Sommermärchen – Teil 6 [letzter Teil]

16. Tobias, Gewachsene Pflanzen
Sprachlos hielt ich das Handy an mein Ohr. Wie machte der Kerl das? Ich riss mir die Beine aus, um ein Bein auf die Erde zu bekommen, und Marcel besorgte mir binnen weniger Stunden hervorragende Aussichten auf einen Job – und dann auch noch in Wien. Weiterlesen

Mamma Mia!

Wer kennt sie nicht die Lieder der Gruppe ABBA, wenn sie gespielt werden, hat man automatisch den Text wieder im Kopf. Ein Feuerwerk an bekannten Liedern humorvoll in eine Geschichte verpackt, geschrieben von der Autorin Catherine Johnson.

Erfolgreich in verschiedenen Städten in Deutschland wurde das Theaterstück aufgeführt, läuft nun das Stück als Film in den deutschen Kinos. Wer bereits das Theaterstück genießen konnte, kennt die Handlung des Filmes.

Doch die Bilder der griechischen Landschaft, dazu die Stimmung der Lieder fesseln einen erneut. Spätestens beim ersten Lied fängt man, mit den Fuss an zu wippen und wenig später singt man mit. Meryl Streep glänzt in der Rolle der Donna und bringt mit ihrem Witz die Lieder gut herüber. Für das gut geübte Auge fällt sogar kurz in einer Szene Benny Andersson verkleidet als griechischer Fischer am Klavier auf.

Als ich empfehle euch geht rein in den Film. Für Abba-Fans ein muss.

Homepage: Mamma Mia! Der Film. Offizielle deutsche Film-Website

Fotostudio Plange – Teil 9 – Strohwitwer

Strohwitwer

Tja, lieber Leser, wo soll ich anfangen? Während das erste gemeinsame Frühstück ziemlich lustig und locker ablief, so viel gelacht hatte ich seit langem nicht mehr, zogen erste Wolken beim Aufräumen der Überreste der Geburtstagsfeier auf. Allerdings nahm ich diese wegen der rosaroten Brille, die ich auf hatte, nicht richtig wahr. Es ist nun einmal so, dass frisch Verliebte oftmals den Drang Weiterlesen

Solarplexus Manipura – Teil 4

Als ich am nächsten Tag erwachte, lag ich alleine in dem großen Bett. Es war ein sonniger Tag und ich musste erst mal blinzeln, weil das Zimmer so hell war. Verschlafen suchte ich ohne aufzustehen nach einer Uhr, doch konnte keine entdecken, noch nicht einmal einen Wecker. Mir fiel auch auf, dass das Laken Weiterlesen

Endlich Ferien!

Nun ist es geschafft! Noch ein paar Stunden und in Baden Württemberg läuten zum letzten Mal die Schulglocken und spätestens am Freitag Mittag werden die Autobahnen in den Süden wieder verstopft sein.
All denen, die jetzt in Urlaub fahren wünscht Pitstories erholsame Ferien. Wenn möglich, schickt doch ein Bild in Postkartenmotiv vom Urlaubsort an Pitstories. Die Schönsten veröffentlichen wir in den Newsletter.
Wie ich aber grad erfahren habe, müssen die armen Kinder in Bayern doch noch eine Woche warten und dürfen sich erst am 1. August in die Ferien begeben.

Fotostudio Plange – Teil 8 – Badezimmerspiele

Badezimmerspiele

Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, wie Marvin uns, Igor und mich, am Grill überrascht hatte. Ich wusste nicht, was er alles mitbekommen hatte, aber ich war ehrlich froh, durch seinen Einwurf um eine Antwort herum gekommen zu sein. Dem Deutschrussen erschien es ähnlich zu gehen. „Aber ich darf doch noch für mein Essen sorgen? Ich hab bis jetzt ja noch nichts abgekriegt, da drinnen ist nämlich eine ziemlich hungrige Meute!“ Weiterlesen

Sehr international!

Es ist interessant zu sehen, wer da alles sich so auf Pitstories einfindet. Klar liegen Schweiz und Österreich neben den Deutschen ganz vorne.

Aber auch andere europäische Nachbarländer wie Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Luxenburg, die Niederlande, Belgien, Dänemark oder Norwegen, Schweden und Großbritanien sind dabei.

Überraschend aber sind regelmässige Besuche von weiter weg, wie Amerika, Kanada oder Japan. Auch scheint jemand Urlaub in Niue zu machen, eine winizge Insel im Pazifischen Ozean Nähe der Fijiinseln.

Vielleicht bekommen wir auch mal eine Geschichte von unseren ausländischen Gästen zu lesen, die Übersetzung aus dem englischen wäre sicher kein Problem.
Aber ich finde es toll, das Pitstories mittlerweile so ein breite Leserschaft hat und international ist.

The winner takes it all

Immer noch kamen Zuschauer die Ränge herunter gelaufen, obwohl das Stück gleich begann. Manchmal ärgerte ich mich schon über die Unpünktlichkeit mancher Leute. Aber ich wollte mir nicht den Abend verderben, sondern ihn mit meinem Schatz Lars genießen.

Er hatte uns für das Musical Mamma Mia in Stuttgart Karten besorgt, und nach einem kleinen Abendessen saßen wir nun im Zuschauerraum und warteten auf den Beginn des Stückes. Langsam schienen auch alle Zuschauer da zu sein, denn man konnte nur noch Ordner sehen.

Das Licht im Saal verdunkelte sich und die Bühne wurde in blaues Leuchten gehüllt. Plötzlich kam eine Ansage über die Lautsprecher.

„Sehr geehrte Damen und Herren, wir begrüßen sie herzlich im Palladium zur heutigen Vorstellung von Mamma Mia. Sollten sie ein Handy dabei haben, so bitten wir sie freundlichst, es abzuschalten. Gleichseitig möchten wir sie daran erinnern, dass das Fotografieren, sowie jegliche Ton und Bildmitschnitte nicht gestattet sind. Zuschauer mit schwachen Nerven oder Herzproblemen möchten wir darauf hinweisen, dass in diesem Stück vermehrt Schlaghosen und Plateauschuhe zum Einsatz kommen!“

Das Publikum fing an zu lachen und nach ein paar Sekunden startete die Musik. Mehrere Lieder von Abba wurden angespielt. Lars hatte meine Hand genommen und strich zärtlich mit seinem Daumen über meinen Handrücken. Ich versank in meiner Gedankenwelt, erinnerte mich zurück, was ich zu der Zeit machte, als all diese Lieder viel im Radio liefen.

  Rückblende

 Es gab weder Handys noch Computer in jedem Haushalt und im Fernseh gab es nur drei Programme, dass kann sich bestimmt keiner mehr vorstellen, wenn er das nicht selber erlebt hatte.

Beim Spielen war man eben noch draußen. Weil außer Lesen und Hausaufgaben machen, war drinnen nichts angesagt. So wie ich auch mit meinen neun Jahren, verbrachte, wenn es ging, die meiste Zeit draußen. Freunde? Hatte ich zu der Zeit keine. In der Schule war ich eher der ruhige Typ, der sich aus allem raus hielt. Und zu Hause, da wohnten entweder nur jünger oder ältere Kinder. Na ja ich hielt mich halt an die Jüngeren, da konnte ich nicht viel falsch machen und wurde von niemand ausgegrenzt.

 Ausgegrenzt? Ja. Wie das alte Beispiel geht das jeder kennt. In der Schule wurde oft Fußball gespielt und vorher gab es natürlich die große Mannschaftsauswahl, und wie es immer so ist, am Schluss saßen die absoluten Loser da, die niemand wollte und doch gewählt werden mussten. Tja, und da war ich mit aller Regelmäßigkeit dabei.

 Noch einwenig mehr aus meinem Umfeld? Also wo soll ich anfangen, da war also mein Papa, den ich eigentlich nur abends zu Gesicht bekam unter der Woche wenn er von der Arbeit kam und am Wochenende meinte er müsse was mit uns unternehmen, was immer in einem langweiligen Sonntagssparziergang endete.

 Ja da war noch meine Mama, die auch den halben Tag nicht zu Gesicht bekam, einerseits wegen der Schule, andererseits weil sie mittags putzen ging. Ja bei uns mussten zwei verdienen, weil es halt vorne und hinten nicht langte.

Und dann gab es, ja es gibt ihn immer noch, meinen älteren Bruder, mit dem es ohne Streit und ab und wann auch Prügelei kein Tag verging. Also kurz und gut eine richtige nette Familie.

 Ich mit meinen Neun war halt der Kleinste, das Nesthäkchen, wie man so schön sagt, aber der Begriff war bei mir eher unpassend. Wegen jeder Kleinigkeit, man muss wissen ich war zur der Zeit echt ein Schussel, jo bin ich heute vielleicht auch noch ein wenig, mir ging viel kaputt, eigentlich alles was ich in die Hände nahm, bekam ich gleich Schläge. Entweder sofort von meiner Mutter, oder abends wenn der Big Boss nach Hause kam.

 Wir wohnten damals zur Miete. Eine kleine schnuckelige Zweizimmerwohnung,  Küche, Bad, Wohnzimmer und ein Schlafzimmer. Ja ein Schlafzimmer! Wir schliefen da zu viert drin. Es war noch nicht so gang und gebe, dass man wie heute ein eigenes Zimmer hatte.

Es ging auch alles ein wenig beengt zu, aber ich war es nicht anders gewohnt, weil ich es ja auch nicht anders kannte. Zu der Zeit hatten wir auch noch eine Schwarzweiß Fernseh, Farbe war halt auch noch ein bisschen zu teuer für uns.

Außer Vicky, Biene Maja und Heidi gab es nur wenig für Kinder, so war das Thema Fernseh eh ab gehackt für mich. War eh derjenige der die wenigsten Stimmrechte hatte, was geschaut werden durfte.

 Ich ging in die dritte Klasse, der hiesigen Grundschule. Meine Leistungen in der Schule waren eher mittelmäßig, was mir bei der Benotung der Arbeiten, zu Hause weitere Schläge einbrachte, aber sonst mir keinerlei Hilfe dafür entgegen gebracht wurde.

Jedenfalls nicht viel. Wie schon anfangs erwähnt, gehörte ich zu den Loosern der Klasse, was mir auch die tägliche Zuwendung unserer Klassenraudies einbrachte, nach dem Motto ein Tag ohne Prügel ist ein verschenkter Tag.

 Mein Bruder ging schon auf die Hauptschule, so war er also nie da um mich eventuell zu schützen, wobei ich auch nicht weiß ob er das gemacht hätte. Er war jetzt mittlerweile in der siebten Klasse und hatte andere Interessen, als mit seinen kleinen, nervigen Bruder zu spielen. Ein Nachbarjunge war in seiner Klasse, also verbrachte er auch viel Zeit mit diesem. Der hatte einen Bruder, der zwei Jahre älter war wie ich und sich ab und zu herab ließ mit mir zu spielen.

 Gedankenverloren erschrak ich als Lars mit etwas ins Ohr flüsterte.

„Das ist noch besser, als ich mir es vorgestellt habe“, meinte er.

Ich nickte ihm zu und schaute wieder zur Bühne. Dort saß eine junge Frau, die in einem Buch blätterte. Es begann die Melodie von I have a dream, aber sie begann in Deutsch zu singen. Sie hatte bald Hochzeit und wollte gerne ihren Vater dazu einladen. Sie wusste nicht wer es war.

So blätterte sie im Tagebuch der Mutter und schaute nach, wer in dieser Zeit vor ihrer Geburt in Frage kommen würde. Sie fand drei Namen.

 Rückblende

 Zu der Zeit war Räuber und Polizei oder „Dokterles“ angesagt. Das zweit Erwähnte spielte sich folgendermaßen ab. Man hatte einen Unfall und wurde dann von Mitspieler wieder zusammen geflickt.

Die Rolle des Arztes war heiß begehrt, weil man da immer so schwierige Operationen durchführen konnte. So auch bei Harald und mir, wobei ich meistens den Patienten spielen musste. Auch an dem Mittag, der mein ganzes Leben verändern sollte.

Harald war alleine zu hause als ich ihn besuchte. Nach dem wir ein bisschen Lego gespielt hatten, wollte er mich unbedingt wieder operieren. Nur mit dem Unterschied, das wir uns diesmal dazu auszogen. Ich dachte mir nix dabei und machte schließlich mit.

 Da lag ich nun, nur noch mit Unterhosen und Socken begleitet und wurde operiert. Es schien eine lange Operation zu werden, und nach einer Weile meinte er dann, > da unten muss ich dich aber auch untersuchen.<

Er zog mir meine Unterhose runter und nahm mein fast nicht vorhandenes Glied in die Hand und spielte ein wenig damit herum. Er fing an über die Größe an zu lachen und sage das wäre ja wohl absolut winzig, ob ich noch nie einen richtig Großen gesehen hätte.

Natürlich hatte ich schon, mein Papa lief zu Hause öfter nackt herum, aber bis dahin hatte ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Verständlich bei dem Alter oder?

 Harald zog seine Unterhose runter und streckte mir sein Glied entgegen. Er meinte ich solle es doch in die Hand nehmen. Ich tat es zögerlich. Es fühlte sich heiß an, und war in Gegensatz zu meinem Steinhart.

Ich fingerte daran herum bis er dann schließlich meinte, ich soll ihn doch mal als Lutscher probieren. Ich schaute ihn ein wenig schockiert an, aber seinem bösen Blick zufolge machte ich lieber was er sagte. So kniete ich vor ihn und nahm ihn in den Mund.

 In diesem Augenblick ging die Tür auf und sein älterer Bruder stand in der Tür. > Oh, was macht ihr da denn schönes, kann man mitmachen?< kam es von ihm und ohne auf eine Antwort zu warten, zog er seinen Sachen aus. Sein Glied war natürlich viel größer und auch einwenig behaart war er untenherum auch.

 Er stieß sein Bruder auf die Seite und drückte mir sein Glied in den Mund. Ich bekam es mit der Angst zu tun, aber wie konnte ich mich wehren, gegen zwei Brüder. Harald war nach unten gegangen und lutschte an meinem Schwanz der sich ebenso hart anfühlte und mit seinen Finger spielte er an meinem Loch herum, was mir sehr unangenehm war.

 Sein Bruder stoss mir mittlerweile sein Glied immer wieder in den Mund und begann an zu stöhnen. Ich musste fast würgen, weil er mit seinem Glied immer wieder tief nach hinten bohrte. Auf einmal schrie er laut auf und ich merkte wie er etwas in meinen Mund spritze.

Ich wollte meine Kopf wegziehen, aber er hatte sich fest mit seinen Hände darin festgekrallt, dass es fast schon wehtat. Immer wieder spritze er mir das schleimige Zeug in den Mund, ich begann zu husten zu würgen, weil ich es automatisch schluckte. Dann ließen die beiden von mir ab.

 Die beiden legten sich aufs Bett und begannen sich zu streicheln. Ich zog mich hastig an, und verließ fluchtartig die Wohnung. Es hinderte mich auch niemand daran. Total verstört lief ich nach Haus, erzählte aber niemanden davon was. Wem den auch?

 Etwa zwei Tage später begann es an meinem Glied furchtbar an zu brennen, wenn ich auf die Toilette ging. Als ich es vor Schmerzen nicht mehr aushielt, ging ich schweren Herzens zu meiner Mutter und erzählte es mir. Die folge war, dass mein Vater ärgerlich früher von seiner Arbeit kam, und mit mir zu unserem Kinderarzt fuhr.

 Dort angekommen musste ich mich dann bis aufs Unterhemd nackt aus ziehen und wurde lange vom Arzt untersucht. Jede Berührung mit seine Händen an meinem Glied war schmerzhaft und ich verzog mein Gesicht. Mein Vater schaute mich böse an und meinte ich soll mich nicht so anstellen.

 Danach durfte ich mich wieder anziehen und der Arzt sprach mit meinem Vater. Ich verstand so was wie ich hätte einen riss auf der Eichel und das hätte sich schlimm entzündet. Er befürchtete ich könnte später keine Kinder deswegen mehr bekommen, was auch immer das heißen sollte. Hey, zu der Zeit war Aufklärung noch ein Tabuthema.

 Er verschrieb eine Salbe und machte mit meinem Vater Termine aus, wo ich irgendwelche Aufbauspritzen bekam. So lief ich die nächsten fünf Wochen jeden Dienstag und Donnerstagmittag zum Arzt und bekam jeweils an jedem Tag eine Spritze in ein Bein.

Es tat schrecklich weh und ich hatte von Termin zu Termin mehr Angst davor.

 Das Brennen war so gut wie verschwunden, als die zehnte und letzte Spritze anstand. Voller Angst lief ich zum letzten Mal zum Arzt. Als er aber zu einem Notfall gerufen wurde, übernahm ein Frau diesen Job und jagte mir die Spritze ins linke Bein.

Es tat höllisch weh, noch mehr als die vergangenen Male. Irgendwie zog sie die Spritze dann auch noch komisch heraus und es fing dann an zu bluten. Sie drückte mir ein Pflaster drauf und sagte ich könne dann gehen.

 Am nächsten Tag hatte ich einen großen Bluterguss und die Stelle, wo das Pflaster drauf war. Die Narbe, vom Einstich, ist mir bis heute erhalten geblieben und die panische Angst vor Spritzen auch, wie sich jeder bestimmt vorstellen kann.

 Das Klatschen der Zuschauer riss mich wieder aus meinen Gedanken. Bisher kannte ich alle Titel die gesungen wurden. Automatisch hat ich mitgesummt und stellte auch fest, dass ich dabei nicht ruhig sitzen konnte, sondern die ganze Zeit mit der Musik mitgewippt hatte.

Ich schaute Lars an, der total im Abbafieber war und mich dabei anlächelte. Die drei angeblichen Väter, welche die Tochter zur Hochzeit eingeladen hatte, waren auf der Bühne und sangen mit der Tochter, >Thank you for the Music<.

 Rückblende

 Musik hörte ich schon immer gerne und viel, an mehr aus dieser Zeit konnte ich mich auch nicht so erinnern. Außer an die Schläge meines Vaters, der mittlerweile auch Gegenstände zur Hilfe nahm, wie seine Hausschuh oder einen Kehrbesen. Ohne Ehrenrunde bekam ich auch noch die vierte Klasse hinter mich und wurde in die Hauptschule versetzt.

Wir waren in das Nachbarhaus gezogen, weil dort eine größere Wohnung frei wurde. Mein Bruder und ich bekamen endlich ein gemeinsames Zimmer. Und in der Schule, er war Neuntklässler und ich Fünftklässer, also das hieß soviel wie verpiss dich und lass mich in Ruhe. Ich selber stellte fest, das sich mit mir was veränderte. Ich war jetzt elf Jahre alt und fing langsam an zu wachsen, wo ich bis jetzt doch immer der Kleinste in der Klasse war.

 Und nicht nur ich fing an zu wachsen, auch mein Glied wurde immer größer. Meine Erinnerungen an den damaligen Vorfall den ich bis jetzt verdrängte hatte kehrten auf einmal zurück.

Nur zum Unterschied, das es angenehme Gedanken waren, als ich an Haralds und seines Bruders Glied dachte. Ich erschrak jedesmal über meine Gedanken. Wusste nicht so recht was ich damit anfangen sollte.

 Besonders schämte ich mich beim Schwimmunterricht, weil wir uns danach nackt ausziehen mussten, um die Kleidung zu wechseln. Ich bekam regelmäßig ein steifes Glied und war froh, dass es niemand merkte. Ich wurde immer ruhiger und verschlossener.

Meine Lehrer hatte mich zu der Zeit schon als Träumer abgestempelt, und was sich auch na meinen Leistungen bemerkbar machte. Einzig alleine der Rektor und die Religionslehrerin befassten sich mehr mit mir.

 Meine Noten waren in Physik, Religion und auch Musik dem entsprechend gut. Mein Rektor hatte mich auch dazu bewogen im Schulchor mit zumachen, was ich dann auch mit viel Spass verfolgte und mir die ganzen fünf Jahre auf der Hauptschule erhalten blieb.

Meine Relileherin brachte mich dazu, an den ein Mal in der Woche stattfindenden Jugendschar teil zunehmen. Es gefiel mir sehr dort, weil es endlich mal was gab, wo ich nicht gleich als Looser abgestempelt wurde.

 Durch eine Anmeldungsfehler meiner Eltern, kam ich in die C-Klasse und meine bis dahin alle Klassenkameraden waren in der B. So kannte ich niemanden recht aus meiner Klasse. Bis im zweiten Halbjahr nach den Winterferien wir einen neuen Klassenkameraden bekamen. Er hieß Tobias und wurde neben mich gesetzt, weil dies der einzigste freie Platz in der Klasse war, weil ja niemand etwas mit nem Träumer zu tun haben wollte.

 Tobias und ich freundeten uns sehr schnell an und wir wurden wirklich unzertrennlich. Bis dahin war ich eigentlich immer daheim rumgesessen, aber seit Tobias, war ich fast keinen Mittag mehr daheim. Meine Leidenschaft mit dem Chor teilten wir uns auch. Ich war oft bei ihm er weniger bei mir.

 Das änderte sich als meine Eltern sich entschlossen zu bauen, nämlich auch in das Neubaugebiet in dem Tobias auch wohnte. Mir fiel es zwar schwer aus der gewohnten Gegend weg zuziehen, aber mit der Gewissheit auf ein eigenes Zimmer, war ich schnell vertröstet.

 Zu der Zeit fing es auch in der Schule an, dass wir uns gegenseitig unten rein griffen, war irgendwie so ein Klassensport von uns geworden war, auch ich blieb nicht davon verschont. Auf einen meiner Klassenkameraden hatten sie es besonders abgesehen.

 Jürgen war regelmäßig Opfer der Schwanzattacken, wie wir es immer scherzhaft nannten. Irgendwie ist das bei ihm hängen geblieben. Viel, viel später als ich so neunzehn war, erfuhr ich von einem befreundeten Schwulen, dass er einen neuen Freund hatte und es war eben dieser Jürgen.

 Aber zurück in die fünfte Klasse. Natürlich blieb es nicht aus wenn Tobias und ich zusammen waren und wir uns darüber unterhielten. Mir war das dann irgendwie peinlich, weil ich dabei immer einen Steifen bekam.

Mittlerweile zwölf Jahre alt, frage mich Tobias plötzlich eines Tages, ob ich mir schon einen runter geholt hätte. >Nein, was ist das überhaupt?< fragte ich ihn. Tobias zog sein Reisverschluss seiner Hose herunter, holte sein Glied heraus, was dann gleich mächtig hart wurde. Er meinte ich solle es ihm gleich tun.

Er rieb die Vorhaut fest über seine Eichel und ich tat ihm es gleich. Bald stieg in mir ein komisches Gefühl auf, es fing überall an zu kribbeln und mein Glied begann komisch an zu zucken. Bei Tobias passierte dasselbe.

Er stöhnte kurz auf und aus seinem Glied spritzen zwei, drei Spritzer weißes Zeug auf den Boden. Ich war enttäuscht, weil bei mir nichts kam. Er vertröstete mich aber, dass dies bei ihm am Anfang genauso gewesen sei.

 Fast täglich trafen wir uns zu unseren Wichsabenteuer und ich war richtig stolz, dass dann endlich der Tag kam, als endlich bei mir auch was kam. Nicht viel aber immerhin. Zu der Zeit hatten wir uns auch im nahen Wald eine Hütte gebaut, nicht einsehbar von außen, aber mit einer schöne Lichtung, auf der wir uns sonne konnten. Bei unseren Streifzügen durch den Wald fanden wir eine Plastiktüte, die voll mit Pornoheften war.

 Mutiger durch die Pornohefte, zogen wir uns ganz aus, legten uns neben einander und befriedigten uns gegenseitig. Auch legten wir uns oft aufeinander und rieben unsere nackten Körper aneinander. Irgendwann meinte Tobias, ob wir das im Heft nicht auch mal ausprobieren sollten.

 Er zeigte mit dem Finger auf eine Seite, wo irgendeine Tussi das Glied des Mannes im Mund hatte. Schlagartig kam mir die Szene von früher in den Sinn und es schüttelte mich. Nach langem zureden von Tobias, lies ich mich doch breitschlagen.

Nur zögerlich, fing ich mit der Zunge an Tobias’ Glied zu lecken. Er dagegen, war schon voll im Gange und das alt bekannte Gefühl kam in mir auf. Voll Geilheit nahm ich dann sein Glied in den Mund und begann kräftig dran zu saugen.

 Plötzlich war es soweit, Wir kamen fast gleichzeitig, anfänglich würgte ich noch als ich Tobias’ Sperma auf meiner Zunge spürte, doch der Geschmack gefiel mir und ich schluckte alles hinunter. Total ausgelaugt lagen wir neben einander und mussten erst zur Ruhe kommen.

 Natürlich ging alles seinen gewohnten Weg. Morgens Schule, danach die Hausaufgaben und mittags mit Tobias unterwegs. Nur die Wochenende gehörten der Familie, dass heißt halt eins auf Familie machen.

 In der Schule verlief alles ruhig. Durch die Abgänger die noch auf das Gymnasium und die Realschule wechselten, schrumpften unsere Klassen noch weiter zusammen und es wurden aus vier Klassen drei.

Wir hatten Sechsertische im Klassenzimmer stehen, und natürlich saß Tobias auch an meinem Tisch. Natürlich merkte niemand etwas von unserer engeren Freundschaft.

 Der erste Teil des Stücks war nun vorüber. Ich zog Lars hinter mir, die Stufen hinauf. Viel zu schnell füllte sich das Foyer und so musste ich ein wenig anstehen, um uns jedem ein Glas Sekt zu holen.

Lars hatte sich einwenig auf die Seite gestellt, wo man über das ganze Foyer einen guten Überblick hatte. Ich kam zu ihm und wollte ihm sein Glas reichen, doch er winkte ab, er müsse dringend auf die Toilette.

So stand ich nun da, nippte an meinem Sektglas und ließ meinen Blick durchs Foyer wandern. Vom Alter her, war wirklich alles vertreten. Die ganz Alten, die in ihren Kostümchen um die Wette strahlten.

Das Mittelfeld, das meistens aus Paaren bestand die nun eng aneinander geschmiegt noch von der Musik eben träumten, aber auch jede Menge Junge, die anscheinend im Klassenverband angerückt waren und in ihren Anzügen, teilweise wie Pinguine aussahen.

Lars kam zurück und nahm sein Sektglas entgegen.

