Jarretts Gemütslage schwer verbesserte. Luka ist sein ganzes Glück bisher. Einen Mann zu seinem Glück hat er noch nicht gefunden, dies würde ihm noch fehlen.“

Ich wunderte mich, dass Cori so offen vor mir sprach.

„Hatte… hatte Jarrett viele Bekanntschaften vor mir?“

„Nein, würde ich nicht sagen. Jarrett ist eigentlich eher der schüchterne Typ. Er sitzt lieber zu Hause an seiner Eisenbahn, als mit mir in die Kneipe zu gehen.“

„Von schüchtern habe ich bis jetzt noch nichts bemerkt“, kicherte ich und wurde wieder rot, als mir bewusst wurde, was ich da gerade gesagt hatte.

Cori lächelte und nippte an seinem Tee. Traurig schaute er zum Fenster hinaus und nippte weiter an seiner Tasse.

„Mr. MacLeann?“

Ich schreckte auf.

„Ja?“, sagte ich, als ich die Schwester an der Tür wahrnahm.

„Wäre es Ihnen kurz möglich mitzukommen?“, fragte sie.

„Ja“, antwortete ich und schaute zu Cori, der gleich verstand was ich wollte und mir den schlafenden Luka aus dem Arm nahm.

Dann folgte ich der Schwester. Sie brachte mich zu einem Büro.

„Professor… hier ist Mr. MacLeann“, meinte die Schwester und ließ mich mit dem Professor alleine.

„Ah, Mr. MacLeann, schön dass Sie kommen konnten.“

„Ahm… ich weiß gar nicht, was ich hier soll.“

„Setzen Sie sich doch, ich werde es Ihnen gleich erklären.“

Er wies auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch. Also nahm ich Platz und wartete was da jetzt kommen sollte.

„Mr. Mac Gregors Schwiegermutter hat uns davon in Kenntnis gesetzt, das Sie Mr. Gregors Lebensgefährte sind und…“

Ich wollte etwas sagen, aber ich bekam keinen Ton heraus. Deswegen konnte ich Jarrett ungehindert besuchen.

„Und warum bin ich jetzt hier?“, fragte ich nochmals.

„Folgendes Problem Mr. MacLeann. Wir haben noch ein weiteres Gerinnsel gefunden.“

„Im Kopf?“, fragte ich schockiert.

„Nein… an seiner Wirbelsäule…“

„Und das heißt?“

„Dass Mr. Mac Gregor vielleicht nicht mehr laufen kann.“

Fassungslos sah ich ihn an. Tränen drückten sich durch meine Augen, ich konnte sie nicht unterdrücken.

„Es muss schnellstmöglich entfernt werden sonst sehen wir wirklich die Gefahr, dass er abwärts gelähmt sein könnte.“

„Und warum operieren Sie dann nicht?“, fuhr ich den Professor an.

„Ganz ruhig Mr. MacLeann. Ihr Freund hatte gerade eine Operation am Kopf, wir wissen nicht, ob wir ihn dieser Gefahr aussetzen können, noch eine weitere Operation anzuhängen.“

„Und warum haben Sie dann mich rufen lassen?“

„Wir haben die Möglichkeit zu warten und dann zu operieren. Aber je länger wir warten, desto höher wird die Gefahr der Lähmung oder noch schlimmer einer Amputation eines der Beine… oder wir operieren sofort… aber bei der Verfassung Ihres Freundes ist das Risiko groß, dass wir ihn verlieren würden.“

Ich sah ihn immer noch fragend an.

„Wir wissen nicht, wie wir uns entscheiden sollen…“, sprach der Professor weiter.

„Soll ich jetzt etwa entscheiden, ob …“

Der Professor schaute mich nur an. Ich war fassungslos. Ich sollte über das Leben eines anderen entscheiden. Ich rang nach Luft, mir wurde schlecht.

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Mr. MacLeann?“

Ich nickte.

„Haben Sie vielleicht ein Glas Wasser für mich?“, fragte ich leise.

„Aber natürlich…“

Der Professor eilte zu seinem Schrank und kam mit einem Glas Wasser zurück.

„Hier bitte…“

„Danke“, meinte ich und nahm das Glas entgegen.

Ich trank es in einem Zug leer.

„Wie groß ist die Gefahr…wenn sie sofort operieren?“, fragte ich.

„Ihr Freund ist von guter Statur… ich denke 50:50.“

Ich atmete tief durch. Was soll ich jetzt bloss machen. Ich kann doch nicht einfach über Jarretts Leben entscheiden… würde er sowas für mich auch tun… ich war kurz vorm verzweifeln.

Noch einmal atmete ich tief und stieß die Luft laut aus.

„Operieren sie bitte sofort…“, sagte ich fast mechanisch.

„Okay, ich werde sofort alles veranlassen… wenn Sie möchten können Sie der Operation beiwohnen…“

„Beiwohnen?“

„Ja, wir haben einen Besucherraum… von dem man aus die Operation beobachten kann.“

„Ich… ich muss das erst klären. Ich habe den Sohn meines Freundes bei mir, den kann ich nicht alleine lassen.“

„Okay, sagen Sie einfach Bescheid.“

*-*-*

Luka davon zu überzeugen bei Cori zu schlafen war nicht schwer. Wann konnte man schon mal auf einem Hausboot schlafen. Dass ich Cori unbedingt verständigen sollte, wie die Operation ausgegangen war, war mir ein leichtes…oder auch nicht.

Ich saß in der kleinen Kabine leicht oberhalb des Op’s. Jarrett war bereits hineingefahren worden und wurde gerade an die Maschinen angeschlossen. Mir gab es jetzt schon einen Stich ins Herz, als ich sah, wie er da so lag.

Irgendwie hilflos zwischen all diesen Leuten. Man hatte ihn auf den Bauch gedreht und mit Laken abgedeckt, nur eine kleine Stelle Haut war noch zu sehen. Mein Blick fiel auf einen kleinen Kasten, der anscheinend Jarretts Herzschlaf anzeigte.

Bis jetzt zeigte sich noch ein normaler Rhythmus. Unruhig rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her. Der Professor schien herein zu kommen, denn plötzlich kam Bewegung in die Sache. Er schaute kurz zu mir hoch und nickte mir zu.

Ich erwiderte sein Nicken. Dann machten sie sich an die Arbeit. Was in den nächsten Minuten kam, hätte ich mir nicht in den kühnsten Träumen vorgestellt. Ich konnte jedes Detail der Operation genau beobachten.

Ein kleiner Monitor im Raum deckte den Rest ab. Ich zitterte am ganzen Körper, saß verkrampft da und hatte Tränen in den Augen. Da lag Jarrett… mein Jarrett. Die Bilder von Gabriella kamen zurück.

Sie lag auf der Trage… blutüberströmt… ich schüttelte meinen Kopf, schloss die Augen und verdrängte diesen Gedanken. Im OP begann plötzlich eine Hektik, auch der Professor operierte nicht mehr.

Mein Blick fiel automatisch auf den kleinen schwarzen Kasten. Die Herzlinie war ungleichmäßig. Der Professor blickte kurz zu mir hoch. Ich hielt den Atem an und glaubte mein Herz würde es gleich zerreisen.

Doch dann operierte er weiter… die Herzlinie schien wieder normal. Ich atmete tief durch und entspannte mich etwas. Meine Augen hingen an diesem kleinen Kasten. Deutlich konnte ich die Ausschläge des Herzens sehn… Jarretts Herz.

Ich traute meinen Augen nicht, als die Ausschläge weniger wurden und unten im OP erneut Hektik ausbrach. Die Zeit schien still zu stehen und ich befand mich wie in einem Taumel … Nebel umfasste mich, meine Gedanken standen still … alles was ich noch wahrnehmen konnte, war die Linie. (Ein Dank an koshka für seine Hilfe an der Beschreibung!!!)

Ich erstarrte zu einer Salzsäule. Ein großer Kasten mit vielen Reglern wurde heran gefahren Jarrett umgedreht, sein Brustkorb frei gemacht. Mir wurde klar, was der Professor vorhatte. Ihn mit Stromstössen zurück zu holen.

Als Jarretts Körper vom ersten Stromschlag durchgeschüttelt wurde, krampfte mir das Herz. Meine Tränen flossen ungehindert die Wangen hinunter. Ich schloss die Augen, konnte den Anblick nicht mehr ertragen.

Das Zittern meines Körpers geriet außer Kontrolle. Ich musste mich halten, um nicht vom Stuhl zu rutschen. Mein nächster Blick fiel wieder auf diesen kleinen Monitor, wo sich Jarretts Herzschläge wieder gleichmäßig fortbewegten.

Ich atmete aus, doch mein Herz schlug mir immer noch hinauf bis in den Kopf. Jarrett wurde nun auf die Seite gedreht und der Professor begann die Wunde zu vernähen. War es das schon? Oder brach er die Operation ab?

Ich stand auf und verließ den kleinen Raum. Vor der Tür sank ich auf den Boden, zog die Knie an mich und fing richtig an zu weinen. Das letzte Mal, als ich so da saß hatte ich um Gabriella geweint.

*-*-*

Benommen saß ich an Jarretts Bett und hatte wieder seine Hand in meiner. Sanft streichelte ich mit meinem Daumen über seinen Handrücken.

„Domi?“, konnte ich leise von Jarrett hören.

„Ja… ich bin da … schhh… du sollst nicht reden.“

Eine einzelne Träne lief aus seinem Auge und tropfte auf das Kissen.

„He Jarrett… es ist alles in Ordnung, die Operation ist gut gelaufen…“, sagte ich leise und beugte mich über ihn.

