Rausch der Sinne

„Auf der A8 wurde vergangene Nacht das Teilstück, zwischen Hohenstadt und Merklingen, für mehrere Stunden gesperrt. Ein Auto ist, noch aus ungeklärten Gründen, in die Mittelleitplanke gefahren und hat sich dabei mehrfach überschlagen. Alle vier Insassen waren sofort tot.

Die Polizei geht aber von überhöhter Geschwindigkeit mit Alkoholeinfluss aus. Die vier jungen Männer kommen aus den umliegenden Ort…“

Ich schüttelte den Kopf und drehte das Radio leiser. Ich kam einfach nicht mit meinem Referat weiter, also speicherte das Geschriebene ab und schloss das Programm. Es war schon kurz vor sieben, und ich wollte heut Abend ja mit den Jungs noch weggehen.

Ich stieg aus meine Klamotten und ging ins Bad. Als ich unter der Dusche stand klopfte es. Ich drehte das Wasser ab.

„Ja, was ist?“, rief ich.

„Michael, wir fahren dann jetzt, wir sehen uns dann morgen wieder!“

„Okay Mum, viel Spass und grüß mir Tante Elvira.“

„Ja, richte ich aus, schönen Abend noch.“

„Danke Mum.“

Ich drehte das Wasser wieder an, denn langsam wurde es mir kalt. Nach dem ich fertig geduscht und abgetrocknet war, lief ich wieder in mein Zimmer. Da meine kleinere Schwester Katja nicht da war, konnte ich das nackt tun.

Ich suchte mir die passenden Klamotten für den Abend raus, und zog mich an. Den Pc fuhr ich runter und ging noch mal ins Bad. Kurz ein bisschen Gel in das Haar, durcheinander gemacht und schon saß meine Frisur.

Sollte ich etwas von meinem Schminkzeug draufmachen? Ich sah mich im Spiegel an. Nein, heute ging ich mal so weg. Ich löschte das Licht und verließ das Bad. Unten war alles zu, so schnappte ich mir meine Jacke und verließ das Haus.

Draußen auf der Strasse blieb ich kurz stehen, ich wunderte mich, wo mein Auto war. Da fiel mir ein, dass ich es heute auf der anderen Seite geparkt hatte, weil kein Platz mehr war. Ich musste mich aber langsam beeilen, denn Benni wartete bestimmt schon auf mich.

„Wo bleibst du denn?“, begrüßte mich Benni, als ich bei ihm ankam.

„Bin doch da, was regst du dich so auf?“, fragte ich und wartete, bis er sich angeschnallt hatte.

„Wir wollen doch heute in die neue Diskothek am Brenslauer Platz gehen.“

„Weiß ich, wir werden schon nicht zu spät kommen, meinte ich und fuhr los.

„Wo ist deine Kriegsbemalung?“, fragte Benni.

Ich schaute zu ihm hinüber und sah, dass er grinste.

„Dir kann man es auch nicht recht machen“, meinte ich und konzentrierte mich weiter auf den Verkehr.

„Och, zickt der Kleine wieder rum?“, sagte Benni und strich mir zärtlich über die Wange.

„Lass die Finger weg, du weißt ich beiße gerne!“

„Egal, ich bin gegen Tetanus geimpft.“

Nun musste ich auch lachen. Benni und ich kannte uns schon lange, er war auch der erste, der erfuhr, dass ich schwul war. Natürlich war ich damals Hals über Kopf in ihn verliebt, aber er hatte leider doch nur Mädchen im Kopf.

Vorsichtig parkte ich in die enge Lücke ein.

„Das schaffst du immer besser“, meinte Benni und löste seinen Sicherheitsgurt.

„Ich bin gespannt, wie du einparkst, wenn du endlich deinen Führerschein hast!“

„Wenn du mir dann dein Auto gibst, zeig ich dir das dann.“

„Wenn man solche Freunde hat, braucht man keine Feinde mehr“, sagte ich und stieg grinsend aus.

„Ah, da seid ihr ja endlich“, rief uns Lukas entgegen, „was hat euch aufgehalten?“

„Seinereiner war bestimmt wieder zu lange vor dem Spiegel gestanden“, meinte Benni und knuffte mir in die Seite.

Die anderen begannen zu grinsen.

„Warum geht ihr nicht rein“, fragte ich und bemerkte die Schlange vor dem Laden.

„Wissen wir nicht genau, aber anscheinend hat der Besitzer Ärger mit der Polizei“, sagte Matthias.

„Jetzt schon, die haben doch erst eine Woche auf!“, kam es von Benni.

„Ja, und in der Wochen sind zu viele betrunkene Minderjährige aufgefallen.“

„So schlau müssten die doch sein, denen keinen Alkohol zu geben“, sagte Lukas.

Ich nickte und sah die Schlange entlang. Die meisten hätte ich für mein Alter gehalten, aber bei längeren beobachten, bemerkte ich doch, das hier sogar einige unter sechszehn waren. Sogar Jungs, die aufgestylt hier standen, waren schwer einzuschätzen.

„Und schon ein potentielles Opfer raus gesucht“, flüsterte Benni von der Seite.

Ich schaute zu ihm hinüber.

„Wie denn? Schau sie dir doch mal an! Kannst du einen Unterschied entdecken? Die sind doch irgendwie schwul angezogen, oder?“, fragte ich.

Die anderen drehten sich jetzt natürlich auch um und schauten.

„Ja, die figurbetonten Klamotten sind voll in und so Schmuckbehangen zu sein auch. Warum läufst du nicht so herum, du bist ja schließlich schwul?“, fragte Lukas.

„Weil mir das nicht so gefällt, und ich nicht immer so herum laufen möchte“, antwortete ich trocken.

„Ein Schnuckel für dich, wir ja mindestens dabei sein, oder?“, fragte Matthias.

„Wenn nicht, werde ich mit ihm tanzen“, sagte Benni und legte grinsend den Arm um mich.

„Ist ja richtig rührend, wie ihr euch um mich kümmert, aber nun geht mal selber auf die Pirsch, zum Beispiel bei der Gruppe von Mädchen, die euch schon die ganze Zeit beobachtet“, meinte ich und löste mich von der Umarmung.

Ruckartig fuhren die Köpfe herum und ein einstimmiges >Wo?< kam mir entgegen.

„Michael ich glaube, du musst alleine tanzen, so wie Benni neben dir zu sabbern anfängt, sagte Christian lachend.

Benni neben mir lief rot an und ich musste nun auch lachen. Am Eingang tat sich nun auch etwas, die Beleuchtung wurde heller, und die Türen gingen auf. Zwei Rausschmeißertypen postierten sich auf jede Seite der Türen.

Langsam fing sich die Schlange an zu bewegen und wir kamen unserem Ziel schon näher. Mir fiel auf, dass nicht jeder rein durfte, einige wurden abgewiesen. Laut protestierend zogen sie ab.

„Habt ihr eure Ausweiße dabei, die kontrollieren das Alter“, rief Lukas.

Alle nickten und zogen ihre Brieftaschen vor um die Ausweiße griffbereit zu haben. Die Gruppe Mädchen, die mir aufgefallen waren, kamen auf jeden Fall alle hinein. Laute Musik wehte uns entgegen, je näher wir den Eingang kamen.

Wie Lukas sagte wurde die Ausweiße kontrolliert und schon waren wir drinnen. Wir gaben unsere Jacken ab und schauten uns erst einmal um. Man konnte entweder unten an der Tanzfläche sitzen oder oben gab es eine Galerie.

„Ich wäre für oben, da hat man mehr Platz“, meinte Christian und war schon ein paar Schritte hinaufgegangen.

Geschlossen folgten wir ihm.

„Da sind auch die Mädels“, kam es von Lukas und steuerte den Nachbartisch an.

Begeistert war ich zwar nicht so, aber ich folgte meinen Freunden. Es war nett hier. Runde Tische in der Mitte und rundes Sofas, die drum herum aufgestellt waren. Ich ließ mich einfach neben Benni fallen.

Cool fand ich, dass hier oben fast alles aus Glas war und man somit ohne Probleme auf die Tanzfläche schauen konnte. Sogar der Boden war mit mehreren Glasfenstern bestückt.

„Hier hast du ja die totale Übersicht“, meinte Benni und schaute zwischen seinen beiden Beinen hinunter um nach unten zu schauen.

Lukas hing schon halb über dem Sofa und versuchte sich in Kontaktaufnahme, zum Nachbartisch. Anscheinend mit Erfolg, den die Mädchen erhoben sich und kamen rüber zu uns. Auch das noch. Jeder am Tisch wusste, dass jetzt wieder ein Outing anstand, nämlich das von mir.

Benni schien meine Gedanken zu lesen und klopfte auf meine Schulter.

Wird schon werden, mein Kleiner“, sagte er und wir rutschen enger zusammen.

Man stellte sich vor und war schnell ins Gespräch gekommen Man redete über Schule und Ausbildung. Lukas schnappte sich Sophie und die zwei gingen nach unten zum Tanzen. Ich war die ganze Zeit eher ruhig und hörte den Gesprächen zu.

„Und du… Michael oder? Was machst du?“, fragte mich mein gegenüber.

„Ja, Michael. Bin auf der Designerschule für Mode und Stoffe, im neuen Stadtteil“, antwortete ich, und du bist?“

Sie wollte gerade ansetzten, als ein junger Mann an den Tisch und fragte, was wir trinken wollten. Ich schaute auf und ihm direkt in die Augen. Wie lange wusste ich nicht, den plötzlich spürte ich einen Ellenbogen in meinen Rippen.

„Hör auf, so zu starren“, flüsterte mir Benni ins Ohr, „das ist ja noch peinlicher, als bei Lukas.“

Vor mir stand ein Prachtexemplar von Kerl. Das weiße, enge Muskelshirt zeigte jeden Muskel seines Oberkörpers. Die schwarzgegellten Haare standen in alle Richtungen. Silberohringe, Lederbändchen um den Hals.

„Micha, hör auf!“

Wieder war es Benni der mir in die Seite knuffte.

Ich erlag sofort diesen eisblauen, glänzenden Augen und dieses Lächeln, wenn unsere Blicke sich trafen, ich hätte dahinschmelzen können.

„Und was möchtest du trinken?“, fragte er.

„Micha…, was willst du trinken?“, kam es von Benni.

„Ich? Äh… ach so, eine Cola.“

„Groß oder Klein?“, fragte er.

„Groß… sehr groß…“

Und schon setzte er sich in Bewegung, nicht ohne mir noch mal ein Lächeln zu schenken.

„Könnte es sein, dass mein Gegenüber schwul ist?“, hörte ich jemand in der Ferne sagen.

„Kann nicht nur, er ist es.“

Mit wem redete Benni. Ich starrte immer noch dem Typ nach, der mittlerweile wieder hinter der Theke stand.

„Michael kommst du bitte wieder zu uns?“

Ich zuckte zusammen und sah plötzlich viele grinsende Gesichter vor mir.

„Was denn?“, fragte ich.

„Hast du Hunger?“, wollte das weibliche Gegenüber wissen.

„Ich? Wieso?“

„So wie du den Typen grad verschlungen hast.“

„Bitte?“, verwundert schaute ich zu Benni, der mir nur zunickte.

„So schlimm?“, fragte ich.

„Ja!“, tönte es mir von allen Seiten entgegen.

„’Tschuldigung, aber so was…“, wieder verfiel ich ins Träumen.

„Michael, jetzt reis dich mal zusammen, das wird wirklich langsam peinlich mit dir. Simone, er ist normalerweise nicht so, ich habe ihn noch nie so erlebt!“, kam es von Benni.

Da kam der Traumtyp auch schon wider zurück, beladen mit einem Tablett voll Getränken. Benni versuchte erst gar nicht, mich anzureden, sondern nahm für mich meine Cola entgegen. Jeder bezahlte gleich, ebenso ich.

„Stimmt so“, sagte ich total hin und weg.

„Michael!“, rief Benni jetzt schon fast sauer, „das sind fünfzig Euro.

„Kein Problem, ich hätte es nicht behalten“, sagte der Traummann und gab mir das Geld zurück, dann verschwand er wieder.

Ich nahm das Geld und wollte es zurückstecken, da viel ein Kärtchen runter. Benni bückte sich und hob es auf.

„Was ist das?“, fragte er.

„Ich weiß nicht und sah es mir an.

Das war eine Visitenkarte von der Disco hier, mit üblicher Beschriftung. Ich drehte sie um dann stand eine Handynummer drauf und ein Name. Alex!

* * *

„Hast du ihn schon angerufen?“

„Benni, was rufst du so früh an, es ist grad mal halb neun“, meinte ich verärgert und rieb mir den Schlaf aus den Augen.

„Bist doch sonst immer so früh wach“, hörte ich Benni sagen.

„Erstens ist Samstag und zweitens, wenn bin ich erst um drei ins Bett, wie soll ich dann schon wach sein?“

Ich schlug die Decke zurück und setzte mich auf.

„Und nein, ich habe ihn noch nicht angerufen.“

„Wieso nicht?“

„Der hatte vielleicht noch ein bisschen länger Dienst, als wir da waren, könnte sein, dass er auch noch schläft?“, antwortete ich.

„Mein Gottchen, ist der Herr heute morgen wieder zickig.“

Wenn er vor mir gestanden wäre, hätte ich ihn jetzt den Kopf abgerissen.

„Hast du schon gefrühstückt?“, fragte ich, und versuchte wieder freundlich zu klingen.

„Dachte schon, du frägst nie“, und ich hörte Bennis Lachen durch das Handy.

„Bringe aber bitte Brötchen mit, ich weiß nicht ob meine Eltern schon einkaufen waren.“

„Geht klar, bis gleich!“, und ohne auf eine Verabschiedung zu warten, hatte er das Gespräch schon weggedrückt.

Also stand ich auf und ging erst mal ins Bad. Im Haus war es noch ruhig, also schliefen noch alle. Nach dem ich geduscht hatte, versuchte ich meinen müden Leib, in die Küche zubewegen. Ein bisschen in Trance holte ich das Geschirr hervor.

Ich schüttete das Wasser in die Kaffeemaschine und schaltete sie an.

„Wenn du auch noch Kaffeepulver reinmachen würdest, wird das sicher ein wunderbarer Kaffee.“

Ich fuhr herum, meine Mum stand am Türrahmen gelehnt.

„Oh Mum, du sollst mich doch nicht immer so erschrecken.“

Sie lachte und nahm die Kaffeedose aus dem Schrank.

„Deck du den Tisch, ich mach den Rest, weck aber vorher Papa, der soll Brötchen holen.“

„Braucht er nicht, Benni bringt sie schon mit.“

„Wie konnte ich nur vergessen, dass der selbsterwählte Herr Sohn, uns Samstags Morgen mit Brötchen versorgt“, meinte sie.

Ich sah sie nur an.

„Michael, weck deinen Vater trotzdem und dir koche ich eine Spezialmischung. um dich wieder unter die Lebenden zu bringen.“

„Danke Mum“, antwortete ich und gähnte herzhaft.

„Aber heute noch!“, rief sie mir hinterher.

Ich lief wieder die Treppe hinauf, zum Schlafzimmer meiner Eltern. Ich ging ins Zimmer und wollte den Rollladen hochziehen, aber irgendetwas auf dem Boden war meiner Aufmerksamkeit entgangen.

So stolperte und fiel ich mit lautem Schrei mitten auf das Bett, sprich auf den darin liegenden Dad. Der war sofort hellwach und sah mich schmunzelt an.

„Guten Morgen Herr Sohn, auch schon unterwegs?“, fragte er mich.

Durch den Lärm angelockt, stand auch schon meine Mum im Zimmer. Sie brach in lautem Gelächter aus. Ich liebe diese morgendliche Frühe. Mein Fuß hatte sich in die Decke meiner Mutter verwickelt, die sie beim Aufstehen fallen lassen hat.

„Ich weiß ja, das du es gerne warm und kuschelig hast“, begann mein Vater, „ aber hättest du die Güte, mit deinem Gewicht von mir runterzusteigen. Die Zeit, in der du gerne bei mir ins Bett gekrochen bist, ist wohl vorbei, oder?“

Etwas verlegen und unter dem Lachen meiner Mum kroch ich von meinem Dad herunter.

„Wenn du so müde bist, warum hast du nicht länger geschlafen?“, fragte sie.

„Benni“, grummelte ich nur, was ich für eine genügende Antwort hielt.

Wie auf Kommando, ging unten der Türgong. Mein Dad stand auf und zog sich seinen Jogging an. Ich versuchte meinen Fuß aus der Gewalt dieser Decke zu befreien, aber bekam mit, dass Mum Benni die Tür bereits geöffnet hatte.

„Morgen Astrid, habe die Brötchen mitgebracht“, hörte ich ihn sagen.

„Und deine Eltern wieder unterwegs?“, sagte meine Mum.

„Waren die überhaupt zu Hause?“, fragte Benni.

„Ihr seht euch wohl sehr selten, stelle ich fest.“

„Mich stört es nicht sonderlich, bin es ja schon ausreichend gewohnt.“

Fast wäre ich die Treppe herunter gestolpert und landete in den Armen von Benni.

„Ach so ist das, gestern noch dem schönsten Schnuckel aus dem >Igopop< nachstellen und sich nun wieder bei mir einschmeicheln wollen.“

Ich schaute Benni ins Gesicht, dass mit einem breiten Grinsen überzogen war. So ein Arsch.

„Selber“, kam es von Benni, der wohl Gedanken lesen konnte.

„Benni führ ihn an den Esstisch, bevor er sich noch irgendwo verletzt“, kam es von meiner Mum.

„Sehr witzig“, brummelte ich.

„Ist er immer noch von Sinnen?“, fragte Benni.

„Wieso?“

„Na ja, seid er gestern diese Mischung aus Brad Pitt und Elliah Wood gesehen hat, schwebt er auf Wolke sieben.“

„Davon hat mir Michael noch gar nichts erzählt!“, meinte Mum erstaunt.