„Und was meinst du?“, fragte er.

„Traumhaft!“, erwiderte ich.

„Ich habe mich echt zusammenreisen müssen, nicht bei ein paar Lieder aufzustehen, um mitzutanzen“, sagte Lars lächelnd und trank einen Schluck.

„Das geht mir genauso, ich konnte nicht still sitzen!“

Lars legte einen Arm um meine Hüfte und zog mich zu sich heran.

„Was ist mit dir?“, fragte Lars und schaute mir in die Augen.

„Nichts besonderes, die Musik bringt Erinnerungen hervor.“

„Das habe ich gemerkt, zwischen drin, wurde dein Blick ab und zu ganz schön traurig.“

„Geht schon, Schatz, ist nicht zu schlimm!“

„Wirklich?“, fragte Lars und strich mir dabei zärtlich über die Wange.

„Klar!“, erwiderte ich und gab ihm einen Kuss.

Wir bemerkten beide, die Blicke um uns, die wir durch unsere Aktion eben, auf uns zogen. Aber es war uns egal und wir lächelten uns gegenseitig an.

„Wenn etwas ist, sag es mir, Thomas! Ich bin für dich da!“, meinte Lars.

„Ich weiß, Schatz. Ich liebe dich!“, entgegnete ich ihm.

Als ich ihm den zweiten Kuss geben wollte erklang ein Gong, der uns aufrief, unsere Plätze wieder einzunehmen. Aber abhalten ließ ich mich nicht von meinem Vorhaben und küsste Lars. Er schob mich vor sich her, die Treppe hinunter, zu unseren Plätzen. Es dauerten auch nicht lange, bis ziemlich laut, die Musik wieder anfing zu spielen.

Lars fuhr neben mir zusammen.

„Was ist denn?“, fragte ich leise.

„Ich hab mich nur voll erschrocken, müssen die so abrupt aufdrehen?“, kam es von Lars.

„Sie wollten nur die Aufmerksamkeit der Zuschauer!“, meinte ich und grinste.

Lars hatte die Arme vor sich verschränkt und atmete immer noch schwer. Ich verbiss mir das Lachen und schaute wieder zur Bühne vor. Der zweite Akt begann mit einer Traumsequenz. Die Tochter lag im bett und träumte von ihrer bevorstehenden Hochzeit.

Die Bühne war mit Schwarzlicht ausgeleuchtet, so dass bei allen Akteuren die erschienen, die Kostüme grell leuchteten. Das Lied >Under Attack< lief und am Schluss erschien jemand im Brautkleid. Als sich der Brautschleier hob, konnte man das Gesicht vom Bräutigam sehen, das Publikum grölte.

 Rückblende

 Neben mir saß Marion, etwas jünger wie ich. Wir verstanden uns recht gut, und wie es so ist, waren wir auch während der Pausen immer zusammen. In der Klasse wurden wir schon lange als Paar gehandelt. So kam es, wie es kommen musste. Ich hatte plötzlich eine feste Freundin. Auf der einen Seite Marion und auf der anderen Seite Tobias. Irgendwie war ich der glücklichste Mensch auf der Welt. Noch besser wurde es, als sie Tobias, in Marions jüngere Schwester verknallte. Ab diesen Zeitpunkt waren wir die unzertrennlichen Vier.

 Ich und Tobias, waren dadurch trotzdem jeden Tag zusammen, ob mit Freundinnen oder ohne. Ein schlechtes Gewissen hatte keiner von uns beiden. Es lief gut für uns, und keiner von uns beiden hatte etwas dagegen, das es so weiter ging.

 Das sechste Schuljahr verging ohne weitere Zwischenfälle, nur vielleicht, dass meine schulischen Leistungen immer noch zu wünschen übrig ließen. Der Ärger mit meinem Vater steigerte sich immer weiter, und meine Mutter stand machtlos daneben.

 Zu meinem Glück wohnte neben uns eine Lehrerin, die mit aller Wahrscheinlichkeit, die lauten Streitgespräche der Nachbarwohnung mitbekam. Sie bot sich an, mir in Englisch, Nachhilfeunterricht zu geben, was ich dann auch annahm. So verbesserte ich mich in Englisch enorm, und konnte so einige Attacken meines Vaters entgegenwirken.

  Nach meinem dreizehnten Geburtstag, stand dann auch wieder der Sommerurlaub an. Fünf Wochen satt in irgendeinem anderen Land. Diesmal war es Spanien. Dort angekommen, fand ich und mein Bruder gleich Anschluss. Ein paar Deutsche und Holländer. Mein Bruder, der älteste von unsere Truppe, war natürlich der Mädchenschwarm schlechthin.

 Ich freundete mich näher mit einem Stuttgarter an. Andreas. Blond und blauäugig, wie mein Tobias zu Hause auch. Mein Hirn arbeitete auf Hochtouren. Was war nur mit mir los. Ich hatte eine tolle Freundin und doch trafen sich Tobias und ich uns regelmäßig und hatten Sex miteinander.

 Irgendwie war ich wegen meiner Gefühlswelt total verwirrt. Und jetzt lernte ich Andreas kennen, den ich absolut süß fand und der mich natürlich sehr an Tobias erinnerte. Ich führte zwei Leben und wurde mir langsam bewusst, dass es so nicht weiter gehen konnte. Meine innere Ruhe ging langsam flöten, und wurde sehr schnell von wirren Gedanken ersetzt.

 Natürlich landete ich irgendwann mit Andreas in den Dünen und wir befriedigten uns gegenseitig. Mein innere Kampf mit mir, dehnte sich immer weiter aus. Nach außen hin der lustige Thomas und nach innen hin, sich immer weiter zurückziehend. Meine Veränderung merkte daher niemand und ich war auf mich selbst gestellt.

 Die Attacken meines Vaters wurden seltener, aber dafür immer heftiger. Lange danach schmerzten mir noch die Stellen, wo er drauf geschlagen hatte. Irgendwann hörte ich sogar mit weinen auf, es mag gefühllos klingen, aber ich war in diesen Situationen, keiner Gefühlsregungen mehr fähig.

 Zurück aus dem Urlaub begann dann das siebte Schuljahr. Von meinen Eltern wurde ich zum Konfirmandenunterricht angemeldet. Nun hatte ich eine volle Woche und so auch keine Freizeit mehr. In der Schule kam dann ein Vorfall, der wiederum einschneidend für mich war.

 In der Klasse hatten sich Gruppen gebildet. Die Machos, Streber, Coolen, Ausgeflippten und natürlich die Looser. Zu letztern Gruppierung wurde ich gezählt. Und zum Schulalltag gehörte natürlich, dass die Looser von den Machos der Klasse, regelmäßig verprügelt wurden. So auch einen Tages Tobias.

 In der großen Pause wurde wie immer ein Opfer ausgesucht. Tobias kam durch ein blöden Zufall genau in ihre Schusslinie. Sie schlugen ihn herum und boxten ihn. Wir anderen standen im sicheren Abstand irgendwo versteckt um nicht mit hinein gezogen werden. Rainer setzte sich hinter Tobias auf den Boden, der gerade mehrmals von Sascha geschupst wurde. Tobias flog über Rainer und verlor das Gleichgewicht.

 Tobias fing laut an zu schreien und die vier Prügler verschwanden auf der Stelle. Der Aufsichtslehrer kam gerannt und kniete sich zu Tobias auf den Boden. Plötzlich waren die beiden von einer großen Schülermenge umgeben. Von weiten bekam ich mit, das jemand einen Krankenwagen verständigen sollte.

 Im Nachhinein erfuhr ich dann, dass sich Tobias einen komplizierten, dreifachen Bruch seines rechten Armes zu gezogen hatte. Besuchen konnte ich ihn im Krankenhaus nicht, da waren meine Eltern dagegen. Und als Tobias, drei Wochen später wieder in die Schule kam, wollte er von mir nichts mehr wissen.

 Es traf mich tief, als er mir an den Kopf warf, für ihn nicht da gewesen zu sein. Und ihm das ewige Gelabere,> meine Eltern sind schuld < nicht mehr hören konnte. Nach der Schule fuhr ich schnell nach Hause warf mich auf mein Bett und begann zu heulen.

Mein trauriger Zustand fiel natürlich auch Marion auf. Ich redete in Schule kaum noch was, saß immer alleine in den Pausen. Marion kam eine Pause zu mir, und meinte, mit mir wäre es ja nicht auszuhalten, da könne sie sich doch gleich einen anderen Freund suchen.

 Ich sah sie nur an, und meinte > wäre wohl besser so, dann machen wir halt Schluss< ich stand auf und ließ sie am Fenstersims im Flur sitzen. Natürlich hatte sie es nicht so gemeint, sie wollte doch nur, dass ich mich mal wieder zusammen reisen sollte. Da mir aber alles egal war, und ich nur noch alleine sein wollte, machte ich eben Schluss. Innerhalb einer Woche hatte ich nun keine Freund und keine Freundin mehr.

 In der Klasse sprach es sich natürlich schnell herum. Ich wurde immer ruhiger und nahm nicht mal mehr am Unterricht teil. Jeder mied mich und so hatte ich dann auch meine Ruhe.

 Inzwischen war die Bühne zu einem Zimmer umgebaut worden. Es war das Zimmer der Mutter. Sie saß vor dem Spiegel und versuchte verzweifelt ihre Haare zu richten. Die Tochter kam herein und bat sie, ihr beim Anlegen des Hochzeitkleides zu helfen. Donna – die Mutter, verfiel in ihre Erinnerungen und begann leise zu singen.

 Und durch meine Finger rinnt die Zeit,
wenn ich die Tage und Momente nur halten könnte,
doch durch meine Finger rinnt die Zeit.
Morgen schon ist heut Vergangenheit,
ich weiß bald wird sie eine Frau sein
Und ich werd grau sein, denn durch meine Finger rinnt die Zeit.

© Slipping though my Fingers ABBA

 Wieder verfiel ich in meine Gedanken, weil mir es genauso gegangen war und die Zeit durch meine Finger gerinnt war.

 Rückblende
Im Konfirmandenunterricht lernte ich neue Leute kennen. Hier war jeder plötzlich gleich und es gab den Unterschied Gymnasium – Realschule – Hauptschule nicht mehr. Eine Mädchen aus der Parallelklasse, Anita, die ich eigentlich schon seit dem Kindergarten kannte, wurde für mich eine neue Bezugsperson.

 So langsam fand ich dann auch meinen alten Rhythmus wieder. Morgens in der Schule und jeden Mittag stand etwas anderes auf dem Programm. Montags war ich mittags zwei Stunden in der Schule und hatte Französisch AG dienstags und donnerstags war Konfirmandenunterricht angesagt. Mittwochs letzte Stunde morgens hatte ich Chorsingen und mittags war ich in der Video AG vertreten.

 Da mein Bruder mittlerweile auch als Mitarbeiter an der Kirche vertreten war, durfte ich abends oder am Wochenende auch öfter mal, mit meinem Bruder zusammen wegbleiben. Die Konfirmation rückte näher, und die Gemeindediakonin fragte mich ob ich nach der Prozedur nicht bei ihr im Kindergottesdienst mitarbeiten wollte. Und weil ich so gut mit Kindern konnte sagte ich zu.

 Meine sexuelle Verwirrungen in meinem Kopf wurden fast unerträglich. Aber ich lernte es gut zu Überspielen. Alles weitere fraß ich in mich hinein. Durch einen glücklichen Zufall bekam ich zu der Zeit auch eine eigene Gitarre. In jeder freien Minuten saß ich dran und versuchte mir das spielen selbst bei zu bringen.

 Nach der Konfirmation kam dann mein Geburtstag und ich war vierzehn. Mein Zeitplan gestaltete sich immer enger, den zu den Schulischen Sachen kamen nun noch eine Mitarbeiterbesprechung jeden Dienstagabend dazu, Freitagsabends die Christenlehre, die nach der Konfirmation folgte und Samstag Mittag eben dann Kindergottesdienst.

 Natürlich gab es auch Bibelarbeiten in der Christenlehre und ich begann mich langsam, auch natürlich durch den Kindergottesdienst, mit der Bibel auseinander zusetzten. Ganz zum Gegenteil in der Schule, wo ich mittlerweile der absolute Einzelgänger war, brachte ich mich in meinem neuen Freundeskreis und Schaffensgebiet immer mehr ein.

 Unter den Mitarbeitern, gab es einen, der meine Sinne total verwirrte. Er hieß Rainer, war so alt wie mein Bruder und der absolute Mädchenschwarm. Er war so ungefähr eins achtzig groß hatte schwarz Haare. Seine blaue Augen hatten es mir angetan. Ich saß alleine mit meinen Gefühlen, hatte niemanden dem ich mich anvertrauen konnte.

 Mir wurde langsam klar, dass mich Mädchen und Jungs gleicher weise angezogen fühlte, was meine Probleme damit nicht einfacher machte. Genau zu dem Zeitpunkt fing ich an meine Gedanken alle einem Buch an zu vertrauen. Abends bevor ich ins Bett ging schrieb ich Seiten voll oder nur kurze Zeilen, die sich mit meinen Tränen vermischten.

 Dann kam für mich der Tag wo ich in der Schule den vollen Absturz hatte. Natürlich war mein Verhalten auch den Lehrern an der Schule nicht unbemerkt geblieben. Ebenfalls unserem Klassenlehrer nicht. Wir sollten eigentlich Deutsch haben, als eben dieser unser Klassenzimmer betrat.

 Er legte seine Unterlagen auf den Tisch und setzte sich daneben. Er begann damit, dass er heute keinen normalen Unterricht machen wollte, sondern auf eine Aussprache in der Klasse hinarbeitete. Ich hörte nur mit einem Ohr zu weil mich dieser Mist, eh nicht interessierte. Bis mein Namen fiel.

 Er sprach über Schwierigkeiten der Lehrer, die sie mit mir hatten und auch der Klasse, die nicht mehr mit  mir zu Recht kam. Aufgefordert von meinem Lehrer begannen sich Jungs und Mädchen meiner Klasse zu melden und erzählten, was ihnen an mir nicht passte oder verstanden. Ich saß mit einem hoch roten Kopf da, und hörte ohne ein Kommentar zu geben allem zu.

 Wenn mein Körper nicht sich wie gelähmt angefüllt hätte, wäre ich augenblicklich aufgestanden und aus dem Raum gerannt. So aber war ich wie an meinen Stuhl gefesselt und musste alles über mich ergehen lassen. Und als mein Lehrer dann noch davon anfing, wie toll er doch die Freundschaft zwischen Marion und mir fand und ob ich es nicht noch einmal probieren wollte, war der Rand voll. Ich fing an zu weinen.

 Das saß ich nun mit meinem vierzehn Jahren mit 1,82 m mittlerweile der größte der Klasse und weinte hemmungslos. In der Klasse war es absolut ruhig, keiner sagte etwas nicht mal unser Lehrer. Tobias schob mir ein Tempopäckchen zu und lächelte betreten. Ich putze meine Nase, wischte mir die Tränen aus den Augen. Alle Augen waren auf mich gerichtet.

 Langsam und mit zitternder Stimme begann ich meiner Klasse zu erzählen. Dass ich massive Probleme zu Hause hatte, dass ich fast meine ganze Freizeit an der Kirche verbrachte. Ich weiß nicht was ich noch alles los lies, aber langsam kam mir das Gefühl, das einige sehr schuldbewusst weg schauten. Mein Hang zu Jungs verschwieg ich natürlich, dass war dann doch zu viel mich hier vor der ganzen Klasse zu outen.

 Während der ganzen Zeit liefen die Tränen, mein Körper erzitterte des Öfteren durch meine Aufregung. Irgendwann spürte ich sogar, dass Marion neben mir meine Hand genommen hatte und sie streichelte. Irgendwann verstummte ich und sah nur noch auf den Tisch. Mein Klassenlehrer sagte noch ein paar abschließende Worte wie, dass wohl jetzt alles geregelt sei und wir wieder ein normaler Klassenverband wären.

 Und es änderte sich wirklich etwas. Ab dieser Stunde saß ich nicht mehr alleine in den Pausen. Die Gruppierungen in der Klasse lösten sich irgendwie auf und es scharten sich immer mehr um mich herum. Nicht das jeder mit mir jetzt ein Gespräch anfing, nein ich war jetzt einer von ihnen gehörte einfach dazu. Ich wurde akzeptiert wie ich war. Sogar Tobias war nicht mehr so abweisend zu mir, aber so innig wie früher verstanden wir uns nicht mehr.

 Von dem allem bekamen meine Eltern natürlich nichts mit. Meine Streitereien mit meinem Vater wurden immer heftiger und es kam nun auch vor, dass er mir mit der Hand voll ins Gesicht schlug. Es kamen keine Tränen mehr, trotz der Schmerzen, der blanke Hass gegen mein Vater wuchs von Tag zu Tag. Doch seine Kraftausdrücke trafen mich umso mehr. >Ich wäre doch ein Stück Dreck, überhaupt nicht Lebenswert oder Als ich gezeugt wurde, hätte er lieber auf den Boden spritzten sollen.<

 Tief in mir ging immer mehr kaputt, meine Selbstsicherheit machte irgendwann ganz den Abflug. Ich begann mir einzureden, dass mein Vater Recht hatte. Einmal war dieser Streit wieder so groß, dass er wieder mal ausholte und mir direkt ins Gesicht schlug. Danach schnappte er sich seine Schlüssel und ging mit meiner Mutter einkaufen, als wäre nie etwas gewesen.

 Ich sank zu Boden, ein Weinkrampf überkam mich. Ich war noch nie so verzweifelt wie zu vor. Mit letzter Kraft zog ich die Küchenschublade auf, und griff nach einem Messer. Ich kniete auf dem Boden und setzte das Messer an meinen Handgelenk an. In diesem Augenblick kam mein Bruder herein. Er schlug mir das Messer aus der Hand und schrie mich an.

 Dies wäre ja wohl keine Lösung, Ich wäre ein Feigling und renne immer vor meinen Problemen weg. Ich sollte mich ihnen endlich stellen und nicht hier wie ein Schlappschwanz rumliegen. Er verschwand wieder und ich fühlte mich als Feigling, weil ich mir nicht mal das Leben nehmen konnte.

 Das Verhältnis zu meinen Eltern und auch mittlerweile zu meinem Bruder immer schlechter. Es kam ein Krach nach dem anderen. Und immer suchte ich die Schuld bei mir. Was machte ich falsch, dass meine Familie so heftig gegen mich reagierte. Ich hatte diese Streits und ja auch die Prügel so satt. Um dem aus dem Wege zu gehen, verbrachte ich fast meine ganze freie Zeit an der Kirche.

 Mein Spielen mit der Gitarre war mittlerweile so gut, das ich immer öfter beim Singen die Truppe mit meinen Klängen begleitete. Mit Anita hatte ich mich sehr angefreundet und ich konnte ihr auch alles erzählen. Nur das Eine eben nicht.

 Mittlerweile war Donna – die Mutter,  wieder alleine in ihrem Zimmer, Sam, einer der Vater Kandidaten erschien. Die Beide brachen einen Streit vom Zaun und plötzlich fing die Melodie von >The winner takes it all< an zu spielen und Donna begann wieder zu singen.

 Ich will nichts mehr hörn. Nicht mehr drüber reden.
Tut es mir auch weh. Aus der Traum, ich geh!
Jede Chance verspielt, jeder Trumpf vergeben.
Nirgends mehr ein Ass. Ich seh‘s ein und pass.

Der Sieger hat die Wahl, dem Loser bleibt die Qual.
Der eine nimmt und strahlt und der andre zahlt.

Nachts in deinem Arm war ich so geborgen.
Ich wollt dein Leben sein, schloss dich in mir ein.
Glaubte an uns zwei, dachte nur an morgen.
Ich war zu naiv, fühlte viel zu tief.

Das Schicksal würfelt blind, es fragt nicht wer wir sind.
Und wir verstehn dann nicht, dass ein Traum zerbricht.

Der Sieger hat die Wahl, die Wahrheit ist banal.
Wer schwächer ist, der fällt, so ist diese Welt.

Doch sag mir, küsst sie so wie ich dich geküsst hab?
Träumst du noch von mir, wenn du schläfst bei ihr?
Du hast wohl gespürt, wie ich dich vermisst hab.
Doch verlornes Glück findet nie zurück.

Die Punkte sind gezählt. Mir hat etwas gefehlt.
Was immer ich auch tu, ich schau nur noch zu.
Das Spiel beginnt von vorn, um Liebe oder Zorn.
Um Seele oder Zahl. Der Sieger hat die Wahl.

Ich will nichts mehr hörn. Nicht Vergangnes wecken.
Meinst du es auch gut, dein Trost gibt keinen Mut.
Du musst mir verzeihn, ich will mich verstecken
Hinter einem Zaun, ohne Selbstvertraun.
Denn ich weiß:

Der Sieger hat die Wahl.
Der Sieger hat die Wahl.
Das Spiel beginnt von vorn, um Liebe oder Zorn.
Um Seele oder Zahl. Der Sieger hat die Wahl.
Der Sieger hat die Wahl!

© The winner takes it all – ABBA

 Mir liefen die Tränen herunter, ich konnte sie nicht bremsen. Ich spürte die Hand von Lars auf meiner Hand, wie sie mich zärtlich streichelte. Die Liedtexte waren alle so treffend. Doch dieser war wie ein Stich ins Herz.

 Rückblende

Ich war jetzt 15, der Abschluss der neunten Klasse stand bevor, und die meiste Zeit verbrachte ich nach wie vor an der Kirche. Anita und ich waren mittlerweile seit einem halben Jahr fest zusammen. In der Schule verheimlichten wir das, und machen uns eine Spass daraus unsere Klassenkameraden auf die Schippe zu nehmen.

 Alle wussten, dass wir fest leiert waren, aber wir machten weiterhin ein großes Geheimnis daraus mit wem. Wir richten uns gegenseitig in der Schule Grüße von unseren angeblichen Freunden aus. Es war eben ein ziemlicher Spass.

 Zur Abschlussfeier, sagte wir, bringen wir unseren jeweiligen Partner dann mit, versprachen es, um dem großen Rätselraten einen Schuss zu setzten.  Umso erstaunter waren dann die Gesichter unsere Klassenkameraden als wir dort Arm in Arm erschienen und uns vor allen einen innigen Kuss gaben. Reihenweise fielen die Kinnladen herunter, weil niemand sich es denken konnte. Aber Anita und mir war das egal. Den ganzen Abend hingen wir wie zwei Kletten aneinander.

 Die Schule war vorbei, die Sommerferien lagen vor uns. Natürlich fuhr ich wieder mit meinen Eltern in den fünfwöchigen Urlaub. Anita ließ ich schweren Herzens daheim zurück. Italien war angesagt, und von Anfang an, war bei mir schlechte Laune angesagt. Bis ich Urs kennen lernte, einen Schweitzer.

 Schnell war es heraus, dass wir uns mehr zugetan waren, wie uns lieb war. Beide hatten wir unsere Freundinnen zu hause sitzen. Es endete damit, dass wir dann fast täglich Sex miteinander hatten. So gingen die fünf Wochen auch recht schnell um. Wir hatten vergessen unsere Adressen aus zutauschen und so sahen wir uns nie wieder.

 Mein Vater hatte mich auf der Berufsschule für Elektronik angemeldet, wo ich dann nach den Ferien auch hin ging. Zwar nicht ganz mein Ding, aber ich war wenigstens von der Straße weg. Doch ganz schnell merkte ich, dass ich hier fehl am Platze war. Ich brachte es nicht fertig eine Arbeit, besser als mit der Note vier hervor zubringen.

 Mein Verhältnis zu Anita verschlechterte sich zusehends. Sie war auf einer benachbarten Hauswirtschaftsschule. Wir blieben zwar zusammen, doch unsere Streitereien wurden häufiger. Sie verstand nicht, warum ich mich von meinen Eltern so unterbuttern lies. Etwas was ich ihr auch nicht erklären konnte, vielleicht auch nicht wollte.

 Dann kam ein Tag an dem sich alles änderte, ich lernte Phillip kennen. Er war drei Jahre jünger als ich, und ich spürte sofort, das bei uns irgendetwas Besonderes entstand. Das auch er natürlich blond und blauäugig war, brauche ich ja erst gar nicht zu erzählen. Mein Umfeld merkte, dass ich mich einwenig ändere. Aus dem ruhigen Thomas, wurde wieder ein lebenslustiger Thomas.

 Endlich sah ich eine Aufgabe. Mich einfach einwenig diesem Jungen anzunehmen. Er war so schüchtern, voll gestopft mit Problemen wie ich langsam merkte. Alles andere lief jetzt bei mir nur noch neben her. Ich vernachlässigte Anita und natürlich auch die Schule. Das Resultat war, dass ich zum Schulende vier Fünfer im Zeugnis hatte.

 Nach ein paar Prügeleinheiten meines Vaters, beschloss er mir eine Ausbildungsstelle als Koch zu suchen. Jo, ich kochte gerne, aber dies gleich als Beruf auszuüben? Na ja wenigstens, war dann ein bisschen Einkünfte in Aussicht

 Meine Gedanken verschwammen kurz, und ich merkte, dass mir Tränen in den Augen standen. So eine Vergangenheit prägt einen, auch mich. Ich zündete meine letzte Zigarette an und verfiel wieder zurück, in meine Vergangenheit

 Mein Vater, er kam immer als Erstes. Gefühle kann man eben nicht immer unterdrücken… na ja … das letzte Mal als er mich schlagen wollte, war ich 17 Jahre alt, er packte mich am Kragen und holte aus… und hielt inne. Er schaute mir in die Augen und schien wohl den Hass zu sehen, den ich gegen ihn verspürte. Damit war dieses Kapitel „Prügel“ auch abgeschlossen.

 Er fand aber bald heraus, mich mit Worten fertig machen zukönnen, die taten noch mehr weh, vor allem spürte ich sie länger, als die realen Schläge. Dreimal war ich deswegen bisher beim Psychiater. Ob es was geholfen hat, bestimmt nicht, ich leide immer noch darunter. Einzigste Erkenntnis der Sitzungen war, dass mir die Liebe meines Vaters fehlte und ich deswegen nach Geborgenheit, Nähe und Zärtlichkeit bei Männern suchte.

 Die Suche führte ich fort, und fand auch hier und da jemanden, der mir das zu geringen Teil, es entgegen brachte. Als ich endlich den Mann gefunden hatte, der alles das hatte, was mir soviel bedeutete, war ich total ausgepowert und konnte selbst keine Gefühle mehr zeigen. Die Beziehung zu Frank war beendet bevor sie richtig begonnen hatte.