Seine Augen waren feucht, aber er schaute mich an und sein Mund formte sich zu einem Lächeln. Langsam senkte ich mich nieder und gab ihm einen zärtlichen Kuss. Tränen liefen ungehindert an den Seiten hinab.

„Wir schaffen das… okay? Wir schaffen das gemeinsam!“

Sein Mund formte sich zu einem Ja.

*-*-*

Luka zog wie ein Verrückter.

„Jetzt mach doch langsam Luka, wir sind doch gleich da.“

„Darf ich zu Papa rennen?“

„Klar darfst du, da vorne sitzt er im Rollstuhl.“

Und schon düste Luka über die Wiese direkt zu seinem Dad. Ich wollte ja noch sagen, dass er langsam machen sollte, aber da stolperte er schon und überschlug sich regelecht. Erschrocken blieb ich stehen und wartete, dass das Geschrei losging.

Aber Luka hob nur den Kopf wuschelte sich über seine Haare. Dann stand er auf und rannte weiter. Ich schüttelte nur den Kopf und ging weiter. Ich musste schmunzeln. Der Kleine war echt zäh.

Die letzten Wochen hatte ich sehr genossen. Während Cori die gewünschten Umbauten in meinem Haus fertigte, vergnügte und kümmerte ich mich ausgiebig um Luka. Er hatte derweil seinen Dad erreicht und krabbelte bereits auf dessen Schoss.

Als ich näher kam, hörte ich wie Luka erzählte, was er wieder erlebt hatte.

„Du Papa… ich hab da mal eine Frage.“

„Und die wäre?“, fragte Jarrett mit seiner bekannten ruhigen Stimme.

„Wärst du mir arg böse…, wenn ich zu Domi Pa sage?“

Ich war stehen geblieben. Diese Szene rührte mich doch sehr.

„Wieso sollte ich dir böse sein… du Racker, klar darfst du das.“

„Oki doki… ich geh Enten jagen“, meinte Luka und war schon wieder vom Schoss gesprungen, als ich Jarrett endlich erreichte.

Erst jetzt drehte Jarrett seinen Kopf zu mir und strahlte mich an.

„Na du Pa, wie fühlt man sich in der Rolle?“, sagte er zu mir.

Ich wischte mir eine Träne aus dem Auge.

„Du hattest Recht, ich kann mir irgendwie ein Leben ohne Luka nicht mehr vorstellen“, erwiderte ich.

„Und sein Dad?“

Ich musste lächeln.

„Ohne den noch viel weniger“, sagte ich und hauchte Jarrett einen Kuss auf den Mund, „hallo…“

„Hallo Domi“, kam es von Jarrett und lächelte mich an.

„Müsst ihr schon wieder küssen?“, hörte ich Luka rufen, der am Rand des Teiches stand.

„Wieso? Was sollen wir denn sonst machen?“, rief Jarrett zurück.

„Mit mir spielen!“, rief er zurück.

„Du hast es gehört… man verlang nach uns“, meinte Jarrett und hob mir seine Hand entgegen.

Ich stellte mich vor ihn und zog an der Hand. Mit vereinten Kräften konnte Jarrett aufstehen.

„Brauchst du deinen Stock?“, fragte ich.

„Nimm ihn ruhig mit, wer weiß was Luka alles anstellt. Bis zum Teich halte ich mich an deiner Hand“, antwortete Jarrett.

Hand in Hand liefen wir zum Teich hinunter, wo Luka schon auf uns wartete.

*-* Ende *-*

Der kleine Buchladen

Der Schlüssel drehte sich im Sicherheitsschloss und mit einem leisen Knacken ließ es die Tür frei. Es war kalt geworden. Der Sommer war wie immer durchwachsen gewesen und nach einem anfänglich zu warmen Oktober, war es jetzt Ende November bitter kalt geworden.

Mich schauderte es kurz und schloss hinter mir die Ladentür. Noch lag mein kleiner Laden im Dunkeln. Heute war es soweit, der erste Tag. Heute war Eröffnung. Mein Traum vom eigenen Buchladen ging endlich in Erfüllung.

Ich legte die Tüte mit den Brötchen auf der Theke ab und brachte meine Jacke in den hinteren Bereich. Nachdem ich meinen Hals vom Schal befreit hatte, verstaute ich ihn auf einer der oberen Stufen der Wendeltreppe.

Ohne die Erbschaft von Oma Lenchen wäre das natürlich nicht möglich gewesen. Ihr hatte ich meine Vorliebe für Bücher und Geschichten zu verdanken. Nachdem meine Erzeuger es vorgezogen hatten, mein Dasein zu ignorieren, hatten sie mich zur Oma abgeschoben.

Im Nachhinein dachte ich aber oft, besser hätte es mir nicht passieren können. Ich konnte auf eine glückliche Kindheit zurückgreifen, eine turbulente Jugend, aber auch auf ein interessantes Erwachsenwerden.

Oma Lenchen war immer für mich da. Auch am Schluss, als sie schon krank war und ich meinen ersten großen Liebeskummer ertragen musste. Aber das lag nun lange zurück. Nach meiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann besuchte ich noch viele Abendkurse.

Ich brachte ein paar trostlose Jobs in Supermärkten und Filialen von irgendwelchen Bekleidungsketten hinter mich und nun – hatte ich endlich mein eigenes Geschäft. Die Tür wurde aufgezogen und ich drehte mich um.

Amüsiert schaute ich zu wie sich Anke mit zwei großen Tüten durch die Eingangstür zwängte.

„Leo könntest du nicht wie ein Ölgötze da stehen und mir vielleicht etwas abnehmen – und überhaupt, mach mal endlich Licht, man kann sich ja fast den Hals brechen.“

„Guten Morgen Anke, freut mich, dich zu sehen“, meinte ich grinsend und nahm ihr eine der zwei Tüten ab.

„Morgen“, murmelte sie und stellte ihre Tüte neben der kleinen Theke ab.

Auch ich stellte die Tüte, ohne hineinzusehen auf dem Boden ab. Ich umrundete die Theke, ging zu dem kleinen Schaltboard und langsam erstrahlte der kleine Laden in den schönsten Farben.

Anke hatte mir schon bei der Einrichtung geholfen, aber mit den Beleuchtungsvorschlägen hatte sie sich übertroffen. Einzelne Strahler leuchteten die verschiedenen Ecken des Raumes aus, jedes für sich war ein kleines Kunstwerk.

„Ich werde mich mal an die Blumen machen“, riss mich Anke aus den Gedanken.

„Blumen?“

„Leo! Klar Blumen. Frisches Grün kommt immer gut. Du kannst ja mal das Gebäck in den Schalen verteilen.“

„Gebäck?“

„Oh Leonard, was ist heute mit dir nur los, schlecht geschlafen?“

Da stand die kleine Person vor mir und plusterte sich auf. Anke kannte ich nun schon seit sechs Jahren. Den gleichen Beruf lernend waren wir recht schnell Freunde geworden. Sie störte es auch nicht, dass ich schwul war.

Sie gab sogar mächtig damit an. Seit der Zeit gingen wir durch dick und dünn. Sie war eben meine beste Freundin. Ich schüttelte den Kopf.

„Ja was ist es dann? Zu sehr aufgeregt, weil heut der erste Tag ist?“

Wieder schüttelte ich den Kopf, denn eigentlich war ich die Ruhe in Person.

„Und jetzt hast du wohl auch noch deine Sprache verloren?“

„Nein… es ist nur… Oma Lenchen hätte sich sicher gefreut und wär hier gewesen.“

„Sie ist hier Leonard“, meinte Anke und bohrte ihren Finger in meine Brust.

„Stimmt, sie ist immer bei mir. Also packen wir es an, bevor die ersten Kunden kommen.“

„So ist es recht.“

Anke zog Blumen und Behältnisse aus der Tüte und reihte sie auf der Theke auf. Ich ging derweil in die kleine Küche, die sich am Ende des Ladens befand und suchte nach den Glastellern, die wir letzte Woche günstig erstanden hatten.

Als ich zurück in den Verkaufsraum kam, stand eine Frau bei Anke.

„Ich finde es toll, dass hier ein Buchladen eingezogen ist. Wenn ich daran denke, welchen Stress man immer hat, bis man in der Stadt ist und dann ist alles so voll“, hörte ich die Frau erzählen.

Es handelte sich um eine ältere Dame um die sechzig, wie ich vermutete.

„Ah, da kommt der Besitzer des Buchladens, Herr Ehrl“, sagte Anke.

Noch immer hatte ich die Schälchen mit dem Gebäck in der Hand und steuerte auf die beiden zu. Während Dame mich anstrahlte, suchte ich verzweifelt nach einer Möglichkeit, wie ich die Schälchen losbekommen würde. Anke entging das natürlich nicht, und eilte als Rettung, indem sie sie mir einfach abnahm.

„Das ist Frau Schumacher, deine erste Kundin“, meinte Anke noch im Vorbeigehen.

„Hallo Frau Schumacher“, begrüßte ich sie und streckte meine Hand zur Begrüßung aus.

„Ich habe gerade Ihrer netten Kollegin erzählt, dass ich froh bin, dass hier endlich ein Buchladen aufmacht. Sie müssen wissen, ich lebe alleine und lese daher sehr viel. Aber der Weg in die Innenstadt wird für mich immer beschwerlicher.“

Ich setzte mein schönstes Lächeln auf.

„Möchten sie vielleicht einen Kaffee, Frau Schumacher?“, fragte ich und wies zu den zwei Bistrostühlen.