„Was wollte Michael erzählen?“

Mein Dad war ins Esszimmer gekommen.

„Morgen Benni.“

Morgen Harald. Was er gestern in der Disse erlebt hat“, antwortete Benni.

Ich saß am Tisch und starrte die Drei an. Hatten die Drei, es sich zur ihrer Lebensaufgaben gemacht, mir meinen Morgen derart zu versüßen, dass ich wirklich am liebsten mich wieder ins Bett kroch.

„Mensch Michael, erzähle, wie heißt er, wo kommt er her?“

Meine Mum natürlich, sie war gleich Feuer und Flamme.

„Da gibt es noch nichts zu erzählen“, brummte ich.

„Er heißt Alex und hat ihm seine Handynummer zugesteckt“, kam es von Benni.

„Oh, interessant! Hast du schon angerufen?“, sagte Mum.

„Nein, habe ich nicht“, antwortete ich mürrisch, und rieb mir über das Gesicht.

„Bevor ihr mit eurem Interview weiter macht, lasst Micha erst mal einen Kaffee trinken“, sagte Dad.

„Wenigstens einer der Erbamen mit mir hat“, sagte ich und nahm die Tasse Kaffee entgegen, die mein Vater mir reichte.

„Wer ist Elliah Wood?“, fragte meine Mum.

„Oh Mum, es reicht bitte.“

„Ich wollte doch nur wissen, wie Alex aussieht.“

„Dann geh heut Abend mit ins Igopop, dann kannst du ihn selber kennen lernen“, meinte ich und nahm einen kräftigen Schluck Kaffee.“

„Hast du überhaupt was für die Disco zum Anziehen“, fragte Dad.

Ich hatte heute morgen wohl die totale Arschkarte gezogen.

„Morgen, über was redet ihr?“

Oh Gott, nun Katja auch noch, die hatte mir gerade noch gefehlt. Sie setzte sich neben mich und sah mich verwundert an.

„Wohl zu wenig Schlaf abbekommen, Micha, warum bist du schon aufgestanden?“, fragte sie.

Alles am Tisch begannen zu lachen und Katja schaute noch verwirrter, ich noch mürrischer.

* * *

Später in meinem Zimmer sammelte ich die Klamotten von der Nacht zusammen.

„Du meinst also wirklich, ich soll ihn anrufen?”, fragte ich Benni.

„Natürlich, so angetan, wie er von dir war.“

„Wir habe nicht mal groß etwas geredet.“

„Dafür war aber euer Blickkontakt sehr intensiv!“

„Ich weiß nicht einmal, wo ich die Karte hingelegt habe.“

„Da, auf deiner Tastatur liegt sie“, meinte Benni und reichte sie mir.

Ich sah Benni an.

„Na los!“

Ich nahm mein Handy und tippte die Nummer ein.

„Hallo Alex hier!“

Man, der war ja hellwach.

„Ähm, hallo hier ist Michael.“

„Michael?“

Benni nahm ein Kissen vor den Mund und begann zu kichern.

„Ja, der dem du gestern deine Nummer zugesteckt hast.“

„Ach der Michael, der mich gestern, mit einem so hohen Trinkgeld belohnen wollte.“

„Ja, der!“

Mir stieg die Röte ins Gesicht.

„Und warum rufst du an?“

„Weil du mir deine Nummer gegeben hast?“

Eine noch blödere Antwort hätte mir ja nicht einfallen können. Benni lag schon auf dem Boden und krümmte sich vor lachen.

„Alles in Ordnung bei dir, ich hör so ein Wimmern im Hintergrund!“

„Och… das ist nur mein Meerschweinchen, dass außer Puste ist“, sagte ich und gab Benni einen sanften Tritt, damit er aufhören sollte.

„Ach so. Und wollen wir uns treffen?“, kam es von Alex.

„Ähm ja, wann?“

„Am besten gleich, ich muss später wieder ins Igopop, wenn meine Schicht wieder anfängt.“

„Und wo?“

„Vielleicht am alten Kino, findest du das?“

„Ja, sicher, in einer halben Stunde bin ich dort.“

„Gut, lass dir Zeit, ich muss mich noch anziehen.“

Im Gedanken, dass er nun nackt vor mir stand und mit mir telefonierte, wachte meine untere Region auf.

„Gut, dann bis gleich!“

„Bye Micha!“

„Bye Alex!“

Ich drückte das Gespräch weg.

„Siehste, geht doch“, meinte Benni der wieder auf seinem Stuhl saß.

„Ich muss von allen guten Geistern verlassen sein, dort einfach anzurufen.“

„Wieso, weshalb bekommt man wohl eine Nummer zugesteckt?“

„Ja, ist schon gut und nun ab mit dir, ich muss mich fertig machen.“

„Okay, bin schon weg. Holst du mich heute Abend wieder ab.“

„Gleiche Zeit, gleiche Stelle!“, sagte ich und schob ihn aus meine Zimmer.

„Okay, bis dann!“, meinte er und verschwand die Treppe hinunter.

Ich verschwand im Bad und stellte mich vor dem Spiegel. Wer war das, den ich da im Spiegel sah. Ich beschloss diesen Fremden mit einer Menge kalten Wasser zu erwecken und hielt mein Gesicht unter das fließende Wasser.

Im Nu war ich hell wach. Der Kaffee schien wohl langsam zu wirken. Ich ging zurück ins Zimmer und suchte etwas vorteilhaftes heraus. Nachdem ich mich umständlich in meine Klamotten gezwängt hatte, ging ich nach unten.

„Ich bin dann mal weg“, rief ich.

„Wo willst du den schon hin?“, fragte Mum aus der Küche.

„Mich mit Alex treffen!“, sagte ich.

Der Kopf meiner Mutter erschien aus der Küche.

„Doch so eilig? Sämtliche Berichte, bitte an diese Adresse.“

„Ja, du wirst als erstes deinen Schwiegersohn kennen lernen.“

Sie hielt kurz inne, wahrscheinlich, hatte sie nicht mit dieser Antwort gerechnet.

„Bist du zum Mittagessen da?“, fragte sie.

Weiß nicht, ich ruf an, okay?“

„Ja, geht klar, bis später.“

„Bis später Mum.“

Schon hatte ich das Haus verlassen. Zum alten Bahnhof brauchte ich mit dem Auto keine fünf Minuten, so beschloss ich zu laufen, um nicht dort eine Ewigkeit zu warten. Dort angekommen, war ich natürlich zu früh.

Aber halt was machte ich hier eigentlich. Gestern hatte ich diesen atemberaubenden Typ gesehen, mich in ihn verguckt… mich in sein Äußeres verguckt. Was ist, wenn er jetzt irgendein Arsch ist. Abrupt blieb ich stehen und wollte wieder umkehren.

„Michael?“

Zu spät, er war schon da. Ich zog meine Hände aus den Jackentaschen und winkte ihm zu. Er stand auf der anderen Straßenseite und versuchte zu mir zugelangen, was bei diesem Verkehr sehr schwer war.

Eine kleine Lücke nutzte er und sprintete los.

„Hi Michael, sorry ich wurde aufgehalten“, sagte er, als er etwas außer Atem bei mir ankam.

„Macht nichts, bin auch grad gekommen“, sagte ich und wäre aber auch gerne gleich wieder gegangen.

„Gehen wir ein bisschen im Park spazieren?“, fragte er mit dem selben Blick wie am vorigen Abend.

Ich begann bereits jetzt zu schmelzen.

„Gerne!“, sagte ich.

Alex machte eine einladende Bewegung Richtung Park und wir liefen los. Am Anfang war es recht still, nur der Lärm der fahrenden Autos war zu hören. Irgendwie traute ich mich jetzt nicht ihn anzusehen.

Steif schaute ich nach vorne.

„Du, ich wollte dir noch sagen, es ist normalerweise nicht meine Art jemand meine Handynummer zugeben…“

Ich schaute kurz zu ihm, schwieg aber weiter.

„Fühlst du dich auch unwohl?“, begann er wieder.

Ich blieb stehen und schaute ihn an.

„Gestern Mittag wusste ich nicht mal, dass es dich gibt. Gestern Abend, setzte bei mir alles aus, als ich dich sah und nun laufe ich neben dir hier im Park“, sagte ich leise.

„Hat das was Gutes zu bedeuten?“, fragte Alex.

„Das weiß ich selber nicht, ja und ich fühl mich irgendwie unwohl… was mache ich überhaupt hier?“

„Mich kennen lernen?“

Und wieder diesen hinreißende Lächeln. Ich konnte nicht anderst, ich ging ein Schritt nach vorne und küsste ihn kurz auf den Mund. Irgendwie war ich jetzt auf eine Ohrfeige gefasst, hab wohl zu viele Filme gesehen, aber nichts geschah.

Langsam öffnete ich die Augen. Er stand vor mir und starrte mich an.

„Ich dachte erst, ich geh zu forsch ran, weil ich dir meine Nummer gegeben habe, aber du… wow.“

Langsam streich er über seine Lippen, wo sich noch vor ein paar Sekunden die Meinen befunden haben.

Entschuldige, ich bin sonst auch nicht so, aber du…“, ich brach mitten im Satz ab, weil ich mich in diesen Augen verlor.

„Was?“, er zeigte zu einer Bank, wo wir uns setzten sollten.

„Ich weiß nicht wie ich dir das erklären soll, aber von dir geht etwas aus, dass mich unheimlich fasziniert.“

„Und was fasziniert dich an mir?“

„Einfach alles“, hauchte ich.

„Kann es sein, dass du dich ein bisschen in mich verknallt hast?“, fragte Alex.

Ich wusste nicht mehr was ich sagte, ich war diesen Typ total verfallen. Ich brachte nur ein Grinsen fertig. Er sagte irgendetwas, aber ich verstand ihn nicht. Seine Lippen bewegten sich, doch kein Laut kam heraus.

Plötzlich fühlte ich einen starken Schmerz an meiner Stirn, ich griff nach ihr.

„Boah scheiße“, rief ich laut.

Ich saß auf den Boden und schaute mich um. Nun wurde mir klar was passiert war, ich hatte geträumt und war schnurr Stracks, gegen eine Laterne gerannt. Also, kein Alex in der Nähe, keine flüchtigen Kuss.

Ich stand wieder auf und hielt Ausschau nach Alex, aber weit und breit keine Spur von ihm. So stand ich nun, vor dem alten Bahnhof. Der Traum war mir total peinlich, wenn das jetzt alles wirklich passierte.

Ich schaute noch mal auf die Uhr, aber kein Alex weit und breit.

* * *

„He, Michael du bist ja schon zu Hause, das ging aber schnell, und wie war es?“, fragte meine Mum, als ich das Haus betrat.

„Kann ich dir nicht sagen?“, meinte ich und hängte meine Jacke auf.

„So intim?“

Sie grinste wieder.

„Nein, er ist gar nicht gekommen.“

„Oh!“

„Ja, oh!“, sagte ich und lief hinauf in mein Zimmer.

Während ich alles aus meine Taschen kramte, fing das Handy an zu klingen. Eine SMS! Ich öffnete sie, obwohl ich die Nummer nicht kannte. Alex!

>> Tut mir leid Michael, aber mir ist etwas dazwischen gekommen. Bist du heute Abend wieder im Igopop? Gruß Alex<

Also machte ich mich daran, ihm eine Antwort zu schicken, aber erst einmal speicherte ich die Nummer.

>Klar komme ich Abend wieder, sehen wir uns? Micha<

Ich brauchte nicht lange auf Antwort warten.

>Sicher sehen wir uns, habe auch früher Feierabend und dann Zeit für dich. Alex<

Zeit für mich. Noch immer hatte ich ein ungutes Gefühl, war mir nicht sicher ob ich da, dass richtige machte. Mein Telefon auf dem Schreibtisch holte mich aus dem Gedanken.

„Michael hier?“

„Du bist ja wirklich zu Hause!“

Benni!

„Klar bin ich zu Hause, wo sollte ich sonst sein?“, fragte ich ihn, und rieb mir an der Stirn, die immer noch weh tat.

„Hallo! Hattest du nicht ein Date?“, fragte Benni.

„Ja, ein geplatztes, er kam nicht.“

„Oh!“

„Woher weißt du eigentlich, das ich zu Hause bin?“, fragte ich.

„Och, Matthias hat dich gesehen, bevor er bei mir anrief.“

„Bin wohl schon Stadtgespräch.“

„Nein, so wichtig bist du nicht!“

Normalerweise hatte ich immer Antworten parat, aber nun schmerzte meine Stirn.

„Du Benni, ich muss mich hinlegen, ich habe Kopfschmerzen.“

„Zu wenig Schlaf?“

„Nein, die unheimliche Begegnung mit einer Laterne.“

„Bitte?“

„Erzähl ich dir heut Abend, wenn ich dich zum Igopop abhole.“

„Gut, dann bis heute Abend!“

„Okay. Bye.

„Bye.“

* * *

Wie am Vorabend, fuhr ich zu Benni, um ihn abzuholen, nur stand er diesmal nicht wartend am Straßenrand. Also stellte ich das Auto ab und klingelte an der Haustür. Der Summer ging und ich konnte die Tür aufdrücken.

Benni wohnte im fünften Stock, so lief ich im schnellen Laufschritt die Treppe rauf. Die Wohnungstür stand offen.

„Benni?“, rief ich, bekam aber keine Antwort.

„Hallo, ist jemand zu Hause“, rief ich abermals.

„Oh, hallo Micha, Benni ist noch im Bad.“

Bennis Mutter streckte den Kopf aus der Küche.

„Willst du etwas trinken?“, fragte sie mich.

„Nein danke, Renate!“

Ich ging zu ihr in die Küche und lehnte mich gegen einen der Küchenschränke.

„Weißt du eigentlich was mit Benni los ist?“, kam es plötzlich von ihr.

„Wieso, vorhin am Telefon hat er sich doch ganz normal angehört.“

„Ich weiß nur, dass er mit jemand telefoniert hat und danach war er ziemlich ruhig und hat sich in sein Zimmer zurückgezogen.“

Ich hörte die Badtür.

„Benni? Michael ist schon da“, rief Renate.

Ich verließ einfach die Küche und wollte zu Benni. Er lief gerade in sein Zimmer. Ich musste schmunzeln, denn er hatte nur ein Handtuch um die Hüften. Benni sah einfach geil aus, anderst konnte ich ihn nicht beschreiben.

Seine blonden kurze Haare, das stubsnäsige Gesicht, verliehen ihm etwas freches.

„Hi Benni“, meinte ich, als ich sein Zimmer betrat.

„Hi Micha“, kam es leise von Benni.

Oha, was war da im Busch, diesen Tonfall kannte ich bei Benni schon.

„Alles klar bei dir?“, fragte ich.

„Könnten wir heut Abend, wo anderst hingehen oder hier bleiben?“, kam es von ihm.

Das passte mir jetzt überhaupt nicht in den Kram.

„Wieso das denn? Ich will mich mit Alex treffen!“

Benni schmiss sein Handtuch aufs Bett und stand nun völlig nackt vor mir. Ich musste schlucken, denn Benni war wie schon gesagt, einfach nur geil.

„Gefall ich dir?“, fragte Benni.

„Natürlich gefällst du mir, was für eine blöde Frage.“

Benni trat an mich heran und nahm mich in den Arm. Mir wurde ein wenig anderst, so auf Tuchfüllung mit Benni.

„Könnest du vorstellen, mich als Freund zu haben?“, flüsterte er mir ins Ohr.

Jetzt reichte es mir, ich drückte Benni von mir weg.

„Kannst du mir mal sagen, was mit dir los ist? Benni du bist mein Freund! Na ja, nicht so, du weißt wie ich das meine. Ich liebe dich eben so als Freund, aber was soll dass jetzt mit der Schwuchtelei hier, du stehst auf Mädchen!“

Benni stand wie ein Häufchen Elend vor mir. Diesmal nahm ich Benni in den Arm.

„Was ist los mit dir?“, fragte ich leise und strich ihm sanft über den Rücken.

„Susanne hat angerufen“, begann Benni leise.

„Die von gestern Abend? Was wollte sie?“

Er wand sich und ich merkte, er hatte Schwierigkeiten, etwas zu sagen.

„Ja, Susanne von gestern, sie hat… deinetwegen angerufen.“

„Wegen mir?“, ich ließ Benni verwirrt los.

Mir fiel auf, dass sein Teil jetzt nicht mehr schlaff zu Boden hing, sondern halb steif abstand.

„Ja, sie hat mir da etwas von Alex erzählt…“, er brach ab und wendete sich zum Schrank.

„Alex? Was hat die mit Alex zu schaffen?“

„Sie kennt ihn schon länger und da meinte sie, ich soll dich vor ihm warnen…“

„Dürfte ich bitte Alex selber kennen lernen, bevor andere mir rein reden.“

Jetzt war ich doch leicht sauer.

„Und was sollte die Nummer eben?“, fragte ich lauter.

„Ich dachte, ich könnte…“, weiter sprach Benni nicht und ließ sich auf sein Bett fallen.

„Bist du jetzt völlig durchgeknallt“, schrie ich, „wolltest du mich jetzt verführen, um mich von Alex wegzubringen?“

Benni gab mir keine Antwort, schaute nur auf den Boden.

„Das wär es dann wohl“, brüllte ich und verließ sein Zimmer.

Renate kam mir entgegen, weil sie anscheinend mitbekommen hatte, dass irgendetwas nicht stimmte.

„Tschüß Renate, ich verschwinde wieder“, meinte ich nur und hatte schon die Wohnungstür geöffnet.

„Was ist denn los?“, fragte sie.

„Frage das deinen Herrn Sohn“, gab ich zur Antwort und verließ die Wohnung, nicht ohne die Tür krachend ins Schloss fallen zu lassen.

Ziemlich wütend saß ich hinter dem Steuer, fuhr auch zu schnell durch die Stadt. Wie konnte Benny nur meinen, er kann sich einfach so mir nicht, dir nichts in meine Privatangelegenheiten einmischen.