 So teilnahmslos und angreifbar, verbrachte ich einige Zeit und wurde so oft ausgenutzt und noch mehr verletzt. Auf der Suche blieb ich natürlich und das ging so weit, dass ich mich abends nach der Arbeit in Parks herum trieb, wo jeder wusste, dass genügend Freier auf Frischfleisch  warteten.

 Meine Angst vor der eigenen Courage, bewahrte mich aber vor dem Schlimmsten und so blieb es bei den abendlichen Spaziergängen. Meine Abenteuer hatte ich trotzdem, doch zogen sich nur noch weiter runter.

Bis mich eine Bekannte aus diesem Schlamassel heraus zog und mir erst mal regelrecht den Kopf wusch .Ich brachte gerade so mit hängen und würgen meine Lehre vorbei.

 Und Phillip….. die Freundschaft hielt ganze achtzehn Jahre…. bis er weit weg zog. Aus dem Auge aus dem Sinn, könnte man sagen, was bei einer so innigen Freundschaft eigentlich nicht der Fall sein sollte und doch geschah.

 Die Liebe, die ich erst wieder lernen musste, weil ich es nicht besser wusste, mir es nicht anders bekannt war, und vor allem, sie mir nie einer zeigte.

 Nun saß ich neben Lars, meinem Lars, wir waren seit einem Jahr zusammen. Das Stück hatte sich dem Ende zugeneigt.

Das Publikum stand nun komplett und klatschte wie wild nun auch die dritte Zugabe mit. Mir taten mittlerweile die Hände weh.

Aber es störte mich nicht, ich war in diesem Augenblick einfach nur glücklich. Der Vorhang senkte sich und Lars und ich machten uns auf den Weg zu Ausgang. Draußen im Foyer, stellten wir uns an die Seite bis die Gäste zum größten Teil abgezogen waren.

„Was ist los Thomas, warum musstest du weinen?“, fragte Lars.

„Einige Erinnerungen sind einfach zu stark!“, gab ich zur Antwort.

„Thomas, du lebst jetzt, nicht in deiner Vergangenheit!“

„Der Sieger hat die Wahl, dem Loser bleibt die Qual“, zitierte ich die Sängerin.

„Du bist ein Sieger, Thomas!“

„Und für was einen Preis, was habe ich alles dadurch verloren?“, meinte ich und spürte, dass meine Augen wieder feucht wurden.

Lars nahm mich in den Arm und sah mir tief in die Augen.

„Klar, du hast Einiges verloren. Es war oft eine Qual für dich. Aber wärst du heute soweit, wie du jetzt bist? Wärst du das, was du jetzt bist? Du bist jetzt ein Sieger, Thomas und dies kann dir keiner mehr nehmen!“

Lars hatte Klartext gesprochen und ich wusste er hatte Recht. Ich drückte ihn fest an mich und schloss kurz die Augen.

„Thomas, ich liebe dich, so wie du bist, ohne Wenn und Aber. Du bist der Mensch, mit dem ich zusammen sein will, egal, was in deiner Vergangenheit passiert ist. Diese Vergangenheit hat aus dir das gemacht, was du heute bist. Eine liebevoller, reizender, wertvoller Mensch!“

„Danke Lars! Ich liebe dich auch!“

Hand in Hand verließen wir das Foyer und entschwanden in die Nacht.

**Ende**
 


 

 

Fotostudio Plange – Teil 7 – Marvins Burzeltach

Marvins Burzeltach

Wie jemand von euch richtig geschrieben hat, es ging wieder bergauf mit Marvin. Dank Antibiotika ging es ihm körperlich schon bald wieder besser, seelisch wanderte er immer noch im Tal der Tränen. Er wirkte lethargisch, hatte zu nichts Lust, war zu nichts zu gebrauchen. Seine Geburtstagsfete sagte er ab, er wollte niemanden sehen. Alle Versuche, ihn aufzumuntern Weiterlesen

Nachtschatten – Teil 3 – Opferbereitschaft

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Sonnenlicht! Bäh!

Im Gegensatz zu Laurentius, diesem treulosen Verräter, war ich weder nackt, noch an einen Stuhl gefesselt und dem Schicksal ausgeliefert, innerhalb weniger Sekunden in Flammen aufzugehen. Ich trug Kleidung, die einen Großteil der Sonnenstrahlung von meinem Körper abschirmten. Eigentlich waren nur meine Hände Weiterlesen

Fotostudio Plange – Teil 6 – Bittere Tränen

Bittere Tränen

Eigentlich ist es ja nicht gerade die feine englische Art, sich am Kummer eines anderen erfreuen zu wollen, aber ich denke mal, es ist eher die Anteilnahme an Marvins Schicksal, die euch zu den vielen Antworten inspiriert hat. Der alte Satz, dass geteiltes Leid halbes Leid ist, scheint sich wieder einmal zu bewahrheiten. Weiterlesen

Auftritt mit Überraschungseffekt

Von einer unscheinbaren T-Com Werbung von 0 auf Platz 6 in den deutschen Charts. Über Castingsshows kann man streiten ob gut oder schlecht, doch dieser Herr hat eine Stimme mit Gänsehauteffekt. Klar man muss solche Musik mögen, aber die Gefühle und Emotionen die dahinter stecken sind gewaltig.

Paul Potts hat das Casting gewonnen und sich durch die ganze Welt gesungen. Wer mehr von ihm hören mag, seine Debut-CD „One Chance“ gibt es im Handel.

Elfengeschichte

Dankt seinem Bruderherz für die geniale Idee zu der Geschichte!

Ausgelaugt lag er auf dem Bett. Seine Blicke hingen auf den drei Goldstücken, die der Fremde da gelassen hatte. Es waren zwei ausgemacht gewesen, aber der Fremde meinte, er wäre gut gewesen und hatte ihn mit drei belohnt.

Wie tief war Golradier Calafalas nur gesunken.

Aber was machte man nicht alles um zu überleben. Mühsam richtete er sich auf. Es tat alles weh, jeder einzelne Knochen schmerzte und seine Handgelenke waren wund. Der Idiot hatte die Seile zu fest gezogen.

„Darf ich dich auch fesseln?“, hatte der Fremde gefragt. Und Golradier hatte zugestimmt.

Er lächelte müde und versuchte sich aufrecht hinzusetzen. Danach schloss er seine Augen und konzentrierte sich auf seine Nudra. Nudra – die Lebensenergie eines Elfen. Sie war sehr wichtig, sie konstant zuhalten, war lebenswichtig. Sofort durchstrahlte Wärme seinen Körper und ein wohliges Gefühl machte sich in ihm breit. Vorbei waren die Schmerzen und verflogen die Müdigkeit. Golradier stand auf, zog seinen Umhang über und richtete das Bett.

Mit dem einen Goldstück mehr konnte er sich etwas zu essen kaufen und seine Schulden tilgen. Nachdenklich schaute er sich in seinem Zimmer um. Es gehörte wenigstens ihm. Er griff nach seinem Medaillon an der silbernen Kette, die immer um seinem Hals lag.

Eigentlich war es auch alles was er besaß. Er dachte an früher, als er noch bei seinen Eltern auf dem Land gewohnt hatte. Doch jetzt schämte er sich. Wie groß waren seine Sprüche gewesen, äußerst untypisch für einen Elfen.

Und wo war er gelandet… in der Gosse.  Er blies die Kerzen aus und verließ das Zimmer endgültig. Draußen vor der Tür hob er die Hand und konzentrierte sich auf das Schloss, bis ein leises Knacken zu hören war. Einiges, was ihm sein Dorflehrer beigebracht hatte, war auch hängen geblieben. Aber er konnte keinen großen Nutzen davon ziehen.

Auf seinem Weg durch die Nacht fiel ihm auf, dass aus einigen Fenstern noch gedämpftes Licht auf die Straße drang. Das war aber auch alles, was daran erinnerte, dass hier noch andere lebten.

Golradier lief dicht an der Wand entlang, aus Angst, es könnte ihn jemand sehen. Zu bekannt waren seine Dienste und in der Nachbarschaft war er deswegen wenig beliebt. Wie oft war seine Tür mit Elfenschwuchtel beschmiert worden. Er versuchte deshalb, immer im Verborgenen zu bleiben, was jedoch durch seine Größe gar nicht so einfach war.

Nach kurzer Zeit in der Dunkelheit sah er erleichtert, dass der kleine Laden an der Ecke noch geöffnet hatte. Langsam schob er die schwere Holztür, die endlich mit einem Knarren nachgab. Er bemerkte freudig, dass sonst niemand im Laden stand, also lief er direkt bis zum Verkaufstisch und wartete dort. Bereits wenige Sekunden später wurde am hinteren Ende des Raumes ein Vorhang zur Seite geschoben und ein alter Elf trat dahinter hervor.

„Wer stört zu so später Stunde?“, fragte der Alte und hustete.

„Golradier, werter Elrond.“

„Oh, hallo mein Junge. Was kann ich für dich tun?“

„Ich möchte bei Euch eine Schuld begleichen und wenn Ihr euch gnädig zeigt, etwas Essbares einkaufen.“

„Das hört man immer gerne. Und wie viel möchtest du begleichen?“

Golradier zog die drei Goldstücke unter seinem Umhang hervor.

„Für ein Goldstück möchte ich etwas kaufen und mit den beiden anderen die Schulden abtragen.“

Elrond zog unter dem Tisch ein großes Buch hervor und ließ es mit einem Knall auf den Tisch fallen, wodurch viel Staub aufgewirbelt wurde.

„So, da wollen wir doch mal sehen.“

Er zog eine kleine Brille hervor und setzte sie auf seine Nase. Dann erst schlug er ohne zu Blättern das Buch auf, als wüsste er genau, wo er zu suchen hatte. Mit dem Finger fuhr er über die Seite und murmelte etwas Unverständliches.

„Ja, hier haben wir es. Golradier Calafalas. Die Schuld beträgt zwei Goldstücke.“

Golradier lächelte. Endlich hatte er es geschafft. Elrond Eärfalas hatte ihm damals als einziger geholfen, seine große Schuld bei Maranwe Helyanwe zu bezahlen.

Mit einem Fingerzeig verschwand Golradiers Name von der Liste und ebenso seine Schulden. Elrond schloss das Buch, setzte die Brille ab und schaute zu Golradier, der ihm die beiden Goldstücke reicht. Elrond nahm es an sich und ließ es in einen Beutel fallen, den er unter seinem Unhang hervor gezogen hatte.

„Hör mir gut zu junger Elf. Du hast noch einmal Glück gehabt. Aus den Fängen von Maranwe kommt man normalerweise nicht mehr frei. Handle dieses Mal weise und lass dich auf keinen krummen Handel ein.“

„Seid Euch gewiss Elrond, dieses Bestreben habe ich schon lange abgelegt. Es liegt mir fern die Mauern des Gefängnisses von der anderen Seite her zu betrachten.“

„Dann sei auf der Hut, junger Golradier. Draußen herrscht das Dunkel. Schnell hat es dich umhüllt und verführt. Einen Vorschlag unterbreite ich dir, den du vielleicht annehmen solltest.“

Golradier lauschte den Worten des Alten.

„Bring weiterhin dein Gold zu mir, ich werde es für dich verwahren und zu gegebener Zeit kannst du es wieder holen.“

„Euer Einfall verheißt Gutes, so werde ich annehmen und Euch mein Gold bringen.“

Wenig später verließ Golradier den Laden mit einem Beutel gefüllt mit leckeren Essbarkeiten. Unbedacht und in Freude, seine Schulden beglichen zu haben, lief er die Straße hinunter. Die Lichter an den Häusern waren weniger geworden und das Dunkel der Nacht hatte die Macht an sich gerissen. Plötzlich wurde Golradier von etwas umgerissen.

Erschrocken landete er unsanft auf der Erde und er blickte sich hektisch um. Seine Augen waren dorthin gerichtet, von wo er die Geräusche vernommen hatte und er klammerte sich ängstlich an seinen Beutel. Da hörte er plötzlich ein Pferd wiehern und wunderte sich darüber, da er keine Hufschläge gehört hatte. Doch wenn es denn ein Pferd gewesen war, das ihn zu Boden gerissen hatte, hätte er doch irgendwas hören müssen.

„Ist dir etwas passiert?“, erklang plötzlich eine Stimme über sich.

Erschrocken fuhr Golradier zusammen, so hatte er doch angestrengt in die Nacht gehört, aber nichts bemerkt.

„Hast du keine Stimme?“

Die Stimme erklang jetzt viel deutlicher und lauter. Der Fremde musste sich also unmittelbar bei ihm befinden.

„Verzeiht, ich habe Euch nicht kommen hören, werter Herr!“, sprach Golradier leise.

Irgendwo wurde eine Tür geöffnet und ein Lichtschein fiel auf die Straße. Golradier konnte ein schwarzes Pferd erkennen, das dicht neben ihm stand. Unmittelbar vor ihm kniete jemand, dessen Gestalt und ebenso Gesicht in einem Umhang verhüllt waren.

„Ich hätte besser aufpassen müssen. Ist dir wirklich nichts passiert?“

Die Stimme war plötzlich viel angenehmer, so sanft und weich.

„Nein, sicher nicht. Es war mehr der Schreck.“

„Kann ich etwas für dich tun?“

Golradier musterte sein Gegenüber. War heute so etwas wie ein Glückstag? Sollte sein Leben gleich zweimal an einem Tag etwas Freude erfahren? Golradier versuchte aufzustehen und spürte, wie er von einer starken unterstützt und nach oben gezogen wurde.

„Ich bringe Euch wenigstens nach Hause“, sagte nun die Stimme.

In Golradiers Kopf hallte die Stimme von Elrond nach.

Schnell hat es dich umhüllt und verführt.*

„Nein  danke werter Herr. Ich habe es nicht mehr weit.“

„Bist du sicher?“, fragte die Stimme.

„Ja.“

„So nehme dies, als Zeichen meiner Entschuldigung.“

Golradier spürte, wie ihm etwas in die Hand gesteckt wurde. Dann spürte er, wie sich sein Gegenüber von ihm entfernte.

„Meldet Euch“, hörte er plötzlich die Stimme oberhalb von sich. Dann spürte er einen Luftzug und es war Stille.

Langsam und auch verwirrt lief Golradier weiter, diesmal wieder dicht an den Wänden entlang gedrängt und froh, als endlich an der Tür zu seinem kleinen Reich angelangt war.

Unsicher schaute er nach beiden Seiten, bevor er mit einer Handbewegung das Schloss öffnete. Als er dann endlich drinnen und die Tür hinter ihm verschlossen war, lehnte er sich gegen diese und atmete tief durch. Erst dann lief er zu seinem Bett und stolperte auch gleich über einen Stuhl.

„Aua… der stand doch vorhin noch nicht da.“

Er rieb sich sein schmerzendes Knie. Was war nur los, dachte er sich. Mit den Zündhölzern in der Hand ging er zu den Kerzen und entflammte sie.

Langsam durchflutete das warme Licht den Raum und noch immer hielt Golradier in der Hand, was ihm der Fremde zugesteckt hatte. Nun im Kerzenschein konnte er eine kleine Karte erkennen und versuchte das darauf Geschriebene zu entziffern.

*Caranthir Ringeril* *Fenvar*  *Bewahrer der elfischen Träume*.

Golradier runzelte die Stirn. Was wollte ein Mann von so edler Herkunft von ihm? Ganz sicher hatte er Golradier in der Dunkelheit nicht erkannt. Er legte die Karte auf die kleine Kiste, die neben seinem Bett stand und verstaute die Lebensmittel. Nachdem er noch eine Kleinigkeit gegessen hatte, legte er sich in sein Bett und versuchte zu schlafen.

Es sollte eine traumreiche und unruhige Nacht werden.

*.*.*

Erschrocken fuhr Golradier hoch und brauchte einen Augenblick, um sich wieder zu Recht zu finden. Die vergangene Nacht mit all ihren Ereignissen tauchte plötzlich wieder in seinen Gedanken auf und sein Blick fiel automatisch auf die kleine Kiste, auf der noch immer die Karte des Fremden lag.

Caranthir Ringeril

Das war ein schöner Name. Ein leichtes Lächeln huschte über Golradiers Gesicht, welches aber gleich wieder verschwand. Was sollte es bringen, zu ihm zu gehen.

Spätestens wenn Caranthir das eingebrannte Zeichen auf seiner Schulter sehen würde, würde er nichts mehr von Golradier wissen wollen. Schon alleine durch das Aussprechen des Zeichens galt man selbst als unrein… *badoc*.

Golradier trat an das kleine Becken heran und wusch sich. Dann zog er einen neuen Umhang über und betrachtete sich in der Spiegelscherbe, die an der Wand hing.

Seit ihm die Hexe Maranwe Helyanwe das Zeichen verpasst hatte, wurde er von jedermann gemieden. Außer jenen natürlich, die seine Dienste in Anspruch nahmen, denn dafür war er scheinbar noch gut genug.

‚Bewahrer der Elfischen Träume’. Diese Worte gingen ihm durch den Kopf. Seine Träume. Die hatte er schon vor langer Zeit aufgegeben oder vergessen, weil es für ihn nichts mehr zu träumen gab.

Was hatte er sich damals nicht alles vorgenommen, als er das elterliche Haus verlassen hatte. Er hatte sogar Übersetzer werden wollen, da er die beiden Sprachen Isdira und Sindarin fließend sprechen und schreiben konnte. Mit diesem Talent war nicht jeder gesegnet, so hätte er sich durchaus einen Namen machen können.

Sollte er diesen Caranthir vielleicht doch aufsuchen? Nacheinander starrte er erst auf das Kärtchen, dann zu seinen Umhängen und schließlich auf die kleine Kiste, die verschlossen unter der Kommode stand. Er gab sich einen Ruck und lief zu eben dieser Kommode, um die kleine Kiste darunter hervorzuziehen, dann stellte er sie vorsichtig wie einen Schatz auf den Tisch. Seine Eltern hatten ihm die Kiste damals zum Abschied geschenkt.

Langsam öffnete er den Deckel und es kam ein in Papier gewickeltes Bündel zum Vorschein. Seine Mutter hatte gemeint, er würde doch einen besonderen Umhang brauchen, damit er diesen zu festlichen Anlässen tragen könne.

Vorsichtig griff er an den Seiten in die Kiste, zog das Bündel heraus und wickelte das Papier auseinander. Dann breitete er den Umhang vor sich aus.

Bisher hatte er ihn noch nie betrachtet und war jetzt natürlich überrascht, solch etwas Edles zu besitzen. Der Umhang bestand aus einem sehr kostbaren Stoff in einer edlen Farbe und die feinen Stickereien seiner Mutter säumten den kompletten Saum.

Unschlüssig stand Golradier da und wusste nicht, was er machen sollte. Trotzdem schälte er sich langsam aus dem Umhang, den er sich erst kurz zuvor umgelegt hatte und warf diesen auf das Bett. Dann zog er sich vorsichtig den neuen Umhang über.

Er trat erneut vor die Glasscherbe und betrachtete sich eingehend. Das Bild, das sich ihm bot, überraschte ihn, denn so hatte er sich noch nie gesehen. Das war irgendwie nicht er. Noch immer ungläubig nahm er seine Bürste zur Hand und kämmte sein langes braunes Haar.

Was sollte denn schon groß passieren, außer dass man ihn vielleicht hinauswarf? Fast schon trotzig nahm er die Karte wieder an sich und verließ seine kleine Wohnung.

Auf den Straßen herrschte mittlerweile ein reges Treiben und allerlei verschiedene Leute waren zu sehen. Da waren Händler, die ihre Ware durch die Gassen schoben oder auch einfach Leute, die hier wohnten und teils hektisch, teils gemächlich ihrem jeweiligen Weg folgten.

Golradier fühlte sich sehr unwohl in seiner Haut. Und obwohl ihn niemand direkt angesehen hatte, war es ihm, als seien sämtliche Blicke auf ihn gerichtet. Er lief leicht gesenkten Hauptes durch die Straßen und bemühte sich, möglichst nicht aufzufallen.

Auf dem Weg zu seinem Ziel wurden die Straßen wurden zusehends leerer, nur vereinzelt fuhr noch eine Kutsche an ihm vorbei oder ritt jemand mit dem Pferd an ihm vorüber.

Als er an einem alten Haus, das schlicht zwischen zwei alten Eichen gebaut war, angekommen war, zog er abermals die Karte hervor. Hier schien er richtig zu sein.

Golradier atmete noch einmal tief durch und trat näher an die Haustür heran. Um sich bemerkbar machen zu können, war an ihr ein großer Klopfring, der an einem Drachenkopf befestigt war, angebracht. Zögernd fasste er nach dem Ring und klopfte zaghaft dreimal hintereinander. Sofort ließ er den Ring wieder los und trat einen Schritt zurück.

Golradier schaute sich nervös nach allen Seiten um, es kam ihm unheimlich still hier vor. Plötzlich öffnete sich die Tür und Golradier blickte ein alter Mann entgegen.

„Sie wünschen?“, fragte dieser.

Man sprach Golradier mit ‚Sie’ an, das hatte schon was.

„Ich werde erwartet“, antwortete Golradier, weil ihm nichts anderes einfiel.

„Und wen darf ich melden?“

„Golradier Calafalas.“

„Würden Sie mir bitte folgen?“

Der alte Mann zog die Tür weiter auf, damit Golradier das Haus betreten konnte. Hinter ihm wurde die Tür abrupt wieder verschlossen und das unbehagliche Gefühl verstärkte sich dadurch. Golradier konnte regelrecht sein Blut in seinen Ohren rauschen hören, dennoch versuchte er, nach außen hin ruhig zu erscheinen. Innerlich wollte er allerdings auf der Stelle umdrehen, aber jetzt gab es kein zurück mehr. Alles in ihm begann sich plötzlich zu sträuben. Er konnte eine Präsenz fühlen, wie er es noch nie in seinem Leben erfahren hatte und es war ihm, als würde er gescannt. Als würde jemand versuchen, sein Innerstes zu durchsuchen und zu durchwühlen.

Dann öffnete sich wie von Geisterhand eine Tür vor ihm und dem Alten. Doch statt dass der alte Mann ihn durch die Tür begleitete, blieb dieser stehen und wies nur mit der Hand in den dahinter liegenden Raum.

Golradier lief unsicher weiter. Die Angst vor dem Unbekannten verstärkte sich und er war einer Panik nahe. Der Raum, den er nun betrat, wirkte einschüchternd. Noch nie hatte er solch eine gewaltige Atmosphäre gespürt. Dann entdeckte er Bücherregale, die bis unter die hohe Decke reichten und vergessen war das Gefühl von eben. Staunend lief er bis an die Mitte des Raumes, seine Blicke wanderten stetig von einer Seite auf die andere. So viele Bücher wie hier hatte er noch nie auf einem Fleck gesehen und obwohl er die Titel nicht erkennen konnte, ging von ihnen eine starke Aura von Macht und Wissen aus. Schließlich kam er an einem großen Schreibtisch zum Stehen, der am anderen Ende des Raumes stand. Der Tisch war sehr wuchtig und von kretonischer Bauart, aber dennoch wirkte er sehr leicht und auch nicht protzig. Ein edles Stück.

Plötzlich fiel die Tür, durch die er den Raum betreten hatte, mit einem lauten Knall zu und ließ ihn erschrocken zusammen zucken. Nach ein paar Sekunden stellte Golradier aber fest, dass er sich noch immer alleine in dem Zimmer befand und beruhigte sich schnell wieder. Erneut wandte er sich dem Schreibtisch zu und ließ sanft, fast schon ehrfürchtig seine Hand über dessen glatte Oberfläche gleiten. Da erklang abermals das Geräusch der Tür.

„Golradier?“

Er drehte sich um und sah den jungen Elfen, der ihn angesprochen hatte, auf sich zukommen.  Die Stimme kam ihm bekannt vor und er wusste auch, woher. Es war die Stimme von gestern Nacht gewesen und Golradier nickte.

„Es freut mich, dass du den Weg zu mir gefunden hast“, sprach der Elf weiter.

Doch Golradier konnte nichts erwidern, seine Kehle war wie zugeschnürt und kein Wort drang aus seinem Mund. Zu umwerfend sah sein Gegenüber aus, fast schon engelsgleich.

„Bist du irgendwie verletzt… hast du Schmerzen?“

Golradier schüttelte den Kopf.

„Deine Stimme?“

Golradier blickte dem Fremden geradewegs in die Augen, aus denen ihm ein magisches tiefes Blau entgegen funkelte. Wie ein Strudel zog ihn dieses Blau in seinen Bann.

„Caranthir“, stammelte Golradier leise.

„Ja, so ist mein Name – Caranthir Ringeril.“

„Ein schöner… Name.“

„Danke!“

Hatte er das eben wirklich von sich gegeben? Irritiert über sich selbst stand er immer noch da und sah Caranthir an.

„Komm mit, wir haben hier auch noch gemütlichere Orte zum verweilen“, sprach Caranthir.

Golradier folgte dem Elfen aus dem Zimmer. Er bemerkte dabei, dass es nicht die Tür war, durch die er den Raum betreten hatte und doch hatte er zuvor nur die eine Tür gesehen.

Diese Tür führte direkt aus dem Haus heraus in einen kleinen Innenhof, den ein paar kleine Bäume und Blumenbeete zierten. Mittig des Hofes befand sich ein Tisch und mehrere Stühle.

„Setz dich und erzähl mir von dir.“

Golradier nahm Platz, wie ihm geheißen wurde.

„Da gibt… es nicht viel… zu erzählen“, stammelte er.

„Aber doch natürlich, jeder trägt eine Geschichte in sich.“

„Meine Geschichte… hat vielleicht noch nicht begonnen…“

„Unsinn. Jede Geschichte beginnt mit dem Leben“, sprach Caranthir.

„Habt Ihr denn eine Geschichte?“, fragte Golradier.

„Ja, ich habe eine Geschichte. Aber sag junger Freund, warum redest du mich so förmlich an?“

Golradier ließ seine Blicke durch den Innenhof wandern.

„All das hier gehört doch sicher euch?“

„Ja, aber was hat das damit zu tun?“, fragte Caranthir.