„Oh, das ist aber nett. Ja, eine Tasse vertrage ich schon um die Zeit.“

Noch während sie das sagte, hörte ich das Surren meines Kaffeeautomaten. Ein kurzer Blick bestätigte mir, dass Anke bereits dabei war, den Kaffee zuzubereiten.

„Milch und Zucker?“, fragte ich höfflich, während sich Frau Schuhmacher setzte.

„Ja, beides danke.“

So ging ich zur Theke, wo Anke natürlich schon alles gerichtet hatte, nahm also beides und stellte es auf den kleinen Bistrotisch ab.

„Und was lesen Sie gerne?“, fragte ich.

Vielleicht verkaufte ich ja gleich mein erstes Buch am ersten Tag.

„Am liebsten Geschichten über Frauen, deren Leben sich verändert und was sie daraus machen.“

Ich hob eine Augenbraue.

„Da hätte ich vielleicht etwas für Sie, ich weiß nicht ob Sie es schon kennen“, meinte ich, als ich mich suchend zu einem der Regale zuwandte.

„Wie heißt es denn?“

„Das Muster der Liebe… kennen Sie das schon?“

„Der Titel sagt mir überhaupt nichts…“, antwortete sie, während Anke ihr die Tasse Kaffee hinstellte.

„Danke schön“, hörte ich Frau Schumacher sagen.

„Also es geht um eine Frau, die sich nach langer Krankheit einen Wusch erfüllt und ein Wollgeschäft aufmacht. Dort lernt sie mehrere Frauen kennen… sehr interessant!“

Ich hatte das Buch gefunden und drehte mich wieder zu Frau Schumacher um.

„Hier, lesen Sie ruhig etwas hinein, vielleicht gefällt es Ihnen“, fügte ich an und reichte ihr das Buch.

Sie lächelte mich an und nahm das Buch entgegen. Danach ging ich zu Anke.

„Du hast sie am Wickel, sie wird dir alles abkaufen, was du ihr empfiehlst“, flüsterte sie mir zu.

Ich musste grinsen.

Mittlerweile hatte sie die Blumen in den kleinen Vasen verteilt und stellte sie an verschiedenen Plätzen im Laden auf. Jetzt erst merkte ich, dass die Farben der Blumen zu meiner Herbstdeko passten.

Während ich nun hinter der Theke am Aufräumen war und Anke weitere Details im Raum dekorierte, öffnete sich ein weiteres Mal die Ladentür und eine jüngere Frau kam herein.

„Hallo“, sagte sie leise und begann am ersten Regal die Bücher anzuschauen.

„Hallo“, sagte ich nun meinerseits.

Schon die zweite Kundin. Anke lächelte mich an.

*-*-*

Vier Stunden später war der Laden dass erste Mal leer.

„Ich glaube du mutierst hier zum Frauenschwarm“, kicherte Anke.

„Ha, ha!“, gab ich von mir.

Ich räumte ein paar Bücher ein, während Anke die benutzten Tassen spülte.

„He, freu dich, du hast schon zehn Bücher und ein Taschenbuch verkauft. Nicht zu vergessen die zwei Kinderkassetten.“

Ich schaute sie kurz an und musste nun auch grinsen. Sie hatte Recht, die Damen waren mir alle an den Lippen gehangen, hatten jedes Wort förmlich in sich aufgezogen.

„Meintest du das vorhin eigentlich ernst?“, fragte ich Anke.

„Was meinst du?“

„Das mit der Lesestunde für Kinder.“

„Klar mach ich das, könnte man sogar einmal in der Woche als feste Einrichtung machen.“

„Wenn du das möchtest, kein Problem. Vorlesen ist schon immer beliebt gewesen.“

„Da fällt mir was ein, hast du nicht etwas vergessen?“

„Bitte?“

„Ob du nicht heute etwas vergessen hast.“

„Was meinst du bitte?“

„Ich sage nur Tür…“

Tür…, Tür, was meinte sie damit? Ich schaute zur Tür, aber mir fiel ums Verrecken nicht ein, was sie dachte.

„Ding – Dong“, kam es von Anke.

Als würden tausend Lichter angehen, fiel mir siedend heiß ein, was ich vergessen hatte. Ich lief zu meiner Tasche und zog eine kleine Schachtel heraus.

„Danke, dass du mich daran erinnert hast“, sagte ich und zog den Deckel herunter.

„Dafür bin ich ja da.“

Als Kind war ich davon immer fasziniert gewesen. Stundenlang saß ich oft da und sah zu, wie das Glockenspiel sich im Winde bewegte. Die Klänge, die es erzeugte, hatten immer eine ruhige Wirkung auf mich.

An einem hölzernen Haus waren Schnüre befestigt, an denen wiederum Metallröhrchen hingen. Zwischen den Röhrchen war an einer Schurr eine Holzkugel befestigt. So entnahm ich das Glockenspiel aus der Schachtel und legte es auf die Theke.

„Mist!“, fiel mir plötzlich was ein.

„Was denn?“, fragte mich Anke.

„Ich wollte doch Werkzeug mitnehmen, damit ich es aufhängen kann.“

„Wo hast du nur immer deine Gedanken…, warte einen Moment“, sagte sie und verließ kurz den Laden.

Ein paar Minuten später kam sie zurück.

„Boah ist das kalt da draußen. Hier für dich, konnte ich vorhin nicht mehr tragen, lag noch im Auto.“

Sie streckte mir eine Tüte entgegen und ich zog neugierig die Öffnung auseinander, um zu sehen, was sich darin verbarg. Ich erkannte einen Hammer und eine Dose mit Haken, also genau, das, was ich jetzt brauchte.

Erfreut schnappte ich mir die kleine Trittleiter hinter der Theke und begab mich zur Ladentür. Die drei Stufen waren schnell hinaufgestiegen.

„Und? Wo soll ich sie hinhängen?“, fragte ich und hielt das Glockenspiel an die Decke.

„Ein bisschen mehr in die Mitte würde ich sagen“, antwortete Anke.

„So?“, fragte ich und schob das Teil etwas nach rechts.

„Ja und noch etwas von der Tür weg, dann müsste es richtig sein.“

Also zog ich es noch etwas von der Tür weg und schaute wieder zu Anke.

„Ja, genau, dort solltest du es aufhängen.“

„Kannst du mir bitte einen Bleistift geben, damit ich die Stelle kennzeichnen kann?“

Anke lief um die Theke herum und brachte mir einen Bleistift. Ich wollte gerade ein kleines Kreuz an die Decke zeichnen, als mich ein Geräusch herumfahren ließ, allerdings war es da schon zu spät.

Die Wucht der geöffneten Tür hatte mich bereits von der Leiter gefegt und mich wie einen Schlagball nach hinten geschleudert. Äußerst unsanft kam ich auf dem Rücken auf, der kurze stechende Schmerz ließ mich die Luft anhalten.

„Entschuldigung… ich habe Sie nicht gesehen…“, hörte ich eine mir fremde Stimme sagen.

Noch immer hatte ich die Augen zusammengepresst.

„Mein Gott Leonard, hast du dir was getan“, hörte ich Anke, deren Hand ich nun auf meinem Bauch spürte.

Scharf atmete ich aus und der Schmerz ließ langsam nach. Ich öffnete die Augen und blickte in die Augen einer besorgten Anke. Etwas dahinter sah ich ein weiteres besorgtes Gesicht, zu dem noch kreideweiß.

„Es tut mir wirklich Leid…“, stammelte dieses besorgte Gesicht.

„Ich lebe ja noch“, sagte ich und versuchte mich aufzurichten.

„Nee…, nee mein Lieber, du bleibst da mal schön liegen.“

„Anke, ich kann doch nicht hier auf dem Boden liegen bleiben. Was ist, wenn Kundschaft kommt?“

„Die ist bereits da und ist ja wie ein Tsunami in den Laden geschwappt.“

Über Ankes schrägen Humor hatte ich mich schon öfter amüsiert. Nun brachte sie es fertig, aus dem Bleichgesicht, eine tomatisierte Version eines Narren zu machen. Nachdem der Schmerz jetzt etwas abgeklungen war, wollte ich nun doch aufstehen.

Anke hatte wohl nichts mehr einzuwenden, denn sie half mir auf. Die Stelle auf die ich geknallt war, tat zwar weh, aber es war zu ertragen.

„Warum hatten Sie es eigentlich so eilig?“, fragte Anke nun unseren neuen Kunden.

Dieser löste sich langsam aus seiner Starre und schaute auf die Uhr.

„Mist, jetzt komme ich doch noch zu spät… das kann ich vergessen…“, sagte er und hob den Kopf.

Das erste Mal schauten wir uns richtig an. Mein Blick blieb an seinen grünen Augen hängen, die mich zur gleichen Zeit fixierten.

„Und was wollten Sie hier?“, fragte ich ohne meinen Blick seiner Augen zu entreißen.

„Eigentlich wollte ich noch schnell ein Buch für meinen kleinen Neffen besorgen, der hat heute Geburtstag.“

„Sie können aber später gerne wieder kommen, wenn sie einen wichtigen Termin haben. Wir haben heute sicher etwas länger geöffnet, es ist immerhin der Eröffnungstag.“

Was faselte ich da. Ich starrte diesen Mann an, als wollte ich ihn fressen. Ich schaute kurz zu Anke, die frech lächelte.

„Könnte ich vielleicht bei Ihnen kurz telefonieren?“, fragte er.

Ich nickte und zeigte auf die Theke, wo das Telefon prangte. Er lief zu selbigem, zog einen kleinen zerknitterten Zettel aus der Jacke, wo anscheinend eine Telefonnummer drauf stand, und tippte diese ein.