Ich sah einen Parkplatz vor dem Igopop und gab noch mehr Gas. Mit quietschenden Reifen kam ich zum stehen, stieg aus und rannte zum Eingang. Ich drängelte mich vor und der gleiche Türsteher wie gestern erkannte mich wieder und ließ mich sofort rein.

Drinnen angekommen, ging ich gleich hoch zur Empore, wo gestern Alex uns bedient hatte. An einem Tisch erkannte ich wieder die Mädchen vom Vorabend, auch Susanne. Erst wollte ich ihr einen Anschiss verpassen, zog es aber vor, ihr nur böse Blicke zu zuwerfen

Also ging ich direkt zu Decke und setzte mich dort auf einen Barhocker. Alex schien nicht da zu sein, oder irgendwo zu bedienen. Ein anderer junger Mann kam zu mir und fragte mich, was ich trinken möchte.

Ohne groß nachzudenken, bestellt ich mir ein Bier. Plötzlich tippte mir jemand an die Schulter. Ich drehte meinen Kopf und sah wieder in diese herrlichen Augen.

„Hi, Michael!“

„Hi, Alex!“

„Alleine hier? Wo sind deine Freunde?“, fragte Alex und ging hinter die Theke.

Ein Geruch von Alkohol zog hinter ihm her, was ich aber nicht weiter beachtete.

„Bin alleine her gekommen,… eigentlich wegen dir, du weißt schon, wegen der SMS heute Mittag“, antwortete ich.

„Entschuldige noch mal, aber es kam mir wirklich etwas dazwischen“, sagte Alex und goss dabei zwei Cola ein.

„Kein Problem“, antwortete ich nur.

„Moment!“

Alex lief mit einem Tablett voll hinter der Theke vor.

„In einer Stunde habe ich Feierabend, dann habe ich alle Zeit der Welt für dich“, meinte Alex und lief davon.

Ich nahm einen kräftigen Schluck vom Bier und sah mich um. Die Mädchen schienen sich über mich zu unterhalten, denn Susanne und ihre Freundinnen schauten ständig zu mir. Ich beachtete die Vier nicht weiter, denn Alex kam zurück.

„Willst du noch etwas bestellen?“, fragte er mich.

„Ja, ich trinke noch ein Bier.“

Ich beobachtete Alex dabei, wie er mein Bier zapfte und lächelte jedesmal, wenn er kurz zu mir rüber schaute. Die Musik dröhnte laut von unten herauf, aber es schien noch nicht so richtig Stimmung aufzukommen.

Es war aber auch erst neun Uhr, also füllte sich der Laden immer noch.

„Michael?“

Ich drehte wieder meinen Kopf und Susanne stand vor mir.

„Kann ich mit dir reden?“

„Wenn du mir den gleichen Mist wie Benni sagen willst, dann vergiss es, dass will ich gar nicht hören“, sagte ich in einem säuerlichen Ton.

„Wo ist Benni?“

„Zu Hause, ich habe ihn nicht mitgenommen.“

Vorwurfsvoll stand Susanne vor mir und zückte ihr Handy. Sie stellte sich etwas abseits von mir und begann zu telefonieren. Ich trank weiter an meinem neuen Bier und beachtete sie nicht weiter.

„Das hast du ja sauber hinbekommen, schöner Freund bist du“, knurrte mich Susanne von der Seite an.

Ich schaute ihr verwundert hinterher.

„Scheiß Weiber!“, sagte ich und trank mein Bier in einem Zug leer.

„Probleme?“,

Alex war an mich herangetreten.

„Nein, keins! Ich freu mich nur darüber, dass ich schwul bin und mit so was nichts zu tun habe.“

Abwertend schaute ich Susanne hinterher.

„Noch eins?“, fragte mich Alex und hob mein leeres Glas hoch.

„Ja“, meinte ich und schaute ihm hinterher.

„Und du hast keinen Freund?“, fragte ich ihn.

„Nein!“, kam es kurz von ihm.

„Das verstehe ich gar nicht. Du siehst so super aus, bist voll lieb!“

Der Alkohol hatte meine Zunge gelockert, denn es war normalerweise nicht meine Art so zu flirten.

„Danke, du aber auch“, meinte Alex und stellte mir mein neues Bier hin.

Er ging an den Rand der Theke und trank aus einer Sprudelflasche ein paar Schluck. Er verzog kurz das Gesicht und stellte dann die Flasche zurück.

„Willst du nachher hier bleiben, oder wo anderst hingehen?“, fragte Alex.

„Ich weiß nicht, finde es heute irgendwie langweilig hier.“

„Am Samstag geht es auch erst gegen elf Uhr los hier.“

„Und was würdest du vorschlagen?“

„Bist du mit dem Auto da?“

„Ja, aber ich denke, ich muss es wohl stehen lassen, und zog kräftig an meinem Bier.“

„Das trifft sich gut, denn ich wohne hier in der Nähe. Hast du Lust mit zu mir zu kommen?“, fragte Alex.

„Gerne“, antwortete ich und bekam das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht.

Zwei Bier später, übergab Alex seinen Bereich einem Kollegen. Ich zahlte und Alex kam, mit einer Jacke in seiner Hand, aus einer Nebentür.

„Und können wir?“, fragte er mich.

„Klar doch“, meinte ich und versuchte aufzustehen.

Der Alkohol zeigte seine volle Wirkung und ich schwankte etwas. Unter den verächtlichen Blicken von Susanne, lief ich kichernd neben Alex nach unten. An der frischen Luft schien es aber besser zuwerden.

Alex nahm mich an der Hand und wir liefen die Strasse hinunter, wo ich dachte, dass er wohnen müsste. Vor einem Altbau machte er halt und schloss die Haustür auf. Ich musste immer noch kichern, bis wir endlich im fünften Stock in seiner Wohnung ankamen.

Ich war noch nicht richtig im Flur, da packte mich Alex, presste mich gegen Wand und begann mich wild zu küssen. Ich war zwar ein wenig erschrocken, aber es war unheimlich schön. Er zog an den Ärmeln meiner Jacke, die kurz darauf zu Boden viel.

Unter lautem Kichern zogen wir uns gegenseitig aus. Ohne es zu merken, standen wir plötzlich vor seinem Bett. Irgendwie war mir das aber egal. Ich war nackt und hatte einen traumhaften Boy im Arm, der mich überall küsste.

Wir ließen uns auf sein Bett fallen und fielen übereinander her.

* * *

Ich öffnete die Augen und wusste nicht, wo ich war. Mein Schädel brummte und ich hatte einen ekligen Geschmack im Mund. Ich spürte das jemand an mich gekuschelt lag und plötzlich war alles wieder da.

Ich lag mit Alex im bett und schien eine super nacht mit ihm verbracht zu haben.

„Auch schon wach“, hörte ich ihn brummen.

„Ja. Hast du eine Aspirin für mich, mein Kopf platzt bald.“

„Geh ins Bad, da im Spiegelschrank stehen welche.“

Total unwillig kroch ich aus dem Bett.

„Wo ist das Bad denn?“, fragte ich.

„Die Tür neben der Wohnungstür.“

Alex hatte nicht mal den Kopf gehoben. Er lag nackt auf der Decke und ich sah das Tattoo, dass seinen linken Oberschenkel überzog. Cool, dachte ich und machte mich auf die Suche nach dem Bad. Endlich gefunden, suchte ich gleich nach den Tabletten und wurde auch fündig.

Kurz noch auf die Toilette, bevor ich wieder zu Alex zurück ging, der immer noch so da lag. Ich beugte mich vor und küsste seinen Rücken, bevor ich mich neben ihm nieder ließ.

„Mmmmmmm“, kam es von Alex, „daran könnte ich mich gewöhnen.“

„Was hindert dich dran?“, fragte ich und lächelte.

„Weil mich bisher noch niemand haben wollte“, kam es leise von Alex, „wenn sie mich besser kennen gelernt hatte, war ich plötzlich Luft für sie.“

Ich stütze mich auf meine Ellenbogen und knabberte an seiner Schulter.

„Ich versteh das nicht“, meinte ich.

„Was?“, fragte er.

„Das dich keine haben will… ich will dich!“

Alex hob den Kopf und drehte sich um.

„Micha, du bist ein wahnsinnig lieber Kerl, aber du kennst mich doch überhaupt nicht.“

„Dann gib mir die Gelegenheit, dich kennen zu lernen“, sagte ich und gab ihm einen Kuss.

„Du bist gemein… unter dir wird ich weich wie Wachs…“, meinte Alex und zog mich zu sich.

„Und etwas anderes hart“, sagte ich und strich ihm über den Schwanz.

Alex stöhnte auf und drückte sich fest an mich.

„Noch eine Runde?“, fragte ich grinsend.

Alex antwortete nicht mehr, sondern gab mir einen langen innigen Kuss.

* * *

Ich schloss zu Hause die Tür auf, es schien noch ruhig zu sein. Weit gefehlt, denn in der Küche saßen meine Eltern, bei einer Tasse Kaffee.

„Aha, der Herr Sohnemann lässt sich auch wieder blicken“, kam es von meinem Vater.

Oh, das hört sich sehr nach dicker Luft an. Stumm stand ich im Türrahmen und sah die beiden an.

„Hättest ruhig anrufen können, wir haben uns Sorgen gemacht“, sagte meine Mutter vorwurfsvoll.

„Sorry, ich hab zu viel getrunken“, sagte ich nur und wollte die beiden alleine lassen.

„Bei Benni?“, fragte mein Dad.

„Nein“, gab ich kurz und recht heftig von mir und war drauf und dran in mein Zimmer zu gehen.

„Was ist gestern zwischen dir und Benni vorgefallen?“, fragte meine Mum.

Ich schreckte den Kopf noch mal zur Küche hinein.

„Nichts, warum?“

„Das hörte sich aber aus Renates Mund anderst an“, gab meine Mum giftig von sich.

„Ach, der kann mich mal“, sagte ich zornig, lief in mein Zimmer und knallte hinter mir die Tür zu.

Lange blieb sie nicht verschlossen, meine Mutter hatte sie aufgerissen.

„Nichts ist passiert? Und warum musste Renate dann gestern noch den Arzt rufen, weil Benni sich nicht mehr beruhigte, nur noch am heulen war. Er ist mit einer Spritze ruhig gestellt worden“, brüllte meine Mum.

Zornig fetzte ich meine Jacke in die Ecke und schrie genauso laut zurück.

„Weil er sich auf so eine dreckige Art in mein Leben eingemischt hat, dass mir jetzt noch speiübel davon wird.“

Alles, was ich jetzt spürte, war, dass meine Wange glühte und schmerzte. Meine Mutter hatte mir eine gescheuert.

„Nicht in dem Ton junger Mann, lass dich heut bloß nicht mehr bei mir blicken“, schrie meine Mutter und verließ mein Zimmer.

Diesmal war sie es, die meine Tür knallte. Fassungslos stand ich da und rieb an meiner Wange. Benni hat einen Arzt gebraucht. Erst jetzt wurden mir die Worte bewusst. Mit einer Spritze ruhiggestellt.

Meiner Mutter hatte mir noch nie eine gescheuert. War etwas dran, an dem was Benni mir beibringen wollte? Was war Alex für einen Typ? Mich will keiner haben, wenn er mich besser kennen lernt, hatte er gesagt.

Ich griff nach meiner Jacke und rannte aus der Wohnung.

* * *

Jetzt mach schon auf, dachte ich. Noch einmal klingelte ich an Alex’ Wohnungstür. Drinnen war ein Rumpeln zu hören und ein Schlüssel wurde herum gedreht. Die Tür öffnete sich langsam und Alex Kopf kam zum Vorschein.

„Ja? Du? Was ist denn, bist doch erst vor einer Stunde gegangen, die Sehnsucht nach mir so groß?“, fragte Alex.

Er sah miserabel aus. Es roch nach Schnaps, sein Mundgeruch war widerlich.

„Was ist denn mit dir passiert?“, fragte ich und folgte ihm in die Wohnung.

„Mir? Och, ich glaube, ich habe das Frühstück nicht vertragen, habe einen Schnaps getrunken, gegen die Magenschmerzen.“

Einen? Er schwankte, als hätte er ein ganzes Fass ausgetrunken. In der Küche sah es verheerend aus. Gut vorher war ich nicht drinnen, aber da lag Geschirr in der Spüle, dass schon ein paar Tage sicher kein Wasser gesehen hatte.

Alex ließ sich auf einen Stuhl fallen und zündete sich eine Zigarette an.

„Auch eine?“, fragte er.

Ich schüttelte den Kopf und suchte nach einer Sitzmöglichkeit, aber fand keine, weil überall Zeug verteilt war.

„Warum bist du wieder da?“, kam es von Alex.

„Mir war einfach danach“, log ich.

Alex stand auf und schob Sachen, die auf einem Stuhl lagen, einfach herunter auf den Boden.

„Setz dich doch. Willst was trinken?“, fragte er.

„Nein, danke.“

Ich konnte mir grad nicht vorstellen, dass er etwas normales zum Trinken hatte, nach dem ich die Schnapsflasche vor ihm auf dem Tisch sah. Sie war fast leer und ein normales Trinkglas stand daneben.

„Wollte fragen, ob du Lust hättest, ein wenig mit mir spazieren zu gehen?“, nahm ich wieder die Unterhaltung auf.

„Och nein, ich hau mich gleich wieder in die Falle, muss noch Schlaf nachholen.“

„Gut, dann verschwinde ich wieder“, meinte ich und stand auf.

Er stand ebenso auf und kam auf mich zu. Er nahm mich in den Arm und drückte sich an mich.

„Das war eine wunderschöne Nacht mit dir, könnten wir das heute Nacht wiederholen?“, hauchte er mir ins Ohr.“

„Du nein, ich muss morgen wieder in die Schule“, antwortete ich und löste mich wieder von ihm, seinen Geruch fast nicht ertragend.

„Wusst ich es doch, für dich bin ich auch nur ein >OneNightStand<“, fuhr er mich plötzlich an.

„Was redest du?“, fragte ich verwundert.

„Verschwinde aus meiner Wohnung, bevor ich mich vergesse“, schrie er jetzt.

Ich drehte mich um und lief schleunigst zur Wohnungstür.

„Und lass dich hier nie wieder blicken, du Arschloch“, schrie er mir hinter her.

Und schon war ich draußen. Drinnen hörte ich Glas splittern und Alex laut fluchen. Total verwirrt lief ich wieder die Treppe herunter und stand dann plötzlich vor dem Haus. Was war das jetzt? Ich schloss mein Wagen auf und setzte mich hinein.

Total verunsichert startete ich den Motor und fuhr los. Ich machte eine Vollbremsung, denn ich hatte den Wagen nicht gesehen, der von hinten kam. Langsam fuhr ich wieder los. Als ich endlich zum Stillstand kam, bemerkte ich erst, wo ich war.

Ich stand vor dem Haus wo Benni wohnte. Total neben der Rolle stand ich auf und lief zur Haustür. In Trance drückte ich auf den Klingelknopf und warte auf den Summton. Benebelt drückte ich die Tür auf und lief bis zu Bennis Wohnungstür, in der schon Renate stand.

„Du hast Nerven, hier aufzutauchen“, sagte sie.

Mir liefen mittlerweile die Tränen herunter.

„Kann ich mit ihm reden?“, fragte ich im heißeren Ton.

„Ich weiß nicht, ob er ansprechbar ist“, meinte sie ließ mich aber dennoch in die Wohnung.

Leise öffnete ich die Tür zu Bennis Zimmer und trat ein. Benni selbst lag zusammen gekauert in seinem Bett. Sehen konnte er mich nicht, den er lag, mit dem Gesicht, Richtung Wand. Vorsichtig setzte ich mich auf den Bettrand. Ich legte sanft meine Hand auf seine Schulter.

„Benni?“, flüsterte ich leise.

Er zuckte zusammen, verkroch sich noch weiter in seiner Decke.

„Tut mir leid Benni, dass ich alles falsch gemacht habe und dich nicht ernst genommen habe, ich hätte es besser wissen müssen.“

Ich hörte ein leises Wimmern unter der Decke. Mir verriss es fast mein Herz. Scheiße, was hatte ich Benni da angetan? Plötzlich spürte ich seine Hand auf meiner. Er drehte sich leicht, so das ich sein Gesicht schauen konnte.

Ich erschrak ein wenig, den seine Augen waren tief rot vom Weinen, sein Gesicht dagegen leichenblass.

„Du musst dich nicht entschuldigen, Micha. Es war eine bescheuerte Idee von mir, dich verführen zu wollen, um dich von Alex abzuhalten.“

„Na ja, jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es bescheuert war“, meinte ich und senkte mein Blick.

„Wieso?“, fragte Benni und richtete sich auf.

„Ich glaube, Alex ist Alkoholiker“, stammelte ich und begann zu zittern, weil ich sein Gesicht wieder sah, als er Arschloch mir hinter her rief.

„Das hat Susanne mir auch gesagt“, meinte Benni leise.

„Er ist aber so ein lieber Kerl, so wahnsinnig zärtlich, wenn er nüchtern ist.“

„Ihr habt miteinander…?“

„Ja, ich habe mit ihm geschlafen…“

Jetzt schämte ich mich dafür, weil ich betrunken war und über Alex hergefallen bin.

„He, ist doch nicht schlimm!“, sagte Benni.

„Doch ist es, weil ich mich in ihn verknallt habe, er ist anderst, wie die Jungs, die ich bisher kennen gelernt habe, ganz anderst.“

„Aber er hat ein Problem!“, kam es von Benni.

„Ist egal, er hat mich vorhin sowieso aus seiner Wohnung geworfen, er war total betrunken.“

„Wie sehr hast du dich in ihn verknallt?“, fragte Benni ernst.

„Wieso fragst du?“, meinte ich und schaute ihn verwundert an.