„Weil ich nichts dergleichen besitze. Alles was ich habe, trage ich an meinem Körper und ist mein Körper selbst. Und nicht mal dieser… gehört mir noch alleine.“

Beschämt über soviel Reichtum schob Golradier den Kragen seines Umhanges zur Seite und offenbarte damit das Zeichen Badoc. Golradier hatte die Lust daran verloren, etwas vorzugeben, was er nicht war.

„Diesen Umhang hat mir meine Mutter genäht… sie meinte für einen festlichen Anlass…“

Er wartete im Grunde nur noch darauf, dass ihn dieser edle Herr hinaus werfen oder gar seine Dienste in Anspruch nehmen würde.

„Nicht so!“, sagte Caranthir in diesem Moment.

Golradier fuhr zusammen, da es doch gerade eine Antwort auf seine Gedanken war.

„Glaubst du wirklich ich gehöre zu jenen, die dir Leid antun, indem sie deinen Körper missbrauchen und ausnutzen?“

Ungläubig schaute Golradier zu Caranthir.

„Ich weiß nicht, warum ich hierher gekommen bin. Es wäre vielleicht besser, ich gehe wieder. Es war nett eure Bekanntschaft gemacht zu haben…“

„Nein bleib!“, fiel ihm Caranthir ins Wort.

Dieser stand auf und trat neben Golradier.

„Gib mir bitte deine Hand…“, sagte Caranthir in einem ungewohnt sanften Ton.

Verschüchtert hob Golradier seinen Arm und Caranthir ergriff seine Hand.

„Und nun schließe die Augen, höre auf dich selbst.“

Golradier tat wieder, wie ihm geheißen wurde und langsam entstand vor seinem geistigen Auge ein Bild. Ein Bild mit grünen Wiesen, großen Bäumen und einem Dorf.

Es war sein Dorf. Das, in dem er aufgewachsen war. Im Gedanken durchschritt er das Dorf, sah die spielenden Kinder auf den Wegen. Bis er vor seinem Elternhaus ankam.

Die Tür öffnete sich und ein junger Mann trat heraus, gefolgt von Golradiers Eltern. Er erkannte sich selbst in diesem jungen Mann. Wie hätte er diesen Abschied je vergessen können.

Doch die Neugier auf das Weite, der Übermut, der in ihm steckte, trieben ihn fort. Weg von zuhause, weg von seinen Wurzeln. Je mehr er in Traurigkeit  versank, desto mehr verblich das Bild.

„Es ist deine Geschichte, Golradier. Erinnere dich ihrer, denn sie zeigt dir auch deine Träume“, hörte er Caranthirs Stimme und er öffnete die Augen wieder.

Dieser kniete nun vor ihm. Er verstand nicht, warum dieser Elf so nett zu ihm war, da er doch anscheinend alles über ihn wusste. Man gab sich nicht mit einem Unreinen ab.

„Vergiss diesen Gedanken sehr schnell. Denn was einst war, zählt heute nicht mehr.“

Was? Er sollte vergessen, dass er wie eine Ware von Bett zu Bett gereicht worden war, nur um eine Schuld zu sühnen, die er sich selbst aufgeladen hatte?

So etwas konnte man doch nicht vergessen. Das alles saß so tief in ihm, es hatte sich in seiner Seele eingebrannt. Doch trotzdem schenkte er seinem Gastgeber ein Lächeln.

Er wunderte sich nicht mehr darüber, dass dieser wohl alles über seine Gedanken wusste. Er saß regungslos da und starrte auf Caranthir.

„Wieso, was wird sich schon groß ändern? Heute Abend gehe ich nach Hause und morgen ist wieder alles beim Alten“, sagte Golradier, der langsam wieder an Selbstsicherheit gewann.

„Du irrst, ab morgen wird nichts mehr so sein, wie es einmal war.“

Golradier hielt den Kopf schief und musterte sein Gegenüber genauer. Dann schüttelte er den Kopf und stand auf.

„Ich werde jetzt nach Hause gehen, dieses Gespräch beginnt mich zu langweilen.“

Caranthir schaute ihn schockiert an. Als von ihm keine Silbe kam, drehte sich Golradier um und lief den Weg zurück, den sie vorhin gekommen waren.

„Bitte… Golradier… bleib, … ich brauche dich.“

Hatte er gerade richtig gehört?  Dieser Caranthir sollte ihn brauchen? Das konnte wohl nur ein schlechter Scherz sein. Golradier drehte sich abrupt um und schaute zu Caranthir zurück, der mittlerweile wieder aufgestanden war. Golradiers Blick wanderte zu den wunderschönen blauen Augen, die nun aber nicht mehr strahlten. Er war verwirrt darüber und verstand nun nichts mehr.

Was war denn jetzt geschehen? Noch vor Minuten war er ängstlich und traurig gewesen, doch nun fühlte er sich stark und seine Laune stieg stetig.

Caranthir dagegen, vorhin noch ein Strahlen in Person, sah jetzt aus wie ein Häufchen Elend. Golradier lief ein paar Schritte zurück und schaute sich sein Gegenüber genauer an.

Caranthir hatte Tränen in den Augen.

„Verstehst du denn immer noch nicht?“, fragte ihn Caranthir mit leiser Stimme.

„Nein ich verstehe überhaupt nichts. Du siehst plötzlich so schlecht aus, soll ich deinen Diener rufen?“

Golradier war im ersten Moment gar nicht aufgefallen, dass er Caranthir direkt direkt angesprochen hatte. Er war davon abgekommen, ihn als höhere Person zu sehen. Und es tat ihm unendlich leid, wie es Caranthir plötzlich ging, auch wenn er nicht verstand, warum dieser so traurig war.

Er selbst fühlte sich prächtig und er hatte das Gefühl, Berge versetzen zu können. Er dachte nicht mehr an sein bisheriges Leben, sondern schaute nur noch nach vorne.

Caranthir indes stütze sich mittlerweile an die Stuhllehne und Golradier fing nun wirklich an sich Sorgen zu machen. Er trat näher, um Caranthir zu stützen und griff sanft nach dessen Arm. Doch bei der ersten Berührung zuckte Golradier zurück, als hätte er einen Schlag ins Gesicht bekommen. Was war das? Was hatte er gerade in sich gesehen?

Fassungslos schaute er Caranthir an.

„Du scheinst langsam zu verstehen. Aber fass mich jetzt bitte nicht an, es würde dir nicht gut tun.“

Golradier ließ die Worte in sich nachwirken. Etwas anderes kam ihn noch in den Sinn und er zog die Karte hervor, die ihm Caranthir am vorigen Abend zugesteckt hatte.

*Hüter der Elfischen Träume* stand da in goldenen Lettern unter Caranthirs Namen. Sollte es wirklich so sein, wie er vermutete? Er blickte auf und schaute noch immer fassungslos in Caranthirs gequälte Augen.

„Das ist doch nicht dein Ernst, oder?“, fragte Golradier, der langsam wirklich zu verstehen begann, „du zerstörst dich doch damit selbst!“

Caranthir schüttelte den Kopf.

„Nein, das tue ich nicht. Wenn dem so wäre, könnte ich dies alles nicht machen und nichts bewirken.“

„Aber wenn du das Leid anderer auf dich lädst, bricht es dich auf kurz oder lang.“

„Nein, meine Kraft zu helfen ist viel zu groß, als dass ich daran zerbrechen könnte. Selbst wenn nur ein Bruchteil jener negativen Kraft durchsickern würde, so würde es meine Kraft  sofort auffangen.“

„Welche Kraft?“

„Meine Liebe zu den Nächsten.“

Golradier merkte, dass sich Caranthir langsam wieder in den Griff bekam. Er hob seine Hand und machte sich an Golradiers Kragen zu schaffen.

Ein kurzer Blick auf Golradiers Schultern und über Caranthirs Gesicht huschte ein Lächeln.

„Was ist?“, fragte Golradier verwundert.

„Sieh selbst!“

Golradier zog nun ebenfalls seinen Kragen zur Seite und seine Augen wurden groß. Das Mal, welches die ganze Zeit an seiner Schulter geprangt hatte, war verschwunden.

Ungläubig fuhr er mit den Fingern über die Stelle, wo sich das Zeichen noch am Morgen tief in sein Fleisch verwurzelt hatte. Nun war dort nichts als seine reine Haut zu sehen.

„Warst das du?“, fragte Golradier überrascht.

Caranthir nickte.

„Aber warum… ich verstehe nicht…“

„Deine Träume… schon vergessen?“

„Meine Träume…“, begann Golradier und atmete tief aus.

„Ja, deine Träume sind wichtig. Wichtig für dich und wichtig für deinen Weg!“

„Was für einen Weg?“

„Den Weg, den du jetzt beschreiten wirst… an unserer Seite.“

Verwirrt schaute ihn Golradier an.

„An eurer Seite?“

Caranthir nickte.

Ich möchte, dass du bei mir bleibst. Dass heißt, nicht nur bei mir, sondern dass du dich unserer Gruppe anschließt.“

„Aber ich kenne dich doch überhaupt nicht. Also ich meine…“

„Golradier, höre in dich. Bist du so sicher, mich nicht zu kennen?“, unterbrach ihn Caranthir.

Golradier verstand nicht. Was meinte er mit ‚in sich hören’? Er spürte etwas in sich, aber keinen Hinweis darauf, dass er diesen Elf kennen würde.

„Die Kraft, die du besitzt… spürst du sie nicht?“

Golradier schüttelte automatisch seinen Kopf, obwohl er sich nicht sicher war, was er da eigentlich spürte.

„Welche Kraft?“, fragte Golradier und trat einen Schritt zurück.

Caranthir kam auf ihn zu, hob seine Hand und legte sie auf Golradiers Brust. Kaum hatten sie Kontakt, änderte sich Golradiers Befinden.

Er fühlte sich plötzlich stark und mächtig. Aber er sah auch Bilder in seinen Gedanken, die ihm Sorgen bereiteten, nein sogar Angst. Er sah die mächtige Hexe Maranwe Helyanwe.

Sie, die alle Elfen unterworfen hatte und für ihre Dienste missbrauchte. Er sah aber auch zwei junge Männer, die gefangen wurden. Dann brachen die Bilder ab.

„Die Kraft in dir ist stärker als ich angenommen hatte“, sagte Caranthir leise und drehte sich weg.

„Kannst du mir bitte erklären, was das eben war? Ich verstehe nicht was das alles zu bedeuten hat.“

Caranthir schaute Golradier lange an, bevor er schließlich zu reden begann.

„Vor ungefähr 500 Jahren schrieb ein alter weiser Mann einen Traum auf. In diesem Traum fanden sich zwei Elfen, die sich ineinander verliebten. Gemeinsam hatten sie durch ihre Liebe die Kraft, Wunder zu bewirken, zu helfen und das Land aus seinem Schicksal zu führen.“

„Und was hat das bitte mit mir zu tun?“

Caranthir schwieg abermals eine Weile, bevor er diese Frage beantwortete.

„Könntest du dir vorstellen, einen Elfen zu lieben. Dein Leben mit ihm zu verbringen?“

„Was soll die Frage?“

„Ein einfaches Ja oder Nein würde mir schon genügen.“

Golradiers Blick senkte sich zu Boden.

„Ja, ich könnte mir das vorstellen. Einen Mann an meiner Seite, der mich liebt. Als Lebewesen und nicht als einen Gegenstand, für den man bezahlt.“

Caranthir hob erneut seine Hand und streichelte sanft über Golradiers Wange.

„Das musst du nicht mehr tun“, begann er sanft zu sprechen, „deine Zeit ist gekommen. Auch du wirst endlich das Glück erfahren, das du verdienst.“

„Aber…“

Caranthir legte seine Hand auf Golradiers Mund.

„Schhhhh… glaube mir, es ist alles nur zu deinem Besten.“

Golradier nickte, wenn er auch noch nicht alles verstand und Caranthir kam näher, um ihn in den Arm zu nehmen. Der erneute Kontakt zwischen den Elfen ließ bei beiden eine innere tiefe Ruhe erwachen.

„Wird das jetzt immer so sein?“, fragte Golradier.

„Was meinst du?“

„Dieses schöne Gefühl, wenn du mich in den Arm nimmst?“

Caranthir lief wieder zum Tisch zurück.

„Wenn wir uns sehen sicher, aber du wirst zuerst eine kleine Reise antreten.“

„Eine Reise? Aber ich dachte, du und ich…

Caranthirs Gesicht wurde ernst.

„Oh Golradier, da hast du etwas falsch verstanden… nicht ich bin derjenige welcher… nicht ich verliebe mich in dich… mir ist ein anderes Schicksal vorher bestimmt.“

Golradier Gesichtsfarbe veränderte sich ins tiefe Rot.

„Dein Gedanke ehrt mich Golradier, sehr sogar. Aber ich habe bereits meine große Liebe gefunden, auch wenn es mir verwährt bleibt, nach ihr zu greifen.“

„Ich verstehe nicht“, kam es von Golradier, der seine Sprache wieder gefunden hatte.

„Du wirst es verstehen, wenn die Zeit dafür bereit ist. Aber jetzt müssen wir uns beeilen. Gelmir hat schon einige Sachen für deine Reise zusammen gepackt.“

„Gelmir?“, fragte Golradier verwundert.

„Gelmir ist mein Diener, aber eigentlich ein väterlicher Freund. Er wird dich auch zu deinem Begleiter bringen, der auf der Reise über dich wachen wird.“

„Ein Begleiter? Caranthir, ich weiß nicht mal, ob ich das möchte.“

„Ja, einen Begleiter, der dich führt und beschützt. Findecàno Calmcacil genießt mein volles Vertrauen. Golradier, die Zeit drängt. Viel zu lange hast du in diesem Leben dahin vegetiert. Alles was bisher war, wird Vergangenheit sein. Diese Vergangenheit erlöscht in diesem Augenblick. Dein Zimmer wird geleert und deine Habseligkeiten werden zu mir gebracht.“

„Aber das geht nicht, ich…“

„Golradier, glaube mir. Es ist besser so! Vertrau mir bitte!“

Golradier nickte. Caranthir hatte Recht. Was hatte er denn schon zu verlieren? Dieses Leben, das er bisher geführt hatte, war kein Leben. Er war eine Geisel seiner selbst.

„Klar habe ich Recht“, strahlte ihm  Caranthir entgegen und wies ihm den Weg zurück.

Beide gingen wieder zur Tür, die sich wie von Geisterhand alleine öffnete. Dahinter wartete Gelmir mit einem Rucksack in der Hand.

„Findecàno steht mit den Pferden bereit, Caranthir“, sagte Gelmir.

„Sagt ihm einen Gruß von mir, werter Freund!“

„Kommst du nicht mit nach draußen?“, fragte Golradier verwundert.

„Nein…, auch etwas, was du später verstehen wirst.“

Noch einmal nahm Caranthir Golradier in den Arm und drückte ihn fest.

„Pass auf dich auf Golradier… wir werden uns wieder sehen, versprochen!“

Der junge Elf nickte ihm zu und folgte Gelmir nach draußen, wo er zwei Pferde vorfand. Auf einem davon saß eine verhüllte Gestalt.

„Junger Herr, es wäre gut, würdet ihr diesen anziehen!“, meinte Gelmir neben Golradier und reichte ihm einen dunklen Umhang.

„Danke Gelmir und Ihr braucht mich nicht mit ‚jungem Herrn’ anzusprechen. Golradier reicht schon!“

„Danke junger Herr, aber ich bleibe bei meinen Bräuchen“, meinte Gelmir und Golradier schien ein leichtes Lächeln in dessen Gesicht zu erkennen.

Er legte sich wie geheißen den Umhang an und zog auch die Kapuze über den Kopf. Gelmir befestigte derweil den Rucksack am Sattel des Pferdes, dann half er Golradier in den Sattel.

„Danke!“, sprach Golradier.

„Seid ihr schon einmal geritten?“, fragte der Fremde namens Findecàno.

„Ja, als ich noch bei meinen El….“

„Ein ‚ja’ reicht mir schon! Dann mal los!“

Findecàno hieb seinem Pferd sanft in die Flanke und schon setzte es sich in Bewegung. Golradier dagegen hatte Probleme, seinen Braunen zum Bewegen zu animieren.

Leicht verärgert über Findecànos Tonfall ging er wie dieser gleich in Trab über, um ihm folgen zu können. So hatten sie schnell die Stadtgrenze hinter sich gelassen und ritten nun fortan bergauf.

Auf dieser Seite der Stadt war Golradier noch nie vorher gewesen und so kannte er sich auch nicht aus. Blind folgte er einfach Findecàno, der sehr zügig voran ritt, ohne sich auch nur einmal umzudrehen.

Als sie dann endlich ein Waldstück erreicht hatten, verlangsamte Findecàno seinen Galopp bis sein Pferd fast schon zum Stehen kam. Er griff nach oben und zog die Kapuze herunter.

„So, jetzt dürften wir sicherer sein“, meinte er und blieb stehen.

Zum ersten Mal nun sah Golradier Findecànos Gesicht. Es wirkte fast etwas zierlich, aber seine grünen Augen zeigten Kraft, die durch die kurzen schwarzen Haare noch verstärkt wurde.

Auch wunderte er sich, dass sich Findecànos Mundwinkel etwas nach oben hoben und er leicht lächelte. Sein vorheriger Tonfall hatte Golradier auf anderes schließen lassen, doch nun streckte er Golradier seine Hand entgegen.

„Findecàno Calmcacil, Sohn des Caranthir Ringeril…“

„Sohn?“

Golradier konnte sich das nicht vorstellen, Caranthir sah doch noch so jung aus. Aber Elfen waren schon immer schwer zu schätzen gewesen. Dann war Findecàno auch sicher jünger als er selbst, dachte sich Golradier weiter.

„Ja, ich bin der Sohn, wusstest du das nicht?”

Golradier schüttelte den Kopf.

„Gut, dann werden wir jetzt langsam weiter reiten. Wir haben noch einen langen Weg vor uns.“

„Und wohin genau reiten wir?“

„Falsche Frage, Golradier.“

„Wieso?“, fragte Golradier etwas verstimmt.

„Du wirst nie eine direkte Antwort auf eine direkte Frage bekommen.“

Golradiers Gedanken begannen zu rotieren. Keine direkte Frage stellen.

„Sind dort, wo wir hin reiten, Freunde?“

„Das will ich wohl hoffen, sonst müsste ich jemanden lynchen“, antwortete Findecàno lächelnd.

Golradier schaute ihn fragend an.

„Du wirst Maeglin schon noch kennen lernen. Aber ich muss sagen, du lernst schnell!“

Mit diesen Worten endete die Unterhaltung. Beide ritten sie den Waldweg weiter, ohne ein weiteres Wort zu wechseln.

*-*-*

Es war schon dunkel, als Golradier nach einer Biegung plötzlich Lichter entdeckte. Er wusste nicht mehr, wie lange oder wo entlang sie geritten waren, denn Findecàno hatte mehrere Umwege in Kauf genommen. Diese Vorsicht fand Golradier zwar etwas übertrieben, aber Findecàno musste ja wissen, was er tat. Die Lichter entpuppten sich als Fackeln, die am Wegesrand aufgestellt worden waren.

„Halt! Wer da?“, hörte Golradier eine Stimme und fuhr zusammen.

Er sah, dass Findecàno kurz lächelte, denn seine Augen funkelten im Fackellicht.

„Findecàno Calmcacil.“

Dann wurde es kurz ruhig und nichts weiter passierte, bis plötzlich zwei Männer aus dem Gebüsch hervor traten.

„Findecàno, Ihr kommt spät, was hat Euch so lange aufgehalten? Maeglin hat schon ein paar Mal nach euch fragen lassen.“

„Seid beruhigt Agnetor, ich wollte nur ganz sicher gehen, dass uns niemand folgt. Deshalb bin ich einige Umwege geritten, weg von den öffentlichen Wegen.“

Dieser Agnetor nickte den beiden Reitern zu und so bewegte Findecàno sein Pferd Richtung Büsche. Golradier beeilte sich, ihm zu folgen. Wie von Zauberhand öffnete sich ein Holztor, wo vorher noch Bäume gestanden hatten.

Vor Golradiers Augen tat sich ein kleines Dorf auf. Trotz der vorgerückten Stunde war noch ein geschäftiges Treiben auf den Wegen. Findecàno hob ab und zu seine Hand zum Gruß.

Golradier hatte wie auch Findecàno seine Kapuze abgezogen, doch fühlte er sich sehr beobachtet. Vor einem größeren Haus hielt nun sein Begleiter an und stieg vom Pferd, um das sich sofort jemand kümmerte.

„Komm, Golradier, wir werden erwartet!“, sprach Findecàno und machte eine einladende Geste.

Golradier stieg nun ebenfalls ab und betrat mit Findecàno das Haus, wo ihn eine mollige Wärme empfing. Die Nacht war kühl geworden und seine Gelenke schmerzten vom langen Ritt.

„Findecàno“, hörte Golradier jemanden rufen und wenig später sah er einen Elfen in langem Umhang auf Findecàno zustürmen.

Die beiden fielen sich in die Arme und schienen auch nicht mehr loslassen zu wollen.

„Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Warum hast du so lange gebraucht? Hat dich dein Vater aufgehalten?“

„Maeglin, du weißt doch, wenn ich mit Feanàro unterwegs bin, passiert mir nichts!“, antwortete Findecàno, „und nein, ich habe meinen Vater nicht einmal gesehen. Er hat es immer noch nicht verwunden.“

„Lass ihm Zeit. Glaub mir bitte, es wird alles gut.“

Findecàno gab Maeglin einen langen Kuss, wobei sich Golradier etwas störend vorkam. Dennoch konnte er seine Augen nicht von den beiden abwenden. Maeglin war um einiges größer als Findecàno, doch fand Golradier, dass die beiden gut zusammen passten.

Maeglins Gesicht war markant, aber strahlte Ruhe aus. Genauso wie seine Stimme, deren angenehmer, sanfter Ton beruhigend auf Golradiers Seele wirkte. Seine Augen aber funkelten und strahlten.

Erst jetzt bemerkte Maeglin den Gast und lächelte. Beherzt lief er auf Golradier zu und reichte ihm die Hand.

„Du musst Golradier sein. Genauso wurdest du mir beschrieben“, sprach er ihn an.

„Ja… bin ich. … mich beschrieben?“, fragte Golradier verwundert.

„Maeglin, hör auf, unseren Gast nervös zu machen. Ich werde ihm sein Zimmer zeigen, damit er sich frisch machen kann. Das wird ihm nach dem langen Ritt sicher angenehm sein.“

„Liebster Findecàno, genau das wäre mein nächster Vorschlag gewesen. Oder dachtest du, ich würde bei unserem jungen Freund meine guten Manieren vergessen?“

Findecàno fing an zu kichern.

„Gut, mein Liebster wird dir deine Gemächer zeigen. Ich würde mich aber freuen, wenn wir uns nachher zu einem kleinen Essen wieder treffen würden. Ihr habt doch sicher beide Hunger.“

Da begann Findecàno zu lachen und meinte: „Es verbietet mir mein Anstand laut zu äußern, auf was ich Hunger habe.“ Er bedachte seinen Maeglin dabei mit einem frechen Blick und fügte hinzu: „Aber du hast Recht. Ich werde mich ebenso frisch machen und komme mit unserem Freund wieder herunter.“

Golradier indes stand nur starr da und brachte keine Silbe hervor. Maeglin schien dies zu merken und bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. Golradier war fasziniert von seinen wachen Augen, die in einem geheimnisvollen grün-gold funkelten. Sie ließen einen sehr intelligenten Mann erahnen.

„Was ist? Hast du die Sprache verloren?“, fragte Maeglin.

„Ihr… Ihr müsst entschuldigen. Heute Morgen, als ich aufstand, war ein ganz normaler Tag für mich gewesen, wie jeder andere auch. Aber nun ist soviel passiert, ich weiß nicht… ich kann das alles noch gar nicht erfassen.“

Maeglin legte einen Arm um Golradiers Schulter.

„Ich weiß, du hast sehr viele Fragen und glaube mir, ich werde sie dir noch alle beantworten. Nur eins noch, länger hättest du nicht mehr in diesem Loch bleiben können.“

„Dieses Loch war bisher mein zu Hause“, sagte Golradier leicht gekränkt.

„Das habe ich auch nicht gemeint. Aber es bestand die Gefahr, dass dich Maranwes dunkle Häscher bald aufgegriffen hätten.“

„Aber wieso? Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen?“

 

„Ruhig junger Freund, hier wird dir auf alle Fälle nichts passieren.“

„Aber ich verstehe nicht…“

„Du wirst… du wirst…“, sagte Maeglin mit sanfter Stimme und Golradier beruhigte sich wieder.

*-*-*

Golradier fühlte sich frisch. Das warme Wasser, welches er auf der kleinen Kommode vorgefunden hatte, hatte seinen Dienst verrichtet. Nun aber stand er verwundert vor dem Schrank in seinem Zimmer. Findecàno hatte ihm erzählt, dass alle Kleidungsstücke nach seiner Größe angefertigt worden waren und er fragte sich plötzlich, was wohl gewesen wäre, wenn Caranthir ihn nicht umgestoßen hätte.

Golradier schüttelte sich und verdrängte diesen Gedanken schnell wieder. Sein Blick blieb am Spiegel der Schranktür hängen, aus dem er sich selbst gegenüber stand. Sein Körper hatte sich sehr verändert. Seine braunen Haare hingen matt über die Schultern und auch der Rest machte keinen guten Eindruck. Seine Gesichtzüge waren traurig. Wieder zog er die Schranktür auf und betrachtete noch einmal, was da hing.

Er entschloss sich für die dunkle Hose und für das weiße Hemd darin. Nachdem er sich wieder angekleidet hatte, betrachtete er sich abermals im Spiegel und lächelte nun leicht. Jetzt gefiel er sich wieder besser.

Als er aus dem Zimmer getreten war, hob er aus Gewohnheit die Hand, um die Tür zu verschließen.

„Gib dir keine Mühe, hier wird das nicht funktionieren.“

Golradier fuhr zusammen, hatte er doch Findecàno nicht kommen gehört.

„Da ist kein Schloss drin“, sprach Findecàno weiter.

„Tut mir Leid… eine alte Angewohntheit.“

Findecàno trat zu ihm und nahm ihn in den Arm.

„He, schau nicht so traurig, du hast noch ganz viel vor dir.“

Golradier nickte, auch wenn er noch nicht verstand. Er folgte Findecàno die Treppe hinunter in den Wohnraum, wo Maeglin mit einem ihm unbekannten Mann am Tisch saß. Die beiden schienen sich über etwas zu amüsieren, denn sie lachten herzhaft.