„Hallo hier ist Christian Cramer. Ich habe heute ein Vorstellungsgespräch bei … ach so… ja danke. Die Unterlagen schicken sie mir zurück? Danke. Auf Wiederhören.“

Ich sah die Enttäuschung auf seinem Gesicht, als er den Hörer sinken ließ. Einer Eingebung folgend, lief ich um ihn herum hinter die Theke und schob zwei Tassen unter den Kaffeeautomaten. Langsam surrte das Malwerk der Maschine und wenig später floss der frische Kaffee in die Tassen.

„Milch und Zucker?“, fragte ich und stellte ihm eine der Tassen vor die Nase.

„Hä? Ach so, nein nur Zucker… danke.“

Er wirkte, als hätte ich ihn aus den Gedanken gerissen und so stellte ich ihm lächelnd das Schälchen mit den Zuckerwürfeln hin. Er entnahm sich zwei Stück und verrührte diese gedankenverloren in seiner Tasse.

„Keine gute Nachricht?“, fragte ich und rührte nun meinerseits im Kaffee.

„Wieder eine Absage. Wusste nicht, dass man mit neunundzwanzig zum alten Eisen gehört.“

„Kommt auf die Umstände an, so alt sind Sie ja noch nicht, sehen gut aus. In welcher Branche wollen Sie denn arbeiten?“

Könnte mir mal jemand den Mund zukleben? Fing ich etwa gerade an zu flirten, noch dazu mit einem wildfremden Mann, den ich nicht mal kannte?

„Ich habe lange in einer exklusiven Herrenboutique gearbeitet, aber die haben pleite gemacht.“

„Eben zu exklusiv“, konnte ich Anke hinter irgendeinem Regal hören.

„Wie meinen?“, erwiderte ich.

Anke streckte hinter den Krimis den Kopf hervor.

„Ist der Laden zu exklusiv, dann bleiben die Kunden aus. Man darf nicht nur in eine Richtung steuern, aber das müsstest du ja auch am Besten wissen!“

Ich wusste, dass Anke jetzt nicht meinen Job meinte, sondern auf den letzten Kerl anspielte, dem ich ewig hinterhergelaufen war und dabei fast alles verloren hätte. Aber das stand jetzt auch nicht zur Debatte.

„Aber Sie haben doch sicher noch einige Bewerbungen laufen?“, fragte ich.

„Das war die letzte, mehr hat mir das Arbeitsamt nicht gegeben.“

Ich schaute zu Anke hinüber. Sie sah mich mit großen Augen an und begann den Kopf zu schütteln.

„Moment bitte“, sagte ich zu Herr Cramer und ging zu Anke.

„Warum denn nicht?“, flüsterte ich.

„Habe ich deinen Blick also richtig gedeutet, du willst ihn einstellen“, flüsterte sie ebenso.

„Warum denn nicht, ich denke schon, wir können bald Unterstützung gebrauchen.“

„Du weißt doch gar nicht, ob er… ist…“

„Was soll jetzt der Quatsch, was hat das damit zu tun?“

„Eine ganze Menge, denke ich!“

„Was bekommen Sie für den Kaffee?“, unterbrach uns Herr Cramer.

Ich drehte mich wieder zu ihm.

„Nichts, der geht aufs Haus“, meinte ich und lächelte ihn dabei an.

Den Stoss von hinten spürte ich überdeutlich, versuchte aber, mir nichts anmerken zu lassen.

*-*-*

Eine Woche war nun seit der Eröffnung vergangen und mit Christian hatte ich wohl einen guten Fang gemacht. Natürlich in der Hinsicht, dass er ein guter Verkäufer war. Anke glaubte zwar immer noch, dass ich ihn wegen seinem geilen Hintern eingestellt hatte, aber darüber konnte ich nur diabolisch grinsen.

Schnell hatte sich in der Umgebung herum gesprochen, dass hier ein neuer Buchladen eröffnet hatte und so war jeden Tag etwas los.

„Hast du überhaupt noch Zeit, selbst etwas zu schreiben?“, fragte ich Anke, während ich den neuen Zeitschriftenständer auspackte.

„Im Augenblick nicht, aber ich bin ja auch keine Maschine. Gut Ding will Weile haben.“

„Schade, hätte gerne mal wieder etwas von dir gelesen.“

Die Ladentür flog auf, das Windspiel läutete Sturm.

„Oha, der Tsunami naht“, grinste Anke.

„Morgen zusammen! Sorry, das ich etwas später komme, aber mein Bruder hat mich noch aufgehalten.“

„Morgen Christian“, sagte Anke und verschwand hinter einem Regal.

„Guten Morgen Tsu… ähm Christian.“

Hinter dem Krimiregal fing es schallend laut an zu lachen. Christian schaut mich komisch an, bevor er kurz im privaten Bereich verschwand. Anke linste kurz hinter dem Regal vor und grinste mich fies an.

„Du und deine Spitznamen“, meinte ich und streckte ihr die Zunge raus.

Kichernd verschwand sie wieder hinter dem Regal. Christian hatte sich seiner warmen Gardarobe entledigt und war wieder in den Verkaufsraum gekommen.

„Was ist das?“, fragte er und zeigte auf den Haufen von Holz und Metal vor meinen Füßen.

„Der Ständer für Zeitschriften“, antwortete ich.

Christian schien wohl zu merken, dass ich mit der Bauanleitung etwas überfordert war.

„Soll ich dir helfen?“

„Gerne“, nickte ich und reichte ihm die Anleitung.

Nach ungefähr einer halben Stunde stand das Ding vor uns. So schnell hätte ich das sicherlich nicht hinbekommen. Meine Bewunderung zollte Christian, der Stolz vor seinem Werk stand.

„Und wo soll der Ständer hin?“, riss mich Christian aus meinen Gedanken.

Ich sah mich um. Eigentlich wollte ich ihn ja an die Ladentür stellen, aber der Platz gefiel mir nun nicht mehr. Ein passenderer Platz fiel mir aber auch nicht ein. Der Ständer passte irgendwie nicht mehr so sehr zum Gesamtbild.

So zuckte ich nur mit den Schultern und lächelte entschuldigend.

„Wie wäre es neben der Theke, so als Abschluss, direkt bei der Kasse. Da kaufen vielleicht sogar einige Leute eine Zeitschrift, weil sie die beim Bezahlen sehen“, warf Christian ein.

Er hob den Ständer an und trug ihn an das Ende der Theke.

„Also ich meine, hier würde er sich gut machen.“

Anke war mittlerweile auch hinter ihrem Regal vorgekommen und schaute sich Christians Vorschlag an.

„Christian hat Recht, da würde er sich gut machen und genug ausgeleuchtet ist er auch“, befand Anke nach längerem Beäugen.

„Okay, dann lassen wir ihn hier stehen. Weißt du, wo die Lieferung mit den Zeitschriften liegt?“, fragte ich.

Anke zeigte nur auf das Lager und verschwand wieder hinter dem Regal. Also folgte ich ihrem Wink und begab mich in den hintern Teil des Ladens, wo ich sogar gleich am ersten Regal fündig wurde.

Mit einem Teppichmesser schnitt ich das Klebeband des Kartons durch und entnahm ein in Plastik verpacktes Päckchen. Den Karton riss ich gleich kleiner und warf ihn in die Abfalltonne.

Als ich in den Laden zurückkam, war mittlerweile eine Kundin gekommen, die aber bereits von Christian bedient wurde und so lief ich hinter die Theke, wo ich das Päckchen dann von seiner Plastikhülle befreite. Zum Vorschein kamen die von mir bestellten Zeitschriften.

„Moment, da muss ich meinen Kollegen fragen“, hörte ich Christian sagen, der nun auf mich zukam.

„Könntest du nachschauen, ob wir den Roman von Georgi Hassler bekommen können?“

Ich nickte und ging zum PC. Das neue Programm um Bücher suchen zu können, fand ich genial. Es war viel einfacher zu bedienen, als die alten schwerfälligen Programme, die meist mitten bei der Suche abstürzten.

In die vorgesehenen Spalten gab ich Titel und Autor ein und drückte auf Suchen. Wenige Sekunden später und dank VDSL 50 und wie ich finde ein überteuertes Glasfaserkabel bis ins Haus, blinkten mir gleich drei Ergebnisse entgegen.

„Im Koffelverlag erschienen, wir könnten es in cirka zwei Tagen bekommen“, antwortete ich.

Die Frau nickte.

„Auf welchen Namen dürfen wir das Buch bestellen?“, fragte Christian die Frau.

„Bender… Gudrun Bender.“

„Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer noch geben würden, können wir Ihnen gleich Bescheid geben, sobald das Buch eingetroffen ist“, sprach Christian weiter.

Mir fiel bei diesem Kundengespräch auf, dass Christian währenddessen immer wieder kurz auf seine Uhr sah. Frau Bender diktierte ihm ihre Telefonnummer.

„Gut Frau Bender, wir werden sie dann telefonisch unterrichten, wenn das Buch eingetroffen ist.“

„Danke… auf Wiedersehen“, hörte ich die Frau sagen.

Ich hob den Kopf und verabschiedete mich auch. Schnell hatte die Kundin den Laden verlassen. Wieder fiel mein Blick auf Christian. Er schaute abermals auf seine Uhr.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte ich.

„Hm… bitte?“, fragte Christian total verwundert

„Ob alles in Ordnung ist?“, fragte ich abermals.

„Ja… schon“, antwortete er verunsichert.

„Weil du laufend auf deine Uhr schaust.“

„Ich warte auf den Anruf meines Bruders, wann er hier am Bahnhof ankommt.“

„Ich wusste gar nicht, dass dein Bruder verreist ist“, entgegnete ich.