„Wenn du ihm helfen würdest, von dem Zeug wegzukommen, meintest du nicht ihr zwei hättet eine Chance?“

„Ich weiß es nicht, da müsste ich mit ihm erst mal richtig reden. Vor allem, wenn er wieder nüchtern ist.“

„Versuchst du es?“

„Ich weiß es echt nicht.“

Benni nahm mich in den Arm.

„Wieder Freunde?“, fragte er.

„Für immer und ewig!“, hauchte ich und drückte noch fester zu.

„He, ich bekomm keine Luft mehr!“

Ich ließ von ihm ab und bemerkte, dass er wieder mehr Farbe im Gesicht hatte. Es klopfte an der Tür.

„Ja!“, sagte Benni.

Die Tür öffnete sich und Renate schaute herein.

„Und alles wieder in Ordnung?“, fragte sie.

„Ja!“, sagte wir beide einstimmig.

„War es das wert?“, fragte sie weiter.

Benni und ich schauten uns beide an.

„Na ja, so was gehört auch zu einer Freundschaft“, meinte Benni und nahm mich wieder in den Arm.

* * *

Ich schloss zum zweiten Mal an diesem Tag, das Schloss unserer Wohnungstür auf. Sehen konnte ich niemand. Also ging ich leise in mein Zimmer auf, warf diesmal meine Jacke nicht in die Ecke, sondern hing sie auf den Bügel am Schrank.

Ich schaltete das Radio ein und fuhr meinen Pc hoch. Ich musste noch das Referat fertig schreiben, und wollte auch etwas dabei abschalten. Es klopfte an der Tür.

„Ja!“, rief ich.

Katja kam herein, krabbelte auf meinen Schoss und schmiegte sich an mich, ohne einen Ton zusagen.

„Was ist denn mit dir?“

„Mama und Papa, sind heut schlecht gelaunt, keiner will mit mir spielen.“

Ich streichelte ihr über das Haar, daran war ich wohl schuld.

„Hast du schon dein Zimmer aufgeräumt und deine Sachen für die Schule gerichtet?“, fragte ich.

„Nein“, kam es enttäuschend von ihr.

„Wie wär es, wenn ich dir helfe?“

„Würdest du?“

„Für was hat man denn einen großen Bruder.“

Ein Lächeln zog sich über ihr Gesicht. Sie sprang von meinem Schoss herunter und zog mich aus meinem Zimmer.

„Ist ja schon gut, ich komm ja freiwillig mit“, meinte ich.

Also, war ich damit beschäftig, Katja zu helfen. Das Zimmer war recht schnell aufgeräumt, auch ihre Sachen gerichtet. Stolz zeigte sie mir ihre fertigen Hausaufgaben. Ich musste sogar die Aufgaben nachrechnen, aber es stimmte alles.

„So, Schlafanzug an und Zähne putzen“, meinte ich zu meiner Kleinen.

Artig hängte sie ihre Sachen über den Stuhl und verschwand ins Bad. Ich stand auf und wollte in mein Zimmer gehen, aber mein Dad stand vor der Tür und sah mich nur an.

„Mit Benni ist alles wieder in Ordnung“, sagte ich und wollte mich an ihm vorbei drängen.

„Und mit dir?“, fragte er.

„Egal“, meinte ich.

Dad hielt mich am Arm fest, ich schaute ihn an.

„Micha, wenn du Probleme hast, rede bitte mit uns, okay?“

„Ja, schon klar!“

Er ließ mich wieder los und ich ging in mein Zimmer zurück. Das Referat konnte ich vergessen. Ich schaltete den Pc aus und ließ mich auf mein Bett fallen. Ich starrte lange zur decke hinauf, merkte nicht, das meine Mum das Zimmer betreten hatte.

„Micha?“

Ich schaute sie an.

„Tut mir leid, wegen heute morgen!“

„Bin selber schuld“, sagte ich.

„Hätte nicht so weit kommen dürfen“ ,sagte sie und setzte sich auf meinen Stuhl.

„Egal, passiert ist passiert, Schwamm drüber.“

„Was ist mit dir los?“

Ich schwieg und starrte weiter auf die Decke.

„Hat es mit diesem Alex zu tun?“

„Ja“, sagte ich leise.

„So schlimm?“

„Ich glaub, ich habe mich in ihn verliebt“, sprach ich leise weiter.

„Das ist doch gut, oder?“

„Er trinkt…!“

Ich spürte, wie sich Tränen ihren Weg bahnten.

„Oh!“, kam nur von meiner Mum.

Ich wusste echt nicht was ich machen sollte. Mich um ihn bemühen, ihm vom Alkohol wegbringen? Das er mich angeschrieen hatte, saß mir immer noch in den Gliedern.

„Wenn ich dir irgendwie helfen kann?“, sagte Mum.

„Ich weiß ja selber nicht, was ich tun soll.“

„Ich denke, du hilfst ihm.“

„Was macht dich so sicher?“

„Ich kenne meinen Sohn gut genug!“

* * *

Ich hatte Glück, der Lehrer war krank und mein Vortrag war verschoben. Nun saß ich da und musste dieses Hemd irgendwie aufputschen. Ich hatte mir verschiedene Stoffreste zurecht gelegt und schnitt mir Vierecke daraus.

Ein paar Abnäher und es sah nach Patchwork aus. Ob ich die Ärmel länger machen sollte. Ich nähte einfach drauf los und dachte an Alex. Die Zeit verflog und ich hatte dann irgendwann auch Schulschluss.

Ich lief raus auf den Parkplatz, wo mir Daniel entgegen kam.

„Hast du einen Verehrer?“, fragte er mich.

„Warum?“

„Schau auf dein Auto“, meinte er nur und lief weiter.

Jetzt lief ich ein wenig zügiger zu meinem Wagen und blieb abrupt stehen. Am Scheibenwischer hing eine rote Rose mit einem Briefumschlag dran. Ich nahm die Rose und roch an ihr. Herrlich! Auf dem Brief stand Micha.

Ich riss ihn auf.

Hallo Micha,

Lange sitze ich nun schon da und versuch mich an diesen Zeilen. Ich weiß nicht, der wievielte Versuch ich nun gestartet habe.

Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Es war absolute Scheiße wie ich mich dir gegenüber benommen habe. Du bist was besonderes, das habe ich gleich am Anfang gespürt.

Gibst du mir noch mal eine Chance? Ich weiß, ich habe da ein kleines Problem mit dem Alkohol, aber dass bekomme ich bestimmt in den Griff.

Siehst du eine Zukunft für uns? Sag mir bitte, ob ich bei dir noch eine Chance habe. Du bist mir, in nur kurzer Zeit sehr an Herz gewachsen, weil du eben anderst bist, als die Anderen.

Melde dich bitte bei mir, oder komm bitte vorbei. Ich warte auf deine Antwort.

Alex

Ich holte tief Luft. Ein kleines Problem also. Wenn er es aber ernst meinte, sollte ich ihm helfen? Würde das gut gehen? Ich schmiss meine Tasche auf den Rücksitz und stieg ein. Schnell war ich vom Schulgelände herunter auf dem Weg in die Innenstadt.

Es dauerte nicht lange und ich hatte einen Parkplatz in der Nähe von Alex gefunden. Mit der Rose in der Hand rannte ich zu dem Haus in dem er wohnte. Ich drückte den Klingelknopf und ein paar Sekunden später hörte ich den Summer.

Ich rannte die Treppe hinauf und an der Tür stand er schon, Alex. Zurecht gemacht, als wollte er ausgehen.

„Hallo“, sagte ich leise.

„Hi“, meinte er mit einem Lächeln, als er die Rose in meiner Hand sah.

Wie beim letzten Mal folgte ich ihm wieder in die Wohnung. Doch diesmal schien alles anderst. Es roch frisch, vom Alkohol keine Spur mehr.

„Gib mir deine Rose, damit wir sie ins Wasser stellen können“, sagte Alex.

Mir gingen die Augen über, als ich die Küche sah, auf Hochglanz poliert und aufgeräumt. Keine Spur mehr von irgendwelchen Flaschen oder leeren Gläsern. Das Geschirr war alles fein säuberlich in die Regale und Schränke eingeräumt.

Ich folgte ihm ins Wohnzimmer. Auch hier das Gleiche, ich konnte sogar ein paar neue Pflanzen ausmachen.

Alex stellte sich vor mich und sah mich fordernd an.

„Wie hast du dich entschieden?“, fragte er leise.

„Ist das nicht schon meine Antwort, dass ich zu dir gekommen bin?“

„Du kannst auch liebevoll nein sagen, und ich würde es bei dir auch verstehen.“

„Ich bin nicht zum Nein sagen gekommen, Alex, den auch du bedeutest mir etwas.“

„Aber?“

„Wir müssen dein kleines Problem in den Griff bekommen!“

Alex senkte seinen Blick.

„Alex, ich helfe dir dabei gerne, aber du musst dass auch wirklich wollen, sonst sehe ich für uns wirklich keine Zukunft.“

Sprachlos stand er vor mir, ich spürte, wie es in seinem Kopf arbeitete.

„Was hast du gelernt, ich meine was für einen Beruf?“, fragte ich.

„Warum fragst du?“

„Ganz einfach, ich weiß dir gefällt der Job im Igopop, aber dort kannst du nicht bleiben, hast jedesmal literweise Alkohol vor dir.“

„Hast ja recht. Ich hab eine Ausbildung als Bankkaufmann, aber als ich keine Stelle bekam auch nicht übernommen wurde, hab ich mir den Job, als Bedienung besorgt.“

„Mal sehen was man da machen kann, ich kann aber nichts versprechen“, sagte ich.

Er sah mich fragend an.

„Ich will nicht vorgreifen, nicht das du enttäuscht bist.“

Er nickte, war mir aber nicht ganz sicher ob er es verstanden hatte.

„Wo sind die ganzen Flaschen?“

Alex war total unruhig geworden und mit dieser Frage nun, hatte ich anscheinend einen kleinen Schweißausbruch ausgelöst.

„Alex keine Angst, wir stehen das gemeinsam durch!“, sagte ich und nahm ihn in den Arm.

Er zitterte leicht und kuschelte sich eng an mich.

„Danke“, hörte ich ihn flüstern.

Ich strich ihn durch sein Haar.

Er nahm meine Hand und führte mich an eine Tür, hinter der ich nicht wusste, was es war. Die Abstellkammer. Ich beherrschte mich etwas Falsches zu sagen, denn hier türmten sich Flaschen und Kisten.

„Ich habe mein Auto dabei und wir beide bringen jetzt das alles weg, okay?“

Alex folgte mir wie ein kleines Kind und es dauerte schon eine Weile, bis der Berg von Getränken in meinem Auto verstaut war. Ich rief kurz zu Hause an, dass ich später kommen würde. Ich öffnete Alex die Tür und ließ ihn einsteigen.

Ich umrundete das Auto und stieg ebenso ein.

„So, wo sind die nächsten Glascontainer?“, fragte ich.

Ich legte meine Hand auf Alex Knie und streichelte es.

„Alex, wir tun das für dich, du tust das für dich!“

„Aber…“

„Nichts aber, es muss sein, sonst sehe ich bei dir absolut schwarz.“

Alex sah mich flehend mit glasigen Augen an.

„Komm wir schaffen das!“

Er nickte mir zu. Ich startete den Wagen und ließ mir den Weg erklären. Nach dem wir alle lose Flaschen entsorgt hatten und auch ein paar Weinkisten beim Getränkehändler zurückgeben hatten, hatte ich das Gefühl, Alex schien sich etwas wohler zu fühlen.

„Sehen wir uns am Freitag?“, fragte mich Alex, als ich ihm vor seiner Wohnung rausließ.

„Sicher doch. Igopop, selbe Stelle selbe Zeit!“, antwortete ich mit einem Lächeln, „und vergiss nicht, wir schaffen das zusammen!“

Er gab mir noch einen Kuss und ich wartete bis er in der Haustür verschwunden war. Ich fuhr glücklich los und hatte doch ein ungutes Gefühl. Etwas später kam ich zu Hause an, stellte meinen Wagen ab und lief zu unserem Haus.

In meinem Kopf spielten sich Horrorszenarien ab. Konnte ich ihm soweit vertrauen? Darf ich ihn alleine lassen? Gedankenversunken schloss ich die Tür auf.

„Hallo Michaaaaa“, kam es mir entgegen.

Katja sprang auf mich zu und rannte mich fast um.

„Na meine Kleine, wie war die Schule?“, fragte ich und stellte meinen Rucksack auf den Boden.

„Ich habe zwei Sternchen für meine Rechenaufgaben bekommen“, strahlte sie über beide Wangen.

„Dann musst du dich aber weiter so anstrengen, damit du noch viele Sternchen bekommst“, sagte ich.

Meine Mum lehnte lächelnd an der Küchentür und Katja verschwand wieder ins Wohnzimmer.

„In dem Alter warst du auch noch für die Schule zu begeistern“, meinte sie.

„Das war in einem anderen Leben, hi Mum“, sagte ich.

„Und alles klar bei dir?“

„Ja, soweit ist alles klar. Ist Papa schon da, ich möchte ihn etwas fragen.“

„Klar, er sitzt in seinem Büro und arbeitet noch.“

Ich ging also zu meinem Dad, klopfte an der Tür. Es kam keine Antwort, so öffnete ich leise die Tür und schaute hinein. Er saß an seinem Schreibtisch und war am Telefonieren. Als er mich bemerkte, winkte er mich, zu sich. Er sprach mit einem Kollegen, aber das Gespräch schien am Ende zu sein.

Er legte auf und sah mich an.

„Abend Micha, was führt dich zu mir.“

„Ich habe da ein Frage an dich“, begann ich.

Mein Dad lehnte sich zurück und spielte mit seinem Füller.

„Du hast doch vor kurzem gesagt, ihr sucht noch jemand für euer Jugendprogramm in der Bank. Habt ihr da schon jemand gefunden?“

„Nein haben wir nicht, wieso frägst du?“

„Ich habe da vielleicht jemanden, aber da muss ich erst noch etwas zu Ende bringen“, antwortete ich eher mir, als meinem Dad.

„Deine Mutter hat mir da etwas erzählt.“

„Ja, genau dieses etwas, um den handelt es sich.“

„Dich hat es anscheinend toll erwischt?“

„Ja hat es“, meinte ich mit einem Lächeln.

„Deine Mum, hat das noch etwas erwähnt“, meinte mein Dad vorsichtig.

„Dass ist das, um das ich mich noch kümmern muss“, gab ich von mir.

Was für ein Satz, ich musste grinsen.

„Generell habe ich nichts dagegen, wenn du uns jemand patenten bringst, aber er darf nicht alkoholsüchtig sein“, meinte Dad und fuhr seine Pc herunter.

Das waren klare Worte.

„Ich arbeite daran, ich verspreche es.“

Er wuschelte mir übers Haar und wir verließen gemeinsam sein Büro.

* * *

Die Woche war lang und anstrengend, aber ich freute mich auf den Freitag. Jede Tag besuchte ich Alex, auch ein bisschen zur Kontrolle, dass er sich nicht wieder etwas zum trinken kaufte. Er schien sich daran zu halten.

Mit Benni im Gepäck fuhr ich am Freitag Abend wieder ins Igopop. Herrlich wenn man bekannt war, denn der Türsteher ließ uns gleich an, wir brauchten gar nicht erst lange anzustehen. Wie immer lief ich gleich hinauf zur Empore.

„Wo ist den dein Schnuckel?“, fragte mich Benni.

Ich schaute mich um und konnte ihn nicht entdecken. An der Theke stand nur Andrea, der mit einer Bestellung beschäftigt war. Also ging ich zu ihm und fragte wo Alex ist.

„Der ist weg vom Fenster, der Chef hat ihn gefeuert“, gab mir Andrea zur Antwort.

„Wieso gefeuert?“, fragte ich entsetzt.

„Er ist stockbesoffen zum Dienst erschienen und das jetzt zum dritten Mal“, meinte er.

Andrea nahm seine Getränke auf und verschwand in der Menge. Fassungslos stand ich da.

„Das hört sich nicht gut an“, sagte Benni neben mir.

„Na warte, der krieg etwas von mir zu hören“, sagte ich zornig.

Wie konnte ich nur so naiv sein, einmal Alkohol immer Alkohol. Wütend verließ ich das Igopop und rannte zu dem Haus in dem Alex wohnte. Ich klingelte Sturm und es dauerte eine Weile, bis der Summer ging.

Ich rannte die Treppe hinauf und fand ein offene Wohnungstür vor. Ich stieß sie mit dem Fuß auf und sie knallte innen gegen die Wand. Alex stand vor mir, die Alkoholfahne schlug mir entgegen, seine Augen schienen verheult, rot unterlaufen.

„Kannst du mir vielleicht erklären, was die Scheiße soll?“, schrie ich ihn an, ohne auch irgendwie auf eine Reaktion zu hören.

„Ich pa… pack das nich…“, stammelte er.

„Was? Du willst es eher nicht, und ich dachte dir liegt etwas an mir, wie konnte ich nur so blöd sein. Michael Kramer, das Naivste, was auf diesem Planeten herumrennt“, schrie ich .

Verschreckt stand Alex vor mir, Tränen liefen über seine Wangen.

„Das stim… stimmt nich… ich liebe dich doch!“, sagte er mit gebrochner Stimme.

„Kann sein, aber deinen Alkohol liebst du mehr… Alex mir reicht es, ich will das nicht mehr!“, meinte ich und rannte aus der Wohnung

Ich schickte eine SMS an Benni, dass der Abend für mich gelaufen war und ich nach Hause fuhr. Wütend raste ich durch die Stadt und war schneller zu Hause als gewohnt. Ohne irgendwie was zu sagen, verschwand ich gleich auf mein Zimmer.

Ich ließ mich auf mein bett fallen und begann zu heulen. Warum muss man so viel scheiß Alkohol trinken? Ich verstand das nicht, die Woche hat doch so gut angefangen. Ich musste eingeschlafen sein, denn irgendwann rüttelte mich jemand sanft wach.