„Na ihr zwei, schon wieder eifrig am Lästern?“, sprach Findecàno neben mir.

Beide Köpfe flogen herum und die zwei sahen zu uns. Der Fremde lächelte und stand auf.

„Findecàno, schön dich zu sehen!“, sagte der Elf, streckte seine Arme aus um Findecàno zu umarmen.

„Amras Tîwele, schön dass du hier bist. Was führt dich in unsere bescheidene Hütte?“

„Ach, ich weiß auch nicht recht. Eine Stimme riet mir, herzukommen.“

„Meine war es nicht.“, unterbrach Maeglin diese Unterhaltung, „Amras, darf ich dir unseren Gast vorstellen… Golradier Calafalas…“

„Oh, der Golradier Calafalas?“

„Ihr kennt mich?“, fragte Golradier.

„Nicht direkt, aber man redet viel über Euch.“

„Über mich?“

„Amras, hör auf unseren Gast zu verwirren“, unterbrach Maeglin dieses aufkeimende Gespräch.

Ihm war nicht entgangen, wie die beiden sich ansahen. Er spürte aber auch das Unbehagen, mit dem sich Golradier das Leben schwer machte. Zu groß war die Last, die durch seine Vergangenheit seinen Lebensmut minderte.

Aber dies sollte ja jetzt ein Ende haben. Endlich sollte Golradier seiner wahren Bestimmung zugeführt werden. Aber wie erklärt man einem Elfen, dass man ihn jahrelang vergessen hatte? Maeglin senkte seinen  Blick. An Golradier hing alles.

*-*-*

Golradier fühlte sich so wohl wie schon lange nicht mehr. Zu viert saßen sie am Tisch, hatten gut gegessen und unterhielten sich. Amras saß nun deutlich näher an ihm und lehnte sich regelrecht an ihn. Die Energie, die Golradier dabei durchströmte, war so unfassbar. So voller Kraft. Maeglin erzählte etwas von Prophezeiungen und Vorahnungen, aber Golradier bekam von all dem nicht viel mit. Er hing an Amras’ dunkelbraunen Augen, die geheimnisvoll funkelten und dabei soviel Zuversicht ausstrahlten.

„Hörst du überhaupt zu?“, fragte Maeglin plötzlich und Golradier zuckte zusammen, als er feststellte, dass Maeglin ihn gemeint hatte.

„Golradier, es ist sehr wichtig, dass du aufmerksam zuhörst, in Ordnung?“

Golradier nickte.

„Ich weiß nicht wie viel dir Caranthir erzählt hat.“

„Eigentlich gar nichts. Das, was er mir erzählte, habe ich nicht verstanden. Er meinte, das würde ich alles später verstehen.“

„Du weißt also absolut gar nichts?“, fragte Maeglin erneut.

„Ihr sprecht alle in Rätseln!“

„Das ist nicht so gut“, mischte sich Amras ein.

„Ich habe doch gesagt, mir blieb keine Zeit ihn auf irgendetwas vorzubereiten“, verteidigte sich Findecàno.

„Das hat dir auch keiner vorgeworfen, mein Engel!“, beruhigte ihn Maeglin und nahm ihn in den Arm.

„Könntet ihr mir jetzt bitte sagen, um was es geht?“, fragte Golradier etwas missgelaunt.

Für einen Augenblick sahen sich die drei Männer schweigend an, bevor sie sich Golradier wieder zuwandten.

„Ich weiß“, begann Maeglin, „wir werden dich jetzt regelrecht überfahren, aber es ist dein Weg und deine Bestimmung.“

Golradier bekam auf einmal ein mulmiges Gefühl in der Magengegend.

„Du hast sicher von Caranthir gehört, dass es da einen 500 Jahren alten Elfen gibt…“

„Der lebt noch?“, fragte Golradier verwundert.

„Camthalion Cúthalion befindet sich bei bester Gesundheit, ja! Er ist der Prophet der fünf Hügel von Nargonsel. Er hat vorhergesagt, dass ein gebranntmarkter junger Elf erscheinen wird. Der Träger des Siegels der Liebe.“

„Siegels?“, fragte Golradier.

„Du hast von deiner Mutter zum zehnten Geburtstag ein Medaillon  bekommen.“

Golradier war fassungslos. Woher konnte Maeglin das wissen? Automatisch griff er an seine Brust und umfasste das Medaillon durch das Hemd hindurch.

„Du trägst es bei dir?“, fragte Findecàno aufgeregt.

„Ich… ich trage es immer bei mir… es ist das einzige, was ich noch von meiner Mutter habe.“

Golradier senkte den Kopf und wurde unheimlich traurig. Plötzlich keimte ein Gefühl von Sehnsucht in ihm auf. Er sah seine Mutter… seinen Vater. Er sehnte sich nach den starken Armen seines Vaters. Golradier spürte, wie sich langsam Tränen ihren Weg über seine Wangen bahnten. Sie fehlten ihm und es tat schrecklich weh.

„He Golradier… nicht weinen…“, hörte er Amras neben sich sagen und bemerkte, wie dieser seinen Arm um ihn legte und ihn zu sich ran zog.

Golradier griff nun nach der Kette an seinem Hals und öffnete den Verschluss. Langsam zog er das Medaillon hervor und legte es vorsichtig auf den Tisch. Die anderen betrachteten es ehrfürchtig.

„Du hast die Macht, der Schreckensherrschaft ein Ende zu setzen – du bist der Erwählte“, sprach Maeglin mit tiefer Stimme.

Golradier hob seinen Kopf und schaute in die Runde.

„Der Traum… erzählt von zwei… Elfen…, doch ich bin alleine.“

„Diesen Gedanken vergisst du ganz schnell wieder“, begann Findecàno, „du bist nicht alleine, du hast uns!“

„Habe ich das?“, fragte ich leise.

„Ja hast du!“

„Tut mir Leid…, ich war die ganze Zeit alleine…“

„Jetzt nicht mehr, also gewöhne dich daran.“

Ein kleines Lächeln huschte über Golradiers Lippen. Immer noch lag Amras’ Arm um seinen Schultern und er fühlte sich wohl dabei. Sein Blick fiel wieder auf das Medaillon.

„Wie hast du vorhin mein Medaillon genannt… Siegel?“

„Ja, es ist das Siegel des mächtigen Dreigestirns. Ein jeder Stern steht für eine Macht“, erklärte Maeglin.

„Einmal das Licht. Das Licht, das uns täglich umgibt und welches wir in uns tragen, damit sich die Dunkelheit nicht ausbreitet. Dann wäre da die Freiheit. Jeder braucht seine Freiheit und jeder sollte frei und ohne Zwang leben können.“

Das verstand Golradier.

„Und die wichtigste Macht ist die Liebe! Sie vereint das Licht und die Freiheit. Sie steht für alles, an das wir glauben. Ohne Liebe geht alles zu Grunde.“

„Liebe kann schmerzen!“, warf Amras ein.

„Du irrst werter Freund. Liebe schmerzt nicht, sie macht nicht unglücklich. Liebe begeht keine Fehler und vor allem macht Liebe nicht einsam! Alles Schlechte, was man der Liebe nachsagt, kommt von uns selbst. Diese Gedanken sind die Folgen aus Fehlern, die wir selbst begehen. Aber die Liebe bleibt dabei unantastbar.“

Golradier schaute zu Amras. Hatte er schon so geliebt, dass ihn deswegen solch ein Schmerz ereilte, durch Verlust oder gar einer Trennung? Im selbigen Augenblick trafen sich ihre Blicke und Amras Lippen verzogen sich zu einem liebenswürdigen Lächeln. Das Braun seiner Augen strahlte dabei wie ein Teller voller Kerzen.

„Ertha alnaud-lain, gail a sîdh. Leithian mín tûr“, sprach Maeglin.

Golradier verstand nur wenig von dieser alten Sprache, zu viel hatte er seit damals vergessen. Doch er brauchte nicht lange zu warten.

„Vereine die Freiheit, strahlendes Licht und die Liebe. Entfesselung unserer Macht!“

„Von welcher Macht sprichst du?“, fragte Golradier.

„Die Macht, die die alte Ordnung wieder herzustellen vermag, in der es nur eines gleichen gab und keiner über den anderen herrschte“, antwortete Maeglin.

„Maranwe Helyanwe“, sagte Amras leise.

„Sie ist das Böse, das unser Land in den Untergang treibt. Wenn wir tatenlos zusehen, wird bald nichts mehr davon übrig bleiben“, sprach Maeglin weiter und seine grünen Augen wurden starr.

Sein Gesicht wurde blass und er lehnte sich etwas zurück. Mit fremder tiefer Stimme sprach er weiter.

„Es werden noch viele Opfer folgen, sie wird das Land aussaugen, bis es keine freien Seelen mehr gibt…, das Land wird bluten. Wohl denen, die dem Bösen den Kampf ansagen, denn sie werden Höllenqualen erleiden…“

Ehrfürchtig schauten alle drei auf Maeglin. Sein Äußeres veränderte sich wieder.

„Alles in Ordnung mit dir werter Gefährte?“, fragte Findecàno besorgt.

Maeglins Augen wurden traurig und feucht.

„Soviel  Leid und Schmerz…“, antwortete Maeglin leise.

„Maeglin, verschließe deinen Geist…“, sprach nun Findecàno fast flehend.

Golradier verstand nicht was sich vor ihm abspielte. Maeglin schien immer noch abwesend und viele Tränen rannen über seine Wangen, sein Gesicht war schmerzverzerrt.

„Maeglin… komm zu dir, bitte“, sagte Findecàno leise und nahm seinen Liebsten in den Arm.

Fragend schaute ich zu Amras.

„Maeglin hat die Gabe, die Gefühle anderer zu spüren. Dies bedeutet aber auch, dass er ihr Leid und ihren Schmerz fühlen kann“, erklärte er.

Maeglin atmete tief durch und senkte seinen Kopf. Findecàno, der neben Maeglin doch etwas kleiner wirkte, nahm ihn in den Arm und strich ihm sanft über das Haar.

„Wäre es eigentlich möglich für heute Nacht bei euch unterzukommen?“, fragte Amras plötzlich.

„Tut mir Leid, aber Golradier liegt in unserem freien Zimmer“, antwortete Findecàno.

„Mein… mein Zimmer ist doch groß genug. Wenn es Amras nichts ausmacht…“ Golradier brach seinen Satz ab und senkte verlegen seinen Kopf.

„Was ist Golradier?“, fragte Findecàno.

„… wenn er nichts gegen so einen wie mich hat…“

Maeglin schaute ihn mit feuchten Augen an und griff nach seiner Hand.

„Golradier, höre mir zu. Was du warst oder was du für andere bist, interessiert keinen. Wichtig ist nur, was du fühlst. Dass du weißt, wer du wirklich bist!“

Golradier nickte.

„Ich denke es wird Zeit, dass wir uns zurück ziehen“, sagte Findecàno und alle nickten ihm zu.

„Ich werde meine Sachen holen“, meinte Amras und verließ den Raum.

Die anderen erhoben sich ebenfalls und Golradier machte sich auf den Weg nach oben, während Maeglin und Findecàno die Lichter löschten. Es dauerte etwas bis Amras wieder erschien. Er hatte eine Satteltasche über der Schulter hängen, die er neben dem kleinen Tisch auf den Boden stellte.

„Auf welcher Seite schläfst du?“, fragte Amras und riss Golradier damit aus den Gedanken. Er bedachte Amras mit einem fragenden Blick und dieser wies auf das große Bett.

„Welche Seite?“

Golradier zuckte als Antwort nur mit den Schultern und begann sich langsam zu entkleiden. Auch Amras zog sich ohne ein weiteres Wort zu verlieren aus und legte alles fein säuberlich über eine Stuhllehne. Obwohl Amras ihn nicht beobachtete, schämte sich Golradier und drehte sich zur Wand. Sollte er sich wirklich nackt ausziehen, so schlafen wir er es gewohnt war? Ein Seufzen durchfuhr seinen Körper und er ließ nun auch seine letzten Hüllen fallen.

„Golradier…“, hörte er Amras’ Stimme direkt hinter sich und fuhr leicht zusammen, „weißt du eigentlich, wie schön du bist?“

Noch immer stand Golradier zur Wand gedreht und erschauderte, als er Amras’ Hand auf seiner Schulter spürte und wie sie sanft nach unten strich.

„Als ich dich vorhin die Treppe herunter kommen sah, habe ich schon gespürt, was von dir ausgeht… welche Macht von mir Besitz ergreift.“

Golradier war keines Wortes mächtig. Er schloss seine Augen und genoss jede Zärtlichkeit, die von Amras ausging.

„Hat dir schon mal jemand gesagt, wie schön du bist?“

Golradier schüttelte verschüchtert den Kopf, drehte sich aber dennoch zaghaft um und gerade, als er Amras in die Augen schauen wollte, wurde die Zimmertür aufgerissen.

„Packt eure Sachen und… oh.“

Amras grinste frech und Golradier versuchte seine Nacktheit zu verhüllen.

„Es tut mir ja leid, aber ihr müsst euch schnell anziehen. Wir müssen weg“, meinte Findecàno.

„Weshalb?“, kam es von Amras.

„Unser Lager ist entdeckt worden… und ich dachte Maeglins Verdunklungszauber würde uns dies ersparen… ich muss dringend wieder zu ihm.“

Und schon war Findecàno wieder verschwunden. Golradier stand bewegungslos da und starrte auf die Stelle, an der Findecàno eben noch gestanden hatte. Er war sich seiner Nacktheit bewusst, doch rührte sich keinen Millimeter.

„Dann mal los mein Engel der Liebe, du hast Findecàno gehört.“

Golradier riss die Augen auf. Wie hatte Amras ihn gerade genannt – Engel der Liebe?

Nur langsam kam sein motorisches Wesen wieder in Gang und mühsam zog er seine Kleidung wieder an.

Von draußen war plötzlich Geschrei zu hören und Golradier bestärkte sein Bemühen, seine Habseligkeiten zusammen zu suchen. Traurig schaute er zum Schrank, in dem mehr Kleidungsstücke hingen, als er je in seinem kurzen Leben besessen hatte.

Er griff nach seinem Anhänger, der sich plötzlich leicht erwärmte, doch Amras holte ihn in die Wirklichkeit zurück.

„Können wir aufbrechen mein Engel, es wird Zeit!“

Golradier nickte und griff nach der in seine Richtung ausgestreckten Hand. Amras zog ihn zum Zimmer hinaus, aber anstatt den direkten Weg die Treppe hinunter zu nehmen, lief er mit ihm den Gang hinunter in ein anderes Zimmer. Golradier kannte sich hier nicht aus und so blieb ihm nichts anderes übrig, als Amras zu vertrauen.

„Hier gibt es noch eine kleine Treppe ins Freie“, meinte Amras, der Golradiers Gedanken dem Anschein nach lesen konnte.

Draußen angekommen wurde den beiden erst bewusst, in welcher Gefahr sie schwebten. Vom Eingang des Lagers her hörte man das Klingen der Schwerter, die hart aufeinander schlugen.

„Kommt hier her“, hörten die zwei Maeglin rufen.

Maeglin stand mit Findecàno bei einer kleinen Baumgruppe neben dem Haus und sie liefen eilig los. Amras’ Hand umschloss dabei immer noch kräftig die Golradiers’, wodurch sich Golradier trotz der anbahnenden Gefahr sicher fühlte.

Maeglin sprach indes pausenlos einen Zauber nach dem anderen aus.

„Lûth brethil“, flüsterte Maeglin, worauf eine Gruppe kleiner Birken damit begann wild um sich zu schlagen. Alleine dadurch wurden gleich drei der Angreifenden außer Gefecht gesetzt. Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, so hätte Golradier bei diesem Anblick laut gelacht.

Endlich ereichten sie die beiden. Findecàno hatte hinter sich vier Pferde stehen. Golradier erkannte darunter Feanàro, Findecànos geliebtes Pferd. Das Pferd hob den Kopf und wieherte kurz, als es Golradier bemerkte.

„Es ist zu spät, das Lager ist bereits von Maranwes Truppen umlagert und sie ist sich sehr siegesgewiss“, sagte Maeglin.

„Du scheinst aber offensichtlich vom Gegenteil überzeugt zu sein, werter Freund“, kam es von Amras.

„Maranwe ist gut, aber nicht gut genug.“

Maeglins Mund verzog sich zu einem teuflischen Grinsen, bevor er sich niederkniete und mit der linken Hand den Boden berührte. Er sprach dabei die Worte ‚fae-hithu‘ und der geheimnisvolle Seelennebel breitete sich langsam aus. Währendessen griff Maeglin unter seinen Umhang und zog drei Seile hervor.

„Hier, bindet euch an mir fest… Ja, ich weiß, ich bin schon eine fesselnde Persönlichkeit‘, grinste er dabei frech.

Die anderen zögerten nicht. Während sie sich mit dem Magier verbanden stand dieser wieder auf und führte seine Hand seine Stirn.

Thia-fae!

Seine Augen wurden von grauen Schleiern überlagert.

„Los geht es!“

Amras nahm zwei Pferde und folgte mit den anderen Maeglin durch die anwachsende Nebelwand. Golradier hatte plötzlich wieder Angst und drängte sich dicht an Amras, um Schritt halten zu können.

Maeglin legte ein mächtiges Tempo vor und Golradier hatte seine Schwierigkeiten, dem nach zu kommen. Besonders problematisch auch dadurch, weil er rein gar nichts sehen konnte. Plötzlich liefen sie bei Maeglin auf, als dieser stehen geblieben war.

„Kein Wort!“, zischte Maeglin leise.

„Heltha ar echuida meleth!“

Golradier wunderte sich, weil diese Worte eher schon belustigt von Maeglin ausgesprochen wurden.

„Es funktioniert doch immer wieder“, kicherte er gehässig.

„Was meint Maeglin damit?“, fragte Golradier.

„Das willst du nicht wissen“, meinte Amras.

*-*-*

Golradier wusste nicht, wie lange sie schon unterwegs gewesen waren. Ihm tat alles weh, denn ohne die kurze Pause in Maeglins Haus war es schon die zweite lange Reise an diesem Tag.

Seit sie dem Nebel von Maeglin entronnen waren, ritten sie ohne Rast. Über das Ziel wurde nicht geredet. Überhaupt wurde nicht viel geredet und das ließ Golradier nervös werden.

„Golradier, es ist nicht mehr weit, bald kannst du deinen verdienten Schlaf nachholen.“

Golradier lächelte. Er hatte vergessen, dass Maeglin seine Gedanken lesen konnte. Das änderte aber nichts daran, dass er sich müde und matt fühlte. Er ritt dicht neben Amras und seine Nervosität legte sich langsam wieder. Immer wieder sah er zu dem großen Elfen, der schräg versetzt vor ihm ritt. Sollte er wirklich der sein, den er immer in seinen Träumen gesehen hatte?

Aber wenn er es wirklich war, würde dann auch all das andere geschehen, woran er sich in den Träumen erinnern konnte?

Plötzlich hielt Maeglin an.

„Warum hast du mir das nicht früher mitgeteilt?“, fragte Maeglin und schaute Golradier an.

„Was… was meinst du.“

„Dass du die Gabe besitzt in die Zukunft zu schauen.“

„Golradier kann in die Zukunft schauen?“, fragte Findecàno erstaunt.

„Wir müssen uns beeilen“, sprach Maeglin weiter, „die Zeit drängt.“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, trieb er sein Pferd heftig an, das darauf leicht hoch stieg. Die anderen folgten ihm ohne zu fragen. Der Weg stieg an und der Wald verdichtete sich wieder, als Maeglin das Tempo drosselte.

„Wartet hier bitte einen Augenblick“, sprach er und ritt langsam alleine auf eine Lichtung.

Dort angekommen stieg er vom Pferd und legte erneut seine Hand auf den Boden.

„Thia le ion en brôg.“

Einige Minuten geschah nichts, doch plötzlich hörten die drei zurück Gebliebenen ein tiefes Brummen. Es wurde lauter und stärker. Dazu kamen schwere Schritte, die den Boden mehr und mehr erzittern ließen.

Die Bäume vor Maeglin begannen sich zu bewegen und er stand auf. Die Pferde wurden etwas unruhig, als ein riesiger brauner Bär vor ihnen erschien. Maeglin jedoch blieb ruhig stehen und neigte seinen Kopf.

„No suila arode brôg!“, sprach er mit ruhiger Stimme.

Der Bär stellte sich daraufhin auf die Hinterbeine, was ihn noch mächtiger wirken ließ. Golradier bekam nur soviel mit, dass Maeglin diesen Bären gerufen hatte und jetzt auch begrüßte.

„Arode curunir man din lin mael?“, brummte der Bär mit so tiefer Stimme, dass der Boden wieder erzitterte.

„Er fragt, was Maeglin will“, flüsterte Golradier den anderen beiden zu.

„Du verstehst das?“, fragte Amras leise verwundert.

„Etwas… habe es mal gelernt.“

„Liebster, du überrascht mich immer mehr!“

„Liebster? Habe ich etwas verpasst?“, mischte sich nun Findecàno ein.

Amras lächelte, schwieg aber.

„Hartha pol am hobas?“, fragte nun Maeglin.

Der Bär nickte. Seine Gestalt fing an zu schrumpfen und wurde immer kleiner, bis er Maeglins Größe erreicht hatte. Maeglin stand immer noch ruhig an derselben Stelle.

„Was hat er gefragt?“, kam es von Amras leise.

Das Schauspiel der Verwandlung des Bären faszinierte Golradier derart, dass er die Frage gar nicht wahrnahm. Zu gefangen war er von dem Bären, der sich langsam in einen Waldelf verwandelte.

„Seid gegrüßt mächtiger Maeglin. Folget mir mit Euren Freunden. Euer Lager steht bereit“

Auch wenn dessen Stimme noch immer tief klang hatte sie ihre Wucht verloren. Die drei stiegen nun ebenso ab und folgten dem Waldelf und Maeglin.

*-*-*

„Du nichtsnutziger Bastard einer Ausgeburt, wie konntet ihr sie nur entkommen lassen“, schrie Maranwe.

„Herrin, es tut mir Leid, aber der dichte Nebel…“

„Schweig!“, durchschnitt Maranwes Stimme scharf den Saal.

Kein Laut war mehr zu hören, lediglich der Hall von Maranwes Kreischen zog sich durch den Saal.

„Celgorm!“

„Ja Schwester?“, erwiderte dieser.

„Kümmere du dich um die Sache und nimm Finwe Nòlatàri mit!“

„Wie Ihr wünscht, Schwester.“

Celgorms Gesicht verfinsterte sich. Es war eines, seiner Schwester Gehorsam Dienst leisten zu müssen, aber sich mit Finwe zusammen zu tun, war etwas anderes. Er hasste diesen Elfen abgrundtief.

Finwe stand unweit der großen Holztür und hatte wie immer dieses widerwärtige Grinsen auf den Lippen. Celgorm verließ Maranwe ohne ein weiteres Wort zu sagen und durchschritt den großen Eingang.

„Wohin so schnell werter Freund?“, kam es von Finwe, „hat Euch Eure Schwester nicht klare Anweisungen gegeben?“

Celgorm stoppte abrupt, griff Finwe an den Hals und packte zu.

„Sagt Ihr mir nicht, was ich zu tun habe!“

Dann ließ er Finwe wieder los, der immer noch hässlich lächelte. Celgorm verließ grimmig den Saal, ohne sich nochmals umzudrehen und gab seinen Leuten ein Zeichen, die ihm sodann folgten. Draußen angekommen, bestieg er sein schwarzes Pferd.

„Seth und Hambras, haltet mir diesen giftigen Zwerg vom Leib, verstanden?“

Die zwei Reiter neben Celgorm nickten stumm.

*-*-*

„Ich habe deinem Vater eine Nachricht zukommen lassen“, sprach Maeglin, während er einer seiner Satteltaschen entleerte.

„Das hättest du nicht brauchen, er kann gut genug auf sich selbst aufpassen“, erwiderte Findecàno.

„Höre ich da etwa so etwas wie Trotzigkeit?“

„Maeglin, du weißt genau wie ich dazu stehe…“

Maeglin nahm Findecàno sanft in den Arm und küsste ihn innig.

„Ja, mein Engel, ich weiß. Wäre es aber nicht an der Zeit, deinem Vater mit etwas Nachsicht zu begegnen?“

„Er hätte jeden haben können…“

„Mich nicht!“, lächelte Maeglin.

Nun umspielte auch Findecànos Lippen ein kleines Lächeln.

„Du weißt“, sprach Maeglin weiter, „man kann nie erahnen, wo einen die Liebe hinführt. Und dein Vater liebt nun einmal Celgorm.“

*-*-*

Caranthir hatte die Botschaft erhalten und sich bereits auf den Weg gemacht. Die Mitteilung enthielt auch noch eine Bitte, der Caranthir nun folgen wollte. Er ritt den schmalen Pfad unweit der Stadt hinauf.

Nach einer Weile öffnete sich der Pfad zu einer Lichtung, die still vor ihm lag. Lediglich das Knistern des Feuers am Lager war zu hören, das sich vor Caranthir auftat.

„Keinen Schritt weiter, wenn Euch Euer Leben lieb ist!“, hörte Caranthir aus dem Gebüsch und bremste sein Pferd.

Seinen Mund umspielte ein Lächeln.

„Werte Aredhrel, ich reite und schreite nicht.“

Eine junge Kriegerin trat hinter einem Baum hervor.

„Caranthir, welch göttliche Fügung, dass ich dich an deiner Stimme erkannt habe.

„Immer zu Scherzen aufgelegt Aredhrel“, lächelte Caranthir, „wo sind deine Mitstreiterinnen?“

Aredhrel ließ ihr Schwert sinken.

„Da uns Maeglin einen Boten geschickt hat, ist Marayne bereits am Packen und Celebriän holt ihre Brüder. Sie möchte sie in Sicherheit wissen, wenn wir in den Kampf ziehen.“

„Die Zeit drängt, das wisst ihr!“

„Ja, Caranthir. Sobald Celebriän wieder hier ist, können wir aufbrechen. Aber erzähl. Wie ist es dir ergangen? Wir haben uns schon seit Ustavs Geburtstag nicht mehr gesehen.“

„Es hat sich nichts geändert und alles ist beim Alten geblieben.“

Aredhrel schaute ihn etwas mitleidig an. Dann schüttelte sie kurz den Kopf, als wolle sie ihre Gedanken vertreiben.