„Ach so, nein. Ich meine nicht Martin. Ich habe noch einen jüngeren Bruder, Marc.“

„Noch zu haben?“ rief Anke hinter dem Regal vor.

Sie lauschte wie immer.

„Wieder zu haben, aber nicht für dich“, antwortete Christian.

„Wieso?“, fragte Anke und kam wieder hinter den Krimis hervor.

„Wenn du deine weiblichen Proportionen in einen männlichen Adoniskörper tauschen würdest, wärst du für ihn interessant. Mein kleiner Bruder ist schwul!“

Anke und ich schauten uns an.

„Habe ich etwas Falsches gesagt?“, fragte Christian und schaute zwischen uns her, „ ich hoffe, ihr habt nichts gegen Schwule.

Anke lächelte anzüglich und verschwand wieder hinter ihrem Regal und ließ mich somit mit Christian alleine stehen.

„Was denn?“, fragte Christian und schaute mich verwirrt an.

„Dein Chef ist auch schwul!“, kam es hinter dem Regal hervor gekichert.

Christian schaute mich mit großen Augen an.

„Öhm… du bist…“

„Ja!“, sagte ich und widmete mich wieder meinen Zeitschriften.

Ab und zu könnte ich Anke an die Wand klatschen. Aber Christian hätte es sowieso irgendwann mitbekommen, dass ich lieber einem Männerarsch hinterher gucke, als auf die Oberweiten meiner Kundinnen zu starren.

„Das merkt man gar nicht…“, riss mich Christian aus den Gedanken.

„Bitte?“, fragte ich, schaute ihn an.

„Man merkt nicht… dass du schwul bist…“, wiederholte Christian seinen Satz.

„Wieso? Soll ich deiner Meinung nach hier herum tucken?“

Anke fing schallend laut hinter ihrem Regal an zulachen. Allein die Vorstellung eine Tucke zu sein, erzeugte eine üble Gänsehaut auf meinem Rücken. Dass mein Tonfall etwas heftig war, bemerkte ich erst, als Christians Gesichtsausdruck traurig wurde.

„Sorry. So war das nicht gemeint“, meinte ich und stülpte den letzten Stapel Zeitschriften in den Ständer.

„So habe ich es auch nicht aufgefasst. Nur… tut mir Leid, wenn ich das so gesagt habe. Aber die Freunde mit denen sich mein Bruder umgeben hatte… na ja, sie waren irgendwie alles Tucken“, erklärte Christian.

„Und dein Bruder?“, hörte ich Anke fragen.

Diesmal war Ankes Ton nicht mehr so lustig. Ich drehte mich zu ihr herum. Sie stand mit einem Stapel Bücher neben dem Regal.

„Kannst du mir sagen, was du da eigentlich machst?“, fragte ich, ohne auf die Antwort von Christian zu warten.

„Ich sortier die Bücher nur nach Autoren und dem ABC, mehr nicht.“

„Okay.“

„Nein mein Bruder ist keine Tucke…“, warf Christian ein.

Ankes Augen verengten sich.

„Gut! Sollte ich aber merken, er tut es doch, kann der sich warm anziehen“, drohte Anke und diese Aussage verwunderte mich jetzt schon sehr.

Mein fragender Blick wurde ignoriert und sie verschwand wieder zu ihren Büchern. Christian schaute immer noch wie ein begossener Pudel drein. Ich beschloss einfach, die Sache auf sich beruhen zu lassen und mich ganz normal zu geben.

„Und heute besucht er dich… ähm der Marc?“, fragte ich und verräumte den restlichen Verpackungsmüll.

Christians Starre löste sich und kam zu mir an die Theke.

„Nein, er wird bei mir einziehen…“

„Einziehen?“

„Ja… sein… Ex hat ihn vor die Tür gesetzt.“

„Hat dein Bruder was ausgefressen?“

Die natürliche Neugierde einer Frau – Anke wieder mal, wobei ich zugeben musste, dass es mich auch interessierte.

„Nein, dieses Ars… sorry… der Typ hat sich etwas Jüngeres zugelegt und meinen Bruder den Laufpass gegeben.“

„Das ist allerdings krass“, sagte ich, „aber aus der eigenen Wohnung einfach so rauswerfen?“

„Es ist nicht seine Wohnung. Marc ist unseren Warnungen zu trotz bei diesem Typ eingezogen.“

„Ihr habt ihn gewarnt?“

„Ja, weil mir der Typ noch nie ganz koscher war.“

„Das ist wirklich hart. Wann kommt dein Bruder an?“

„Ich weiß es nicht, deswegen warte ich ja auf seinen Anruf.“

„Ach so.“

Die Türglocke ging und wir beendeten das Gespräch.

*-*-*

Es war zwar nicht die Welt, aber bis zur Mittagspause war doch genug zu tun für uns drei. Anke verabschiedete sich und war dann schnell gegangen. Auch Christian war schnell verschwunden, denn sein Bruder hatte sich mittlerweile gemeldet.

Ich dagegen schloss die Ladentür ab und lief die kleine Wendeltreppe nach oben in meine Wohnung. Eigentlich ganz praktisch, wenn man dort wohnt, wo man arbeitet. In der Küche schaltete ich als erstes den Kaffeeautomaten ein.

Mit dem Stapel Post setzte mich dann an die Küchentheke. Griffbereit steckte dort der Brieföffner auf seinem Platz. Werbung… nichts als Werbung. Ich schmiss gleich alles in den kleinen Papiercontainer.

Ich las nun nur noch die Absender, machte sie nicht mal mehr aus. Halt… Notariat? Ich schlitzte das Couvert auf und zog die darin befindlichen Papiere heraus.

>Sehr geehrter Herr Ehrl, im Auftrag eines entfernten Verwandten, stelle ich Ihnen dessen Post zu. Gezeichnet Blabla.<

Ich schaute in den Umschlag und konnte einen kleinen Brief entdecken. Die Schrift ließ mich auf eine ältere Person schließen. Erneut nahm ich den Brieföffner und schlitze den Brief auf. Na toll, altdeutsch, wie soll das denn einer lesen.

Mühsam versuchte ich die Wörter zu entziffern, aber einen Zusammenhang fand ich keinen. Also steckte ich den Brief wieder zurück in den Umschlag und machte mir erst mal einen Kaffee. Das Mahlwerk brummte laut auf und wenige Sekunden später lief der frisch gebrühte Kaffee in meine Tasse.

Mein Blick ruhte auf dem Umschlag. Alle möglichen Gedanken durchliefen meinen Kopf. Wollte plötzlich jemand die Erbschaft anzweifeln. Oma Lenchen war über eineinhalb Jahre nun tot.

Das Handy riss mich aus den Gedanken.

„Ehrl.“

„Hallo Leo, hier ist Christian. Könnte ich dich um einen Gefallen bitten?”

Oh, er wollte sicher den Mittag frei haben.

„Ja, um was geht es?“

„Du weißt doch mein Bruder ist heut angekommen… könnte ich ihn vielleicht morgen mitbringen? Heute Mittag habe ich ja frei, aber morgen würde ich ihn in dem Zustand nicht gerne alleine lassen.“

„Geht es ihm so schlecht?“, fragte ich jetzt doch verwundert.

„Mehr als das. Er redet so gut wie kein Wort, bekommt laufend Weinkrämpfe.“

„Oje, der Arme. Aber wie sollen wir das machen. Er kann doch nicht die ganze Zeit so im Laden sitzen.“

„Stimmt, daran habe ich jetzt auch nicht gedacht. Was mach ich jetzt nur, vielleicht erreiche ich doch noch Martin.“

Ihm schien wirklich sehr an seinem Bruder zu hängen.

„Bring ihn einfach mit, wir werden schon eine Lösung finden. Was mir gerade einfällt… kannst du Altdeutsch lesen?“

„Nein, tut mir Leid, warum fragst du?“

„Ist mir gerade so in den Sinn gekommen. Okay, wir sehen uns nachher.

„Danke Leonard, bis später.“

Ich drückte das Gespräch weg und ersetzte das Handy durch meine Kaffeetasse. Langsam schlürfend ging ich ins Wohnzimmer, wo ich erst den Verstärker einschaltete und gleich darauf den CD-Player.

Dann ließ ich mich in meinen großen Ohrensessel nieder. Hunger hatte ich keinen, so hatte ich mehr Zeit und genoss meinen Kaffee. Der Brief ging mir nicht aus dem Kopf und natürlich auch Christians Bruder Marc.

Die CD fing an zu spielen und ich versank in den Klängen des Klaviers.

*-*-*

„Hallo Leo, hast du schon den Artikel über Esoterik gelesen?“

Ich schaute auf, während Anke den Laden betrat.

„Nein habe ich noch nicht, aber du wirst mir sicher gleich erzählen, was darin steht. Guten Morgen übrigens.“

Lächelnd lief sie an mir vorbei und zog ihren knielangen Mantel aus.

„Da gibt es ein neues Buch, wie war noch der Titel gleich… ähm… ach ja. Wie sie den Draht zu ihrem Engel stärken.“

„Engel?“

„Ja deinem Engel. Der dir Kraft gibt, der dich beschützt und so.“

„So, ich habe einen Engel?“

„Ja, klar! Jeder hat einen Engel.“

„Ich hätte gern einen Engel aus Fleisch und Blut!“, meinte ich.

Somit war die Unterhaltung für mich erledigt und ich widmete mich wieder dem Computer. Sekunden später spürte ich eine Hand über meinen Nacken kraulen.

„He guck nicht so verbissen, irgendwann kommt schon dein Engel“, hörte ich Anke leise hinter mir sagen.