Ich schaute auf und meine Mum und Benni standen vor mir.

„Was ist?“, zischte ich.

Benni trat nach vorne und ging vor mir auf die Knie.

„Ich weiß nicht was genau passiert ist, aber Alex scheint dir nachgefahren zu sein. Er hatte eine schlimmen Unfall, und…“, Benni brach ab.

Plötzlich war ich hell wach.

„Ist er …?“, mir blieb das Wort im Hals stecken.

„Nein, er liegt auf der Intensivstation.“

Ich sprang auf und zog meine Schuhe an.

„Ich muss dahin, scheiße, was hab ich da nur angestellt?“

„Langsam Micha, du fährst mir in dem Zustand kein Auto“, sagte meine Mum plötzlich.

„Ich muss aber zu ihm, ich bin schuld an seinem Unfall!“

„Wir fahren dich hin, ich sage deinem Dad Bescheid“, meinte sie nur und verließ das Zimmer.

Ich stütze meine Kopf auf und begann zu heulen.

„Wenn er jetzt stirbt, bin ich schuld…“, meine Stimme versagte wieder.

Benni setzte sich neben mich und nahm mich in den Arm.

„He mein Großer, ganz ruhig, es wird bestimmt wieder alles gut!“

* * *

Wie in Trance saß ich im Auto meiner Eltern. Benni war mitgekommen und hielt mich die ganze Zeit im Arm. Auch im Krankenhaus angekommen, wich er mir nicht von der Seite.

„Du hattest recht mit deiner Warnung vor Alex, das alles hätte ich mir ersparen können“, sagte ich leise und zitterte am ganzen Körper.

„Nein Micha, es war falsch von mir. Alex braucht Hilfe und jetzt bestimmt noch mehr als vorher.“

Mein Dad redete mit einer Schwester und es wurde mir erlaubt, Alex kurz besuchen zu dürfen.

„Fünf Minuten, junger Mann. Herr Semper ist noch nicht überm Damm“, meinte die Schwester zu mir.

Versehen mit grünen Kittel und Überziehern auf meinen Schuhen, trat ich ein. Ich erschrak. Alex hing an verschiedenen Maschinen, überall hingen verschiedene Schläuche und Kabel. Langsam schritt ich auf sein Bett zu.

Er schien bei sich zu sein, den seine Augen waren geöffnet. Tränen rannen seitlich über sein Gesicht.

„Alex?“, hauchte ich leise, zu mehr war ich auch nicht fähig.

Seine Augen wanderten langsam zu mir.

„Warum nur?“, fragte ich und nahm seine Hand in meine.

„Ich… wollt… dich… nicht enttäusch…“

„Psst…, hör auf zu Reden!“

„Hilf… mir…!“

Ich atmete tief durch und strich ihm über seine Stirn und Haare.

„Wie soll ich dir helfen, wenn du nicht willst, Alex“, begann ich leise zu sprechen, „du musst es wollen, nur dann kommst du von dem Teufelszeug weg.

„Ich will… ja…, kann… es…“, weiter kam er nicht und schloss die Augen.

Eine Maschine fing an zu tuten, entsetzt schaute ich auf Alex. Die Tür wurde aufgerissen ein paar Schwester kamen herein.

„Bitte verlassen sie das Zimmer“, wurde ich aufgefordert und unsanft hinausgeschoben.

Ein Arzt kam gerannt und die Tür hinter ihm verschlossen. Fassungslos stand ich da, begann wieder zu zittern. Von drinnen waren laute Stimmen zu hören. Mein Dad kam und führte mich von der Tür weg, auf die ich immer noch starrte. Ich wahr wie gelähmt, mir wurde schlecht.

„Oh Gott Micha, kipp mir jetzt nicht weg“, hörte ich meinen Dad aus der Ferne rufen.

Meine Mum lief zu einer Schwester, die sofort mit einem Glas Wasser kam. Ich schluckte eine Tablette und goss Wasser hinterher. Mein Dad bewegte mich dazu, mich hinzusetzten. Mit Benni auf einer Seite und Dad auf der Anderen, wurde ich langsam ruhiger.

Die Tür wurde aufgemacht und der Arzt kam heraus. Er hatte eine ernste Mine. Mir rannen die Tränen über das Gesicht.

„Sind sie die Eltern des Jungen?“, fragte er meine Eltern.

„Nein, aber mein Sohn ist der Freund“, antwortete meine Mum,“ was ist mit Alex?“

„Er hatte einen Herzstillstand, aber wir konnten ihn zurückholen, aber er bleibt trotzdem, in einem kritischen Zustand, den sein Alkoholspiegel ist sehr hoch.“

Ich nahm das ruhig, nur aus der Ferne, wahr, aber innerlich klappte ich aber zusammen. Daran war nur ich schuld. Wie als hätte Benni meine Gedanken gelesen, nahm er mich noch fester in den Arm.

„Micha, daran bist du nicht schuld! Alleine der Alkohol!“

Ich starrte zu Boden, antwortete aber nicht. Durch Susanne hatte Benni erfahren, wie er Alex Eltern erreichen konnte, denn ein Ehepaar kam schnell, den Gang herunter gelaufen. Ich schaute kurz auf und konnte die Ähnlichkeit von Alex mit seiner Mutter sehen.

Sie sprachen mit einer Schwester, die sie über den Zustand ihres Sohnes informierte. Ich stand auf und lief zu ihnen.

„Es tut mir leid, dass ich Alex im Stich gelassen habe und nicht geholfen habe.“

Fassungslos standen die beide vor mir.

„Bitte?“, kam es der Frau.

Mein Mutter trat neben mich.

„Entschuldigung, Kramer ist mein Name, mein Sohn Michael ist ein Freund ihres Sohnes“, sagte sie.

„Semper“, meinte die Frau und schüttelte meiner Mum die Hand, „könne sie mir sagen, was passiert ist?“

„Da frägst du noch, dieser Versager, wird sich wieder voll laufen lassen haben, wie immer“, sagte er Mann.

Ach daher wehte der Wind, in mir machte irgendetwas klick.

„Werner sei ruhig, Alexander ist kein Versager!“

„Und warum säuft er dann unentwegt?“, fragte der Mann zornig.

Alex Mutter ließ ihn los.

„Du bist ja auch ein gutes Beispiel für ihn oder?“, sagte die Frau etwas schärfer.

Der Mann drehte sich wütend ab und lief langsam den Flur hinunter.

„Sie müssen das Verhalten von Alex Stiefvater entschuldigen, er ist normalerweise nicht so“, sagte Alex Mutter.

„Er trinkt also auch“, sagte ich etwas zornig.

„Micha!“, ermahnte mich meine Mum.

„Schon gut Frau Kramer, ihr Sohn hat schon recht!“, meinte sie und schaute betroffen zu Boden.

Meine Mutter nahm Frau Semper in den Arm und Benni zog mich zurück auf die Bank. Der Arzt kam wieder heraus und ging zu Mum und Frau Semper. Er sagte irgendwas und Frau Semper lächelte gequält.

Mum sprach kurz mit Dad, der darauf zu mir kam.

„Alex ist soweit über dem Berg, er ist wieder stabil. Wir drei fahren jetzt nach Hause und deine Mutter bleibt hier bei Frau Semper.“

„Ich will bei Alex bleiben!“, fuhr ich auf.

„Nein Micha, was Alex jetzt nicht brauchen kann, ist die in diesem Zustand zu sehen. Benni schläfst du heute nacht bei uns?“

„Ja doch, ich möchte Micha, jetzt eh nicht alleine lassen“, antwortete Benni.

Gemeinsam standen wir auf und verabschiedeten uns von Frau Semper und meiner Mum und fuhren nach Hause.

* * *

Drei Wochen später saß ich mit Alex im Park des Krankenhauses.

„Und stell dir vor, wenn du deine Entziehungskur hinter dir hast, habe ich sogar einen Job für dich“, erzählte ich Alex.

Alex sah mich mit glasigen Augen an.

„Warum tust du das alles für mich, Micha?“

Ich schaute ihn langen an, bevor ich etwas sagte.

„Weil ich dich nicht noch einmal im Stich lassen will. Du bist einfach zu viel im Stich gelassen worden, wie ich von deiner Mum erfahren habe. Und ich habe es genauso getan.“

„Ich möchte aber nichts aus Mitleid bekommen!“

„Glaubst du wirklich, ich mache das aus Mitleid?“

Alex sah mich durchdringend an und schüttelte den Kopf.

„Alex, ich habe mich in dich verliebt. Ich glaube an dich, ich will mit dir zusammen sein.“

„Und was wird aus der Gerichtsverhandlung? Ich weiß nicht, wie ich das alles bewältigen soll.“

„Mein Dad hat sich im Vorfeld informiert, wegen Trunkenheit am Steuer und auch den Sachschaden, der entstanden ist. Alles Dinge, die ohne Probleme zu bewältigen sind. Na ja, deinen Führerschein hast du erst mal weg.“

Alex wusste nicht was er sagen sollte. Er schaute mich nur weiterhin an.

„Wir beide schaffen das zusammen, hörst du wir, du bist nicht mehr alleine, du hast also keinen Grund mehr, zur Flasche zu greifen.“

„Micha, glaubst du, ich schaffe das wirklich?“

„Ja, du schaffst es, weil aus dem Du ein Wir geworden ist!“

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Leuchtturm

Der Andrang war groß. Immer mehr Leute strömten zum Deich. Morgen fing wieder die Schule an und auch das Wetter schien heute noch mal die letzten Kräfte in seine Sonnenstrahlen zulegen. Jeder wollte wohl den letzten Tag genießen.

Der Wind aber, hatte schon einiges zugelegt. Unsere bunten Fahnen mit dem Zeichen für Dithmarschen flatterten wie wild. Auch sonst war hier bei mir viel Betrieb, seit ich am Mittag den Dienst angetreten hatte, hatte ich einiges zutun.

Ältere Herrschaften, die ein Mitbringsel oder ein Andenken vom Urlaubsort haben wollte, oder genervte Eltern, die ihren Kindern irgendwelches Spielzeug kauften, damit sie vor den Schreihälsen Ruhe hatten.

Letztes Jahr dachte ich eigentlich, ein kleiner Ferienjob, ja, könnte mir gut tun. Nun war eine Festanstellung daraus geworden. Seither arbeitete ich mehrere Male in der Woche für Cora. Sie war die Chefin des Ladens.

„Na Tim, läuft alles?“

Cora war gekommen, um nach dem Rechten zu sehen.

„Oh Cora, dich schickt der Himmel, kannst du mir kurz helfen, ich muss dringend Ware auffüllen, komm aber nicht von der Kasse weg“, meinte ich.

Sie lächelte mich an.

„Natürlich Kleiner, ich seh schon es läuft gut“, antwortete sie.

Kleiner war gut. Ich war mit meinen fast Eins Neunzig der Größte im Team, doch es hatte sich durchgesetzt, weil ich eben mit meinen achtzehn Jahren der Jüngste hier war, sozusagen, das Nesthäkchen.

Also übernahm Cora meinen Part an der Kasse und ich verschwand im Lager um Ware zu holen. Leuchttürme waren dieses Jahr der Renner, also lud ich gleich die Kiste voll um das Regal wieder damit zu befüllen.

Das gleiche Spiel mit den Bechern, Gläsern, Tellern und anderen Andenken, die wir so führten.

„Tim, draußen musst du auch noch auffüllen, hier am Regal, kann ich den Rest neben her machen“, rief Cora.

Ich nickte ihr zu und ging nach draußen, um nachzuschauen, welche Ware ich hier auffüllen musste. Es war doch ordentlich warm geworden und ich genoss die Sonne auf meinen Armen und im Gesicht.

Wieder im Lager, zog ich neue Fahnen aus dem Karton und nahm auch noch ein paar Lenkdrachen mit, die bei dem Wind schnell wieder verkauft waren. Ich war gerade damit beschäftigt, die Fahnen auszurollen und in den Halter zu stecken, als mir ein Typ an den Drachen auffiel.

Er schien vom Alter her, so in meiner Richtung zu liegen. Ebenso von der Größe her. Der Wind spielte mit seinen braunen Haaren, die er sich fortwährend aus dem Gesicht strich. Ich blickte kurz zu Cora, der meine Beobachtung nicht entgangen war.

Sie fing an zu grinsen und ermutigte mich mit wilden Gesten, den Typ anzusprechen. Ich stellte den Karton mit Fahnen zur Seite und ging auf ihn zu. Mir fiel der schöne Silberring, an seiner Hand auf, während er die Strähnen des Haares zurückstrich.

„Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?“, fragte ich.

„Ja, ich suche schöne Teelichthalter“, antwortete er, ohne mich dabei anzusehen.

„Drinnen haben wir auch noch eine sehr große Auswahl“, meinte ich zu ihm.

„Auch Leuchttürme?“

Ich musste grinsen, da ich sie ja gerade aufgefüllt hatte.

„Ja, natürlich. Verschiedene Größen, Ausführungen und Farben“, antwortete ich.

Diesmal schaute er auf und ich konnte direkt in seine großen, braunen Augen schauen.

„Zeigst du sie mir?“, fragte er.

Noch immer war ich von diesem Blick in den Bann gezogen.

„Ähm, was… aber ja… mach ich doch gerne“, stotterte ich.

Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen. Ich zeigte Richtung Laden und er folgte mir. Cora grinste mir immer noch frech entgegen, als wir den Laden betraten, was bei mir einen genervten Augendreher hervorrief.

Der Typ folgte mir zu den Leuchttürmen.

„He cool! Was für eine Auswahl!“, meinte er mit Begeisterung.

Ich nickte ihm zu und ließ ihn alleine. Wieder draußen verräumte ich noch die letzten Flaggen und verteilte die Drachen. Ich sah Richtung Deich, der mit Menschen besiedelt war. Die Flut war wieder gekommen und auch die letzten Wattläufer zurückgekehrt.

Hier und da konnte ich einige Drachen in der Luft erkennen. Wenn die Ferien vorüber waren, würde es wieder ruhig in Friedrichskoog werden, alleine die Rentner, die auch sonst das ganze Jahr, den Ort besiedelten, waren dann Vorort.

Dorfjugend gab es schon hier, aber wenn man etwas erleben wollte, war man auf Verkehrsmittel angewiesen. Das Problem hatte ich nicht mehr, denn ich konnte ein Auto mein Eigen nennen. Ich packte die restlichen Kartonagen zusammen und verstaute sie im Müllcontainer.

„So geschafft, danke für deine Hilfe Cora“, meinte ich als ich wieder den Laden betrat.

„Kein Problem, solange der Umsatz stimmt, jederzeit“, meinte sie und zwinkerte mir zu.

Sie hob noch einmal die Hand zum Gruß und dann war sie auch schon wieder verschwunden. Ich nippte kurz an meiner Cola und zeichnete noch ein paar Figuren mit Preisen aus, bevor ich sie in ihr Regal stellte.

„Könnte mir der junge Mann vielleicht bei einem Problem helfen?“, hörte ich jemanden hinter mir sagen.

Ich drehte mich um und eine etwas ältere Dame stand hinter mir, die unbemerkt den laden betreten hatte.

„Moin, moin, kann ich ihnen helfen?“, fragte ich freundlich.

Ich bin auf Urlaub hier in Friedrichskoog und möchte meiner Freundin ein Andenken von hier mitbringen“, antwortete sie.

„Haben sie da etwas bestimmtes im Sinn?“

„Nein, deswegen frage ich sie ja.“

„Soll der Name des Ortes darauf stehen, oder es was mit der Nordsee, dem Wattmeer zutun haben?“

„Gibt es etwas mit beidem?“

„Ja natürlich. Wir haben hier verschiedenen Tassen mit Motiven und Schriftzügen der Gegend.“

Ich bemerkte gleich, dass die Dame nicht von meinem Vorschlag begeistert schien, sie war wohl anspruchvolleres gewöhnt.

„Es gibt aber auch noch eine Möglichkeit, ihnen eine Glasschale zusammenzustellen“, meinte ich dann noch.

„Das ist eine gute Idee, haben sie etwas hier, wo ich mir das anschauen kann?“

„Ja, kommen sie“, sagte ich und zog meinen Schlüssel von der Kasse.

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass der Typ immer noch in den Regalen stöberte und mittlerweile einen Einkaufskorb vor sich stehen hatte. Ich zeigte der Dame, die gewünschten Schalen. Sie war hellauf begeistert und suchte sich sogar direkt eine heraus.

„Ich packe ihnen die Gegenstände einzeln ein, weil sie eine längere Fahrt nicht gut überstehen würden“, meinte ich zu der älteren Frau.

„Das ist nett, ich hoffe, ich bekomme das so schön wie sie hin.“

„Das geht ganz leicht. Einfach als erstes den blauen Sand einfüllen, und dann den Rest darauf verteilen“, sagte ich.

Ich zeigte es anhand einer anderen Schale und sie nickte mir lächelnd zu. Ich packte alles in einen Karton und verklebte ihn gut. Danach stellte ich den Karton in eine Tüte und reichte ihn der Kundin, nach dem sie bezahlt hatte.

Überglücklich verließ sie wieder den Laden.

„Könntest du mir ebenso helfen?“, kam es diesmal von dem Jungen.

„Und bei was kann ich dir helfen?“, fragte ich in meiner freundlichen Art.

„Ich kann mich nicht entscheiden. Soll ich diesen süßen Bären oder die Robbe nehmen?“, fragte er.

Er stellte beides auf meine Theke.

„Für wen soll es den sein?“ Freundin?“

Ich musste innerlich schmunzeln. Legte man diese Gewohnheit, seinen Gegenüber abzuchecken, denn nie ab?

„Nein ich habe keine Freundin. Das ist für mich, besser gesagt, für meine neue Wohnung, die ich nach dem Urlaub beziehen werde.“

„Dann nimm die Robbe, Bären kannst du überall kaufen“, sagte ich.