„Komm, du hast sicher Durst und Marayne wird sich freuen dich wieder zu sehen.“

Caranthir stieg von seinem Pferd ab und umarmte Aredhrel nochmals zur Begrüßung. Gemeinsam liefen sie zur alten Hütte, die die Kriegerinnen ihr Heim nannten, doch plötzlich blieb Aredhrel stehen und horchte angestrengt Richtung Wald.

„Drei Reiter… Celebriän kehrt zurück.“

Caranthir war immer wieder fasziniert über Aredhrel gutes Gehör und ihre Gabe, Dinge nach ihren Geräuschen bestimmen zu können. In diesem Moment wurde die Tür der alten Hütte aufgezogen und Marayne trat heraus.

„Caranthir Ringeril… Hüter der elfischen Träume – seid willkommen!“, sprach sie und breitete ihre Arme aus.

„Marayne Telenmar – Kriegerin des goldenen Turms – es ist mir immer wieder eine Freude!“

Beide fielen sich stürmisch in die Arme und als sie sich wieder voneinander lösten, schauten sie sich für einen kurzen Augenblick in die Augen. Ein kurzes Nicken beider unterbrach diese Blickverbindung.

Man konnte das Wiehern dreier Pferde hören und so drehten sich beide Richtung Pfad. Dort sah man drei Elfen den Berg heraufkommen. Der erste Reiter löste sich und galoppierte den anderen voraus.

„Marayne… Aredhrel hallo ich bin wieder da“, rief ihnen Elwè entgegen.

Der junge Elf strahlte über das ganze Gesicht und winkte den beiden wild zu.

Er hat sich gut gemacht, seit er mit Lonàn zusammen lebt“, sprach Caranthir zu Marayne.

„Es war deine Idee, die beiden zusammen zu bringen. Und niemand hat einen Verdacht geschöpft, für die Nachbarn sind sie Brüder“, entgegnete Marayne.

„Caranthir, du bist ja auch da“, rief nun Elwè, der sie fast erreicht hatte.

Er sprang vom Pferd und rannte auf Caranthir zu, der Mühe hatte diesen Wirbelsturm aufzufangen.

„Hallo Elwè, wie geht es dir?“

„Gut, weil ich wieder bei euch sein kann.“

Elwè löste sich aus der Umarmung von Caranthir und wandte sich den ankommenden Celebriän und Lonàn zu.

„Lonàn schau, Caranthir ist auch hier!“

Lonàn lächelte Caranthir zu und nickte.

„Hallo Marayne“, rief nun Elwè und beide unterbrachen ihren Blickkontakt.

Auch Marayne hatte, trotz ihrer Kraft, Mühe dem Kleinen gegenüber standhaft zu bleiben.

Alle standen sie da und lächelten, bis Caranthir zum Aufbruch mahnte.

„Wir bleiben nicht hier?“, fragte Elwè erstaunt.

„Nein Elwè und nun halt dich mal etwas zurück. Jeder im Umkreis von fünf Meilen hört dich und weiß, dass wir hier sind“, sprach Lonàn seinem jungen Freund ins Gewissen.

„Ich freue mich doch aber so“, widersprach Elwè.

„Dann freu dich bitte etwas ruhiger“, sprach Lonàn weiter.

„Ich hole nur noch meine Sachen aus der Hütte, dann können wir los“, unterbrach Marayne das Gespräch.

„Wenn du nichts dagegen hast helfe ich dir“, kam es von Elwè und stürmte ohne eine Antwort abzuwarten mit in die Hütte.

*-*-*

Aus dem Blickwinkel heraus sah Celgorm Finwe in gebührendem Abstand zu ihm reiten. Endlich waren sie aus den Fesseln seiner Schwester entbunden, denn ihre Macht über ihn hielt nur so lange, wie er sich in ihrer Nähe aufhielt.

Fliehen wäre dennoch zwecklos gewesen, denn Maranwes Macht war zu groß. Nun aber bot sich endlich eine Gelegenheit, da der Krieg unmittelbar bevorstand. Er hatte sich über Maeglin Narmolanya Auskünfte einholen lassen und war sich sicher, dass dieser Mann ihm helfen konnte.

Schwermütig dachte er an Caranthir, den er jetzt schon seit der Sonnenwende nicht mehr gesehen hatte. Wie es ihm wohl gehen mochte, dachte sich Celgorm. Doch so lange er Finwe am Hals hatte, konnte er überhaupt nichts machen.

Seine Schwester würde sofort davon erfahren. So musste sich Celgorm überlegen, wie er diesen Mistad [Fehltritt] eines Elfen los bekommen würde. Seth und Hambras bemühten sich sehr, um ihrem Anführer genügend Ruhe zu verschaffen.

Dank des Fährtenlesers waren sie schon sehr weit gekommen und hatten auch ein Lager gefunden, welches natürlich schon geräumt worden war. Sie folgten nun einfach den Spuren Richtung Norden. Es würde bald felsiger werden und für die Pferde anstrengender, das hieß, sie würden bald Rast machen müssen. Einige Pferde zeigten bereits erste Erschöpfungsanzeichen. Celgorm hob die Hand.

„Wir machen eine Pause!“, sagte er laut und stieg von seinem Pferd ab.

Und wenn wir ihre Fährte verlieren?“, hörte er Finwe eindringlich fragen.

„Wir haben die besten Fährtensucher weit und breit, die gehen uns schon nicht verloren“, antwortete Hambras an Celgorms Stelle.

Celgorm war froh, dass er sich auf seine Leute verlassen konnte und Finwe hatte dem anscheinend nichts mehr hinzu zu fügen, denn er schwieg. Celgorm band sein Pferd an einer Wurzel fest und lief ein Stück auf dem Pfad weiter.

Warum hatte er seiner Mutter nie geglaubt… Sie hatte ihm vorausgesagt, dass Maranwe alles an sich reißen würde, sogar den Vatermord hatte sie vorausgesehen. Nachdenklich hielt er inne und blickte gen Himmel, an dem nur vereinzelt ein paar Wolken zu sehen waren. Sein Blick wanderte weiter zu dem Gebirge hinauf, auf dessen Pfaden sie sich später befinden würden. Ein schmaler Rauchstreifen verriet ihm, dass da oben jemand sein musste.

Bestimmt die, nach denen sie suchten.

*-*-*

„Wir müssen vorsichtig sein, ich kenne diesen Wald nicht“, sprach Caranthir leise und zügelte das Tempo.

Marayne zog ihr Schwert.

„Du hast Recht, auch ich habe ein ungutes Gefühl“, sagte sie.

Langsam ritten sie den immer enger werdenden Pfad weiter.

„Da kommt jemand“, sagte Aredhrel plötzlich.

Alle stoppten. Sogar Elwè war ruhig geworden.

„Aus welcher Richtung?“, fragte Celebriän, die mittlerweile ihren Bogen hervorgezogen hatte und nun mit einem Pfeil versah.

„Von vorne“, antwortete Aredhrel knapp.

Noch konnte sie weder jemanden sehen noch hören. Eine Spannung lag in der Luft, die fast nicht zu ertragen war.

„Wir haben schon auf euch gewartet!“, erklangen plötzlich Stimmen vor ihnen.

Elwè zuckte dabei zusammen und ging hinter dem Pferdkopf in Deckung, als schließlich ein junger Elf zwischen zwei Bäumen hervor trat.

„Findecàno, freut mich dich zu sehen“, sagte Marayne und ließ ihr Schwert wieder sinken.

Ein erleichtertes Durchatmen ging durch die kleine Gruppe. Findecàno führte alle durch ein wahres Labyrinth von Wegen, bis sich vor ihnen eine große Felsgruppe auftat. Diese war von mehreren Bauten durchzogen, die weit bis in die oberen Spitzen des Gebirges reichten.

„Wo sind wir hier?“, fragte Lonàn.

„Orod i rin!“, sprach Maeglin, „der Berg der Erinnerung. Hier ist alles Wissen der Elfen vereint. Jedes auch noch so unscheinbares Wissen wurde hier zusammengetragen.“

„Maeglin“, rief plötzlich Elwè, sprang vom Pferd und fiel Maeglin um den Hals.

„Hallo Elwè“, lächelte Maeglin und wirbelte den Kleinen herum, der das mit einem lauten Lachen quittierte.

„Ehrenwerter Maeglin“, wurde er auch von Marayne begrüßt, die sich dabei leicht verbeugte.

Einer nach dem anderen stieg von seinem Pferd ab und Maeglin begrüßte jeden herzlich. Als letztes Stand er vor Caranthir.

„Caranthir… wie lange ist es her…?“, fragte Maeglin.

„Zu lange… leider.“

Maeglins Blick wanderte zu seinem Liebsten, der etwas abseits stand.

„Er hat mir noch immer nicht verziehen, oder?“, fragte Caranthir seinen Gegenüber leise.

„Das kann ich dir leider nicht beantworten, alter Freund. Aber vielleicht solltet ihr eines dieser berühmten Vater und Sohn Gespräche führen.“

„Ist es dafür nicht schon zu spät?“

„Caranthir, es ist nie zu spät.“

Traurig schaute Caranthir zu seinem Sohn und Maeglin legte seine Hand auf dessen Schulter. Ermutigend sprach er leise weiter: „Versuch es einfach…, dein Sohn ist etwas Besonderes!“

Caranthir atmete tief durch. Er reichte Maeglin die Zügel seines Pferdes und schritt langsam auf Findecàno zu.

*-*-*

Celgorm saß nachdenklich am Lagerfeuer, als ihm Hambras ein Stück Fleisch reichte.

„Danke Hambras“, meinte er und starrte wieder ins Feuer.

Karanthir fehlte ihm sehr. Er hatte ihm immer die nötige Ruhe und Kraft gegeben. Aber seit seine Schwester dahinter gekommen war, dass sich ihr innigst geliebter Bruder in den Hüter der elfischen Träume verliebt hatte, tat sie alles in ihrer Macht stehende, um das zu unterbinden.

Celgorm verstand nicht, warum seine eigene Schwester etwas gegen diese Verbindung hatte. Er kam auch nicht dahinter, welchen Plan sie verfolgte. Warum war sie so gegen das Waldvolk?

Sein Vater hatte sich immer um gute Verbindungen zu den Waldvölkern bemüht, die an seinem Reich angrenzten. Stets hielt er die diplomatischen Verbindungen am Laufen. Doch das hatte sich leider nach seinem Tod geändert, als Celgorms ältere Schwester den Thron übernommen hatte.

Auch im eigenen Reich verschlechterte sich der Zustand des Volkes zusehends. Das Volk verarmte, während die Reichen, die sich um Maranwe scharrten noch mehr Geld anhäuften.

Jeder Versuch seitens Celgorm, seine Schwester milde zu stimmen, schlug fehl. Cûrontalf war nicht mehr das, was es einmal verkörpert hatte. In seinen Gedanken versunken beobachtete Celgorm seine Männer, die ausgelassen am Feuer saßen und ihren Gwin tranken.

Sie wussten nicht, dass Maranwe sie als verzichtbare Opfer eingeplant hatte. Celgorm überzog eine Gänsehaut und es schüttelte ihn leicht. Sein Blick wanderte Richtung Finwe, der etwas abseits an einen Baum gelehnt saß und irgendetwas mit einem Buch zu schaffen hatte.

Einzig dieser Mann konnte seine Pläne durchkreuzen. Wenn er Caranthir helfen wollte, so musste er ihn loswerden. Seine Augen funkelten finster und er bekam Angst vor sich selbst.

*-*-*

„Hallo Vater“, sprach Findecàno leise.

„Findecàno…“, erwiderte Caranthir und nickte kurz.

Ihre Blicke trafen sich und verharrten eine Weile. Bis Findecàno tief durchatmete und seinen Kopf beugte.

„Ich habe dich wohl sehr verletzt?“, fragte Findecàno.

„Nein mein Junge, das hast du nicht! Du hattest ja recht, weil ich mich wie ein liebeskranker Jüngling benahm.“

„Nein Vater, es gibt mir kein Recht dich zu kritisieren. Liebe ist zeitlos. Und wenn du mit Celgorm glücklich werden willst, dann wäre ich der Letzte, der dir im Wege stehen würde.“

„Wirklich? Ist das dein Ernst? Ich will meinen Sohn nicht verlieren, weil ich eine neue Liebe gefunden habe, mit der er nicht einverstanden ist.“

„Vater, du hast dein eigenes Leben und ich meines. Und wenn ich daran denke, wie du mich unterstützt hast, um mit Maeglin zusammen zu kommen, bereue ich es zutiefst, dir solche Vorwürfe gemacht zu haben.“

Ein schwaches Lächeln huschte über Caranthirs Lippen, doch sein Blick verfinstere sich gleich wieder.

„Was ist Vater, dein Blick ist so betrübt.“

„Es ist wegen Celgorm“, antwortete Caranthir und schaute seinem Sohn wieder in die Augen, „seit Maranwe ihn unter ihren Bann gestellt hat, habe ich nicht mehr mit ihm gesprochen. Ich befürchte, dass sie seinen Geist gegen mich wendet.“

„Celgorm ist ein Mann mit starkem Charakter. Ich denke sie hat keine Chance ihn irgendwie zu etwas anderem zu bekehren.“

„Du weißt selbst, zu was Maranwe alles fähig ist.“

Das wusste wohl jeder dieser Gruppe, weil er es irgendwann einmal selbst zu spüren bekommen hatte.

„Was machen wir hier, Maeglin?“, fragte Elwè.

„Wir suchen nach dem Buch *Parf il galad*“

„Und was ist das für ein Buch?“

„Das wüsste ich auch gerne“, meinte Maeglin mehr zu sich selbst denn als Antwort.

„Und warum suchen wir es dann?“, fragte Elwè weiter.

„Weil wir eine Antwort brauchen. Eine Antwort auf das, was auf uns zukommen wird.“

„Das Buch kann hellsehen?“

„Nein, das kann es nicht, Elwè. Aber ich denke, wenn es meine Fragen beantwortet, wissen wir, welchen Weg wir einschlagen müssen“, antwortete Maeglin und streichelte Elwè durchs Haar.

„Das verstehe ich jetzt nicht.“

„Das musst du auch nicht verstehen.“

„Und wo finden wir das Buch?“

Lonàn verdrehte indes die Augen, weil sein junger Freund Maeglin immer noch mit Fragen löcherte.

*-*-*

Celgorms Männer hatten das Lager abgebrochen und befanden sich nun auf dem schmalen Pfad den Berg hinauf. Keiner sagte ein Wort und alle konzentrierten sich auf den Weg, um nicht die steile Felswand hinunter zu stürzen.

In Celgorms Gedanken zogen dunkle Wolken zusammen. Sein Plan, Finwe zu töten, verstärkte seinen Hass auf diesen Mann. Doch wie konnte er es anstellen, ohne dass es jeder mitbekommen würde?

Er schaute leicht über die Schulter und sah, dass trotz der Bemühungen seiner Leute Finwe dicht hinter ihm ritt. Celgorms Gesicht verzog sich zu einem widerlichen Grinsen.

Er dachte angestrengt nach, als er über sich leise Geräusche hörte. Sein Blick wanderte nach oben und er sah noch, wie ein paar kleinere Steine die Felswand hinunter fielen.

Er war gewarnt worden, dass die Magie seiner Schwester auch in ihm existiere. Nie wollte er davon Gebrauch machen, doch jetzt spürte er diese Macht in sich wachsen. Celgorm dachte an den steilen Feldvorsprung über ihnen und konzentrierte sich fest auf ihn.

Der Boden schien plötzlich unter ihnen nachzugeben, alles fing an zu beben. Die Schreie seiner Männer nahm Celgorm nicht wahr, zu sehr war er von diesen Kräften gefangen.

Die ersten Felsbrocken lösten sich und stürzten in die Tiefe. Nicht nur Finwe, auch andere wurden mit in die Tiefe gerissen. Und plötzlich war wieder alles still, nur der feine Staub, den die Lawine hinterließ, trübte noch die Luft.

Celgorm selbst stand mit seinem Pferd am gleichen Platz wie vor dem Beben. Was hatte er da gerade getan? Er hatte andere seinesgleichen in den Tod geschickt! Verzweifelt und betrübt ließ er den Kopf sinken und begann zu schluchzen.

*-*-*

„Maeglin, was ist los? Du schaust so finster…“, fragte Findecàno seinen Liebsten besorgt.

„Jemand hat sich der Macht bedient und es sind Unschuldige dabei gestorben…“, antwortete Maeglin leise.

In der Halle wurde es plötzlich ruhig. Jeder hielt inne und Maeglins Worte hallten leise nach.

„Es hilft nichts Maeglin, wir müssen diese Schriften finden“, kam es von Caranthir, „irgendwo müssen doch diese alten Überlieferungen stehen.“

„Was für Überlieferungen genau sind es denn“, meldete sich nun Golradier zu Wort, der die ganze Zeit nur geschwiegen hatte.

„Ich habe dir schon erzählt, es geht um dein Siegel der Liebe und das goldene Schild der Freundschaft, welches Amras trägt, sowie um den Sonnenanhänger des Lichts“, antwortete Maeglin.

Nach dem Golradier verwundert zu Amras geschaute hatte, der Träger des goldenen Schilds sein sollte, wandte er sich wieder zu Maeglin.

„Und wer besitzt diesen Sonnenanhänger?“, fragte er.

„Das weiß ich eben nicht. Deswegen suche ich die Schriften des Aikanáro Elendil.“

„Hast du wenigstens einen Hinweis, ob es Schriftrollen oder ein Buch oder sonst was ist?“, fragte Findecàno.

„Ist es ein Buch mit drei Sonnen drauf?“, fragte Elwè plötzlich.

„Elwè, misch dich bitte nicht ein“, sagte Lonàn, der Elwè auf der Schulter trug.

„Ist schon in Ordnung, Lonàn“, meinte Maeglin, „wieso fragst du Elwè?“

„Ich hab hier so ein Buch, da sind drei Sonnen drauf gemalt.“

Alle hörten auf bei ihrer Suche und traten zu den beiden Jungelfen.

„Kannst du mir das bitte geben?“, fragte Maeglin.

Elwè beugte sich herunter und reichte Maeglin das alte Buch. Dieser begann sofort darin zu blättern.

„Was hat es mit den Schriften des Aikanáro Elendil auf sich?“, fragte Findecàno.

„Aikanáro war jahrelang damit beschäftigt, die Verbindungen der Häuser zu Papier zubringen.“

„Und was erhoffst du dir zu finden?“

„Im Hause des Huor wurde damals der Sonnenanhänger aus weißem Metall gefertigt. Und ich möchte wissen in welchem Haus er sich jetzt befindet.“

„Was ist so Besonderes an diesem Anhänger?“, fragte Golradier.

„Dem Schmied war damals ein kleines Missgeschick passiert. Ihm fiel ein Glas mit Wasser auf den Anhänger. Der Anhänger war jedoch noch so heiß, dass Teile des Glases sofort schmolzen und sich mit dem Metall verbanden.“

*-*-*

Celgorms Atmung beruhigte sich nicht und der Schmerz in seiner Brust wurde immer stärker. Was hatte er nur getan? Er verlor sein Gleichgewicht und fiel vom Sattel seines Pferdes.

Hart schlug er gegen den felsigen Boden.

„Herr?“, hörte er es noch irgendwo her rufen, dann schloss sich die Dunkelheit um ihn.

Als er später wieder zu sich kam, fühlte er eine mollige Wärme.

*-*-*

„Ich kann es nicht glauben…“, flüsterte Caranthir und ließ sich auf den Stuhl sinken.

„Es steht aber so geschrieben“, sprach Maeglin, „… an das Haus Helyanwe weiter gereicht, Herrscher über Bruchtal.“

Sie hatten die Halle wieder verlassen und standen zusammen unter freiem Himmel. Jeder schwieg und sogar Elwè traute sich nicht etwas zu sagen.

„Ich höre Reiter… vier oder fünf… Ein Pferd ist schwer beladen“, kam es von Aredhrel, die bereits ihr Schwert gezogen hatte.

„Erwartet ihr jemanden?“, fragte Maeglin den Waldelf, der sie die ganze Zeit begleitet hatte.

Doch dieser schüttelte nur den Kopf. Er schloss seine Augen und sog tief Luft ein. Alle konnten nun die Verwandlung des Waldelfen in einen Bären beobachten.

„So etwas habe ich noch nie gesehen…“, kam es von Elwè begeistert.

Die anderen reagierten nicht auf Elwè, sondern zogen schweigend ihre Waffen.

„Findecàno und Amras, ihr bleibt hier bei den Jungs und Golradier. Der Rest kommt mit mir!“

Keiner widersprach.

„Ich habe Angst Lonàn“, meinte Elwè und versteckte sich hinter diesem.

„Dir wird nichts passieren. Schau, alle passen auf uns auf“, sprach Lonàn beruhigend und nahm ihn in den Arm.

Golradier fühlte sich ebenfalls unbehaglich. Auch er suchte nun die Nähe von Amras, der ihn kurz anlächelte und sich dann wieder auf den Eingang zur Stadt konzentrierte.

Doch nichts war zu hören. Keine Schreie und auch keine Kampfgeräusche. Golradier fing an zu zittern. Zu unheimlich war diese Situation. Amras schien dies zu bemerken und nahm ihn in den Arm.

„Keine Angst, ich bin bei dir“, flüsterte er in Golradiers Ohr und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.

Plötzlich aber waren doch Stimmen zu hören und alle wandten sich in deren Richtung. Als erstes erschien der Bär, der nun noch imposanter als zuvor aussah, gefolgt von Maeglin und den drei Kriegerinnen.

Dann tauchten Reiter und schließlich auch Caranthir auf. Dieser lief neben einem Pferd her, auf dessen Rücken zwei Reiter saßen, wobei der eine davon eher leblos in den Armen des anderen Reiters hing.

„Celgorm?“, rief Amras erstaunt.

Golradier sah zu den Reitern, wusste aber nicht, wen von ihnen Amras gemeint hatte. Dieser ließ ihn plötzlich los und lief zusammen mit Findecàno zu den beiden Reitern. Sie halfen ihnen, die leblose Gestalt vom Pferd zu ziehen.

„Celgorm… hörst du mich?“, sprach Caranthir leise.

Nun war auch Golradier klar, wer Celgorm sein musste.

*-*-*

Celgorm hörte wie durch einen Nebel eine ihm bekannte Stimme. Doch er traute seinen Sinnen nicht. Niemals konnte Caranthir in seiner Nähe sein. Wenn er herausfand, was Celgorm getan hatte, würden ihre zarte Bande der Liebe für immer zerbrechen.

„Ich glaube, da ist jemand erwacht“, meinte Maeglin.

Caranthir eilte zum Bett und kniete sich daneben.

„Celgorm… Geliebter, hörst du mich?“

Celgorm fühlte sich schlecht und schämte sich.

„Warum… bist du hier?“, fragte er Caranthir.

Caranthir verstand nicht, schaute zu Maeglin.

„Kann es sein, dass dein junger Freund ein großes Problem mit sich hat?“, fragte Maeglin

„Inwiefern?“, kam es von Caranthir.

„Er hat große Schuld auf sich geladen.“

Caranthir schaute wieder zu Celgorm und griff nach dessen Hand. Dieser entzog sie aber gleich wieder.

„Ich… ich habe… getötet.“

Caranthir atmete durch, denn er hatte sich etwas anderes vorgestellt.

„Liebster, es ist Krieg… und es gibt Opfer.“

„Aber…, aber nicht so.“

„Das verstehe ich nicht, erkläre es mir bitte Celgorm.“

„Ich… habe Durst…“

„Hier Caranthir, gib ihm davon“, meinte Maeglin und gab Caranthir eine kleine Flasche, „langsam trinken. Ich lasse euch nun alleine.“

*-*-*

Golradier stand am Fenster und schaute auf den Wald vor der Stadt. Seine Stimmung war ins Unermessliche gesunken. Was passierte hier? Vor ein paar Tagen war er noch in seiner Welt gewesen und nun hatte sich alles so unbegreiflich und rasant verändert.

Gut, es war nicht die beste Welt, aber er war für sich gewesen und hatte auf niemanden Rücksicht nehmen müssen. Aber nun hatte er so viele nette Menschen kennen gelernt, die ihn so akzeptierten wie er war.

„Wo sind deine Gedanken geliebter Golradier“, riss ihn Amras aus den Gedanken, was  Golradier zusammen zucken ließ.

„Entschuldige bitte, ich wollte dich nicht erschrecken. Soll ich dich alleine lassen?“

„Nein Amras, bleib bitte bei mir. Es ist nur…, vor ein paar Tagen noch, da war mein Leben noch stumpf und auch irgendwie sinnlos gewesen. Und jetzt? Alles ändert sich, plötzlich gibt es jemanden, dem ich wichtig bin.“

„Das kann ich verstehen.“

„Und… und es gibt dich. Du liebst mich, obwohl du mich noch nicht richtig kennst.“

„Ich sehe und fühle, lieber Golradier. Ich kann dir nicht sagen, warum mein Herz so voller Liebe für dich ist. Aber in deiner Nähe fängt es an wie wild zu schlagen. Ein Wort von dir reicht aus, um meinen Körper erzittern zu lassen… eine Berührung von dir lässt mich alles um mich herum vergessen.“

Golradier lächelte. Die trüben Gedanken über sein Leben verschwanden und er sah nur noch Amras vor sich.

„Ich liebe dich auch!“, flüsterte er, glitt vom Fenster herunter und trat näher an Amras heran.

„Egal was passiert, Golradier. Ich verspreche dir nicht mehr von deiner Seite zu weichen, denn du bist meine Zukunft und auch mein Leben.“

Beide fielen sich in die Arme und ergaben sich in einen Kuss voll Leidenschaft.

*-*-*

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du einen Elfen lieben kannst, an dessen Händen Blut klebt“, meinte Celgorm verbittert.

„Nein, das kannst du nicht, weil du nicht weißt, wie sehr ich dich liebe.“

Caranthir hatte Celgorms Hand in die seine genommen und streichelte sanft dessen Handrücken. Er schaute tief in Celgorms traurige Augen.

„Unser Weg ist schwierig, Celgorm. Und ich weiß auch, dass es noch mehr Opfer geben wird… auf beiden Seiten. Dass du dich von Finwe befreien musstest, ist mir klar.“

„Du hasst mich nicht?“, fragte Celgorm mit leiser Stimme.