Ich schaute kurz auf und drehte meinen Kopf zu Anke. Bevor ich aber etwas erwidern konnte, wurden wir von einem Geräusch an der Ladentür unterbrochen. Unserer beiden Blicke fuhren zur Tür.

Dort konnten wir zwar Christian erkennen, der bereits die Klinke herunter gedrückt hatte, aber nicht herein kam.

„Warum bleibt Chris vor der Tür stehen?“, kam es von Anke.

„Weil dem Tsunami meist noch Wellen folgen.“

„Hä?“, entfleuchte es Anke verwirrt.

Lächelnd über die Tatsache, dass Anke eben nicht alles wissen konnte, widmete ich mich wieder dem PC. Die Tür wurde aufgezogen und Christian kam herein.

„Komm rein, hier beißt dich niemand, okay?“, hörte ich Christian sagen.

Er redete wie mit einem kleinen Kind. Die Neugier im Nacken und mich an die letzten Gespräche erinnernd, schaute ich abermals auf, um diesen Marc genau zu betrachten. Dick eingepackt, etwas kleiner als Christian, stand da verloren ein Häufchen Elend an der Ladentür.

Der Klang des Windspiels hallte im Laden nach.

„Hallo, ich bin Leonard“, sagte ich und trat hinter der Theke mit ausgestreckter Hand hervor.

„Marc… Christians Bruder…“, sagte der junge Mann, dessen Gesicht ich immer noch nicht richtig erkennen konnte, da es von einem dicken Schal eingepackt war.

„Man ist das kalt geworden“, sagte Christian, der seine Jacke auszog, „gibst du mir deine Sachen, Bruderherz?“

„Nenn mich nicht immer so“, brummelte Marc durch den Schal und begann ebenso die Jacke auszuziehen.

Christian grinste nur, nahm die Jacke und den Schal entgegen und verschwand in den hinteren Bereich des Ladens.

„Einen Kaffee?“, fragte ich Marc.

„Danke… gerne…“

Ich lief also wieder hinter die Theke und stellte eine Tasse unter den Automaten. Surrend gab er das schwarze Suchtmittel frei. Mit einer vollen Tasse drehte ich mich wieder zur Theke und stellte sie vor Marc ab.

„Milch und Zucker?“, fragte ich.

Marc sah mich an, als würde er durch mich hindurch schauen, so als wäre ich überhaupt nicht vorhanden.

„Marc?“, sagte ich leise.

Er fuhr etwas zusammen, ohne seinen Blick von mir zu wenden.

„Entschuldige, was hast du gesagt?“

„Ob du Milch oder Zucker möchtest.“

„Oh… danke, beides ja.“

Also stellte ich die Zuckerdose und das Milchkännchen hin. Die Ladentür ging auf.

„Hallo ihr lieben“, klang es von der Tür.

„Hallo Frau Schumacher“, hörte ich Anke sagen.

Ich sah auf und bemerkte die alte Dame, wie sie Anke eine Dose überreichte.

„Ich hatte Lust zum Backen und dachte mir, warum backe ich für euch nicht gleich etwas mit. Da fiel mir ein, ich suche schon lange nach ein paar neuen Rezepte, habt ihr da etwas für mich da?“

Frau Schumacher lächelte mir zu, während Anke sich schon an den Rezeptbüchern zu schaffen machte.

„Einen Kaffee, Frau Schumacher?“, fragte ich.

„Aber gerne.“

„Zwei Stück Zucker und ein kleinen Schuss Milch“, sagte ich, als bereits der Kaffee den Automaten verließ.

„Das ist aber lieb Leonard, dass Sie sich dass gemerkt haben.“

Ich lächelte sie an und stellte den Kaffee auf die Ablage.

„Hier ist man wirklich gut aufgehoben!“, sagte sie Richtung Marc, neben dem sie jetzt Platz genommen hatte.

Marc zeigte ein gequältes Lächeln und nickte. Ich war am Überlegen, ob ich Marc irgendwie etwas mehr Ruhe verschaffen könnte, aber Frau Schumacher redete einfach weiter.

„Ihr Gesicht kommt mir so bekannt vor. Sind Sie ein Schriftsteller?“

„Nein Frau Schumacher, das ist mein jüngerer Bruder Marc“, mischte sich nun Christian ein.

„Hallo Christian, schön Sie zu sehen. Stimmt jetzt wo Sie es sagen, fällt mir diese Ähnlichkeit auf.“

Es war das erste Mal, dass ich Marc richtig lächeln sah. Und ich erwischte mich dabei, wie ich ihn anstarrte.

„So unähnlich sind wir uns wirklich nicht, Frau Schumacher.“

„Suchen Sie denn auch ein Buch, oder besuchen Sie nur ihren Bruder?“, fragte Frau Schumacher weiter.

„Nein, mein Bruder hat mich eingeladen, doch hier mal einen Mittag zu verbringen… ich bin gerade hier auf Besuch…“

Weiter sprach Marc nicht und rührte in seinem Kaffee. Anke kam mit einem Buch an.

„Hier hätte ich was für Sie … Rezepte von Landfrauen…“, sprach sie Frau Schumacher an.

„Oh, davon habe ich schon gehört.“

Sie nahm das Buch entgegen und blätterte sofort darin.

„Ich glaube, ihr werdet die nächste Zeit als Versuchskaninchen herhalten müssen, da stehen wirklich gute Rezepte drin. Danke Anke… oh das reimt sich“, kicherte die alte Dame.

„Oh weh, meine arme Figur“, seufzte ich.

„Wieso, die ist doch in Ordnung“ hörte ich Marc sagen, der darauf sofort verlegen schaute und rot wurde.

Oh man bemerkt mich, interessant, also starrte ich nicht als Einziger. Ich machte also das, was ich für gewöhnlich machte. Einfach normal weiter sprechen, als wäre es nichts Besonderes.

„Ich brauch nur ein Stück Kuchen anzuschauen, schon nehme ich zu“, behauptete ich und lächelte Marc an.

„Männer!“, sagte Anke verächtlich und Frau Schumacher kicherte.

Der Türgong unterbrach die Unterhaltung, zwei Frauen betraten den Laden. Christian legte ein Buch ab und schwebte langsam zu den Frauen.

„Kann ich behilflich sein?“, hörte ich ihn in seiner gewohnt freundlichen Art.

„Du Leonard… ich wollte mich bei dir noch mal bedanken“, entriss mich Marc dieser Szene.

„Bitte? Was meinst du?“, fragte ich leise, obwohl Frau Schumacher anscheinend im Backbuch vertieft war.

„Dass du meinem Bruder die Chance hier zum Arbeiten gegeben hast. Er war wirklich verzweifelt.“

„Er ist gut, warum sollte ich das nicht nutzen?“

„Du konntest du doch nicht wissen, ob jemand gut ist. Hast doch Christian vorher nicht gekannt.“

„Ich vertraue da einfach auf meine Menschenkenntnis, da bin ich bisher noch nie falsch gelegen.“

Anke schaute in diesen Augenblick herüber, als würde sie das Gespräch hören.

„Na ja, fast nicht falsch gelegen.“

„Egal, auf jeden Fall hast du ihm geholfen und das finde ich klasse.“

„Und wie kann man dir helfen?“, rutschte mir heraus.

Mist, das war ja jetzt das vollste Fettnäpfchen, welches herum stand. Seine Augen wurden wieder trauriger.

„Sorry!“, sagte ich und machte so, als würde ich mich in irgendwelchen Dokumenten vertiefen.

„Das Buch ist wirklich herrlich, kann ich dann zahlen Leonard, wären Sie so nett und würden kassieren?“, kam es plötzlich von Frau Schumacher.

„Klar Frau Schumacher, würden Sie es mir kurz geben?“

Sie reichte mir das Buch und ich suchte die darin befindliche Karteikarte. Nachdem ich sie gefunden hatte, zog ich das Buch durch den Scanner und der Preis wurde auf dem Flachbildschirm angezeigt.

„11, 95 Euro macht es dann.“

Frau Schumacher zog ihr Portemonnaie heraus und gab mir einen Zwanziger. Ich gab den Posten ein und sofort erschien das Rückgeld. Ich lege es in die Schale auf der Theke.

„Danke, Leonard. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Mittag.“

„Danke ebenfalls Frau Schumacher.“

Ich lief um die Theke herum zur Tür und hielt ihr diese auf.

„Auf Wiedersehen zusammen“, rief sie noch und verschwand aus dem Laden.

Ich schloss die Tür wieder und lief zurück an die Kasse.

„Eine nette Frau“, sagte Marc.

„Ja, das ist sie wirklich. Sie war übrigens meine erste Kundin, als ich den Laden eröffnete.“

„Finde ich schön, wenn man so Stammkunden hat.“

Seine Stimme klang traurig, aber was sollte ich machen. Offiziell wusste ich sicher nicht, was ihm widerfahren war, wusste auch nicht, was Christian über mich erzählt hat. Man könnte fragen, aber das würde ja gleich mein Interesse bekunden.

Also schwieg ich, da ich eh nicht wusste, über was ich mit Marc reden sollte. Ich versuchte wieder, mich in die Listen meiner Karteikarten zu versenken, aber es gelang mir nicht recht. Dicht gegenüber saß ein Mann, der eindeutig mein Interesse geweckt hatte.

Ich schaute kurz hoch und als ich sah, dass Marc sich mit einer Broschüre beschäftigte, konnte ich meinen Blick auf ihm ruhen lassen. Die großen Augen waren mir schon bei der Begrüßung aufgefallen.