Er stellte den Bären zurück.

„Du machst also Urlaub hier?“, fragte ich.

„Du frägst, das in so einem komischen Ton“, meinte er leise.

„Liegt daran, das unsere Altersklasse hier nicht so häufig Urlaub macht.“

„Ja, meine Eltern dachten, sie tun mir was Gutes und schleppten mich mit hierher.“

„Brauchst du noch etwas?“, fragte ich.

„Nein, dass wäre alles, aber kannst du mir das einpacken?“

„Sicherlich“, meinte ich und nahm den Korb entgegen.

Ich tippte erst die Preise ein und packte jedes einzelne Teil danach fein säuberlich ein.

„So, das macht Siebenundzwanzig Achtzig zusammen“, sagte ich.

„Kann ich mit Karte bezahlen?“, fragte mich der Typ.

Ich nickte und er gab mir seine Karte. Nachdem ich sie durch die Kasse gezogen und unsere Pinnummer eingeben hatte, ließ ich einen kurzen Blick über den Namen schweifen. „Björn Gerstner“ lass ich und gab sie ihm zurück.

Etwas nervös spielte ich mit dem Kugelschreiber in der Hand und wartete darauf, dass der Bon ausgedruckt wurde.

„Hier steht der Betrag und hier bitte unterschreiben“, sagte ich und hob den Bon hin.

Er unterschrieb und gab mir den Bon zurück. Ich nahm die Tüte und reichte sie ihm.

„Etwas unfair, finde ich“, kam es plötzlich von ihm.

„Bitte?“, fragte ich erstaunt.

„Na, du weißt jetzt meinen Namen und ich deinen nicht“, antwortete er.

„Ach so!“, sagte ich.

Ich streckte ihm meine Hand entgegen.

„Tim Classen ist mein Name.“

„Freut mich und wann hast du Feierabend? Also, ich meine… ich kenne hier noch niemand und du scheinst sehr nett zu sein.“

„Schon in Ordnung, ich weiß, wie du das meinst.“

Ach wie süß, er wurde ja rot im Gesicht.

„Eigentlich habe ich gleich Feierabend, du bist für heute mein letzter Kunde. Und wenn du nicht weißt, was anfangen, in ungefähr einer halben Stunde bin ich hier fertig und können los ziehen“, meinte ich und schloss die Kasse wieder.

„He cool, und was machen wir?“, fragte Björn.

„Nach was steht dir denn der Sinn? Etwas lautes, wie Disse oder Kneipe, oder eher etwas ruhigeres, wie ein Sparziergang am Deich?“

„Wenn es dir nichts ausmacht, würd ich heute lieber spazieren gehen.“

„Kein Problem, soll ich dich abholen?“, fragte ich.

Mir schien, als würde sich plötzlich etwas trauriges in seinem Blick zeigen. Er zog seinen Schlüsselbund aus der Tasche und ich konnte einen Regenbogenanhänger daran erkennen.

„Habe ich etwas falsches gesagt?“, fragte ich leise.

„Nein ist schon gut. Ich bewohne mit meinen Eltern ein Ferienhaus im Buchenweg, weißt du wo das ist?“

Ich fing an zu lachen.

„Du vergisst, ich komme von hier. Ich bin in einer dreiviertel Stunde bei dir und zieh dir etwas Warmes an!“, sagte ich.

„Warum?“, fragte Björn.

„Wir wollen auf den Deich, das bläst ein anderer Wind, als hier im Ort.“

„Okay, also dann bis gleich“, meinte Björn.

Ich folgte ihm nach draußen, schenkte ihm ein Lächeln und sah ihm nach, bis er Richtung Parkplatz verschwunden war. Ich ließ einen kurzen Schrei von mir und hüpfte dabei in die Luft. Durch Zufall, war mir dieser Junge über den Weg gelaufen und er war zudem auch noch schwul.

Besonders schnell schob ich alle Verkaufsständer in den Laden, kurbelte den großen Rollo vor dem Fenster herunter. Ich zählte schnell das Geld, trug es ins Kassenbuch ein und brachte es in den Tresor.

Am Hinterausgang setzte ich noch die Alarmanlage in Betrieb, bevor ich die Tür verschloss. Ich rannte zu meinem Auto und fuhr ziemlich zügig durch den Ort. Da ich, wie Björn im alten Ortsteil wohnte, musste ich erst ein großes Stück Felder hinter mir lassen, bevor ich mein zu Hause erreichte.

Friedrichskoog-Spitze wurde erst später und auch gleich Touristen gerecht bebaut. Neben den Kneipen, Restaurants und Imbissständen, gab es eben auch kleine Shops, in so Einem, wie ich auch arbeitete.

Der alte Ortteil, war um den Hafen herum gebaut, in dem heute auch noch kleiner Fischerkutter ankerten, die fast täglich bei Flut ausfuhren, um ihren Fang zu machen. Ich stellte mein Wagen in der Einfahrt ab und rannte ins Haus.

Beim Aufschließen der Haustür, hätte ich fast meine Oma über den Haufen gerannt.

„Wohin so schnell, mein Jung?“, fragte sie.

„Oma, ich muss noch wohin und mich dafür umziehen“, sagte ich zu ihr und rannte die Treppe hinauf in mein Zimmer.

„Ich halt dich nicht zurück“, meinte sie und verschwand wieder in der Küche.

Ich liebte meine Oma über alles. Sie hat mich eigentlich großgezogen, während meine Eltern, beide arbeiten waren. Sie war bisher immer für mich da gewesen und so was, wie eine gute Freundin für mich.

Ich schmiss meine Klamotten in die Ecke und öffnete meinen Kleiderschrank. Das alte Problem kam auf, was sollte ich anziehen. Ich schaute aus dem Fenster und sah auf die Wolken, die ich am Horizont aufkommen sah.

Also, etwas Warmes. Ich zog meinen Lieblingstroijer aus dem Schrank und zog ihn über. Frisch gestriegelt, rannte ich wieder nach unten in die Küche.

„Oma, ich weiß noch nicht, wann ich zurück bin, sagst du bitte Paps und Mum Bescheid?“

„In Ordnung, mein Jung“, kam nur von ihr, ohne aufzusehen.

Ich sprang wieder in meinen Wagen und rollte aus der Ausfahrt. Fast hätte ich den Nachbarjungen auf dem Rad übersehen und konnte noch bremsen. Ruhig Tim, sonst kommst du nicht heil an, dachte ich mir.

Als ich wenig später in den Buchenweg einbog, stand Björn bereits auf der Strasse und winkte mir zu. Ich hielt neben ihm an.

„Hi du, wartest du schon lange?“, fragte ich.

„Nein, ich bin eben erst rausgekommen.“

„Gut, dann mal los, schnall dich bitte aber an.“

Björn schloss die Tür und schnallte sich an. Ich startete die Tür und drehte in der Einfahrt, des gegenüberliegenden Hauses. Es war nicht zu übersehen, das Björn sich unbehaglich hier im Auto fühlte.

Er klammerte sich an den Griff der Wagentür und sah ein wenig hilflos aus. Also, beschloss ich, gegen meine Gewohnheiten, recht langsam zum Deich zu fahren. Es dauerte ja auch nicht lange, so steuerte ich den Randstreifen an und machte den Motor aus.

Wir stiegen beide aus und ich schoss meinen Wagen ab.

„Du hattest recht, es ist doch ziemlich frisch hier“, meinte Björn und verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„Kannst du den Kragen deiner Jacke nicht höher machen?“, fragte ich.

„Nein geht nicht, dafür fehlt ein Knopf.“

„Oh, ich hab da was, Moment.“

Ich schloss den Kofferraum auf und zog aus meiner Tasche, ein Halstuch heraus. Nachdem ich das Auto wieder geschlossen hatte, ging ich zu Björn hin und band ihm einfach das Halstuch um, ohne groß zu fragen.

„Danke, lieb von dir“, meinte Björn.

Dabei sah er mich schon ein wenig verwundert an. Ich grinste und ging an das Tor zur Treppe, welches eingerichtet war, die Schafe, die den Deich besiedelten, nicht entwischen konnten. Das Tor aufhaltend, beobachtete ich Björn, wie er problemlos die Stufen zum Deich hinauf nahm.

Oben angekommen, blieb ich hinter ihm stehen, weil ich merkte, dass er sich erst mal umsah.

„Wow, ist das geil“, kam es von ihm.

„Ich wusste, das gefällt dir“, sagte ich.

„Was ist das für ein Turm?“, fragte er mich und zeigte auf einen, hinter dem Deich.

„Das ist der Aussichtsturm unserer Seehundauffangstation“, antwortete ich.

„Auffangstation?“

„Du hast doch bestimmt schon einmal „Hallo Robbi“ im Fernseh gesehen. Das wird hier gedreht. Alle gestrandeten Tiere werden hier her gebracht und wieder fit gemacht.“

„Kann man sich das auch angucken?“, fragte Björn.

„Natürlich, wenn du willst können wir morgen zusammen reingehen, ich zeig dir dann alles“, antwortete ich.

„Können wir ein bisschen laufen?“

Ich nickte und wir liefen auf der Deichkrone Richtung Spitze. Die ganze Zeit lief ich neben ihm schweigend her. Ab und zu hob er den Kopf und schaute über die Gegend, aber meistens hatte er den Kopf gesenkt.

„Darf ich dich was fragen?“, begann ich.

Er schaute mich kurz an und nickte.

„Ich weiß, wir kennen uns erst ein paar Stunden, aber mir ist aufgefallen, dass dich irgendetwas bedrückt. Auch, dass du vor dem Autofahren Angst hast.“

Björn atmete tief durch.

„Das liegt daran…, dass ich… ich habe vor einem halben Jahr meinen Freund, bei einem Autounfall verloren. Er meinte er holt mich ab und… er kam nie bei mir an.“

Jetzt wurde mir einiges klar, auch das ich gerade eben ganz schön ins Fettnäpfchen getreten war. Björn liefen Tränen über die Wangen.

„Es tut mir leid, dass ich dich mit meiner Frage, an das erinnert habe“, meinte ich leise.

„Du hast mich nicht daran erinnert, ich denke da die ganze Zeit daran.“

„Du hast ihn wohl sehr geliebt?“

„Ja, wir waren zwei Jahre zusammen, und er wollte mit mir unseren zweiten Jahrestag feiern.“

Ich hielt Björn ein Papiertaschentuch hin, das er nahm und sich die Nase putze.

„Deswegen haben meine Eltern mich hier hergenommen, weil mich zu Hause zu viel an ihn erinnert“, sagte Björn.

„Tut mir echt leid Björn, dass ich davon angefangen habe!“

„Schon gut Tim, zu Hause, habe ich eigentlich niemand zum Reden.“

„Willst du mir von ihm erzählen?“

„Wenn es dir nichts ausmacht?“

„Nein, tut es nicht! Wie habt ihr euch den kennengelernt?“

Björn fing an zu Lachen, anscheinend hatte er daran eine gute Erinnerung.

„Ich konnte mich nicht für ein Stofftier entscheiden“, meinte er.

„War dein Freund auch Verkäufer?“

„Nein, Nick war nur zur gleichen Zeit, wie ich im Laden und nahm sich gerade dann das Stofftier, als ich mich endlich dafür entschieden hatte.“

„Hat es nicht mehrere davon gegeben?“, fragte ich.

„Es war das Letzte. Aber ich konnte es nach vier Stunden dann doch mein Eigen nennen.“

„Wieso das?“

„Nick schien bemerkt zu haben, das ich traurig darüber war, dass er ausgerecht das Stofftier sich geholt hatte, welches ich wollte. Er begann ganz unbezwungen ein Gespräch und lud mich zu einem Kaffee ein.“

„Und da hast du es ihm abgeschwatzt?“

„Nein, nach drei Stunden wusste ich, den und kein anderen und zum Abschied hat er mir den Affen dann geschenkt.“

„Wow, wie romantisch“, meinte ich und ließ einen langen Seufzer hinter her klingen.

„Gell? Nach zwei Wochen waren wir dann fest zusammen.“

Wieder schwiegen wir, aber irgendwie hatte sich Björns Laune gebessert.

„Hast du einen Freund?“, fragte mich Björn plötzlich.

„Ähm, nein habe ich nicht.“

„Warum?“

„Wieso warum? Die Auswahl hier ist nicht so groß, die meisten kenne ich schon seit dem Kindergarten, und mein Traumtyp ist eben nicht dabei.“

Ich hatte dies anscheinend ein wenig zu stroff gesagt, denn Björn sagte darauf nichts mehr.

„Tut mir leid, ich habe es nicht so gemeint“, sagte ich.

„Schon gut.“

Eine ganze Weile schwiegen wir uns wieder an.

„Wie soll denn dein Traumtyp sein?“, fragte Björn, um anscheinend das Gespräch aufrecht zu halten.

„So genau habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht. Zumindest sollte er ehrlich sein…, Humor haben und auch für mich da sein, wenn ich ihn brauche.“

„Und sein Aussehen?“, kam es von ihm.

Ich atmete sehr laut aus.

„So wie du!“, flunkerte ich und lächelte dabei.

Björn wurde ein wenig rot im Gesicht. Er schaute mich verwirrt an.

„Ich meine das Ernst, du siehst sehr gut aus“, meinte ich.

„Danke, du aber auch.“

Jetzt war ich am Rot werden.

„Was machst du eigentlich beruflich?“, fragte ich um das Thema zu wechseln.

„Ich bin im dritten Lehrjahr, als Schreiner“, antwortete Björn.

„Auch ein interessanter Beruf…, mit Holz, macht sicher Spass?“

„Ja, macht es und du?“

„Ich gehe auf eine Berufsschule und werde wohl eine Lehre als Einzelhandelskaufmann beginnen.“

„Das Verkaufen gefällt dir also?“

„Ja, ich bin gerne mit Menschen zusammen, mir gefällt das wirklich.“

„Sollten wir nicht so langsam zurück laufen, es fängt an dunkel zu werden“, fragte Björn.

„Du hast recht, und morgen habe ich keinen Dienst, also wenn du willst, habe ich den ganzen Tage für dich Zeit.“

Björn schien zu überlegen.

„Wenn du nicht möchtest, ist nicht schlimm, ehrlich“, sagte ich.

„Doch ich möchte, ich habe nur bemerkt, das ich mich seit das mit Nick passiert ist, mich nicht mehr so wohl, wie heute Abend gefühlt habe, danke.“

„Nichts zu danken, Björn, tu ich doch gerne.“

Langsam liefen wir zum Wagen zurück. Wir sprachen nichts mehr, denn Björn war zu sehr im Gedanken. Ich genoss den Wind in meinem Gesicht, wie er mit meinen Haaren spielte. Draußen, auf dem Meer, sah man die Lichter großer Schiffe.

Sie zogen langsam ihre Bahn an der Küste entlang.

„Was ist das eigentlich für einen Stein da vorne?“, fragte Björn.

„Genau an dieser Stelle, verläuft der vierundfünfzigste Breitengrad“, antworte ich.

„Interessant, ich habe so was noch nie gesehen“, meinte Björn.

Wir liefen beide die Treppe des Deiches hinunter zur Strasse, wo sich mein Wagen befand. Nach dem wir das Tor hinter uns gelassen hatten, blieb Björn stehen. Er trat auf mich zu und nahm mich in den Arm.

Ich spürte einen sanften Kuss auf meiner Wange.

„Danke Tim, es war ein schöner Abend“, meinte er leise und ließ wieder los.

„Nichts zu danken, jederzeit wieder.“

Ich schloss den Wagen auf und öffnete meine Tür, während sich Björn vom Wagen entfernte.

„Willst du nicht einsteigen?“, fragte ich.

„Wenn du nichts dagegen hast, laufe ich das kurze Stück nach Hause“, antwortete er.

„Kein Problem, wann sehen wir uns morgen?“

„Hast du ein Handy?“

„Klar doch, warte ich gebe dir meine Nummer.“

Nach dem wir unsere Nummern ausgetauscht und uns verabschiedet hatten, stieg ich in meinen Wagen und fuhrt los. Ganz tief in mir spürte ich etwas, was ich bis dahin noch nicht kannte. Ich war mir sicher, dass ich für Björn mehr empfand, als ich mir eingestand.

***

Es war noch recht früh, als meine Mutter mich weckte.

„Also Tim, ich muss jetzt los, wenn du dich beeilst, kannst du noch mit Oma frühstücken“, sagte sie, als ich bei mir war.

„Mum, kann ich dich heute besuchen und jemanden mitbringen?“

„Warum fragst du, du kannst doch jederzeit kommen!“

„Ich weiß auch nicht, es erschien mir wichtig.“

„Hat mein Sohn etwas auf dem Herzen und traut es sich nicht zu sagen?“, meinte sie mit einem Lächeln.

„Ich glaube, nein ich weiß es… ich habe mich verliebt.“

Das Lächeln meiner Mutter wurde breiter.

„Und du willst ihn mitbringen?“

„Ja, möchte ich.“

„Gut, dann sehen wir uns später, ich freu mich schon, den kennen zulernen, der dir den Kopf verdreht hat.“

Ich verdrehte meine Augen.

„Schon gut, aber er weiß davon nichts.“

„Ich schweige wie ein Grab“, sagte sie immer noch lächelnd und verließ mein Zimmer.

Langsam kletterte ich aus meinem Bett und lief müde ins Bad. Unter der Dusche wurde ich dann doch richtig wach. Mit den Gedanken war ich aber die ganze Zeit bei Björn. Ich hatte mich wirklich in den Kerl verschossen.

Aber war es überhaupt gut, hatte es denn überhaupt einen Sinn? In zwei Wochen würde er wieder nach Hause fahren und dann die Sache mit Nick, die ihm doch sehr nachhing. Wieder in meinem Zimmer, zog ich mich an.

Unten angekommen, war meine Oma bereits verschwunden, also frühstückte ich eben alleine. Sie war sicher irgendwo draußen und stöberte wieder in ihrem Garten, den sie mit viel Liebe hegte und pflegte.