„Würde ich sonst hier an deinem Lager sitzen?“

Ein winziges Lächeln zierte Celgorm Lippen.

„Und warum geht es mir jetzt trotzdem nicht besser?“

„Das liegt wohl an dem Kampf, den dein Herz führt. Die Macht deiner Schwester hat schon mehr Besitz von dir ergriffen als ich gedacht hatte.“

„Die Macht meiner Schwester?“

Caranthir machte sich an Celgorms Hemd zu schaffen und öffnete es. Zum Vorschein kam ein Amulett.

„Ich hoffte es so sehr“, meinte Caranthir und hob das Amulett an. „Weißt du, was du am Hals trägst?“

„Ja, das habe ich von meinem Vater überreicht bekommen. Es soll die Familie verkörpern.“

„Nein Celgorm, es ist das Amulett des Lichtes und deine Familie war Hüter dieses Schatzes.“

„Ich verstehe nicht, Caranthir.“

„Du bist das Licht… Amras die Freiheit und Golradier vereint euch beide mit Liebe.“

„Du sprichst in Rätseln.“

„Du kennst das Beleg Neled Gîl?“

„Ja, die drei Sonnen an unserem Himmel.“

„Ja und diese Sonnen stehen für Licht, Freiheit und Liebe. Eben wie dein Amulett, Golradiers Siegel der Liebe und Amras’ goldenes Schild der Freiheit. Alle drei vereint können sie eine Macht entfesseln, die weit über unsere Vorstellungskraft hinaus reicht.“

„Du meinst also, wenn… wie auch immer… wir drei zusammentreffen, entsteht eine Macht, die allem Übel ein Ende setzt?“

„Ja.“

„Aber ich verstehe nicht. Wenn dem so ist, wie du mir berichtest, warum weiß Maranwe nichts darüber? Es wäre doch ein Leichtes für sie gewesen, sich meines Amuletts zu bemächtigen.“

„Weil es alleine keinen großen Wert besitzt. Nur zusammen mit den beiden anderen kann es die Macht erwecken.“

„Sie hätte sich der anderen auch bemächtigen können…“

„Du verstehst mein Reden immer noch nicht. Nicht das Amulett oder die anderen Artefakte zusammen erwecken die Macht, sondern nur gemeinsam mit den Trägern wird dies geschaffen.“

„Und was bringt es Maranwe nach Golradier zu jagen?“

„Sie will sich nicht der Macht bedienen, Celgorm. Sie möchte sie endlich vernichtet wissen. Wenn Golradier nicht mehr am Leben ist, wäre die Macht für immer verloren.“

„Erst jetzt sehe ich die Dinge klarer. Ich konnte Maranwes Beweggründe, einen nichts sagenden Elfen zu jagen, nicht verstehen. Aber damit ist meine Frage immer noch nicht beantwortet. Warum fühle ich mich so schwach?“

„Das Amulett.“

Celgorm schaute Caranthir fragend an.

„Du trägst das Amulett des Lichts an dir, verfügst über die Kräfte der Helyanwes. Aber du hast die dunkle Seite deiner Kräfte benutzt, welches im Gegensatz zu deinem Amulett steht. Ich vermute, es wird sich dagegen gewehrt haben.“

„Ich weiß nur noch, dass mir schlecht und schwarz vor Augen wurde…, dann muss ich wohl vom Pferd gekippt sein.“

„Und wie geht es dir jetzt?“

„Besser, auch wenn mir immer noch etwas schwindlig ist.“

„Ich frage deshalb, weil wir morgen recht früh aufbrechen müssen.“

„Das bisschen Ruhe wird mir schon helfen…“

„Ich liebe dich Celgorm…“

Celgorms Augen wurden wieder feucht.

„Ich dich auch… Caranthir… ich dachte, ich werde dich nie wieder…“

„Nein, nicht… du bist jetzt hier bei mir und gemeinsam schaffen wir das!“

„Ist… ist dein Sohn auch hier?“

„Findecàno? Ja, er ist auch hier.“

„Ich weiß, dass er mich nicht mag…“

„Er kennt dich nicht richtig. Lass ihm Zeit, bitte. Mein Sohn ist mir wichtig und ich möchte, dass ihr euch gut versteht.“

*-*-*

Amras Hand strich sanft über den nackten Rücken seines geliebten Golradiers. Er war ganz vernarrt in diesen Elf. Sie hatten sich geliebt, zum ersten Mal und für Golradier war ein Wunsch in Erfüllung gegangen.

Es war das erste Mal gewesen, dass er diese Liebe spüren durfte. Die Leidenschaft Amras’ hatte ihn völlig mitgerissen. Wild rieben sich ihre Körper aneinander, bis tief in sich hatte Golradier Amras’ Liebe spüren dürfen.

Er drehte den Kopf zu Amras und lächelte ihn an. Sanft erhob er sich und gab ihm einen innigen Kuss. Golradiers Hände wanderten dabei über Amras’ weiche Haut, der wieder leise zu stöhnen begann.

Amras ließ sich nach hinten fallen und zog Golradier auf sich. Seine Hände strichen weiter über Golradiers Rücken, der sich vor Lust wieder kräftig anschmiegte.

„Willst du…?“, fragte Amras fast nicht hörbar.

Mit großen Augen sah Golradier Amras an. Bisher war er nur benutzt worden, doch nun lag ein Mann unter ihm, der ihn über alles liebte und ihn diese Liebe spüren ließ.

„Du meinst…?“

Amras nickte.

*-*-*

„Was ist süßer Engel? Du schaust so nachdenklich“, fragte Maeglin, der sich zu Findecàno ins Bett kuschelte.

„Ich denke an meinen Vater.“

„Hast du Angst um ihn?“

„Nein, das nicht gerade…“

„Aber?“

„Ich weiß nicht, was Celgorm vor hat.“

„Celgorm ist in seinem Herzen gut. Seinen inneren Kampf mit der falschen Seite wird er gewinnen – mit der Hilfe deines Vaters und auch mit unserer.“

„Bist du sicher?“

„Findecàno, ich kann nicht in die Zukunft sehen, aber in meinem Herzen spüre ich, dass alles gut wird.“

Findecàno schaute in die Augen seines Freundes und lächelte.

*-*-*

Elwè gähnte herzhaft und hatte Mühe sich aufrecht auf dem Pferd zu halten. Er war es nicht gewohnt, so früh aufstehen zu müssen und dementsprechend war auch seine Laune.

Lonàn hatte vorsichtshalber eine Leine am Pferd befestigt, die er nun hinter sich herzog, damit Elwè nicht völlig vom Weg abkommen konnte

„Wann glaubst du, werden Maranwes Männer uns eingeholt haben?“, fragte Maeglin und schaute zu Caranthir.

„Ich weiß es nicht. Da sie nicht gewarnt werden konnte, wird sie noch niemanden losgeschickt haben. Ich denke schon, dass wir ein paar Meilen Vorsprung haben.“

„Wir müssen unbedingt vor Anbruch der Dunkelheit die Burg von Ustav erreichen. Dort haben wir etwas Schutz vor Maranwes Lakaien.“

„Da hast du sicher Recht, aber dann dürfen wir keine großen Pausen machen.“

„Meinst du Elwè und Lonàn halten das durch?“

„Wir werden sehen.“

Die Gruppe hatte den Pass erreicht und ritt, einer nach dem anderen, durch den schmalen Durchlass. Elwè schaute ängstlich die steilen Felswände hinauf, als würde er darauf warten, dass Teile der Wände auf sie herab stürzten.

Aredhrel hob den Kopf und horchte in die Luft, aber außer dem Hufschlag ihrer eigenen Pferde war nichts zu hören. Eine gedrückte Stimmung machte sich breit. Der schmale Pfad wurde noch enger, so dass zwischen den Reitern und den Felswänden nur noch wenige Fingerbreit übrig waren.

Maeglin schien in Gedanken versunken zu sein, denn er bemerkte nicht, wie ihn sein Geliebter fixierte. Findecàno liebte diesen Mann und er hatte ihm so viel zu verdanken. Maeglin hob nun doch den Kopf, blickte zu Findecàno und lächelte.

Nach der letzten sehr engen Biegung tat sich vor ihnen endlich das große Tal in sattem Grün auf. Inmitten dieses verwunschenen Ortes ragten die Türme der Burg Ustav dem Himmel entgegen. Eine Weile später erreichten sie die Tore der Festung.

Es war seltsam, dass keinerlei Wachen am Tor postiert waren und auch, dass das Tor weit offen stand. Caranthir ritt voraus. Keiner von ihnen sprach ein Wort, denn auch sonst lag über diesem Ort eine seltsame Stille.

Auf den Wegen innerhalb der Burg war kein einziger Elf zu sehen und auch sonst keine Wachen oder Soldaten. Caranthir schaute besorgt zu Maeglin, der diesen Blick nur mit einen Schulterzucken erwiderte. Am Hauptgebäude angekommen hielten alle kurz inne.

„Ich schlage vor ihr wartet hier und Maeglin und ich suchen Ustav auf“, sprach Caranthir leise, aber doch bestimmend.

Wie geheißen stiegen alle ab und Caranthir betrat gemeinsam mit seinem Freund den großen Saal. Wo sonst Leben und großes Treiben herrschte, war nun Stille und Einsamkeit.

„Ich spüre große Traurigkeit“, meinte Maeglin leise.

„Aber wo sind alle?“, wollte Caranthir wissen.

„Frage mich etwas Leichteres. Als wäre alles Hals über Kopf verlassen worden. Ich spüre nicht einmal Magie, keinerlei Kräfte, nur große Traurigkeit.“

„Lass uns zu Ustavs Gemächern gehen…“

Gemeinsam schritten sie die große Treppe empor, die sich wie eine Schlange an den Mauern hinauf wand. Oben angekommen fanden sie jedoch das gleiche Bild vor, das sich ihnen auch schon in den unteren Räumen geboten hatte.

Jedoch aus einem der Zimmer schien ein schwaches Licht und Maeglin steuerte sogleich darauf zu. Caranthir hatte längst sein Schwert gezogen und folgte ihm.

*-*-*

„Lonàn, mir ist kalt“, sagte Elwè leise.

„Maeglin kommt gleich wieder, dann können wir auch hinein.“

„Braucht Maeglin noch lange?“

„Ich weiß es nicht Elwè.“

Wie Lonàn machten sich auch die anderen Gedanken darüber, was hier wohl geschehen sein mag, doch widersetzte sich keiner den Worten Caranthirs. Und so stand jeder bei seinem Pferd und wartete.

Golradier blickte zu Amras, der etwas in seiner Satteltasche suchte und näherte sich ihm langsam, dabei sein Pferd hinter sich her ziehend.

„Warum ich?“, fragte er leise, als er dicht neben Amras stand.

Amras, leicht aus den Gedanken gerissen, drehte sich um.

„Was meinst du?“

„Warum bin ich der Auserwählte? Ich versteh das nicht. Ich habe eine ganz normale Familie und soweit ich weiß, gab es nie große Elfen in unserer Ahnenlinie.“

„Zweifelst du etwa an dir selbst? Golradier höre mir zu. Es ist nicht wichtig, welchen Stand man begleitet, ob du ein Fürst oder ein einfacher Handwerker bist. Jeder ist etwas Besonderes in seiner Art.“

„Aber ich,…“

„Da gibt es kein wenn und aber, Golradier. Du bist, wer du bist! Und ich liebe dich von ganzem Herzen, mit jeder Faser meines Körpers.“

„Du… du kennst mich doch noch gar nicht richtig.“

„Ich kenne dich Golradier Calafalas. Das, was ich wissen muss, weiß ich und das genügt mir auch.“

Golradier errötete leicht und ein sanftes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab.

*-*-*

Maeglin zeigte schweigend auf die zweite Tür des Raumes und Caranthir schlich leise zu ihr. Auf ein weiteres Zeichen hin stießen sie beide die Tür auf und stürmten in den dahinter liegenden Raum. Maeglin war bereit sofort einen Zauberfluch zu brüllen, doch der Raum war leer. Das schwache Licht stammte von dem Feuer, das im Kamin vor sich hinloderte.

„Was ist hier nur passiert? Ustavs Burg galt als uneinnehmbar“, kam es von Caranthir.

„Bis Maranwe ihre Leute hier eingeschleust hat“, hörten sie eine tiefe Stimme und fuhren zusammen.

Die Stimme erklang aus dem Sessel, der mit der Rückenlehne zu ihnen am Fenster stand.

„Ustav?“, fragte Maeglin.

„Ja, der war ich einmal…“

Sie umrundeten den großen Sessel und fanden Ustav halb liegend im Sessel vor. Aus einer klaffenden Wunde an der Schulter floss das Blut über seine Brust und Caranthir zog sofort seinen kleinen Beutel hervor.

„Caranthir, du brauchst dich nicht zu bemühen… es ist zu spät. Das Gift hat sich schon im ganzen Körper verteilt…“

„Ach Quatsch, mit Hilfe von Maeglin haben wir dich ruckzuck wieder auf den Beinen!“

Caranthir schaute fragend, fast flehend zu Maeglin, doch dieser schüttelte nur schweigend den Kopf.

„Caranthir, ich weiß wann meine Stunde geschlagen hat…“

„Ustav, was ist hier passiert?“, wollte Maeglin wissen.

„Ich war zu vertrauensselig. Maranwe muss ihre Leute schon vor Wochen eingeschleust haben. Sie hatten uns ohne jede Vorwarnung überrumpelt. Alles was fliehen konnte, verließ die Stadt.“

„Wo ist euere Leibwache.“

„Weggeschickt…“

„Aber warum,…“, begann Caranthir zu fragen.

„Schweig, Caranthir. Ihr müsst weiter ziehen, ihr seid hier nicht sicher.“

„Aber wir können dich doch hier nicht zurücklassen“, sprach Maeglin.

„Ihr müsst gehen, ich habe meine Aufgabe auf dieser Welt erfüllt.“

Ustav begann zu husten, sein Gesicht verzog sich dabei vor Schmerzen.

„Maeglin… Caranthir… hört mir zu…“

„Ustav nicht…“

„Ich… ich muss euch noch etwas sagen…“

Beide schoben ihre Köpfe näher heran, um Ustav besser zu verstehen zu können. Dieser zog unter seinem Hemd eine Kette hervor, an der ein Schlüssel befestigt war.

„… des Kinder waren es… drei, doch der König… aus Angst vor Ireth of Dorthonion…“

„Die böse Hexe des Nordens…“, sprach Maeglin leise.

„Ja…“, gab Ustav nur noch im Flüsterton von sich, „… die Älteste Tochter gab… er weg… sie zu finden… eure Aufgabe ist, denn nur sie…“

Ustav atmete schwer durch.

„Was kann sie? Und welchen König meinst du?“, fragte Caranthir.

„Sie… kann… gegen… Maranwe…, frag… deinen… Gelieb…“

Ustavs Stimme erstarb. Sein Blick wurde starr und kalt. Maeglin strich mit seiner Hand über Ustavs Augen, um sie zu schließen.

„Ein großer Krieger hat uns verlassen …“, flüsterte Maeglin.

„Was hat er damit gemeint ‚frage deinen Geliebten’?“, fragte Caranthir.

„Frag Celgorm…“

„Aber was?“

Maeglin zuckte mit den Schultern.

„Und was machen wir jetzt?“

„Wir geben Ustav seine letzte Ehre.“

„Du willst ihn verbrennen?“

Maeglin nickte und Caranthir trat etwas zurück, während Maeglin seine Augen schloss und seine Arme erhob.

„Ad an Ceven, man ennas din boe, lith na ast e ast na Ceven”, sprach Maeglin und augenblicklich ging Ustav in Flammen auf.

Aber es waren keine Flammen, wie Caranthir sie kannte. Sie strahlten in einem gold roten Ton und schienen sich auf Ustavs Körper zu beschränken. Der große Stuhl blieb davon gänzlich unversehrt. Langsam zog sich Ustavs Körper immer mehr zusammen und blaue Funken stoben durch den Raum, bis letztendlich nur noch etwas Asche übrig blieb.

„Was willst du jetzt machen?“, fragte Caranthir erneut.

„Seine Asche in die vier Winde streuen, wie es sich für einen König und wahren Krieger gehört.“

Maeglin nahm eine Schüssel vom Tisch und beförderte die Asche hinein. Ein kurzer Blick zu Caranthir und sie verließen diesen Ort.

*-*-*

Golradier spürte einen feinen Stich in seinem Herzen, sein Anhänger fing an leicht zu glühen.

„Was ist mit dir?“, fragte Amras besorgt.

„Ich weiß es nicht, aber ich habe das Gefühl, etwas ist verloren gegangen.“

In diesem Moment traten Caranthir und Maeglin aus dem Haus und alle Blicke ruhten auf ihnen.

„Was hast du da, Maeglin?“, fragte Elwè neugierig.

„Die Asche Ustavs…“

Elwès Augen wurden groß. Caranthir lief zu seinem Sohn, der Celgorm stütze.

„Celgorm, hast du noch eine Schwester?“

Celgorm hob den Kopf und schaute Caranthir fragend an.

„Nein…, warum fragst du?“

„Dann könnt ihr nicht gemeint sein…“

„Meine älteste Schwester starb, als ich noch jung war…, “ sprach Celgorm weiter.

Caranthir schaute ihn verwundert an.

„Das hast du mir nie erzählt…“

„Du hast nie danach gefragt.“

„Maeglin, er hat eine ältere Schwester“, rief Caranthir Maeglin zu.

Die tot ist“, fügte Findecàno hinzu.

„Nein, dass ist sie nicht“, sprach Maeglin, „sie lebt im Turm des lebenden Holzes.“

Caranthir blickte erstaunt zu ihm.

„Woher weißt du das?“

„Schau dir den Schlüssel an, den uns Ustav gegeben hat.“

„Meine Schwester lebt?“, fragte Celgorm.

„Ja und jetzt fügt sich das Puzzle auch zusammen. Nicht Celgorm alleine trägt das Amulett, seine Schwester hat den anderen Teil.“

„Wie kommst du darauf?“, fragte Findecàno.

„Hätte Celgorm das ganze Amulett besessen, hätte er sich Finwe nicht entledigen können. Die Kraft des Amuletts hätte ihn vernichtet. So aber hat es ihn nur sehr geschwächt.“

Caranthir war indes noch immer mit dem Schlüssel beschäftigt.

„Schau dir die Inschrift an. *Cuin Tawar*.“

Caranthir nickte.

„Dann wissen wir, wohin wir müssen“, sprach Maeglin mit funkelnden Augen.

*-*-*

Nach wie vor sprach keiner der Gruppe auch nur ein Wort. Ustavs Tod hatte eine große Lücke in den Kreis der Verbündeten gerissen und ohne ihn würden sich sicher viele zurückziehen, die bisher zahlreich zur Hilfe gestanden waren.

Ustavs Burg war zur Todesburg geworden. Es würde sich für lange Zeit niemand mehr an diesen Ort zurück wagen. Und ohne Ustav war der Glanz der vergangenen Jahre verschwunden.

Auch in der Gruppe wurde getrauert, denn einige hatten einen guten Freund und Verbündeten verloren. Maeglin wusste, dass sich ihre Chancen im Kampf gegen Maranwe sehr verringert hatten.

Er schaute nachdenklich zu Elwè und Lonàn, den Jüngsten in ihrer Gruppe. Sie hatten noch so viele Jahre vor sich und nun würde ein einziger großer Kampf über ihr weiteres Leben entscheiden. Maeglin hätte die beiden mit ihrer Schwester wegschicken können, aber das hätte das Unvermeidliche nur hinaus gezögert.

Irgendwann werden auch sie Maranwes Häscher erreicht werden.

„Deine Gedanken so fern?“, fragte Caranthir.

„Ja“, antwortete Maeglin.

„Was trüben deine Gedanken?“

Maeglin schaute auf und betrachtete die vor ihm reitende Gruppe.

„Wir sind so wenige…“

„Das ist nicht der Maeglin, den ich kenne, guter Freund. Wo ist deine Überzeugung, dein unerschütterlicher Glauben an das Gute geblieben?“

„Verbrannt und in alle Richtungen verstreut.“

„Glaubst du wirklich, dass Ustavs Tod zu einem Ungleichgewicht der Kräfte beigetragen hat? Schau da vorne, Golradier. Ich sage dir, an ihm hängt die Hoffnung aller, die sich gegen Maranwe zu Wehr setzen.“

„Hoffnung? Hoffnung heißt etwas nicht zu wissen und darauf zu bangen, dass es vielleicht doch geschieht. Nur das Wissen über etwas beruhigt.“

„Maeglin du klingst so bitter…“

„Ja tu ich Caranthir. Ich weiß, was ich kann und doch ist es, als wäre es nicht genug. Schau zu deinem Sohn. Ich liebe ihn und doch denke ich oft, ich zeige ihm nicht genug von dieser Liebe, die so übermächtig in meinem Herz verankert ist.“

„Das glaube ich jetzt nicht Maeglin. Mein Sohn weiß sicher, wie sehr du ihn liebst, was du für ihn alles tust und auch tun würdest.“

„Ist das genug?“

„Gegenfrage! Findest du es richtig, jemanden nach dem zu bewerten, was er kann und leistet? Ist es nicht vielmehr richtig in jedem das zu sehen, was er ist?  Ist es nicht viel mehr so, dass man den Wert eines jeden überhaupt nicht erahnen kann?“

„Da magst du Recht haben, aber…“

„Da gibt es kein Aber, Maeglin!“, fiel ihm Caranthir ins Wort, „solange nicht jeder so denkt, wird jemand wie Maranwe immer die Gelegenheit haben, über andere Macht auszuüben.“

„Du als Hüter der elfischen Träume hast gut reden.“

„Was habe ich denn noch zu behüten? Schau wie tief unser Volk gesunken ist. Wenn nicht bald eine neue Zeit antritt…“

Caranthir brach ab und atmete tief durch.

„Siehst du in Golradier einen Gefallenen, der seinen Körper für Gold an andere verkauft hat?“, setzte Caranthir neu an.

„Nein, das tu ich nicht. Das ist etwas ganz Anderes.“

„Warum ist es etwas Anderes? Weil du Golradier kennst?“

Maeglin schaute ihn an.

*-*-*

„Der, der mir meinen Bruder wieder bringt, lebendig oder tot, bekommt diesen Goldbeutel von mir“, sagte Maranwe und hob einen kleinen Beutel gefüllt mit Goldstücken in die Höhe.“

„Wäre lebend nicht besser?“, fragte Finwe.

Er saß etwas gebückt auf einem Stuhl neben Maranwe, die von ihrem Thron auf ihn hinab blickte.

„Das sagst gerade du, den er fast umgebracht hat? Finwe, ich muss mich sehr über dich wundern. Hat dich der Umgang mit meinem Bruder weich gemacht?“

„Nein, aber ich würde gerne selbst Hand anlegen und deinen Bruder ins ardh i gorthrim schicken.“

„Mein Guter, du bist wirklich weich geworden. Ins Reich der Toten ist viel zu wenig für meinen Bruder. Ich wüsste etwas Besseres.“

„Ich bin ganz Ohr!“

„I themais en mengui gorthrim!“

Finwe schaute erstaunt.

„Diesen Ort gibt es wirklich?”

„Die Halle der tausend Tode?“

„Ja, ich dachte das sei nur eine Legende.“

„Mein lieber Finwe, es gibt so vieles, was du nicht weißt. Aber egal, was mit meinem Bruder passiert. Er muss vernichtet werden.“

„Und was ist mit diesem Golradier?“

„Den werde ich mir persönlich vornehmen!“

*-*-*

Golradier stocherte in der Glut des Feuers. Er war nicht müde und sein Blick wanderte zu Amras, der schlafend neben ihm lag. Dass Amras ihn liebte, war für ihn wie ein Traum und unbeschreibbar.

Jemand, der ihn so annahm, wie er wirklich war und ihn nicht wegen seiner Vergangenheit verurteilte. Zu oft hatte er dies erleben müssen und war immer tiefer in den Sog der Selbstzerstörung gerutscht.

Zweimal hatte er schon versucht, seinem Leben ein Ende zu setzen und jedes Mal war er gefunden und gerettet worden. Damals hätte Golradier gerne darauf verzichten können, doch jetzt hatte sein Leben wieder einen Sinn bekommen.

Amras schien nun sein Leben zu bestimmen, aber nicht so wie er es von früher gekannt hatte. Er hatte sich in Golradiers Herz breit gemacht. Das erste Mal in seinem noch jungen Leben spürte er so etwas wie richtige Liebe.

Es musste Liebe sein, denn sein ganzer Körper, sein Geist, alles an ihm hing an Amras. Nie hätte er es für möglich gehalten, so fühlen zu dürfen.

„Kannst du nicht schlafen?“, flüsterte eine Stimme neben ihm.

Golradier fuhr zusammen, als er aus seinen Gedanken gerissen wurde. Zwei funkelnde Augen, erhellt durch das Feuer, schauten ihn an. Amras schien aufgewacht zu sein und blickte ihn immer noch fragend an.

„Ich kann nicht schlafen…“

„Wie wäre es denn, wenn du unter meine Decke kriechst, dich in meinen Arm legst und dann versuchst etwas zu schlafen?“

„Guter Vorschlag“, meinte Golradier lächelnd.

Er beugte sich hinunter, während Amras seine Decke anhob. Eng aneinander gelehnt legte Amras seinen Arm um Golradier und zog ihn noch enger an sich heran.

Der feine Geruch von Golradiers Haar stieg Amras in die Nase und er lächelte.

„Besser?“, fragte Amras.

„Ja“,  hauchte Golradier und bald darauf schliefen sie ein.

Fast lautlos schlich der Fremde aus seinem Versteck zurück zu seinem Pferd. Er hatte genug gesehen und wollte Maranwe Bericht erstatten. Ein dreckiges Grinsen zierte sein Gesicht, denn der Belohnung von Maranwe konnte er sich sicher sein.

*-*-*

„Los Männer, nicht so lahm!“

Huor Culnàmo war sich seiner fast aussichtslosen Lage bewusst. Zu spät hatte er begriffen, was der Handel mit Maranwe ihm und seinem Volk bescherte. Sie saugte es regelrecht mit immer neuen Forderungen aus.

Die einzige Chance, die er noch hatte war, diesen Golradier vor Maranwes Häschern zu finden. Nein, er wollte nicht die Belohnung, Gold hatte er selbst genug von dem Maranwe nichts wusste.