Tief braun stachen sie einem mit ihrer Klarheit ins Herz, wenn man dies zulassen wollte. Im Gegensatz zu Christian hatte Marc volleres Haar, das nun leicht verwuschelt in alle Richtungen stand.

Das helle Blond ließ die Augen noch mehr zur Geltung kommen. Ein Lächeln zierte mein Gesicht, weil ich sein Gesicht als so angenehm empfand. Sicher würde er protestieren, wenn ich behauptete er hatte eine süße Stupsnase, die sich dicht über den weichen sanften Lippen befand.

Marcs Anblick hatte mich gefangen, so gefangen genommen, dass ich nicht mal wahrnahm, dass der mich plötzlich anschaute. Ich wich seinem Blick nicht aus, sondern versank in diesen Augen, die nun eine Spur fröhlicher schauten, als ich noch vorhin noch wahrgenommen hatte.

„Zufrieden?“

Ich zuckte zusammen.

„Bitte?“, fragte ich, lief rot an, weil ich mich ertappt fühlte.

Mist, gleich zu Anfang alle Neune.

„Bist du zufrieden?“, fragte Marc.

Diese Frage klang unangenehm, weil etwas Sarkasmus hervor trat. Doch ich kam nicht zur Antwort, Marc stand auf und lief etwas im Laden herum. Ich seufzte in mich hinein. Klar war seine Bitterkeit verständlich.

Einfach abgelöst zu werden, ausgetauscht gegen etwas Neues. Ein kurzer Gedanke der Ersetzbarkeit kam in mir auf, aber ich verwarf ihn gleich wieder. Wenn jemand richtig liebte, konnte es keinen Ersatz geben.

So ging ich weiter meiner Arbeit nach, während sich der Laden langsam füllte. Marc hatte sich mittlerweile in einem der kleinen Sessel breit gemacht und schien zu lesen. Es hatte sich wohl herum gesprochen, dass man hier Probelesen konnte und dazu auch einen Kaffee bekam.

Ich hatte alle Hände voll zu tun um Kaffee zu kochen, während Christian und Anke in Gespräche verwickelt waren. Wenn ich etwas Luft hatte, spülte ich hinten die Tassen, damit uns der Vorrat nicht zur Neige ging.

Kurz vor der Mittagsessenszeit leerte sich der Laden wieder und meine Kasse war auch etwas voller als vorher.

„Man merkt, es geht wieder auf Weihnachten zu, die Leute kaufen mehr Bücher“, meinte Anke.

„Ja, es kann sich sehen lassen.“, meinte ich und sortierte die sauberen Tassen ins Regal.

„Was machst du über die Feiertage Christian?“, fragte Anke.

„Ich bin eigentlich bei Bekannten eingeladen, aber wegen Marc…“

„Du brauchst wegen mir nicht absagen, werde schon irgendwie versorgt sein“, unterbrach Marc seinen Bruder.

„Marc, ich möchte nicht, dass du Weihnachten alleine verbringst“, widersprach Christian.

Es war niemand im Laden, so mischte ich mich auch nicht ein und ich ließ die zwei reden.

„Ach, sonst hat es dich auch nicht gestört, was ich mache, als ich noch mit…“

Marc brach seinen Satz und schaute wieder in sein Buch.

„Du hast mir wohl immer noch nicht verziehen.“

Christians Gegenüber schaute weder auf, noch antwortete er auf den Satz. Anke schaute zu mir rüber, doch ich zuckte nur mit den Schultern. Christian selbst lief nach hinten.

„Bin etwas essen“, sagte er noch und eilte zur Tür hinaus.

Das Glockenspiel hallte im Laden nach, bis es wieder völlig still war.

„Ich muss dann… noch etwas besorgen“, meinte Anke plötzlich und verschwand auch recht schnell.

Vorwurfsvoll schaute ich ihr hinterher. Jetzt war ich alleine mit Marc. Super! Ich wischte noch den Tresen ab und war eigentlich fertig, aber Marc machte keine Anstalten sich zu rühren.

„Entschuldige, wenn ich dir soviel Stress mache“, sagte plötzlich Marc leise.

„Machst du nicht…Marc.“

„Weißt du… die letzten zwei Jahre haben sich meine Brüder einen Dreck um mich geschert. Keiner rief an, keiner meldete sich auf irgendeine Art und Weise.“

„Hast du dich denn gemeldet?“

„Warum sollte ich?“

„Es sind deine Brüder…“

„Ja und?“

„Also wenn ich Geschwister hätte, würde ich mich schon bemühen Kontakt zu halten, egal was vorgefallen ist.“

„Ah… ein Einzelkind.“

„Ja…, war aber besser so… bei den Erzeugern.“

„Hört sich so an, als hättest du auch keinen Kontakt mehr zur Familie.“

„Ja, aber aus einem anderen Grund.“

„Ich will ja nicht neugierig sein…“

„… meine Eltern haben mich abgeschoben. Hast du Lust mit rauf zu kommen? Ich möchte ungern meine Mittagspause hier unten verbringen.“

Marc schaute etwas zerknirscht, stand aber dennoch auf. Ich schloss noch die Ladentür ab und bewegte mich dann nach hinten zur Wendeltreppe. Marc folgte mir. Oben angekommen, war mein erster Gang wieder zur Kaffeemaschine.

„Auch einen?“, fragte ich und griff, ohne eine Antwort abzuwarten, nach zwei Tassen und stellt sie unter den Automaten.

„Ja gerne.“

Die Stille wurde vom Brummgeräusch des Automaten unterbrochen, dessen Inhalt sich nun den Weg in die Tassen bahnte. Ich holte Zucker und Milch heraus und fügte seinem Kaffee die vorhin beobachtete Menge hinzu.

„Du beobachtest viel?“, sagte Marc, der nun neben mir stand.

„Gehört zu meinem Job…, aber auch wenn ich jemanden kennen lernen will.“

Oh man, den letzten Satz hätte ich mir verbeißen können.

„Du willst mich also kennen lernen… Warum?“

„Hm… weil ich dich interessant finde?“

„Was ist denn bei mir schon interessant?“

„Das kann ich dir so nicht sagen, schwierige Frage.“

Marc nippte an seinen Kaffee, ohne aber seinen Blick von mir zuwenden.

„Warum hast du keinen Freund?“, fragte er nun plötzlich.

„Vielleicht, weil ich auch ein paar Enttäuschungen hinter mir habe.“

„Sorry…, ich wollte dir nicht zu Nahe treten.“

„Noch näher?“, fragte ich mit einem Grinsen.

Marc sah mich etwas verwirrt an. Ich wusste nicht, ob es ihm aufgefallen war, wie dicht er neben mir stand. Mein Gesicht wurde wieder ernst.

„Marc, ich weiß annähernd, wie du dich jetzt fühlen musst“, begann ich und legte meine Hand auf seinen Arm, „und es gibt auch kein Rezept dagegen, außer vielleicht zu versuchen es zu akzeptieren, denn rückgängig kannst du es ja sowieso nicht machen, oder?“

Er schüttelte den Kopf und zog auch nicht den Arm zurück. Ich bemerkte, wie ich drauf und dran war, mich in den Kerl zu verlieben. Unser Blickkontakt war noch derselbe. Keiner wich aus.

„Und du findest mich wirklich interessant?“, fragte Marc leise.

Ich nickte.

„Ich verstehe es zwar nicht, aber es ist ein tolles Gefühl“, sprach Marc weiter.

Seine Lippen säumte ein kleines Lächeln und auch seine Augen sahen eine Spur fröhlicher aus. Plötzlich schaute er nach unten.

„Einen Cent für deinen Gedanken“, sagte ich.

Das kleine Lächeln wuchs zu einem großen Lächeln heran.

„Ich weiß, es hört sich jetzt vielleicht etwas verrückt an… und da du so offen bist – ehrlich, ich habe gerade über dich nachgedacht.“

„Über mich?“

„Ja. Ich kenne dich zwar erst ein paar Stunden…, aber von dir geht etwas aus… das mir gut gefällt.“

Eine leichte Röte stieg in mein Gesicht. Das waren nette Worte und auch mir gefiel das, was vor mir stand.

„Meinst du das ernst?“, fragte ich leise.

Marc nickte und bis jetzt war sein Lächeln nicht von den Lippen verschwunden.

„Meinst du…, dass es irgendwelche… Chancen gibt…, dass wir beide… du und ich… irgendwie… zusammen kommen könnten, also so… als Freunde… also ich meine…“

„Ich weiß schon was du meinst, Leo, Es ist süß, wie du dich ausdrückst.“

Noch mehr Röte stieg in mein Gesicht. Ich nippte an meinem Kaffee, der mittlerweile kalt geworden war. Nachdem ich das Gesicht verzogen hatte, schüttete ich ihn ins Waschbecken.

„Einen frischen?“, fragte ich nun, als Marc skeptisch in seinen Kaffee schaute.

Er nickte. So nahm ich ihm die Tasse aus der Hand und berührte dabei seine Finger. Ein Kribbeln ging durch meinen Magen und meine Knie wurden leicht weich. Was war das hier? Wie verliebt sich ein Siebzehnjähriger?

Das Surren der Kaffeemaschine riss mich aus den Gedanken und ich lächelte Marc zu.

„Ich sollte mich wohl bei meinem Bruder entschuldigen…“, sagte Marc plötzlich.

Ich schaute ihn an wie einen verliebten Affen und verstand erst seine Worte nicht. Erst als er mich durchdringend anschaute, wachte ich aus meinem Tagtraum auf.

„Äh… was hast du gesagt?“, fragte ich.

Wieder lächelte er.