Als ich den Tisch abgeräumt hatte, nahm ich meine Schlüssel und ging ebenfalls in den Garten.

„Bist du zum Mittagessen da?“, fragte mich meine Oma, als sie mich kommen sah.

„Glaube nicht Oma, habe schon etwas vor.“

„Gut mein Jung, ich koche trotzdem für dich mit, falls du es dir doch anderst überlegst.“

„Danke Oma“, meinte ich und ging weiter zu meinem Auto.

Langsam im Gedanken fuhr ich zu Björn, ich hoffte ich war nicht zu früh da. Wieder kamen die Gedanken von vorhin in den Sinn. Was machte ich hier überhaupt? Ich rannte einem Jungen nach, den ich gerade einen Tag kannte und glaubte, dass ich in ihn verliebt war.

Wollte ich schon bei meiner ersten richtigen Liebe, mir einen Korb einfangen? Irgendwie war ich hin und hergerissen. Der Wunsch nach einem festen Freund, war größer, als nie zuvor. Doch ich hatte Angst, mich in etwas zu verrennen, was mir wahrscheinlich nicht gut tat.

Ich hatte nicht bemerkt, dass ich schon eine Weile vor dem Haus stand, dass Björn bewohnte. Die Rollos waren schon nach oben gezogen, so stieg ich aus und ging an die Haustür und klingelte. Es dauerte nicht lange und eine Frau öffnete vorsichtig die Tür.

„Ja?“

„Moin, moin, ich bin Tim und wollte fragen ob Björn da ist“, sagte ich zu der Frau.

„Oh, guten Morgen. Du bist also Tim?” Björn hat uns schon von dir erzählt.“

Hat das jetzt etwas Gutes zu bedeuten oder nicht. Die Frau öffnete die Tür vollends und ließ mich herein.

„Björn ist auf seinem Zimmer, oben rechts“, sprach sie weiter.

Ich lief also die Treppe hinauf und klopfte an die besagte Tür. Von drinnen war ein Ja zu hören. Langsam öffnete ich die Tür und steckte den Kopf ins Zimmer.

„He Tim, du bist ja schon da“, meinte Björn, der noch in seinem Bett lag.

„Sorry, wenn ich zu früh bin“, sagte ich und trat ein.

Björn schlug seine Decke zurück und stand auf. Nur in Shorts stand er nun vor mir und ich musste schlucken.

„Komm rein und mach die Tür zu“, sprach er.

Mein Gott, sah der süß aus. Am Liebsten hätte ich mich jetzt in seine Arme geworfen und ihm einen Kuss gegeben. Sein Haar stand wirr, in alle Richtungen.

„Einen Tag kennen und du siehst mich schon in Shorts, hast aber ein ganz schönes Tempo drauf“, meinte er und mir stieg das Blut in den Kopf.

„Ich wollte dir die Seehundstadion zeigen und so früh ist dort noch nicht so viel los“, sagte ich.

Björn schien mein Unwohlsein zu bemerken und grinste. Er legte seine Arme um mich und zog sich zu sich heran.

„Ich weiß nicht was es ist, aber ich fühl mich pudelwohl bei dir. Heute Nacht war die erste Nacht, die ich ohne schlimme Träume durchgeschlafen habe.“

„Echt?“

„Ja, so fit war ich morgens schon lange nicht mehr.“

Ich sah ihm genau in diese wundervollen, braunen Augen, die mich nun anlächelten. In meinem Bauch fing es an zu kribbeln und ich bekam weiche Knie. Er senkte leicht den Kopf und sprach leise weiter.

„Seit dem Tod von Nick, dachte ich immer, ich würde nie wieder jemanden kennen lernen, der mir mehr bedeuten könnte.“

„Du kennst mich doch noch gar nicht richtig“, sagte ich.

Björn ließ los und setzte sich auf sein Bett.

„Ich hatte heute Nacht einen Traum. Ich habe Nick getroffen und wir führten ein langes Gespräch“, begann er.

Ich schaute ihn verwirrt an und ließ mich auf einen Stuhl fallen.

„Ja, ein Gespräch. Über mich, auch über dich.“

„Und was ist dabei herausgekommen?“, fragte ich.

Björn schwieg erst und ich dachte jetzt kommt gleich die Hammerantwort. Nervös ruckelte ich auf meinem Stuhl hin und her.

„Jeder meiner Freunde meinte, ich solle endlich loslassen. Ich weiß, dass sie alle recht haben, aber das ist nicht einfach. Ich habe Nick sehr geliebt, nein ich tue es auch heute noch, aber ich darf mich eben nicht mehr an ihn klammern.“

„Stimmt, in deinem Herzen wird immer ein Platz sein“, meinte ich unsicher, denn ich wusste immer noch nicht, worauf er hinaus wollte.

„Zudem kriegt man nicht immer das Glück, zweimal jemand so liebes kennen zulernen“, meinte er und schaute mich dabei durchdringend an.

Ich saß da und starrte nur zurück.

„He, krieg dich wieder ein, ich habe dir noch keine Liebeserklärung gemacht“, sagte Björn und lachte.

Ich schluckte.

„Na ja, trotzdem hat mir noch nie einer so etwas Liebes gesagt“, erwiderte ich.

„Hast du noch nie irgendwelche Erfahrungen mit Jungs gehabt?“

Ich wurde immer mehr verlegen.

„Nein, vor dir sitzt die perfekte Jungfrau“, antwortete ich leise.

„Eher Jungmann und ein Süßer dazu.“

Wieder starrte ich ihn kurz an, bevor ich merkte, dass er mich nur aufheitern und auch die Situation auflockern wollte.

Ein Lächeln huschte über mein Gesicht.

„Was hast du mit mir vor, heute morgen?“, fragte er.

Ich schaute über seine fast nackten Körper und begann frech zugrinsen.

„Das kann man auch anlangen, stell dir vor“, kam es von Björn, nahm meine Hand und legte sie auf seine Brust.

Ich spürte die warme, weiche Haut auf meiner Handfläche und auch wie sein Herz schlug. Das war alles so neu für mich, ich begann am ganzern Körper an zu zittern.

„Tim, ganz ruhig, das ist was ganz Normales, ich meine Zärtlichkeiten austauschen.“

„Ich habe das eben noch nie gemacht“, sagte ich mit leiser Stimme.

„Man muss auch nichts überstürzen“, sprach Björn ebenso leise zurück und nahm wieder meine Hand von seiner Brust.

„Ich geh mal kurz ins Bad, dann bin ich auch gleich fertig“, sagte er im Rausgehen.

Ich saß immer noch bewegungslos auf meinem Stuhl neben dem Bett und blickte zur Tür, durch die gerade Björn verschwunden war. Mich hatte es eben irgendwie total erwischt. Ich spürte förmlich noch die Wärme von Björns Haut auf meiner Hand.

Ich schaute hinunter auf die Handfläche, die ebene noch auf Björns Brust lag.

„Wow“, sagte ich und begann zugrinsen.

Es klopfte an der Tür und seine Mutter streckte den Kopf herein.

„Nanu, wo ist den mein Sohnemann?“, fragte sie.

„Der ist ins Bad, sich anziehen.“

„Darf ich fragen, was ihr heute Morgen vor habt, ich sollte es wegen dem Mittagessen wissen.“

„Ich wollte mit Björn, zur Seehundstation, dort arbeitet meine Mutter“, antwortete ich.

„Oh, das ist eine gute Idee, Björn liebt Tiere.“

„Ob wir aber zu Mittagessen pünktlich da sind, weiß ich noch nicht, es gibt dort genug zu sehen“,

sagte ich.

„Gut, dann werde ich mal für ihn mitkochen, ansonsten kann er es heute Abend auch noch essen und ja Tim danke noch mal!“

„Für was?“, fragte ich verwirrt.

„Für die gute Laune meines Sohnes“, sagte sie, lächelte und verschwand wieder.

Kurz darauf ging nochmals die Tür auf und Björn kam zurück, fertig angezogen.

„Was wollte denn meine Mutter?“

„Fragen ob du zum Mittagessen wieder da bist“, antwortete ich.

„Und, bin ich?“

„Wahrscheinlich nicht“, meinte ich grinsend.

„Was hast du mit mir vor?“

„Du liebst Tiere, habe ich gesagt bekommen.“

„Ja, tue ich!“

„Dann mal los zur Seehundstation, dort arbeitet meine Mutter, da kannst du alles aus der Nähe betrachten.“

Björn schnappte sich seine Jacke.

„Worauf wartest du dann noch, heb deinen Hintern vom Stuhl“, meinte er und stürmte zum Zimmer hinaus.

Ich folgte ihm die Treppe hinunter und verabschiedete mich noch von seiner Mutter. Als ich raus kam, stand er bereits vor meinem Auto und wartete. Da es nur eine kurze Entfernung war, stand ich bereits fünf Minuten später, auf dem Parkplatz der Station.

„Die Anlage ist groß“, meinte Björn beim Aussteigen.

„Klar, einigen Platz nimmt auch das Museum und auch der Seminarraum weg, einen Shop gibt es auch noch“, sagte ich und schloss den Wagen ab.

Gemeinsam liefen wir an den Eingang.

„Moin, moin Tim, schon so früh da?“, kam es von der Frau hinter dem Schalter.

„Moin, moin Helga, ja ich möchte gern zu meiner Mutter“, meinte ich.

„Geht durch den Shop, die Tür ist offen“, sagte Helga.

Björn blieb dicht hinter mir und so betraten wir zusammen den kleinen Laden, der zur Station gehörte. Die Geschenkartikel, die hier verkauft werden, unterstützen ebenso die Station. Kaum waren wir drinnen, blieb Björn auch schon an den Regalen stehen.

„Komm Björn, einkaufen kannste später etwas“, meinte ich und zog ihn am Ärmel hinter mir her.

„Hallo Tim, hier bin ich“, rief es uns schon entgegen, als wir aus dem Laden traten.

„Da ist meine Mum, komm!“, sagte ich zu Björn.

„Man, sind die süß“, sagte er, als er die ersten Robben in einem Becken saß.

„Hinter der Absperrung sind die Kleinen“, erzählte ich ihm.

Er folgte mir wieder dicht auf. Wir durchliefen die Absperrung und waren bald bei meiner Mutter.

„Hallo Mum, dass hier ist Björn”.“

„Hallo Björn, schön dich kennen zulernen. Ihr kommt gerade richtig zum verladen.“

Björn schaute mich verwirrt an.

„Heute werden die gesunden Tiere wieder rausgebracht aufs Meer, dachte wäre interessant für dich, dass zu sehen“, erklärte ich ihm.

„Wow, dass ist ja cool und wie kann ich helfen?“

„Als erstes zieht ihr euch mal um, denke ich“, sagte Mum.

„Okay, wir sind gleich wieder da“, meinte ich und Björn hinter mir her.

Wir gingen ins Gebäude um uns wasserfeste Kleidung zu besorgen.

„Welche Schuhgröße hast du?“, fragte ich.

„Dreiundvierzig, wieso?“

„Gut, hier zieh das an“, meinte ich und gab ihm die Trockenhose.

Björn beobachtete wie ich in dieses Teil reinschlüpfte und machte es mir danach gleich.

„Ab und zu muss man eben ins Wasser, und damit dir nichts in die Schuhe läuft, gibt es diesen Trockenanzug“, erklärte ich.

„Normalerweise stehe ich nicht auf Gummizeugs“, lachte Björn .

Es dauerte etwas, bis ich ihn verstand und lachte mit. Wieder draußen liefen wir zu meiner Mum, die mit den anderen Mitarbeiter bereits begonnen hatte, Tiere in Kisten zu verladen.

„Tim, ihr könnt zusammen, den großen da drüben nehmen, aber aufpassen, dass er nicht beißen kann“, sagte sie.

„Okay Mum, machen wir.“

Björn sah mich mit großen Augen an.

„Ich darf den anlangen?“, fragte er erstaunt.

„Natürlich, oder meinst du, der hüpft alleine in die Kiste.

Ich musste Grinsen, bei dem Gedanken.

„Langsam auf ihn zugehen und ihn hinten an der Flosse packen“, sagte ich leise und zeigte auf die Robbe.

Björn ging langsam auf die Robbe zu, die sich natürlich sofort in Bewegung setzte. Gerade als Björn zugreifen wollte rutschte er aus und landete mit einem lauten Platscher im Wasser. Ich fing laut an zu lachen, wie ich Björn da am Rand im Wasser sitzen sah.

„Jetzt weiß ich, warum man den Trockenanzug braucht“, meinte Björn und stand wieder auf.

„So du kleiner Mistkäfer, dich krieg ich schon“, meinte er und startete den zweiten Versuch.

„Robbe Björn, kein Mistkäfer“, sagte ich und lachte weiter.

Diesmal bekam er das Tier zufassen.

„Und jetzt?“, fragte er nervös.

„Zieh es langsam zur Kiste“, sagte ich.

„Rückwärts?“

„Vorwärts müsstest du es schieben, klar ziehen, was sonst“, meinte ich und kam aus dem Lachen nicht mehr heraus.

Bei der Kiste angekommen half ich Björn in die Kiste reinzuheben. Es machte Björn sichtlich Spass.

„Noch ein Tier?“, fragte er mich.

„Erst müssen wir die Kiste mal auf den Lader stellen“, meinte ich.

Also half mir Björn das Tier samt Kiste auf den Lader zustellen.

„Mit ihm werden die Tiere rüber an den Hafen gefahren, damit wir sie auf den Kutter verladen können. Bist du eigentlich Seetauglich?“, fragte ich.

„Wieso?“

„Weil ich dich mitnehmen möchte, damit du siehst, wie die Tiere freigelassen werden.“

„Echt? Das ist ja cool.“

„Komm, wir helfen den anderen noch die Kisten verladen.“

Nach einer halben Stunde waren alle Tiere verladen. Wir liefen mit den anderen rüber zum Hafen, während die Tiere per Lader dort hinkamen. Die Kisten wurden eine nach der Anderen auf den Kutter verladen.

„Hier deine Schwimmweste“, sagte meine Mum, „ wir wollen ja nicht, dass du untergehst, wen du so gerne baden gehst.“

Ich bekam mich fast nicht mehr ein, als Björn eine Grimasse zog. Nachdem ich ihm gezeigt hatte, wie man die Weste anlegte, zog ich meine ebenfalls an. Alle gingen an Bord und der Motor startete. Langsam fuhr der Kapitän Richtung Schleuse, die den Hafen davor schützte, bei Ebbe, nicht sämtliches Wasser zu verlieren, damit kein Boot im Trockenen lag.

Als wir die Schleuse passiert hatten, fuhren wir auf einem kleinen Kanal, Richtung Meer. Björn stand die ganze Zeit an der Reeling und schaute interessiert zu. Der Kanal floss an der Stelle ins Meer, wo auch die Elbe in die Nordsee mündete.

Björn machte große Augen, als in unsere Nähe, ein großes Containerschiff vorbei zog.

„Ich habe so etwas noch nie gesehen“, sagte er.

Ich lächelte und beobachtete ihn weiter. Es gab mir ein so gutes Gefühl, ihn so zu sehen. Er schien richtig glücklich, weit ab von traurigen Gedanken, die ihn sonst plagten. Sein braunes Haar im Wind wirbelte wie verrückt durcheinander und er hatte einwenig Mühe, sich bei dem Seegang, richtig fest zuhalten..

Meine Mum trat zu mir und legte ihren Arm um mich.

„Netter Junge“, sagte sie leise.

Ich lächelte sie an.

„Hast du dir überlegt, wie es weiter geht, ich meine, er wird irgendwann wieder heim fahren“, kam es von ihr.

Mein Lächeln verschwand wieder und ich atmete tief durch.

„Zu erst möchte ich ihn mal auf andere Gedanken bringen, er hat vor einem halben Jahr seinen Freund bei einem Unfall verloren. Ihn jetzt hier so glücklich zu sehen, ist mir schon genug.“

„Wenn du meinst!“, sagte sie und ging wieder zu den Tieren zurück.

Björn drehte mir den Kopf zu und lächelte. Ich erwiderte das Lächeln und trat zu ihm. Er war nicht wieder zu Erkennen. Mit der Begeisterung eines kleinen Kindes zog er alles in sich auf.

„Wo bringen wir die Tiere überhaupt hin?“, fragte er plötzlich.

„Ziemlich weit draußen gibt es eine größere Sandbank, da werden sie alle ausgesetzt“, antwortete ich.

„Ist das eigentlich kein komisches Gefühl, wenn man die Tiere, die man einige Zeit gesund gepflegt hat wieder aus zusetzten?“

„Also meine Mutter hat schon öfters gesagt, das sie ein wenig darüber traurig ist, gerade bei speziellen Tieren zu denen man eine besondere Beziehung aufgebaut hat. Ich bin eben zu selten in der Station, ich kann da weniger mitreden.“

Björn sah wieder auf das Meer hinaus. Ich lief in die Kajüte um etwas zu trinken zu besorgen. Als ich zurück kam, stand meine Mutter bei Björn, sie schienen sich angeregt zu unterhalten und lachten viel.

Ich blieb ein wenig im Hintergrund und beobachtete die Beiden, nippte ab und zu an meiner Sprudelflasche.

Je länger ich mit Björn zusammen war, um so größer wurde der Wunsch ihn als Freund zu haben. Aber er lebte 500 km von mir weg, wie sollte das gehen? Ich spielte gedanklich jede Möglichkeit durch, wie es wäre ihn zu besuchen oder er mich.

Aber ich kam immer zu dem Punkt, das es einer Freundschaft nicht gerade zuträglich wäre, sie so zu führen. Etwas down, ging ich dann zu den Beiden zurück, ließ mir aber nichts anmerken.

„Du Tim, wenn du die Woche noch mal frei hast, könntest du mit Björn nach Brunsbüttel fahren, und ihm die Schleuse zeigen, die den Nord-Ostseekanal mit der Elbe verbindet“, rief mir meine Mum entgegen.