Nein, er wollte sich Golradier und seiner Gruppe anschließen, von der er schon gehört hatte, denn gegen Maranwe konnte man jeden Mann gut gebrauchen. Was geschieht, wenn man sich mit ihr anlegte, hatte er in Ustavs Festung gesehen.

Wurde dieser Kampf verloren, würde es seinem Volk schlecht ergehen. Aber daran wollte er jetzt nicht denken. Diese dunkle Zeit der Verzweiflung musste ein Ende haben.

*-*-*

„Ich spüre die Anwesenheit eines Fremden in der Nähe“, sagte Lonàn plötzlich.

Golradier sah zu Amras, der, wie er selbst auch, den Sattel belud. Seit langem hatte er etwas geschlafen und war nicht von Alpträumen heimgesucht worden. Golradier hoffte, dass ihm auch Amras bald seine ganze Geschichte erzählen würde.

Er wusste bisher nur, dass Amras etwas Schlimmes widerfahren sein musste. Etwas, das ihn ständig quälte und nicht zur Ruhe kommen ließ.

„Dann wird es Zeit, dass wir weiter reiten“, meinte Caranthir.

Alles sattelte auf und machte sich auf den weiteren Weg über den schmalen Bergpfad hinunter zum Broichental. Wie auch am Vortag war es sehr ruhig in der Gruppe. Fast keiner sprach ein Wort. Nicht einmal Elwè, der sonst pausenlos am Reden war.

„Wenn die Sonne im Zenit des großen Adlers steht, werden wir Cuin Tawar erreicht haben“, sprach Maeglin zu Caranthir.

„Was wird uns da erwarten?“

„Denkst du, Maranwe wird vor uns dort sein?“

„Ich traue ihr einiges zu.“

„Es ist nicht so, dass ich sie nicht akzeptiere oder sie unterschätze.“

„Aber Maeglin, ich verstehe nicht, wie kannst du so jemanden akzeptieren?“

„Du verwechselst da etwas. Ich akzeptiere sie als Gegner, aber ich respektiere sie nicht! Das ist ein großer Unterschied. Wenn du deinen Feind nicht unterschätzt und ihn akzeptierst, hast du schon halb gewonnen.“

„Das ist mir verständlich, aber nicht leicht zu erfüllen.“

„Nur wenn du eins mit dir selbst bist, deine Energie nicht durch Negatives blockiert wird, dann fließt deine Kraft ungehindert durch deinen Körper.“

„Entschuldigt, dass ich mich in eure Unterhaltung einmische. Ist es denn nicht ein Verrat an sich selbst, wenn man den Gegner akzeptiert?“, fragte Golradier, der die ganze Unterhaltung mitbekommen hatte.

„Junger Freund, mir ist verständlich, dass dir meine Worte ein Rätsel sein müssen, denn du wurdest lange Zeit weder akzeptiert, noch respektiert. Schau aber zurück auf unsere Gruppe. Jeder einzelne hier akzeptiert und respektiert dich. Amras liebt dich sogar.“

Bei diesen Worten Maeglins senkte Golradier seinen Kopf, leichte Scham überkam ihn.

„Maranwe dagegen akzeptiert dich weder, noch respektiert sie dein Dasein. Und das ist ihre Schwäche, die sie irgendwann zu Fall bringen wird. Ihr Übermut und ihre Gier werden sie selbst vernichten.“

Golradier hob wieder den Kopf.

„Und indem ich meine Feinde akzeptiere, bewahrt es mich vor diesem Schicksal?“

„Ja, weil du deinen Streit mit dir selbst, welcher dir nur Schmerz und Leid bringt, beigelegt hast.“

„Meinen Streit mit mir?“

„Entschuldige junger Freund, wenn ich dir jetzt zu nahe trete, aber dachtest du nicht oft seit unserer ersten Begegnung, du wärst nichts wert und hast dich gefragt, wieso jemand an dir auch nur etwas Interesse zeigt?“

Betrübt ließ Golradier den Kopf wieder sinken und nickte.

„Und so verhält es sich auch mit deinen Feinden. Du hast Angst vor ihnen, aber das ist gut. Angst hält den Geist wach. Aber…“, Maeglin atmete tief durch, „Angst kann sich auch ins Gegenteil verwandeln. Deine Angst kann dich behindern, indem du zulässt, dass andere Macht über dich gewinnen. Aber wenn du akzeptierst, dass deine Feinde real sind, dass du sie aus eigener Kraft oder mit der Hilfe durch uns besiegen kannst, so werden sie keine Macht über dich erlangen können.“

Golradier verstand langsam, was ihm Maeglin beibringen wollte.

„Wir werden verfolgt…, ungefähr zehn Reiter“, sagte Aredhrel.

„Was denkst du?“, fragte Findecàno, „Feind oder Freund?“

Maeglin atmete tief durch und schaute in die Augen seines Geliebten.

„Ich sehe viel, aber weiß nicht alles zu deuten. Ob Feind oder Freund, vermag ich nicht zu sagen. Zu viele Eindrücke überfluten meine Sinne.“

„Ich kann nur sagen, dass sie sehr schnell näher kommen und wir auf diesem Pfad recht ungeschützt sind“, meinte Aredhrel.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Elwè ängstlich.

„Weiter reiten“, sagte Caranthir bestimmend, „es bringt uns nichts, wenn wir Halt machen. Dort vorne wird der Pfad breiter und wir können Schutz bei den Bäumen suchen.“

Wie Caranthir gesagt hatte erreichten sie bald die breitere Stelle des Pfades. Er selbst zog Celgorms Pferd hinter die schützenden Bäume, der immer noch nicht recht bei sich war.

Lonàn und Elwè folgten ihnen. Die anderen stiegen von ihren Pferden ab und zogen ihre Waffen.

„Ich dachte eigentlich, wir kämen bis zum lebenden Turm… war wohl nicht so“, kam es von Amras.

„Golradier, du gehst wohl besser zu den anderen hinter die Bäume“, sagte Maeglin.

„Wieso? Sie sind doch sicher hinter mir her, warum sollte ich mich dann nicht auch selbst verteidigen?

„Und wie viel Kampferfahrung hast du?“

Auf diese Frage hin musste Golradier verlegen den Kopf senken.

„Bitte Golradier, folge den Weißungen von Maeglin“, sprach Amras.

Golradier sah den besorgten Blick Amras’ und zog nun doch an der Leine seines Pferdes, um den anderen hinter die Bäume zu folgen.

„Sie kommen!“, hörte man Aredhrel sagen.

In diesem Moment kamen tatsächlich Reiter an der letzten Biegung des Pfades zum Vorschein, die plötzlich inne hielten. Ein einzelner Reiter aber ritt weiter mit gehobener Hand auf sie zu.

„Seid gegrüßt. Ich bin Huor Culnàmo, Sohn des Brigtorn Culnàmo. Herrscher des Fingolfin Míriel.“

„Was ist dein Begehr?“, fragte Maeglin und ließ sein Schwert sinken.

„Mich euch anschließen. Ihr seid doch die Gruppe um Golradier?“

Caranthir schaute Maeglin verwundert an.

„Wenn es Huor so leicht gelungen ist, uns zu finden, dann werden die Häscher Maranwes nicht mehr weit sein“, meinte Marayne.

„Da magst du wohl recht haben“, kam es von Amras.

„Wir waren bemüht, unsere und auch eure Spuren zu verwischen“, gab Huor von sich.

„Und wie wissen wir, dass man Euch und Euren Männer vertrauen kann?“, fragte Findecàno, der immer noch in seiner Abwehrhaltung verweilte.

„Ich habe da etwas, was euch helfen kann.“

„Und was?“, fragte Maeglin verwundert.

Huor stieg nun ab und knotete seinen Umhang auf. Wenig später zog er einen Gegenstand unter seinem Kittel hervor, der dem von Celgorm sehr ähnelte. Ein leises Aufstöhnen war aus dem Hintergrund zu hören.

„Celgorm?“, rief Caranthir besorgt.

„Alles in Ordnung“, hörte man aus dem Versteck der anderen.

Obwohl keiner Entwarnung gegeben hatte, kamen nach und nach alle hinter den Bäumen hervor. Celgorm sah nicht gut aus und lief an seinem Pferd angelehnt.

Maeglin nickte Huor zu, der wiederum seinen Männern das Zeichen gab, näher kommen zu können. Diese ritten daraufhin langsam näher und stiegen hinter Huor ab. Celgorm stand nun direkt neben Caranthir, der ebenso wie Huor das Amulett unter seinem Hemd hervor zog. Augenblicklich begann es leicht zu glühen.

„Ich weiß nicht, wie viel Ihr über das Amulett wisst“, sprach Huor weiter.

„Gerade soviel, dass es meinem Weggefährten durch das Amulett schlecht ergeht“, antwortete Caranthir.

„Es ist nicht gut, nur einen Teil des Amuletts zu tragen. Es wurde geteilt, damit die gute und die schlechte Seite bestehen konnten. Ich für meinen Teil habe die Hälfte mit der positiven Kraft bekommen…“

„Von wem?“, fragte Maeglin.

„Mein Vater hat es mir kurz vor seinem Tode überreicht. Er sagte mir aber nicht, dass ich, wenn ich das Amulett trage, immer die Wahrheit sage. Auch nicht, dass ich nicht misstrauisch bin…“

„Das kann einen großen Nachteil bringen“, meinte Maeglin.

„Stimmt, so ist mein Volk nun auch den Fängen von Maranwe ausgeliefert. Ich sehe, eurem Freund geht es nicht sehr gut. Wurde das Amulett einmal genutzt, so entzieht es dem Träger die positive Energie.“

„Geht es mir deswegen so schlecht?“, kam es von Celgorm.

Huor antwortete nicht auf diese Frage, sondern schritt zu Celgorm. Er hob die beiden Teile zusammen, die sogleich mit einem kurzen Lichtblitz verschmolzen. Celgorm richtete sich langsam auf.

„Alles in Ordnung mit dir Cel?“, fragte Caranthir.

„Die Schmerzen sind weg…“

„Das Gute und das Schlechte wirken gegeneinander und bringen dadurch ein Gleichgewicht zustande“, erklärte Huor, „es wird sicher nicht lange dauern und deinem Freund geht es wieder besser.“

„Ich möchte euch ja nur ungern unterbrechen, aber die Zeit drängt“, meinte Marayne.

„Marayne hat Recht, wir sollten weiter reiten“, kam es von Maeglin.

„Darf ich dem ehrenwerten Golradier Calafalas noch ein Geschenk machen?“, äußerte Huor noch einen Wunsch.

Alle schauten sich an.

„Ja natürlich“, meinte Caranthir, „aber wo ist das Problem?“

Huor schaute etwas verlegen.

„Ich… ich kenne hier niemanden außer Maeglin… vom hören sagen.“

Maeglin grinste leicht, hob seine Hand und wies zu Golradier, der seinen Kopf zum Gruß neigte. Huor gab einem seiner Männer die Zügel seines Pferdes in die Hand und schritt zu Golradier.

„Lieber Golradier, ich möchte Euch mein Leben schenken und Euch dienen.“

Huor verneigte sich tief.

„Aber…“, Golradiers Stimme versagte.

„Was unser junger damit Freund sagen möchte ist, dass er Euch zu Dank verpflichtet ist, werter Huor“, half Caranthir.

Golradier sah erst zu Caranthir, dann wieder zu Huor.

„Danke!“, brachte er leise über die Lippen.

„So Leute, aufsitzen! Maranwes Truppen werden nicht schlafen“, kam es von Maeglin und wenig später befand sich die Gruppe um Golradier weiter auf dem Weg zum lebenden Holz.

*-*-*

„Aber Herrin, wollt ihr Euch wirklich in die Gefahr begeben und mit dem mächtigen Zauberer Maeglin zusammen treffen?“, sprach Finwe.

„Du kleiner Ungläubiger. Maeglin ist nichts weiter als ein billiger Straßenkomödiant! Er hat nichts, rein gar nichts, was er mir entgegen setzen könnte“, antwortete Maranwe, die ihr Pferd den steilen Bergpfad hinunter lenkte.

Da kam ihnen ein einzelner Reiter auf dem Bergpfad entgegen. Maranwe hob die Hand und ihr Trupp stoppte augenblicklich. Der Fremde stieg ab und eilte zu Maranwe, wobei er von Finwe argwöhnisch beobachtet wurde.

Nachdem der Reiter Maranwe etwas mitgeteilt hatte, zeichnete sich auf ihren Lippen ein breites Grinsen ab.

„Das trifft sich gut, so übernehme ich auch gleich die Herrschaft über das Fingolfin Míriel.“

Maranwe schien sich siegessicher, was aber Finwe keineswegs beruhigte.

*-*-*

„Das ist doch nur ein alter Baum“, meinte Golradier zu Amras.

„Und doch birgt er viele Geheimnisse in sich“, erwiderte Maeglin, der dicht hinter ihnen ritt, „und du hast den Schlüssel, um ihn zu öffnen.“

„Nur ein Mensch mit reiner Seele und der Liebe aller in sich vereint, kann das Geheimnis des lebenden Holzes offenbaren“, sagte Caranthir.

Golradier war verunsichert. Reine Seele, dazu zählte er wohl kaum. Zuviel Last hatte er auf sich geladen, begonnen bei seinen Eltern. Maeglin schaute ihn an und schüttelte den Kopf.

Maeglin schien sich seiner Sache so sicher zu sein und doch zweifelte Golradier an seinen Worten. Trotz Caranthirs Befürchtungen waren sie als erstes am Cuin Tawar angekommen.

Huors und Celgorms Männer versorgten die Pferde und schlugen ein Lager auf, während der Rest an den Baum heran schritt. Je näher sie dem Baum kamen, umso riesiger kam Golradier das Gehölz vor.

Maeglin reichte ihm einen Gegenstand. Eben welchen, den er nach Ustavs Tod an sich genommen hatte.

„Versuch dein Glück…“, sprach Maeglin leise.

Unsicher lief Golradier nun alleine weiter auf den Baum zu, dessen Blätter sich sanft im Wind wogen. Doch etwas fehlte. Golradier konnte außer dem Geräusch der arbeitenden Männer keine anderen Geräusche hören.

Wo waren die Vögel, die sie während ihrer Reise mit ihrem Gezwitscher begleitet hatten? Wo waren die Geräusche fließender Gewässer, die sie zu Hauf überquert hatten?

Irgendetwas in seinem Inneren sagte Golradier, dass es nicht richtig war, was er hier tat. Ein Fehler, den sie alle bereuen würden. Doch bevor Golradier seine Bedenken äußern konnte, brach wildes Geschrei um sie herum los.

Aus allen Teilen des umliegenden Waldes stürmten Krieger auf sie zu. Maeglin, Caranthir, genauso überrascht wie die anderen, zogen sofort ihre Waffen. Amras nahm sich schützend den beiden jungen Elfen an, die verängstigt zu Boden gegangen waren.

„Das ist eine Falle“, schrie Celgorm und zog ebenfalls sein Schwert.

Sekunden später war die große Lichtung von Geschrei und Schwerterklingen erfüllt.

„Golradier, öffne den Baum“, rief Maeglin.

Ängstlich und unsicher schritt Golradier weiter, immer auf der Hut nicht von einem der niederprasselenden Pfeile getroffen zu werden. Sein Blick fiel auf Amras, der sein Schild schützend über Elwè und Lonàn hielt.

„Amar ortha pron“, schallte es über die Lichtung und augenblicklich fing die Erde an unter Golradiers Beinen zu beben.

Sein Blick folgte der Richtung, aus dem der Ruf geklungen war und konnte eine Frau auf einem schwarzen Pferd ausmachen. Es musste Maranwe sein, denn wer sonst außer Maeglin sollte solch eine Macht über die Erde besitzen.

Wie auch die anderen wurde Golradier zu Boden geworfen. Lediglich Maeglin stand noch auf seinen Beinen. Er hatte seine Hände gen Himmel erhoben.

„Gwelwen leb lin tir nif“, rief Maeglin.

Ein kräftiger Wind kam auf und erschwerte jede Bewegung. Maranwe jedoch schien das nicht zu stören, ihr Pferd scheute nicht einmal. Golradier kroch indes mühsam weiter Richtung Baum.

„Oh nein, du nichtsnutziger Elf aus der Gosse, diesen Triumph gönne ich dir nicht!“, hörte Golradier Maranwe schreien.

Wenige Augenblicke später wurde Golradier durch die Luft geschleudert und blieb stöhnend auf dem Boden liegen. Amras Wut entbrannte, als er dies gesehen hatte und er rannte schreiend, mit gezogenem Schwert zu Maranwe.

Diese hob lediglich ihre Hand und nach ein paar unverständlichen Worten schoss ein Lichtball auf Amras zu, der ihn hart traf.

„Neeeeeeeeeein“, schrie Golradier.

Tränen traten in seine Augen, als Amras regungslos auf dem Boden liegen blieb. Elwè und Lonàn hatten sich zu Golradier geflüchtet, auch wenn sie da nicht viel Schutz erwarten konnten.

Maranwe und Maeglin bekämpften sich mit aller Macht ihrer Magie. Immer wieder streckte der Zauber einige Krieger nieder, Maranwes – und auch einige der eigenen Leute. Golradier sah mit weinenden Augen zu, wie einer nach dem anderen seiner Freunde zu Boden ging.

„Elwè, nimm du den Schlüssel, versuche du dein Glück und öffne den Baum!“, rief Golradier.

Der junge Elf kauerte total verängstigt an Lonàn.

„Ich kann das nicht“, schrie Elwè.

„Doch du kannst“, schrie Lonàn, der kurz darauf ebenso wie Amras von einem Lichtblitz getroffen und stöhnend zu Boden ging.

Mit weit aufgerissenen Augen stürzte sich Elwè auf Lonàn und schrie immer wieder seinen Namen. Findecàno wollte Elwè zu Hilfe kommen, doch auch ihn ereilte dasselbe Schicksal wie die anderen.

Maeglin, von diesem Anblick sichtlich geschockt, wurde unvorsichtig, auch ihn traf ein Lichtblitz. Ein schrilles, kreischendes Lachen war von Maranwe zu hören. Golradier kroch zu Elwè.

„Bitte Elwè… öffne den Baum!“, sagte Golradier.

Elwè saß abwesend bei Lonàn und weinte.

„Willst du dass Lonàn stirbt?“, schrie Golradier mit letzter Kraft.

Bei diesen Worten erwachte Elwè aus seiner Trance. Er griff nach dem Schlüssel und rannte zum Baum. Maranwe erkannte dies zu spät und konnte mit ihren Lichtblitzen nichts mehr ausrichten.

Elwè erreichte den Baum. Er nahm den Schlüssel und suchte nach einem Loch, in den er ihn stecken konnte. Doch er fand kein Loch, schon gar nicht eins, in das dieser seltsam geformte Schlüssel aus Holz gepasst hätte.

„Schließe deine Augen und vertraue deinem Herzen!“, hörte er Maeglins Stimme in seinem Kopf.

Erschrocken schaute Elwè zu Maeglin, der jedoch noch immer regungslos am Boden lag.

„Schließ deine Augen!“

Elwè befolgte die Worte, schloss seine Augen und streckte die Hand aus. Er hörte vor sich ein leises knisterndes Geräusch. Die Augen langsam öffnend sah er, wie der Schlüssel mit dem Baum verschmolz.

Erneut bebte der Boden, aber diesmal nicht auf einen Fluch Maranwes hin. Es ging vom dem Baum aus. Er fing an regelrecht zu leuchten. Die Schreie und die Kämpfe verstummten, alles wich von dem Baum zurück.

„Kämpft weiter, ich will keinen mehr lebend sehen“, schrie Maranwe.

Ihr Pferd scheute nun ebenfalls und sie hatte Mühe, sich auf dessen Rücken zu halten. Das Licht wurde stärker, fast konnte man den Baum nicht mehr erkennen. Elwè war zu Lonàn gerannt und hatte diesen schützend in seine Arme genommen.

Golradier nahm unter Schmerzen wahr, wie dem Baum eine Frau entstieg.

„Ich Silmarwen, Göttin von Beleg Neled Gîl, bringe in Ordnung, was du Maranwe ins Unheil getaucht hast.“

„Schwester, du hast dich gut gehalten. Das weiße Kleid steht dir gut.“

„Schweig!“

„Du hast mir nichts zu sagen, Silmarwen. Das bisschen Leuchten beeindruckt nicht!“

„Du wirst sehen, wo dich deine Gier und deine Habsucht hinführen werden.“

Silmarwen hob die Arme.

„Erthad alle i hên en galad!“

Vereint euch ihr Kinder des Lichts? Golradiers Schmerzen ließen ihn diese Worte nur am Rande mitbekommen. Doch er spürte, dass in ihm etwas vorging.

„Nein Schwesterherz, das werde ich nicht zulassen!“, schrie Maranwe.

„I dûr conui o i galad!“

In Golradier wuchs eine Kraft, die unermesslich schien. Maranwes Spruch, die Dunkelheit herrsche über das Licht, schien keine Wirkung zu haben. Er richtete sich langsam auf und merkte, dass er ebenso von diesem Licht eingehüllt wurde wie Silmarwen.

„Ich habe dich schon einmal mit einem Bann belegt, dann wird es mir auch diesmal wieder gelingen“, schrie Maranwe weiter.

Golradier nahm wahr, dass auch Amras und Celgorm von diesem Licht umhüllt waren. Langsam gingen sie aufeinander zu.

„Du hast verloren, Maranwe, sieh es ein… gib auf!“

Trotz der Wut von Maranwe gegen ihre Schwester blieb Silmarwen sehr ruhig. Ihre Stimme klang warm und sanft.

„Niemals werde ich aufgeben. Zuviel habe ich schon erreicht!“

„Dann kann ich dir nicht helfen, Maranwe. Ergib dich deinem Schicksal!“

Maranwe fing nach diesen Worten laut an zu lachen.

„Banad no le, gwerth i mitias en dûr!“

„Man kann das Dunkel nicht als Wahrheit bezeichnen, Maranwe, doch du hast das Leben verraten und die Liebe!”

Golradier spürte, wie sich eine fremde Macht über seinen Geist legte. Er gehorchte, weil er daran keinen Fehler sah. Wir er selbst hoben auch Amras und Celgorm ihren rechten Arm, bis sich ihre Hände dabei berührten.

Maranwe schrie auf. War sie bisher so sicher auf ihrem Pferd gewesen, so kam sie nun ins Wanken und stürzte zu Boden. Auch Maeglin und die anderen erhoben sich, keiner von ihnen schien Schaden vom Kampf davon getragen zu haben.

„Die Prophezeiung erfüllt sich! Die Macht der drei Gestirne gebündelt in der Liebe… vernichtet das Dunkel aus unseren Herzen!“, rief Maeglin.

Golradier hatte seine Augen geschlossen, er spürte diese ungeheure Kraft, die durch seinen Körper floss. Er glaubte, sein Verstand müsse zerbersten, doch er blieb weiterhin stehen. Er spürte Amras, dessen Geist, ebenso wie der von Celgorm mit ihm verbunden war.

Durch sie hindurch floss reine Energie des Lichts. Caranthir konnte seinen Geliebten fast nicht mehr sehen, so hell war nun das Licht um ihn. Findecàno hielt seinen Vater zurück, als er versuchte näher heran zu treten.

„Nicht Vater, störe nicht die Wiederkunft des Lichts!“, sprach er leise.

„Schon gut mein Sohn, darauf habe auch ich schon so lange gewartet.“

Findecàno lächelte seinen Vater an, der ihn fest in seine Arme nahm.

„Gail conui pân lû, bartha i môr, edlenn I ogol! Badhrone I Nin alpuig gûr ar noast I pant ninpa ar methel!”

„Licht, herrsche alle Zeit, verdamme die Dunkelheit, verbanne das Böse. Richte die mit unreinem Herzen und empfange die volle Reinheit und Liebe!“, sprach Maeglin leise nach.

Golradier und die beiden anderen fuhren zusammen und wie eine Welle breitete sich das Licht aus. Unzählige Schreie waren zu hören. Und mit einem Male war alles vorbei und still.

Maranwe und ihre Häscher waren verschwunden. Keiner sagte ein Wort, keiner bewegte sich.

„Ist es vorbei?“, fragte plötzlich Elwè und durchbrach damit die Stille.

„Ja“, sagte Maeglin und schaute sich um.

„Schwester?“, kam es von Celgorm.

„Bruder“, sagte Silmarwen und ihre Lippen zierte ein Lächeln.

„Ich wusste wirklich nicht, dass du noch am Leben bist. Immer wieder erzählte mir Maranwe von deinem Tod.“

„Sie wird nie wieder ein Wort erheben und die Herzen vergiften. All ihre Untertanen werden für immer gerichtet sein.“

„Sie wird nie wieder kommen?“, fragte Elwè unsicher.

„Nein, mein Sohn!“, antwortete Silmarwen.

„Sohn?“, fragte Caranthir verwundert.

„Ja, Elwè ist mein Sohn, nur er konnte mich befreien.“

„Aber ich dachte Golradier wäre der Auserwählte…“

„Ist er auch, denn nur er konnte Elwè hier her führen.“

„Du bist meine Mutter?“, fragte Elwè ungläubig.

Silmarwen nickte und streckte ihre Arme aus, schon rannte Elwè los und fiel in ihre Arme. Lonàn stand lächelnd da und freute sich für seinen Freund.

*-*-*

„Wie wird es jetzt weiter gehen?“, fragte Golradier.

„Ich weiß es nicht. Aber in einem bin ich mir sehr sicher. Ich werde dich nie mehr alleine lassen“, antwortete Amras.

Golradier lächelte.

„Ich liebe dich, Amras.“

„Ich liebe dich auch.“

Amras schaute Golradier lange an.

„Was ist?“

„Du musst noch etwas erledigen…“

„Was denn?“, fragte Golradier.

„Wir sollten in ein kleines Dorf reiten und jemanden besuchen.“

„Ich weiß nicht wen du meinst?“

„Deine Eltern…“

„Meine Eltern? Aber…“

„Nichts aber, geliebter Golradier. Wir werden das schon schaffen.“

„Wir?“

„Ja. Nicht du und ich, sondern WIR! Gemeinsam werden wir alles vollbringen, was wir uns erträumen.“

Golradier gab Amras einen langen innigen Kuss.

„Danke, dass es dich gibt!“

„Danke, dass ich bei dir sein darf“, erwiderte Amras und küsste Golradier.

*-* Ende *-*

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