„Dass ich mich bei meinem Bruder entschuldigen sollte… eigentlich eher dankbar sein sollte… sonst hätte ich dich nicht kennen gelernt.“

„Das solltest du vielleicht tun…, ja!“

Marcs Blicke wanderte durch die Küche.

„Schön hast du es hier.“

„Danke.“

Sein Blick blieb auf dem Tisch kleben. Mein Blick folgte seinem und entdeckte den Brief, den ich gestern bekommen habe.

„Sammelst du alte Schriften?“, fragte mich Marc.

„Nein, wieso fragst du?“

„Weil da ein Brief in altdeutscher Schrift liegt.“

„Den habe ich gestern erst bekommen, konnte ihn aber nicht lesen, weil ich des Altdeutschen nicht mächtig bin.“

„Welch Glück, dass du mich hast.“

So, hatte ich das? Ich lächelte.

„Soll ich ihn dir vorlesen?“

„Wenn du das kannst, fände ich das toll, denn er wurde mir von meinem Notar zugestellt.“

„Notar?“, fragte Marc.

„Ja, das kann ich dir später erklären…“, sagte ich und nahm den Brief heraus und reichte ihm diesen, „ich würde gerne wissen was da drin steht.“

„Kein Problem“, meinte Marc und griff sich an die Brust.

„Suchst du etwas?“

„Öhm… ja… meine Brille.“

„Du hattest vorhin beim lesen doch auch keine Brille an.“

Marc wurde tief rot im Gesicht.

„Da hab ich… nur so getan…“

Ich fing schallend laut an zu lachen.

„Und warum, wenn ich fragen darf?“

„Du hast mich so durcheinander gemacht, dass ich nicht zu lesen imstande gewesen wäre.“

„So, so. Jetzt bin ich der Übeltäter. Deine Brille befindet sich vielleicht in deiner Jacke?“

„Stimmt du hast recht, ich hole sie, Moment.“

Flinken Schrittes verließ er die Küche. Wenige Sekunden später hörte ich Schritte, wie sie die Wendeltreppe benutzten. Ich wandte mich an die zwei Kaffeetassen und versah sie verträumt mit Milch und Zucker.

Sollte es wirklich sein, dass ich einen Menschen gefunden habe, der mich diesmal nicht ausnutzen würde. Wieder hörte ich Schritte. Diesmal aber in Richtung nach oben. Ein leichtes Gepolter und ein Fluchen kamen anschließend.

Ich verließ die Küche und kam durch die offene Wohnungstür zur Wendeltreppe, wo mir Marc entgegen kam.

„Ist etwas passiert?“, fragte ich verwundert.

„Öhm… ich bin wohl zu schnell die Treppe hinauf und bin gestolpert.“

Nur mit Mühe konnte ich ein Lachen unterdrücken, sein Gesichtsausdruck war zu köstlich.

„Hast du dir wehgetan?“

„Nein, nicht der Rede wert.“

Erst jetzt bemerkte ich die kleine Nickelbrille auf seiner Nase. Sie stand ihm aber gut. Leicht humpelnd lief er vor mir her in die Küche.

„Und du hast dir sicher nicht wehgetan… öhm du humpelst.“

Etwas verlegen schaute er mich an, bevor er sich bückte und sein Hosenbein hochzog. Zum Vorschein kam eine dunkelrote Einfärbung seines Schienbeins.

„Dass gibt bestimmt einen blauen Fleck. Willst du einen Kühlpad drauf tun?“, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf und ließ das Hosenbein wieder nach unten rutschen.

„So, wo ist denn der Brief, damit ich ihn dir vorlesen kann.“

„Hier!“, meinte ich und reichte ihm das Stück Papier.

Vertieft lass er kurz drüber.

„Okay, dann wollen wir mal:

Lieber Leonard,

ich weiß du kennst mich nicht, aber das lag wohl an meiner Schwester Lena, die nie sonderlich gut auf mich zu sprechen war. Deswegen auch der Gedanke, dass sie sicher nichts von mir erzählt hat.

Da unser Kontakt sehr spärlich war, habe ich leider erst jetzt erfahren, dass deine Großmutter verstorben ist…

Der Gedanke an meine Oma trieb mir etwas die Tränen in die Augen.

… Es tut mir sehr Leid, dass ich nicht noch zu ihren Lebzeiten unseren Streit beilegen konnte. Bis zu diesem Streit hatte sie immer sehr voller Stolz von dir erzählt. Nun möchte ich wenigstens bei dir versuchen, es wieder gut zu machen.

Ich habe selbst keine Kinder und lebe daher alleine. Falls du und dein Freund? Zeit hättet, würdet ihr an Weihnachten bei mir vorbeischauen? Ich gehe einfach mal davon aus, dass du einen Freund hast, so wie deine Großmutter über dich als großartigen Menschen immer geschwärmt hat.

Du siehst, ich habe auch keine Probleme mehr mit deiner Homosexualität … der eigentliche Grund des Streits zwischen meiner Schwester und mir. Ich habe zurzeit einen Zivildienstleistenden der mir immer die Mahlzeiten bringt. Er ist schwul, oder wie ihr das nennt und durch ihn habe ich viel erfahren und auch gemerkt, dass ich einen großen Fehler gemacht habe.

Nun hoffe ich, dass du dich bei mir meldest und vielleicht auch zusagst, das würde mich sehr freuen.

Liebe Grüße

Irmgard

Buh… das war jetzt heftig.

„Du hast nichts von ihr gewusst?“, fragte mich Marc.

„Nein“, sagte ich und wischte mir die Tränen aus den Augen.

„He, nicht weinen bitte“, meinte Marc und nahm mich in den Arm.

„Sie fehlt mir sehr… meine Oma. Sie hat mich groß gezogen… meine Eltern wollten mich ja nicht. Es tut so weh… und ich fühle mich so alleine…“

Ich konnte nicht mehr dagegen ankämpfen, meine Tränen rannen ungehindert auf Marcs Pulli.

„He… schhhhht… ist doch in Ordnung…“

Ich ließ Marc los und suchte nach einem Taschentuch.

„Brauchst du so etwas?“, fragte Marc und hielt mir eins unter die Nase, „ich habe jede Menge davon.

Ich lächelte leicht und nahm das Päckchen dankend an. Danach putze ich mir die Nase.

„Also… wenn du… um deine Frage, von vorhin zu beantworten… ich würde gerne… also ich meine… dein Freund sein.“

Jetzt musste ich lächeln, weil Marc diesmal vor sich hinstotterte. Ich fiel ihm um den Hals und drückte ihn fest an mich.

„Soll das ein Ja sein?“, fragte Marc leise.

Ich ließ ihn los und strahlte ihn an.

„Wenn du mir versprichst, auch nicht mehr traurig zu sein…“

„Ich werde zwar noch brauchen, darüber hinweg zu kommen… aber ich denke mit dir an der Seite wird mir das leichter fallen.“

Seine Augen glänzend nun auch und eine einzelne Träne verließ das rechte Auge. Ich hob die Hand, legte sie an seine Wange und wischte sie mit dem Daumen weg. Marc wiegte sein Gesicht in meiner Hand.

Unsere Gesichter näherten sich langsam, bis sie nur noch Millimeter voneinander entfernt waren. Ich schloss meine Augen und wenige Sekunden später spürte ich seine Lippen auf den meinen.

„Hab ich dir nicht gesagt, ich weiß wo dein Bruder steckt.“

Erschrocken fuhren wir auseinander. Vor lauter Küsserei hatten wir nicht bemerkt, dass Christian und Anke heraufgekommen waren.

„Öhm… schon, aber dass er gleich an meinem Chef klebt, habe ich dir nicht geglaubt“, stammelte Christian.

„Marc hör mal, es tut mir Leid wegen vorhin… ich hätte nicht einfach so verschwinden sollen.“

„Kein Problem Bruderherz, aber ich war auch schuld… und zudem hätte ich wohl diesen besonderen Mann hier nicht näher kennen gelernt, wärst du nicht gewesen.“

Mir schoss schon wieder die Röte ins Gesicht und Anke begann fies zu grinsen.

„Und wegen Weihnachten brauchst du dir auch keine Gedanken machen, denn ich werde nicht da sein“, sprach Marc weiter.

„Nicht da?“

„Ja, ich werde wohl meine neue „Errungenschaft“ zu einer Verwandten begleiten.“

„Verwandten?“, fragte Anke.

„Ja, die Schwester meiner Oma“, erklärte ich, „… du willst wirklich mit?“, fragte ich Marc.

„War da nicht von deinem Freund die Rede?“, kam es von Marc.

„Also gehe ich mal davon aus, dass ihr zusammen seid“, fragte Christian und lächelte.

Marc schaute mich kurz grinsend an.

„Ich weiß, es geht alles etwas sehr schnell, aber ich würde die Frage mit einem Ja beantworten.“

Ich nickte bestätigend. Anke lief zu Marc und griff nach seinem Pulli.

„Nur eins noch, solltest du meinem Kleinen hier wehtun, dann wirst du mich kennen lernen“, sprach Anke.

Dass sie es nicht ganz so ernst meinte, konnte ich an ihrem Grinsen sehen.

„Das habe ich wirklich nicht vor!“, verteidigte sich Marc.

„Okay, ich hätte dich ungern als Grillbeilage verwendet!“

Marc schaute mich mit großen Augen an und ich begann zu kichern.

„Also ich geh mal runter“, unterbrach Christian die Unterhaltung, „wollen ja noch einige Leute mit Weihnachtsgeschenken versehen!“

„Also ich habe meins schon bekommen“, strahlte Marc neben mir und legte den Arm um mich, „und das gebe ich nicht mehr so schnell her.“