„Ja, können wir machen, gute Idee“, erwiderte ich.

Ich stellte mich neben die beide und sah hinaus. Der Wellengang war heute sehr ruhig, also ein guter Tag um die Tiere aus zusetzten. Es dauerte nicht mehr lange, dann waren wir auch schon da. Durch die geringe Tiefe des Kutters, konnte wir recht nahe an die Sandbank heran fahren.

Nacheinander wurden die Kisten ausgeladen und zur Sandbank getragen. Dort angekommen wurden die Robben aus den Behältnissen gehoben und frei gelassen. Etwas unbeholfen saßen sie erst dicht gedrängt beieinander, bis die ersten sich Richtung Wasser aufmachten und in das kühle Nass eintauchten.

Björn war die ganze Zeit hin und weg, zu viele Eindrücke, Dinge die er noch nie gesehen, so dicht miterlebt hatte. Ich half derweil wieder die Kisten an Bord zutragen. Kurz bevor wieder zurückfuhren, ging ich dann wieder zu ihm.

Wir müssen dann los, bevor die Ebbe einsetzt und wir nicht mehr in den Hafen kommen“, sagte ich.

„Ist gut, ich komme.“

Björn schien nachdenklich zu sein, denn er sagte kein weiteres Wort. Auch bei der Rückfahrt blieb er eher still. Ich überlegte, ob ich überhaupt etwas sagen sollte, so in sich gekehrt war er.

„Was ist los?“, fragte ich dann doch.

„Das Meer fasziniert mich“, antwortete er.

Er starrte hinaus aufs Wasser, lächelte ab und zu.

„Weißt du, so viele klare Gedanken hatte ich noch nie. Hier draußen fällt es einem leicht, mit sich ins Reine zu kommen. Ich denke, Nick hätte bestimmt nicht gewollt, das ich mich zermartere, weil ich ihn so vermisse.“

„Dass denke ich auch!“, sagte ich.

Björn drehte sich zu mir und lächelte. Er schaute mich durchdringend an, so das ich den Wunsch verspürte ihm einen Kuss zugeben. Natürlich war das Wunschdenken, getraut hätte ich mich das sowieso nicht.

„Du hast dich in mich verliebt, stimmt’s?“, fragte er.

Mein ganzen Blut schien in den Kopf zu strömen, ich spürte die Hitze an meinen Wangen.

„He, das ist doch nicht schlimm! Es ehrt mich sogar, dass so ein lieber Kerl wie du, sich in mich verliebt“, sprach er weiter.

Ich versuchte ein Lächeln, was aber eher gequält rüberkam. Er legte seine Hand auf meine Hand.

„Gib mir ein wenig Zeit, bitte“, sagte Björn.

„Dass hat doch eh keinen Sinn“, meinte ich und entzog ihm meine Hand.

Sein fröhlicher Gesichtsausdruck verschwand.

„Wieso das denn?“

„Björn, ja ich habe mich in dich verliebt, aber du wohnst über 500 km von hier weg, kannst du mir sagen wie das funktionieren soll. Du lernst sicher zu Hause jemanden besseres kennen und wirst dich in ihn verlieben.“

„Glaubst du das wirklich?“

„Ich weiß es nicht. Ich weiß überhaupt nicht mehr was ich denken soll!“

Ich ließ ihn stehen und lief an die Spitze des Kutters. Björn folgte mir.

„Willst du es nicht wenigstens versuchen?“, fragte er mich.

Ich spürte wie er dich hinter mir stand.

„Ich meine, wir kennen uns er sehr kurze Zeit, das stimmt. Aber ich spüre, wie wichtig du mir jetzt schon bist Tim, und ich möchte das nicht so einfach hergeben.

„Björn, seien wir doch mal ehrlich. In zwei Wochen fährst du wieder nach Hause, beziehst deine neue Wohnung und beginnst ein neues Leben. Wie soll ich in dieses neue Leben passen?“

„Tim, warum malst du so schwarz? Gut, 500 km sind ein Argument, aber das kann man doch ändern?“

„Ich will hier nicht weg, ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo ins Landesinnere zu ziehen, ich würde das alles hier sehr vermissen.“

„Wer hat gesagt, dass du hier alles aufgeben sollst?“

Ich schaute ihn an und spürte wie sich langsam einige Tränen in meinem Gesicht ihren Weg bahnten.

„Ich empfinde jetzt schon mehr für dich, als mir gut tut. Ja, ich weiß es ist ein Traum von mir, endlich auch einen Freund zu haben, aber mit den Perspektiven, ist doch alles zum scheitern verurteilt.“

„Tim ich verstehe dich, du willst nicht verletzt werden, schon gar nicht deinem Traum hinterher rennen. Aber du darfst auch nicht von vorneherein dich gegen etwas verschließen, also deinen Verstand benutzen, wo dein Herz dir was ganz anderes sagt!“

„Mein Herz sagt, ich will dich , aber mein verstand belehrt mich etwas besseres!“

Ich drehte mich wieder um und schaute auf die Gischt hinunter die der Kutter verursachte. Björns Hand machte sich auf meiner Schulter breit streichelte mit den Fingern durch mein Haar. Ich war total durch den Wind und wusste gar nichts mehr.

„Bei dem Einem verursacht das Meer klare Gedanken, bei dem Anderen verwirrt es sie“, hörte ich Björn sagen, „ gibt uns eine Chance!“

„Gibt es ein UNS?“, fragte ich weinerlich.

„Ich denke schon“, antwortete Björn sanft.

Bis wir in den Hafen einfuhren, sagte keiner mehr was von uns beiden. Wir standen beide nur dicht neben einander und schauten auf das Wasser.

„Fährst du mich nach Hause?“

„Du willst schon gehen?“

„Eigentlich nicht, aber ich weiß nicht, ob du mich bei dir haben willst“, sagte Björn.

„Bitte, nicht falsch verstehen, Björn. Ich weiß einfach nicht, wie ich mit allem umgehen soll. Es ist alles so neu für mich!“

„Ich würde dir gerne helfen Tim, aber du musst mich auch lassen“, sagte er, gab mir einen kleinen Kuss und stieg von Bord.

Ich schaute ihm nach, bis ich meine Mum hinter mir bemerkte.

„Probleme?“

„Das einzigste Problem das es gibt bin ich!“, sagte ich zu ihr und stieg ebenfalls von Bord.

An Land guckte ich sie noch mal an und zuckte kurz mit den Schultern. Björn stand ebenfalls da und schaute mich an.

„Wollen wir heute Mittag nach Brunsbüttel fahren?“, fragte ich leise.

„Willst du?“, kam es von Björn.

„Mein Herz will!“

Björn lächelte und nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich. Wir halfen den anderen die Kisten vom Kutter zu laden, zogen uns wieder um und verabschiedeten uns von allen, bevor wir zum Auto zurück gingen.

Am Mittag fuhr ich noch kurz an Friedrichskoog-Spitze, weil ich noch kurz bei Caro vorbei schauen wollte. Nun saß ich wieder im Auto und wollte Björn abholen. Ich war etwas im Gedanken und bemerkte zu spät, dass ein Auto des Gegenverkehrs sich auf meiner Seite befand.

Ausweichen konnte ich nicht mehr, es war zu spät. Ich riss meine Arme schützend hoch vors Gesicht, dann wurde alles dunkel um mich.

***

Von weit her konnte ich eine Melodie hören. Ich wusste nicht welche, also konzentrierte ich mich darauf. Mein Kopf tat höllisch weh, aber ich wollte erkennen was da lief.

So wie es ist und so wie du bist bin ich immer wieder für dich da ich lass dich nie mehr alleine das ist dir hoffentlich klar

In diesem Augenblick hat die Liebe uns genommen

und ist ohne uns zu fragen mit uns raus aufs Meer geschwommen

und ich lieg in deinen Armen und die Wellen wollen uns gerne tragen

und ich fühl mich so wie du und du fühlst dich so wie ich

wir sind da wo wir sind denn was andres wollen wir nicht

Ich geh mit dir wohin du willst

auch bis ans Ende dieser Welt

am Meer am Strand wo Sonne scheint

will ich mit dir alleine sein denn

So wie es ist und so wie du bist bin ich immer wieder für dich da ich lass dich nie mehr alleine das ist dir hoffentlich klar

Mit dir bin ich Zuhause angekommen ohne Ziel

was wir brauchen sind wir beide davon brauchen wir soviel

und wir geben uns neue Namen und ich schlaf so gerne mit dir ein und ich fühl mich so wie du und du fühlst dich so wie ich

und wir küssen uns bis immer denn was andres wollen wir nicht

Ich geh mit dir wohin du willst

auch bis ans Ende dieser Welt

am Meer am Strand wo Sonne scheint

will ich mit dir alleine sein denn

So wie es ist und so wie du bist bin ich immer wieder für dich da ich lass dich nie mehr alleine das ist dir hoffentlich klar

Leuchtturm – Nena

Ich spürte eine Hand auf meiner liegen, doch meine Augen ließen mich noch im Stich, ich hatte nicht die Kraft dazu.

„Ich glaube er kommt zu sich“, hörte ich eine Stimme sagen.

Ein Stöhnen entfleuchte meinem Mund.

„Tim, hörst du mich?“

Das war eindeutig Björns Stimme. Ich wollte antworten, aber es ging nicht.

„Tim, nicht sprechen, du hattest einen schweren Unfall und liegst im Krankenhaus“, hörte ich meine Mum sagen.

„Björn, ich geh meinen Mann anrufen, ich komme gleich wieder!“

„Okay Hanna, ich bleib bei Tim.“

Er duzte meine Mutter?, Was hatte ich nur verpasst?

„Ganz ruhig Tim, es wird alles wieder gut!“

Ich spürte, wie er sich über mich beugte und mir einen sanften Kuss auf den Mund gab, dann wurde alles wieder dunkel um mich herum.

***

Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen hatte, aber draußen schien es schon zu dämmern, als ich aufwachte, jedenfalls so wie ich das erkennen konnte. Langsam hob ich meinen Kopf, der immer noch höllisch weh tat.

Neben mir saß Björn, hatte den Kopf am Bettrand liegen und schlief. Wie ich erkennen konnte, hatte ich an einem Arm einen Gips, also versuchte ich mit der anderen Hand über seine Haare zu streicheln.

Björn schreckte auf.

„Wollte dich nicht erschrecken“, flüsterte ich heiser.

„He Kleiner, du bist ja wieder wach!“, sagte er und strahlte über das ganze Gesicht.

„Wie lange habe ich geschlafen?“

„Och, so zehn Tage, warst du schon weg“, antwortete Björn.

Verwirrt und fassungslos sah ich ihn an.

„Du bist, als du auf dem Weg zu mir warst, von einem überholenden Auto, von der Strasse gefegt worden. Der Typ war betrunken und es ist ihm nichts passiert. Dafür umso mehr dir. Du warst in deinem Auto eingeklemmt und hast allerhand Brüche.“

Mir wurde plötzlich klar, was Björn wegen mir durch machen musste, es wiederholte sich das gleiche bei mir, wie bei Nick, nur dass ich noch lebte. Björn schien meine Gedanken zu erraten.

„Mir geht es gut, keine Sorge Kleiner.“

„Zehn Tage? Musst du nicht zurück…?“

„Nein Tim, ich bleibe… Ich bleibe für immer!“

Wie verwirrt kann ein Mensch denn aussehen?

„Deine und meine Eltern haben alles in die Wege geleitet, dass ich meine Wohnung zu Hause wieder kündigen kann, dass ich meine Lehre hier bei eurem Schreiner fertig machen kann. Und eine kleine Wohnung habe ich auch schon für uns!“

„Uns?“

Ein Lächeln machte sich auf Björns Gesicht breit.

„Ja uns, ich will bei dir bleiben. Ich will nicht noch jemanden verlieren, der mir so lieb ist.“

Ich spürte wie sich Tränen in meinen Augen breit machten.

„Du wirst jetzt erst mal wieder gesund und dann sehen wir weiter!“

Das Bedürfnis ihn jetzt zu umarmen hatte Björn anscheinend auch bei mir, er stand wieder auf und umarmte mich sanft.

„Ich rufe deine Eltern jetzt an und sage dass du wach bist, okay?“

Ich nickte.

„Was war das mit dem Lied?“, fragte ich immer noch heiser, als er gehen wollte.

Er drehte sich wieder zu mir.

„Du lagst im Koma und die Ärzte wussten nicht warum du nicht aufgewacht bist. So kam mir die Idee mit dem Lied. Es drückt das aus, was ich für dich fühle! Ich ließ es immer wieder spielen und nach vier Tagen, bist du endlich aufgewacht!

Ich lächelte.

„Björn, ich liebe dich!“

„Ich weiß Tim! Ich dich auch!“, sagte er und verließ lächelnd das Zimmer.

Dunkel – Teil 2

Eine ganze Woche ging dahin und Alan beobachtete Leonard mit wachsendem Interesse und einer stetig aufsteigenden Ahnung, was es war, das seinen Blutdurst zurückhielt, wenn er diesem Jungen begegnete. Weiterlesen

Welcome Kapstadt – Teil 9

» Was? Wo ist er? «
» Shaun, bitte. Lass uns schlafen, wir wollen doch morgen früh raus. Ich erzähl dir alles, aber jetzt nicht. Einverstanden? «
Ich konnte seine Reaktion im Dunkeln nicht sehen, bildete mir aber ein dass er nickte. Und es zog mich zu ihm hin. Ich wollte nicht alleine auf meiner Hälfte Weiterlesen

Weiße Federn

Die Sonne war brennend heiß und strahlte mit aller Helligkeit. Es war einer dieser Tage, an denen man am liebsten draußen am See sein wollte um sich abkühlen und genießen zu können. Aber er musste ja in der Schule sitzen. Weiterlesen

Welcome Kapstadt – Teil 8

Shaun schüttelte den Kopf. » Nein, sie würde durchdrehen. «
Das verstand ich. So wie ich dann überhaupt alles verstand. Warum Shaun oft so nachdenklich war. Warum er keinen Sex haben wollte, noch nicht jedenfalls. Weiterlesen

You are not alone – Teil 3

„Hast du schon gehört Christopher, Westlife war in der Stadt“, meinte Michael.

„Echt, und ich hab nicht mal ein Plakat gelesen, die hätte ich gerne gesehen.“

„Da muss ich dich enttäuschen, dies war privater Natur, nur geladene Gäste.“

„Schade.“ Weiterlesen

Eine andere Liebe – Teil 4

Zwei Pfleger kamen angerannt.

„Sind sie verrückt“, brüllte der eine, „sie können doch nicht einfach andere Patienten nieder prügeln.“

Die beiden hatten Mühe, den wütenden Mann fest zu halten

„Was ist den hier los?” Weiterlesen

Welcome Kapstadt – Teil 7

» Sag mal, hast du eigentlich deine Schwester und deinen Schwager schon informiert? «
» Hab ich vorgehabt. Aber so wie ich die kenne holen sie mich Augenblicklich hier ab. Und das will ich nicht, wie du dir denken kannst. «
Nachdenklich sah er mich an. » Naja, Weiterlesen

Missunderstood – Teil 3

„Wagt euch, und greift meinen Herrn an“, sagte Kajim, der vor mich gesprungen war.

Dankbar sah ich zu ihm und lief an Hadros vorbei ins Innere des Schlosses. Beeindruckt schaute ich nach allen Seiten, es war alles so groß und weit. Unzählige Treppen und Flur, aber auch Türen, führten von dieser Eingangshalle weg. Weiterlesen

Missunderstood – Teil 2

„Wer ist es?“, fragte Xeraf, als ich mit ihm auf die Anderen traf.

„Ich weiß es nicht genau“, kam es von Lepina.

Sofort setzten wir uns alle hin und schauten gespannt auf den großen Monitor. Die Waffen des Gegners schienen uns nicht viel anzuhaben, jedenfalls wurde der Firewap bei jedem Treffer ein wenig durchgeschüttelt. Weiterlesen

Missunderstood – Teil 1

„Wird es je so sein wie es früher war?“

„Ich weiß es nicht, dass kommt alleine auf den Jungen an.“

„Bürden wir ihm da nicht zuviel auf?“

„Warum bist du auf einmal so zögerlich, zudem hat er Hilfe von seinem Bruder.“

„Ich habe ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache.“

Xeraf schaute Lepina in die Augen.

Es ist zu spät, sich darüber Gedanken zu machen, Lepina. Wir brauchen den Jungen, sonst ist alles hier im Universum dem Untergang geweiht!“ Weiterlesen

Eine andere Liebe – Teil 3

Büro

Ich stand vor der Bürotür und konnte die Stimme meiner Mutter hören.

„Ja geht in Ordnung Almut, ich werde es ihm ausrichten… nein, mach dir keine Sorgen um ihn, er ist hier bestens auf gehoben… Ja mach ich, versprochen…  Also dann Tschüß…”

Das Gespräch wurde beendet Weiterlesen

Welcome Kapstadt – Teil 6

Ich schlug die Augen auf und zwei Schmerzzonen meldeten sich auf der Stelle. Die schlimmste war mein Kopf, dann folgte mein Finger. Noch völlig benommen versuchte ich herauszufinden was eigentlich passiert war. Weiterlesen

Welcome Kapstadt – Teil 5

Shaun lief dann wieder voraus die Treppen hoch und zum ersten Mal konnte ich seinen Hintern begutachten – betont durch die engen weißen Hosen musste ich mich beherrschen, nicht da hinzugreifen.
» Ist niemand im Haus? « fragte ich als wir die Weiterlesen

Welcome Kapstadt – Teil 4

» Was ist, wollt ihr euch erst bei uns ein bisschen frisch machen und einen Happen essen? Shaun, wie sieht es aus, wirst du erwartet? «
» Eigentlich nicht. Mein Onkel ist mit meiner Mutter bei der Weiterlesen